Jeder hört es... von SherlocKai (... aber niemand hört zu.) ================================================================================ Kapitel 1: Der 5. März 2007 --------------------------- 05. März 2007 Mister Eisklotz schlägt zurück! Es ist jeden Tag das Gleiche. Ich stehe auf, frühstücke und dann fängt der ganze Stress auch schon an. Ich mein’ ja nur. Er weiß doch, dass ich nun mal gern ein langes und ausgiebiges Frühstück habe. Wieso muss er dann schon nach 10 Minuten sagen, dass wir unsere Ärsche hochkriegen sollen, nur weil er meint, dass wir trainieren müssen? Klar, wir wollen Erfolg haben und möglichst auch an der nächsten WM teilnehmen und sie gewinnen. Ist ja alles schön und gut, aber nur, weil man schon bei Sonnenaufgang zu trainieren anfängt, heißt das noch lange nicht, dass man besser wird. Man muss sich schließlich auch auf die Übungen einlassen und darauf konzentrieren können. Was ich einfach nicht kann, wenn ich immer noch Hunger habe. Aber das versteht der Herr ja nicht. Er denkt, nur weil er schon um 5 Uhr morgens aus dem Bett kommt, heißt das nicht, dass wir das auch können. Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass Kai ein Arschloch ist? 05-03-2007 Oh my... Heute dachte ich wirklich, dass Kai Takao vor das nächstbeste Auto wirft. Er hatte so einen bösen und wirklich durchgeknallten Blick drauf. Really! He looked like a psycho on asylum vacation! Aber ich muss auch sagen, dass Takao einige der Dinge, die er da von sich gegeben hat, lieber für sich hätte behalten hätte sollen. Er wäre ja genauso wütend, wenn man zu ihm sagt, er sei so ein verdammt großes Arschloch, dass man gar nicht mehr weiß, was an ihm Arsch und was Loch ist. (Even if it’s really fucking hilarious.) Aber so ist Takao. Sagt immer alles frei heraus. Außerdem hatte er ja auch ein bisschen Recht damit. Kai ist wirklich... kein netter Mensch. Als ich heute zum Beispiel meinen Playstationcontroller gesucht habe, da hat er zu mir gemeint, dass, wenn ich mir nicht langsam mal Gedanken darüber mache, wie ich im Kampf schneller werde, er mir den Controller quer in den Arsch schiebt. ... Wenn ich es mir recht überlege... Kai ist so ein großes Arschloch, dass man nicht mehr weiß, was an ihm Arsch und was Loch ist. Period. Kapitel 1 Mit einem leisen Klacken fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und er fuhr sich seufzend durch die Haare. Warum war er heute eigentlich aufgestanden? Genauso gut hätte er liegen bleiben und darauf warten können, dass diese drei Rotzbälger vom anderen Stern von einem LKW überfahren werden. Zumindest hätte er sich aber eine Menge Nerven gespart. Er fragte sich manchmal, ob er hier überhaupt ernst genommen oder nur für den Pausenclown gehalten wurde. Warum wurde alles, was er sagte so penibel abgewogen und bewertet? Negativ bewertet, wohlgemerkt. Er war sich inzwischen fast schon sicher, dass er Max fragen könnte, ob er ihm ein neues Spiel für seine dämliche Playstation kaufen sollte, nur um damit belohnt zu werden, dass man ihm vorwarf, er würde das Spiel ja eh mit einer Bombe präparieren. Was erwarteten sie eigentlich von ihm? Mehr Freizeit? Klar. Mehr Essen? Hatten sie doch eh schon genug von. Mehr Respekt? Wieso? Bekam er denn welchen? Kai schnaubte verächtlich als er sich auf die Bettkante setzte und Dranzer auf dem Nachttisch ablegte. Von Respekt konnte er hier ja wirklich nur träumen. Takao, Max und Rei machten zwar, was er ihnen abverlangte, aber so was lief für gewöhnlich nie ohne Streitereien und Gebrüll ab. Man konnte Takao darum bitten, dass er seine Socken von der Treppe nahm. Man konnte Max höflich darauf aufmerksam machen, dass nicht jeder im Haus auf den „Star Wars“ – Soundtrack stand. Man konnte Rei sagen, dass er bitte seine Bürste häufiger säubern sollte, weil im ganzen Haus Haare verteilt waren. ... Am Ende hieß es dann immer nur: „Kai hat mich angeschrien.“ Oder „Kai meint, er müsse über uns bestimmen.“ Vielleicht war Kai ja auch der Einzige im Haus, der nicht auf einer Socke ausrutschen und dann die Treppe runterfallen wollte, oder der das „Star Wars“ – Intro nach drei Wochen einfach nicht mehr hören konnte, oder aber auch der Einzige, der keine 2 Meter langen Haare in seinem Kaffee wollte. Vielleicht war er auch der Einzige, dem all das schon passiert war, aber irgendwann hätte bei den anderen doch mal ein Licht aufgehen müssen, oder nicht? Zugegeben. Er hielt sie für dumm. Takao ganz besonders. Aber ein bisschen Rücksicht war doch nicht zu viel verlangt. Hinter seiner Stirn fing es an zu pochen und Kai verdrehte genervt die Augen. Kopfschmerzen konnte er jetzt gerade ja mal so gar nicht gebrauchen. Kai ließ sich auf das Bett zurückfallen, sodass nur noch seine Beine über die Kante baumelten. Am Liebsten würde er jetzt einfach die Augen zu machen und eine Runde schlafen, aber dazu war es noch zu früh und außerdem sollte er vorher vielleicht noch mal die Dusche von innen sehen. Der Gestank nach Schweiß ging ihm selber schon auf den Zeiger und er wollte nicht, dass sein Bett nachher auch danach roch. So richtig aufraffen konnte er sich jedoch nicht. Er war erschöpft vom langen Training. Und er war müde. Verdammt müde. In der letzten Nacht hatte er nicht mal drei Stunden schlafen können, stattdessen hatte er wach da gelegen und an die Decke gestarrt. So wie in letzter Zeit häufiger. Aus irgendeinem Grund kam er einfach nicht mehr zur Ruhe, denn in seinem Kopf wirbelten Gedanken umher, die er einfach nicht fassen konnte. Sobald er glaubte, einen Gedanken eingefangen zu haben, entglitt er ihm auch wieder. Und so verbrachte Kai seit Wochen die Nächte damit, sich unbekannte Gedanken über unbekannte Themen zu machen. Und das nervte ihn gewaltig. Er fragte sich immer wieder, wie man über etwas so lange und intensiv nachdenken konnte, ohne zu wissen, worüber man da eigentlich gerade brütete. Kai rieb sich über die brennenden Augen. Jetzt ging das schon wieder los. Vielleicht wurde es mal wieder Zeit, das kleine Geheimversteck unter der Badewanne zu plündern. Dort, hinter den Fliesen, hatte Kai eine Packung Schlaftabletten versteckt, damit keiner der Kindsköpfe die Tabletten womöglich noch mit Süßigkeiten verwechselte und sich dann darüber wunderte, dass er nach einer Überdosis tot war. Zuzutrauen wäre es ihnen zumindest. Kai mochte die Tabletten nicht. Wenn er sie nahm, fühlte er sich den ganzen Tag lang matt und irgendwie nicht ganz bei der Sache. Aber sie waren die einzige Möglichkeit um unliebsame Gedanken wenigstens für eine Nacht aus seinem Kopf zu verbannen. Noch vor 3 Monaten hatte er die Tabletten fast jeden Abend genommen, denn da hatte das Team noch gemeinsam im Dojo geschlafen. Doch als fest stand, das Max lieber bei Takao einziehen wollte, statt ständig zwischen der Wohnung seines Vaters und der seiner Mutter zu pendeln, hatte Grandpa beschlossen einige freie Zimmer umzubauen. Und so wurden aus einer Abstellkammer, einem überschüssigen Gästezimmer und einem Teil des Dachbodens, drei neue Zimmer, zwei davon sogar mit eigenen, kleinen Bad. Max hatte es nicht gestört, dass sein Zimmer, die ehemalige Abstellkammer, kein Bad hatte. Schließlich machte es viel mehr Spaß, morgens mit Takao gemeinsam vor dem Spiegel zu stehen und sich mit dem Zahnpastaschaum kleine Schnurrbärte an die Oberlippe zu schmieren. Kurz nach Max war auch Rei eingezogen. Er hatte damals nur irgendwas davon gesagt, dass Mao fast mehr Zeit in seinem kleinen Apartment verbrachte, als er selbst und es sich daher nicht lohnte noch weiter so viel Miete zu bezahlen. Und da ja eh schon 75% des Teams bei den Kinomiyas lebte, hatte man auch Kai breit geschlagen, hier einzuziehen. Natürlich hatte er „Nein“ gesagt, mit der Begründung, dass er wenigstens noch die Aussicht auf eine eigene Wohnung haben wollte, in der er seine Ruhe genießen konnte. Allerdings hatte Rei dann gemeint, dass das purer Unsinn sei. Wie er selbst, hielt sich Kai eh kaum in seiner Wohnung auf, also warum noch Geld dafür bezahlen, wenn er hier umsonst wohnen konnte. Und als ihm dann alle versichert hatten, dass er das Zimmer auf dem Dachboden bekommen würde, wo er soviel brüten und griesgrämig sein konnte, wie er wollte, hatte er schließlich doch noch zugestimmt. Dass er mit Takao allerdings noch ein Wörtchen über das „griesgrämig sein können“ zu wechseln hatte, war obligatorisch. Fakt war jedoch, dass er nach seinem Einzug endlich keinen schnarchenden Takao neben sich hatte. Und auch keinen Max, der eigentlich nur allein für seine Stofftiere ein eigenes Haus gebraucht hätte. Endlich hatte er nachts seine Ruhe, konnte schlafen und die Schlaftabletten lagen seitdem unangetastet unter der Badewanne. Mit einer fahrigen Handbewegung wischte sich Kai über das Gesicht und stand schließlich doch noch auf um lustlos zum Bad zu schlurfen. Außerdem stellte er, die Miene unwillig verziehend, fest, dass sich ein lästiger Muskelkater in seinen Schultern breit machte. Wenn es kam, dann kam es dicke. Und vor allem dann, wenn er es am wenigsten gebrauchen konnte. Auf dem Weg zum Bad streifte er seinen Schal ab und entledigte sich seiner Handschuhe, ehe er, vor dem Waschbecken angekommen, auch seine Jacke und das T-Shirt darunter auszog. Zum Vorschein kam ein dicker blauer Fleck, direkt unter dem rechten Schlüsselbein. Kai hatte beim Training einen Querschläger von Max kassiert. Gesagt hatte er nichts, obwohl er das gerne getan hätte. Aber er war schlicht und ergreifend über das „Ich bin schwer genervt“-Meckern hinaus gewesen und bereits am „Ich bin wirklich massivst genervt“-Schweigen angekommen. Im Nachhinein betrachtet hätte Kai allerdings gleich wieder explodieren können. Max hatte sich nicht mal entschuldigt und das war ja wohl das Mindeste, was man erwarten konnte. Dabei hatte er sehr wohl gesehen, wie sein Blade ein Eigenleben entwickelt hatte. Zum wiederholten Male innerhalb kürzester Zeit seufzte Kai auf, bevor er einen Waschlappen mit kaltem Wasser tränkte und ihn auf den blauen Fleck presste. Viel helfen würde es zwar nicht, aber es konnte zumindest verhindern, dass der Fleck größer wurde. Versonnen warf Kai einen Blick zur Seite auf die Dusche. Er hatte keine Lust zu duschen, wollte aber auch nicht so vor sich hinstinken. Schon allein der Gedanke, wieder 10 Minuten dazustehen, sich vielleicht mal schnell einzuseifen und die Haare zu waschen, war viel zu viel Arbeit, auf die er gut und gerne verzichten könnte. Schließlich legte er allerdings doch den Waschlappen beiseite, zog sich auch die restliche Kleidung aus, löste das Haargummi aus seinen Haaren und stieg unter die Dusche. Vielleicht, so hoffte er, würde das warme Wasser wenigstens gegen den Muskelkater helfen, auch wenn es zur Stimmungssteigerung rein gar nichts beitrug. Die Wassertemperatur auf angenehme 38°C eingestellt, ließ er sich etwas nach vorne fallen, bis er sich mit den Händen an der Duschwand abstützen konnte. Das Wasser prasselte so nun direkt auf seine malträtierten Schultern und er spürte schon nach wenigen Augenblicken, wie sich die verspannten Muskeln lockerten. Nach ein paar Minuten richtete sich Kai wieder auf und blinzelte erst einmal das Wasser aus den Augen. Die Wärme des Wassers hatte ihn noch müder gemacht, als er eh schon gewesen war und so brauchte er drei Anläufe, ehe er endlich das Seifestück in der Hand hatte, das er immer zum Waschen benutzte. Mit vor Erschöpfung leicht zitternden Händen wusch er sich erst das Gesicht, damit die durch das Wasser verschmierte „Kriegsbemalung“, wie Takao es gerne nannte, verschwand, bevor er sich komplett einseifte. Dann wusch er sich noch schnell die Haare, ehe er aus der Dusche heraus nach einem der großen Badehandtücher griff, die direkt neben der Dusche an einem Haken an der Wand hingen. Dick in dem Handtuch eingewickelt stieg er schließlich aus der Dusche. Das Bad war in dicken Nebelwolken verschwunden und als Kai wieder vor dem Waschbecken stand, musste er erst einmal mit dem Handtuch über den Spiegel wischen, um sich zu erkennen. Ein paar kleine blaue Flecken waren zurückgeblieben und so wusch sich Kai noch mal mit dem Waschlappen, den er vorhin benutzt hatte, über das Gesicht, ehe er das Badfenster öffnete und in sein Zimmer zurückkehrte. Während er seinen Kleiderschrank nach frischer Kleidung durchforstete, trocknete er sich ab uns rubbelte sich die Haare trocken. Als er dann schließlich alles gefunden hatte, ließ er das Handtuch aufs Bett fallen und zog sich zuerst die blauen Boxershorts an, die er ausgewählt hatte. Danach folgten eine bequeme, blaue Stoffhose und ein T-Shirt in einem etwas helleren Ton. Als letztes schlüpfte er noch in ein Paar dicker, grauer Wollsocken, die er gerne trug, wenn nicht mehr zu erwarten war, dass er das Haus verlassen würde. Überhaupt trug er nun Sachen, mit denen er niemals in der Öffentlichkeit herumlaufen würde. Nicht mal seine Teamkollegen bekamen ihn oft in diesem Aufzug zu sehen. Für Kai war diese Art der Kleidung sozusagen ein Kennzeichen dafür, dass er sein Tagwerk getan hatte und sich nun endlich mal zurücklehnen und entspannen konnte. Kein Wunder also, dass man ihn in diesen Sachen kaum zu Gesicht bekam, denn wenn Takao und Max in der Nähe waren, war an Entspannung schlichtweg nicht zu denken. Auf seinem Weg zurück ins Bad nahm er noch das Handtuch mit, damit er es zum Trocknen aufhängen konnte. Dann schloss er das Fenster und wandte sich wieder dem Waschbecken und dem Spiegel zu. Kai war fast schon selbst überrascht, als er sein Spiegelbild sah. Sogar er selbst sah sich kaum so derangiert wie jetzt. Gammelkleidung, keine „Kriegsbemalung“, offene Haare. Versonnen fuhr er sich mit gespreizten Fingern durch die grau-schwarze Mähne. Er hatte kaum mitbekommen, dass sie schon so lang geworden waren, denn tatsächlich reichten sie ihm inzwischen bis zur Mitte der Schulterblätter. Nur am Oberkopf waren die Haare kürzer und sobald sie richtig trocken waren, würden sie ein wenig abstehen. Trotz aller Vermutungen waren Kais Haare nicht so unbändig, dass sie von alleine so wild abstanden, so wie es jeder kannte. Sie standen ein wenig ab, aber Kai benutzte zusätzlich ein wenig Gel, um sie noch wuscheliger zu machen. Allerdings verzichtete er jetzt darauf, sich die Haare zu föhnen und wieder Gel hineinzukneten. Stattdessen begnügte er sich damit, sie schnell durchzukämmen und noch einmal ordentlich ausdrücken. Dann putzte er sich die Zähne und machte sich auf den Weg ins Erdgeschoss um sich eine Flasche Wasser aus der Küche zu holen. Unterwegs kam ihm Rei entgegen, der scheinbar auch gerade frisch aus der Dusche kam. Seine Haare waren noch in ein Handtuch eingewickelt und komplett angezogen war er auch noch nicht. Nur nebenbei bemerkte er Reis überraschten Blick, denn wie gesagt, kam es nicht oft vor, dass Kai so herum lief, wie er es gerade tat. Denn was Kais Aufmerksamkeit sehr viel mehr erregte, war ein riesige Matschpfütze mitten auf dem Boden des Flurs. „Max! TAKAO!“ 05/03/2007 Liebes Tagebuch. Heute war mal wieder ein Tag, den man getrost als „Scheißtag“ abstempeln kann. Mao hat sich für nächste Woche angekündigt. Und wenn es etwas gibt, dass ich weniger brauche, als Verstopfung, dann ist es Mao. Ich weiß schon wieder ganz genau, wie das enden wird. Sie wird mir die Ohren voll säuseln, wie sehr sie mich doch liebt, ich werd einfach alles stillschweigend über mich ergehen lassen und am Ende heult sie wieder rum, weil ich ihr nicht zu gehört habe. Tja, Tatsache. Ich habe Mao das letzte Mal zugehört, als ich 4 Jahre alt war und sie mir weiß machen wollte, dass der Regen nichts anderes als die Klospülung der Götter ist. Soviel also zu wahren Geschichten aus Maos Mund. Aber abgesehen von der pinken Invasion nächste Woche, hat Kai heute auch nicht sonderlich dazu beigetragen, dass mein Tag irgendwie besser wird. Zwar hat er nichts direkt gegen mich gesagt (zumindest heute nicht), aber wenn ich dran denke, dass er Takao fast platt gemacht hat, nur weil der mal wieder nicht ruhig sein konnte, als es besser für ihn war. Einerseits verstehe ich Kai ja. Takao kann mit seiner Fresserei manchmal wirklich nerven, andererseits verstehe ich einfach nicht, dass der Kerl wirklich bei der kleinsten Kleinigkeit ausrastet. Man braucht nur „Piep“ sagen und der Mann geht in die Luft. Mal im Ernst, ein Treffen der „anonymen Choleriker“ wäre für Kai vielleicht mal keine so schlechte Idee. Man sagt doch immer, dass es nicht gut für die Gesundheit ist, wenn man sich so viel aufregt. Na, da ist es doch kein Wunder, das Kai schon graue Haare hat. In dem Sinne: Bis morgen. Rei Als es langsam Abend wurde, verlagerte Kai seinen Standort von dem gemütlichen Sessel, in einer Ecke seines Zimmers, auf sein Bett. Er hatte noch immer Kopfschmerzen, war bisher aber zu faul gewesen um die Tabletten aus ihrem Versteck zu holen. Vielleicht lag das aber auch daran, dass er einfach keine Lust hatte, zufällig Max oder Takao zu begegnen. Die beiden hatten seinen heutigen Geduldsfaden nicht nur zum Reißen gebracht, nein, sie hatten ihn regelrecht zerfetzt. Was kamen diese grenzdebilen Freizeitkleinganoven eigentlich auf die Idee Mal eben das ganze Haus unter Matsch zu setzen. Sicher, das Haus gehörte Kai nicht, aber er hasste es einfach in einem Haus leben zu müssen, das nicht wenigstens ein Mindestmaß an Sauberkeit hatte. Mal ganz davon abgesehen, dass Grandpa in Kais Schimpftirade mit eingestimmt hatte, als er die Sauerei gesehen hatte. Wieso also hatte Kai dann an den Kopf geworfen bekommen, dass er sich nicht so aufführen sollte und er eigentlich gar keinen Grund dazu hatte, jetzt so sauer zu sein? Dasselbe hätten sie genauso gut Grandpa vorwerfen können. Aber nein. Kai war ja schließlich der hauseigene Buhmann, also warum arme, alte Männer belästigen, wenn es ihn gab? Als er sich hinlegen wollte bemerkte er, dass er noch immer seine Hose trug. Also stand er noch mal auf, um sie auszuziehen und dann einfach unbeachtet auf dem Boden neben dem Bett liegen zu lassen. Um sich zu waschen hätte er allerdings noch mal ins Bad gemusst. Der Faulheit wegen blieb er heute aber mal ungewaschen. Und was die Kopfschmerzen anging, so musste er das jetzt einfach mal aussitzen. Also schlüpfte er unter die Bettdecke und schloss die Augen, in der Hoffnung bald einzuschlafen. Doch der erhoffte Schlaf kam einfach nicht. Er wälzte sich von links nach rechts, drehte sich vom Rücken auf den Bauch und umgekehrt, doch einschlafen konnte er beim besten Willen nicht. Es war nicht etwa sein schmerzender Kopf, der ihn daran hinderte, endlich einzuschlafen. Vielmehr war es die plötzlich auftauchende Frage, wieso er sich das alles überhaupt noch antat. Er war nun seit über 3 Jahren Mitglied der Bladebreakers und ebenso lange Teamleader und scheinbar auch irgendwie das... ungewollte Ende des Teams. Obwohl ungewollt schon etwas holprig klang. Sicher wollte man ihn im Team haben. Er war einer der besten Blader, die es auf diesem Planeten gab. Aber Kai wurde das Gefühl nicht los, dass es tatsächlich nur seine Begabung fürs Beybladen war, die hier erwünscht war. Denn außerhalb des Rings schlugen ihm nur Ablehnung und Beschimpfungen entgegen. Im Grunde genommen machte Kai das nichts aus. Sollten sie doch so viel schimpfen, wie sie wollten, er machte hier schließlich nur seinen Job. Zwar kämpfte er oft mit härteren Bandagen, aber, das Endresultat betrachtet, machte er seinen Job nicht nur gut, sonder hervorragend. Die Bladebreakers hatten bereits mehrere kleinere Auszeichnungen, 3 japanische Meistertitel und 3 Weltmeistertitel in der Tasche. Sicher war auch Kyoujyu ein beachtlicher Teil dieser Leistung zuzusprechen, doch am Ende war es Kai, der alle wieder zusammengetrieben und dafür gesorgt hatte, dass das Team sein Trainigspensum aufrecht erhielt. Und womit dankte man es ihm? Mit Undankbarkeit. Kai war nun mal kein Mann vieler oder schöner Worte. Er verstand nicht, wozu es nötig war, ewig um den heißen Brei herumzureden, wenn man das, was man sagen wollte, auch in 2 bis 3 Sätzen rüberbrachte. Auch wenn man ihm immer vorhielt, er würde so viel verschweigen und nie sagen, was er dachte, so stimmte das nur zum Teil. Sicher war er verschwiegen. Aber nur bei Dingen, die ihn und sein Privatleben betrafen. Niemand musste wissen, ob er sich auch wirklich jedes mal die Zähne 3 Minuten lang putzte, um zu wissen, ob er ein guter Mensch war. Was jedoch Dinge betraf, die im Training nicht gut liefen, oder die schlichtweg ein Nervfaktor waren, so nahm Kai kein Blatt vor den Mund. Er sagte, was er dachte und das tat er effektiv in wenigen Worten. Das hatte doch, genau betrachtet, nichts damit zu tun, ob er nun einen miesen Charakter hatte, oder nicht. Es war ja nicht so, dass Kai nur rumnörgelte. Tatsächlich kam auch sehr viel Lob von seiner Seite. Jedoch anders als der verbale Ausdruck seines Missfallens, teilte er sein Lob und seine Zustimmung non-verbal aus. Hier ein anerkennendes Nicken, dort ein leises, zustimmend gebrummeltes „Hm“ und jedem sollte klar sein, dass Kai zufrieden war. Dummerweise bemerkte das scheinbar niemand. Er musste zugeben, dass etwas Ausgesprochenes sehr viel länger im Gedächtnis hängen blieb, als nur eine kurze Geste, aber die anderen machten sich ja nicht mal die Mühe darauf zu achten. Sie nahmen sein Schweigen als Tadel auf und das, obwohl sie mit dem Rücken zu ihm standen und gar nicht beurteilen konnten, ob er gerade wütend oder zufrieden aussah. Da wurde dann einfach mal gesagt, er sei sowieso nur ein Miesepeter, würde in Nichts etwas Gutes sehen und wäre sowieso das größte Arschloch der Welt. Aber warum, um alles in der Welt, musste er bei allem erst große Reden schwingen? Das lag ihm nun mal nicht und er selber war der Meinung, dass ein Blick in das Gesicht seines Gegenübers grundsätzlich vielmehr verriet, als die Worte die er aussprach. Kai drehte sich auf den Bauch, schob die Arme unters Kissen und schnaubte unwillig. Wieso wurde er nur so verkannt? Kapitel 2: Der 7. März 2007 --------------------------- 07/03/2007 Liebes Tagebuch. Wenn es da oben so etwas wie einen Gott gibt, dann möge sein Zorn doch bitte das egoistische Haupt des großen Kai Hiwatari treffen. Ich weiß gar nicht, was er sich dabei gedacht hat. Er hat Kopfschmerzen, trainiert nicht mit, verlangt aber von mir, dass ich weitermache. Als ich vor drei Wochen den Kapselriss im Mittelfinger hatte, war das für mich noch lange keine Entschuldigung nicht am Training teilzunehmen, weil ich mit der linken Hand ja nur den Shooter halten muss und das ja auch mit nur 4 Fingern geht. Mit was zum Henker startet dieser Kerl sein Blade, wenn Kopfschmerzen für ihn eine Entschuldigung sind? Oh ja, natürlich. Ich vergaß. Wir sprechen hier ja über Kai. Der darf natürlich alles, hat mordsviele Privilegien. Aber mal ganz im Ernst. Seine dummen Privilegien kann er sich in den Arsch schieben. Rei Kai saß mit geschlossenen Augen am Küchentisch. Vor ihm ein Glas Wasser und eine Packung Aspirin, welche jedoch unangetastet war. Bei dem Dröhnen im Schädel würden Aspirin nicht viel helfen. Seine Kopfschmerzen hatten schon fast den Grad einer ausgewachsenen Migräne erreicht, da wären diese lächerlichen Pillen allenfalls als nettes Naschwerk zu gebrauchen. Seit zwei Tagen quälte ihn nun schon das ständige Pochen und wie es schien, wurde es von Stunde zu Stunde stärker. Dass er seit fast genau der gleichen Zeit kein Auge mehr zugetan hatte, war in der Hinsicht natürlich auch nicht gerade hilfreich. Wahrscheinlich war der Schlafmangel sogar die Ursache für diese Misere. „Takao! Ich glaube, du solltest ihn lieber in Ruhe lassen“, drang Max’ Stimme an sein Ohr. Zeitgleich setzte auch ein gewaltiges Poltern im Flur ein, das nur von den zentnerschweren Schritten des Kinomiya-Sprößlings herrühren konnte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ein Megalosaurus auf Rachefeldzug. „Lass mich, Max! Dem Kerl werde ich jetzt mal die Meinung sagen.“ Sprachs und platzte auch schon in die Küche hinein. Wie in Zeitlupe wischte sich Kai genervt übers Gesicht, ehe er den Kopf hob, die Augen öffnete und Takao einen abschätzigen Blick zu warf. „Was ist?“ Aus Kai Stimme sprach eindeutig Langeweile, aber auch deutliche Genervtheit. Was gab es denn jetzt, worüber sich Takao beschweren musste? Wieder das 15-minütige Frühstück? Das nach hinten verschobene Mittagessen? Die Tatsache, dass heute Abend nicht warm gegessen wurde, sondern nur Brot auf den Tisch kam? „Was denkst du eigentlich, wer du bist?“ Hatte Takao vielleicht gemerkt, dass Kai gestern 5 von seinen 6 Tafeln Schokolade konfisziert hatte? „Wie meinen?“ „Du weißt genau, wovon ich rede, Kai. Also hör auf, den Dummen zu spielen.“ Definitiv die Schokolade. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Takao auch schon fort: „Du machst es dir gemütlich und wir schuften uns draußen zu Tode. Ich hab die Nase langsam voll. Wieso gibt es für dich eigentlich immer Extrawürste?“ Beinahe hätte Kai lauthals losgelacht. Selbst wenn Kinomiya über Trainingsangelegenheiten redete, dachte er ans Essen. „Takao.“ Kais Stimme war trotz seiner leichten Erheiterung gefährlich leise. „Ich kann zu nichts Stellung nehmen, von dem ich nicht mal weiß, was es ist.“ Gedanklich schob er noch ein „Du scheinst das allerdings hervorragend zu beherrschen“ ein, ehe er hinzufügte: „Also geh wieder trainieren und fall mir nicht auf die Nerven.“ „Da! Schon wieder. Scheinbar gelten für dich nicht mal die kleinsten Regeln der Höflichkeit.“ Mit einem genervten Brummen stand Kai auf, nahm sein Glas und stellte es an die Spüle. Dann griff er noch nach den Tabletten und war drauf und dran, an Takao vorbei die Küche zu verlassen, als dieser ihn am Arm zurückhielt. „Wo willst du hin? Wir sind noch nicht fertig.“ Lass mich überlegen, dachte Kai. Du kommst hier rein, ratterst deine üblichen, stupiden Standardsätze runter, gehst mir gewaltig auf den Zeiger und sorgst dafür, dass mir gleich der Schädel platzt. Kai kam nur zu einem Schluss. „Doch, das sind wir.“ Fast wäre ihm ein Laut des Schreckens entwichen, als Takao ihn gewaltsam am Arm herumriss. „Nein, sind wir nicht. Und jetzt hör endlich auf, hier den großen Macker zu markieren. Ich habe deine elendige, arrogante Art so dermaßen satt, dass ich kotzen könnte.“ „Lass mich kurz zusammenfassen, Kinomiya. Du kommst angetrampelt, um mich zu beschimpfen, du hast mich beschimpft und am Ende sind wir trotzdem noch nicht? Was soll noch kommen, nachdem du mich angekotzt hast, weil du mich so dermaßen satt hast? Willst du mir etwa noch wehtun?“ „Vielleicht wäre das ja nicht mal die schlechteste Idee. Könnte ja sein, dass du dann von deinem hohen Ross herabsteigst und mir erklärst, was dieser ganze Scheiß hier soll.“ „Mit „diesem ganzen Scheiß“ hast ja wohl du angefangen. Denn, wenn ich dich erinnern darf, ich hab noch immer keinen blassen Schimmer, wegen welcher Lappalie du hier so einen Zwergenaufstand probst.“ Diese Aussage Kais hatte inzwischen deutlich an Schärfe gewonnen. Eigentlich war dies ja ein Zeichen für Takao, jetzt endlich die Klappe zu halten, doch der Jüngere hörte mal wieder den letzten Schuss nicht. „Na gut. Dann noch mal für die begriffsstutzigen Kai Hiwataris hier im Raum. Ich rede davon, dass du einfach mal so nicht zum Training kommst. Wegen ein paar lächerlichen Kopfschmerzen!“ Stichwort „Kopfschmerzen“. Bei der Lautstärke, die Kinomiya anschlug, schoss das Stechen in Kais Kopf in ungeahnte Höhen. Der Schmerz war kurzzeitig so stark, dass seine Hände zu zittern begannen und ihm leicht übel wurde. Vor Takao würde er eine solche Schwäche natürlich nicht zeigen, daher riss er sich am Riemen und vor allem von Takaos Klammergriff, der ihm noch immer die Blutzufuhr abschnürte, los, bevor er fauchte: „Hast du etwa was dagegen?“ Auf einmal wurde Takao knallrot und Kai beobachtete etwas irritiert, wie der Blauhaarige immer mehr Ähnlichkeit mit einem aufgeblasenen, roten Frosch bekam. „Ob ich was dagegen habe? Sag mal, spinnst du? Uns kann was weiß ich was weh tun, aber trainieren müssen wir trotzdem. Als ich letzten Monat Zahnschmerzen hatte, hast du mich trotzdem 10-mal um den Block gejagt.“ „Dass du Zahnschmerzen hattest, war ja wohl maßgeblich deine eigene Schuld. Würde ich mir tagtäglich eine Tonne Zucker reinschaufeln, würden mir die Zähne auch aus dem Mund gammeln. Es war sozusagen nur zu deinem Besten, dass du die Zeit mit Laufen und nicht mit Fressen verbracht hast.“ Jetzt blies der rote Takao-Frosch auch noch beleidigt die Backen auf, weswegen es Kai immer schwerer fiel, entweder ernst zu bleiben, oder nicht langsam zu denken, er hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wer sah schon menschengroße, rote Frösche, die die Backen aufbliesen? „Du redest dir wohl wirklich alles schön, oder? Hier mal ein paar Tatsachen verdreht, dort etwas geschönt und schon passt es dir perfekt in den Kram.“ „Willst du damit etwa andeuten, ich wäre ein Lügner?“ „Andeuten? Ich war eigentlich der Meinung, dass ich es gerade direkt ausgesprochen habe. Du bist ein verdammter Lügner, Kai Hiwatari.“ Kais Stimmung sank geradewegs auf das Niveau eines zu tief verbuddelten Sarges. Was. Bildete. Sich. Dieser. Kleine. Mickrige. Pisser. Eigentlich. Ein? „Rede nicht in so einem Ton mit mir, Kinomiya. Ich warne dich.“ „Und du redest gefälligst nicht mit mir, als wäre ich dein kleiner Bruder. Oder überhaupt so, als hättest du hier irgendwas zu melden.“ Versuchte ihm diese gestopfte Trottelleber gerade etwa den Mund zu verbieten? Wäre Kai nicht so wütend gewesen hätte er jetzt über diesen wahrhaftig niedlichen Versuch Takaos gelacht. Aber Kai war nun mal wütend. Und wie wütend. „Du alter Fresssack der Apokalypse! Dir ist hoffentlich klar, dass ich noch immer Teamleader bin. Und das werde ich auch bleiben, bis Mr. Dickenson einen anderen Dummen für diesen Job gefunden hat. Denn einen Dummen wird er brauchen, weil keiner, der noch bei klarem Verstand ist, den einzigen Menschen auf der Welt trainieren will, der statt einem Hirn, einen zusätzlichen Magen im Kopf hat.“ „Ha! Du gibst also zu, dass du ein Idiot bist. Eine idiotische, cholerische Brunstulpe [1].“ „Ja, ich gebe zu, dass ich verdammt dämlich war, als ich diese Aufgabe übernommen habe. Hätte ich gewusst, mit welchen nahrungsfixierten Strohköpfen ich hier zu tun habe, hätte ich mit dem Finger auf den Alten gezeigt und mir nen Ast abgelacht! Und was die „idiotische, cholerische Brunstulpe“ angeht. Ich lass mir doch nicht von der Geißel der 3. Welt erzählen, inwiefern ich cholerisch bin, oder nicht. Und jetzt geh mir aus den Augen, oder du brauchst dir nie wieder Gedanken um Zahnschmerzen machen, weil du dann keine Zähne mehr hast!“ 07-03-2007 OMFG Ich habe Kai ja schon oft brüllen hören. Aber heute. My, God. Ich habe ihn noch nie eine wirkliche Drohung aussprechen hören. Also eine Drohung, dass Takaos körperliche Unversehrtheit wirklich stark gefährdet ist. Ich weiß noch nicht mal mehr, was Kai alles gesagt hat, weil mein Hirn schon nach der Drohung mit dem Zähneausschlagen irgendwie nicht mehr aufnahmefähig war. It was so cruel. Am Ende musste ich Takao regelrecht retten, weil Kai kurz davor stand, sich auf ihn zu stürzen. Und mal ganz im Ernst. Überlebt hätte Takao das mit Sicherheit nicht. Wenn man mich fragt, dann hat Kai heute wirklich die Grenze überschritten und ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich das nicht vielleicht Mr. Dickenson melden soll. Andererseits… Es ist Kai. Er ist die sadistischste Person, die ich kenne, aber er gehört nun mal zum Team. Und das seit drei Jahren. Er ist schon immer so gewesen. Ihn jetzt rauszuschmeißen, wo wir doch alle wissen, wie er ist… that’s not right. „Irgendwann kleb ich dem Fass ohne Boden noch den Mund zu“, brabbelte Kai, als er die Zimmertür hinter sich zuschlug. Er und Takao hatten sich noch eine ganze Weile gegenseitig angeschrieen und Kai hatte jetzt nicht nur unerträgliche Kopfschmerzen, sondern auch so gut wie keine Stimme mehr. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Heiser zu sein, wo der Deppentrupp doch nichts unter 70 Dezibel verstand. Kai war schon jetzt klar, dass ihm Morgen, spätestens 10 Minuten nach Trainingsbeginn, wieder der Hut hochgehen würde. Er wusste gar nicht, das wievielte Mal es war, dass er sich fragte, wieso er sich diesen Kindergarten für Schwererziehbare noch antat. Alles, was es ihm brachte, waren Kopfschmerzen, eine nicht mehr vorhandene Stimme und unglaublich schlechte Laune. An den damit verbundenen Stress wollte er erst gar nicht denken. Dass ihm dieser Stress noch nicht gewaltig auf den Kreislauf geschlagen war, war beinahe nicht zu glauben. Trotzdem... Gesund war das sicher nicht und Kai wunderte sich kein Stück, dass er nicht schlafen konnte und sich sein Kopf anfühlte, als hätte er nähere Bekanntschaft mit einer Dampframme gemacht. Kai ließ sich auf seinen Sessel fallen, zog die Beine dicht an den Körper und lehnte den Kopf an der Rückenlehne an. Wäre er nicht so dahinter her, dass der Trainingsplan eingehalten wurde, würde er glatt zwei Wochen Urlaub machen. Ohne diesen Haufen respektloser Einfaltspinsel, die es sogar schafften einen Ausflug in den Streichelzoo zu einer Katastrophe werden zu lassen. Aber er konnte jetzt nicht einfach mal so auf eine einsame Insel fliegen und 14 Tage lang in der Sonne braten. Einige wichtige Turniere standen an, ebenso wie die Vorentscheidungen zur Asien- und Weltmeisterschaft. Und wenn Takaos Hirn mal von Nahrungsaufnahme auf gesunden Menschenverstand schalten würde, wäre dem Blauhaarigen längst aufgefallen, dass es dieses Jahr nicht leicht werden würde. Ein paar neue Teams hatten sich gebildet und laut Kyoujyu waren die gar nicht mal so ungefährlich. Sicher. Die Bladebreakers konnten sich mit Recht eines der stärksten Teams der Welt nennen. Aber was nütze einem ein alternder Weltmeister, wenn man jung und voller Elan war, so wie die Mitglieder der neuen Teams. Kai lachte ein Lachen, das mehr nach einem abfälligen Schnauben klang. Alternder Weltmeister. Mit 16. Was würde er erst sagen, wenn er 20 war? Weltmeister, der es schafft sein Blade noch aus dem Sarg heraus zu lenken? Manchmal fragte sich Kai, ob es wirklich noch ganz normal war, wenn man mit 16, bald schon 17 Jahren, von sich selbst, wie von einem Greis dachte. Oder lag das nur daran, dass er schon sehr viel erlebt hatte? Machten einen 3 Titel wirklich zu einem alten Mann, in einem Teenagerkörper? Völlig Kai-untypisch war das Erste, was ihm dazu einfiel, die Tatsache, dass er in seinem Nachtschrank noch immer eine Packung Kondome liegen hatte. Ein Packung Kondome, die unangetastet war. Nun war Kai auf diesem Gebiet ja nicht gänzlich unbeleckt. (Und ihm war völlig klar, wie zweideutig gerade diese Wortwahl klang.) Er hatte durchaus seine sexuellen Erfahrungen gemacht, auch wenn er gerne verschwieg, dass sich diese Erfahrungen ausschließlich auf 3 One-Night-Stands stützten, die er bei der letzten WM mit völlig überdrehten Fangirls gehabt hatte. Das war ja nun auch wirklich nichts, womit man prahlte. Wer wollte sich schließlich schon damit brüsten, drei Mädchen flachgelegt zu haben, die nur allein beim Anblick eines kleinen Bildes von ihm in einer Zeitung, all ihre gute Erziehung über Bord warfen und zu sabbernden, sich nicht mehr vernünftig artikulierenden Hormonzeitbomben mutierten? Um ganz ehrlich zu sein. Kai waren diese... Zwischenfälle äußerst peinlich und die meiste Zeit tat er einfach so, als hätte es sie nie gegeben. Allerdings beantwortete das nicht die Frage, ob man mit 16 alt war, oder nicht. Auch alte Leute hatten durchaus ein Sexleben. Schwer vorzustellen und zu einem gewissen Grad auch durchaus ekelerregend, aber es war so. Kai schüttelte über sich selbst amüsiert den Kopf. Seit einiger Zeit machte er sich häufiger Gedanken um Sex. Logischerweise war das auf die Pubertät zurückzuführen, deren hilflose Geisel er in seinem Alter immerhin noch war. Was ihn nur so verwirrte, war, dass er sich lieber theoretisch mit dem Thema befasste. Wirklich in Aktion zu treten... war schon nahezu ein fast lächerlicher Gedanke für ihn. Er und eine... Freundin? Kai versuchte sich vorzustellen, wie er aussah, wenn eine nette, kleine Blondine an seinem Arm hing und ihn anhimmelte. Ein nettes Bild, auch wenn er zugeben musste, dass ihn irgendwas daran störte. Es passte schlichtweg nicht. Kai war nie jemand gewesen, der sich gerne an jemanden band. Weder emotional noch körperlich. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ihm einfach noch nicht die Richtige begegnet war. Wieder lachte Kai auf. Diesmal jedoch eher etwas enttäuscht. War „die Richtige noch nicht gefunden zu haben“ etwa die einzige Antwort auf die Frage, weshalb man noch alleine rum saß, statt sich mit einem attraktiven Mädchen zwischen den Laken zu wälzen und all die animalischen Instinkte auszuleben, die im Grunde nur dem Zweck der Fortpflanzung dienten? War das nicht mehr eine schlechte Entschuldigung dafür, dass man am Ende ein frigider, alter Sack war, der nur noch einen hoch bekam, wenn seine eigene, rechte Hand im Spiel war? Der Gedanke war jetzt wirklich deprimierend. Das letzte Mal, dass sich Kai einen runtergeholt hatte, lag jetzt schon Wochen zurück. Ein pubertärer Teenager, der sich nur alle Jahre mal selbst bei der Stange hielt? Wie armselig war das denn? Kai fasste also zusammen. Er war ein 16-jähriger Opa mit einer Libido so lebendig, wie eingeschlafene Füße. ... Das waren ja wirklich tolle Aussichten. Blogeintrag #2658 vom 07.03.2007 Subject: Differenzen im Team -Großer Streit zwischen Takao und Kai -Takao sehr wütend -Plant sich mit dem Rest des Teams gegen Kai zu verschwören (sehr infantil) -Soweit die Information reicht, beginnt Mission „schließt Kai aus“ (erwähnte ich schon, wie infantil das alles ist) Morgen bei Sonnenaufgang. -Dizzy erstellt 7-Tages-Plan für Mission. Hätte nicht gedacht, dass sie sich bei solchen Kindereien beteiligt -Daichi scheinbar beleidigt, weil bisher noch nicht im Plan integriert Es war schon 8 Uhr vorbei, als sich Kai langsam zu wundern begann. Es war verdächtig still im Haus. Eigentlich hätte irgendwann, innerhalb der letzten 2 Stunden, Takaos Essenskampfgeschrei durch die Flure hallen müssen. Aber nichts der gleichen war zu hören gewesen. Man hörte auch sonst nichts. Weder Max’ Kastratengekicher [2] noch Reis Versuche Daichi und Takao dazu zu bringen, sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Was war da unten bloß los? Kai knirschte genervt mit den Zähnen. Jetzt machten ihn diese Deppen schon wahnsinnig, ohne das sie wirklich was taten. Seine Kopfschmerzen hatten sich etwas beruhigt, aber es reichte noch dafür, dass es ihm, als er vom Sessel, auf dem er seit dem Streit mit Takao gesessen hatte, aufstand, etwas schwindelig wurde. Die ersten paar Schritte wankte er daher mehr, als dass er ging. Zumindest, bis sich sein Gleichgewichtssinn wieder einfand und er das Zimmer einigermaßen stilvoll verlassen konnte. Als er ins Wohnzimmer kam, war das Erste, was ihm auffiel der Fernseher. Er war ausgeschaltet. Kai zog in reinster Detektivmanier die Augenbraue hoch. Ein ausgeschalteter Fernseher war immer ein Hinweis darauf, dass zumindest Takao nicht im Haus war. Mit schnellen Schritten ging er zum Fernseher, um die Playstation, die in einem kleinen Regalfach unter dem Fernseher stand, in Augenschein zu nehmen. Die Konsole war kalt. Also war auch Max nicht da. Was war hier los? Kai konnte sich nicht erinnern, gefragt worden zu sein, ob man heute Abend ausgehen durfte, oder nicht. Er war auch nicht gefragt worden, ob er mitkommen wollte. Das ging doch nicht. Er wurde immer gefragt, ob er mitkam, auch wenn er so gut wie immer verneinte. Kai wandte sich seinem Lieblingsmöbelstück zu; einem alten Ohrensessel, der stilistisch überhaupt nicht in das durchaus sehr traditionell japanische Kinomiya-Anwesen passen wollte und der wohl das mit Abstand hässlichste Exemplar seiner Art war. Der grau-braune Veloursbezug hatte schon mehrere kahle Stellen und an der Seite prangte ein großer, roter Fleck, den der Sessel Daichi und einer Flasche Tomatenketchup verdankte. Aber Kai mochte den Sessel. Er war bequem und ihm haftete ein Geruch an, den man sonst nur in der Bibliothek eines alten Herrenhauses fand. Das war wohl auch mit einer der Gründe dafür, dass er dieses Möbelstück so gerne hatte. Er liebte den Geruch alter, leicht eingestaubter Bücher und der hölzernen Regale, in denen sie standen. Neben dem Sitzmöbel stand ein kleines Beistelltischchen, auf dem Kais sämtliche Utensilien zur Pflege seines Blades lagen. Und irgendwo unter all den Q-Tips, Pinzetten, Ölfläschchen und Feilen lag Kais Terminplaner, den er sich vor einiger Zeit angeschafft hatte, weil er schlichtweg den Überblick über all die Veranstaltungen verloren hatte. Er blätterte etwas in dem Planer herum, um die heutige Seite zu finden. Und wie schon so oft, fiel ihm auf, was für eine schlampige Handschrift er hatte. Egal ob nun lateinische oder kyrillische Buchstaben, oder auch Kana und Kanji... seine Schrift sah immer aus, wie die Bremsspuren bei einem Massenverkehrsunfall. Kai grinste hämisch. Zwar konnte er sein Gekritzel oft selbst nicht lesen – und wenn, dann auch nur, weil er ungefähr wusste, was da zu stehen hatte – aber der Rest des Teams konnte das erst recht nicht. Das bedeutete, dass sie den Planer nicht einfach lesen und damit Unfug treiben konnten, da er für jegliche Dummheiten nicht zu gebrauchen war. Schließlich war Kai der Einzige, der hier hineinschrieb und seine Handschrift war so unkopierbar, dass er jeden zusätzlichen, nicht von ihm stammendenden Eintrag sofort erkennen würde. Als er endlich auf der richtigen Seite angekommen war, blitzte ihm eine weiße, völlig jungfräuliche Seite entgegen. Nichts. Heute war nichts. Jedenfalls sollte heute nichts sein, also warum war der Rest des Chaosteams Bladebreakers nicht da? 07. März 2007 Ich lass mich doch nicht verarschen! Es ist amtlich. Kai ist der größte Bastard, den es auf dieser Welt gibt. Jetzt droht er mir schon, so von wegen Zähne ausschlagen und so. Mann, der Typ hat doch echt einen an der Waffel. Manchmal frag ich mich, ob er jeden Morgen, auf einem seiner tollen „Spaziergänge“, von nem Köter angepisst wird, denn irgendwoher muss der Kerl doch seine ständige schlechte Laune herhaben. Muss dieser Wichser das eigentlich immer an mir auslassen. Ich hab nur gesagt, dass es mir stinkt, wenn er sich einfach verpisst, obwohl er das bei uns ja mal so gar nicht duldet. Und was macht dieser Psycho? Dreht völlig durch. Aber ich lass mir das nicht länger gefallen. Diesem Spasten zeig ich’s. Soll er doch sehen, wo er mit seinem tollen Training bleibt. Von wegen „7 Uhr = Ausgangssperre“. Wenn er einfach gehen darf, dann darf ich das auch. Und wenn ich ausgehen will, dann gehe ich aus. Schluss und Ende. Rei, Max und Daichi sind ganz meiner Meinung und um Kyoujyu zu überzeugen hat es auch nicht viel gebraucht. Anfangs wollte er zwar nicht, aber als ich ihn dran erinnert habe, dass Kai ihm mal die Hölle heiß gemacht hat, weil er nach 7 Uhr noch mal schnell unterwegs war, um Beyblade-Teile zu besorgen, war er auch einverstanden. Mann. Darüber könnte ich mich auch schon wieder aufregen. Kyoujyu wohnt nicht mal bei uns und steht trotzdem unter Kais Fuchtel. Ich frag mich ja langsam echt, wie es Hiromi bisher geschafft hat, dieser schlechten Angewohnheit auf zwei Beinen zu entgehen. „Kai. Was machst du denn hier? Bist du nicht mit den Anderen im Kino?“ Kai wirbelte herum und ging, ohne es selbst zu bemerken, in eine Angriffshaltung. Doch es war nur Grandpa, der im Türrahmen stand und sehr überrascht wirkte. So wie Kai im Übrigen auch, als ihm aufging, was der Alte da gerade gesagt hatte. „Kino? Warum sind die im Kino? Morgen früh ist um spätestens halb 7 die Nacht rum, da haben die nicht im Kino zu sein.“ Zu sagen, er wäre stinksauer, wäre weit untertrieben, denn im Moment näherte sich seine Wut gefährlich schnell der Explosionsmarke. War es nicht klar genug ausgedrückt gewesen, als er festgelegt hatte, dass ohne seine Erlaubnis keiner mehr während der Trainingsmonate das Haus nach 7 Uhr verließ? War er nicht deutlich gewesen, als er angedroht hatte, einen Verstoß gegen diese Regel mit dem Vorverlegen des Trainings um 3 Stunden zu bestrafen? Hatte er nicht zu genüge erklärt, dass dann auch das Frühstück und das Mittagessen gestrichen war? Was, zur Hölle, war mit diesen intriganten, kleinen Mistbälgern eigentlich los, dass sie sich ständig über die Regeln hinwegsetzen und ihm noch mehr strapazierte Nerven bescheren mussten? Wortlos knallte Kai den Terminplaner auf das Beistelltischchen zurück. Es war ihm egal, dass dabei all das andere Zeug, das darauf lag, durch die Gegend flog und schließlich am Boden landete. Es war ihm auch egal, dass Grandpa einen kleinen Satz zurück machte. Das würde Morgen früh massig Ärger geben, da konnte sein „Team“ sicher sein. Und mit „früh“ meinte Kai 5 Uhr früh. „Kai! Wo willst du hin? Was hast du denn? Ich dachte, du hättest es ihnen erlaubt.“ Kai blieb abrupt stehen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, er presste die Kiefer fast schon schmerzhaft fest zusammen und er brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass eine Ader an seiner linken Schläfe ganz gewaltig pochte. 5 Uhr? Drauf geschissen. Halb 4. [1] Brunstulpe: fränkische Zwillingsschwester der Pissnelke. (brunsen= fränkisch für pissen) [2] Kastratengekicher: Hach ich liebe diesen Spruch von Thaddäus der da lautet: „Spongebob, es tut mir leid. Ich mag deinen Nebelhornwecker und dein Kastratengekicher in der Nacht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)