Tsunagari von Sery_SK (Verbindungen) ================================================================================ Kapitel 4: Part IV ------------------ Part IV [Takenouchi Sora centric] Nachts schien der Stadtteil Taito-ku noch schmutziger zu werden. Was am Tag noch durch Licht und Sonne hätte verschönert – erleuchtet – werden können, verlor in der Dunkelheit nun völlig seinen Glanz. Doch nicht nur Straßen und Gegenstände passierten diese Wandlung, nein, nachts veränderten sich auch die Menschen, die hier lebten. So auch Takenouchi Sora. Ein letztes Mal zog sie noch an ihrer Zigarette, inhalierte den wohltuenden Qualm und stieß ihn mit einem leichten Seufzen wieder aus. Ihre vorerst letzte Zigarette landete auf dem, durch Nässe ganz aufgeweichtem Boden. Nicht mal für das Rauchen würde sie jetzt noch Geld haben. Die orangefarbenen, kurzen Haare wurden in einer automatischen Bewegung hinter die Ohren gestrichen und der kurze Rock weiter runter gezogen. Sie sollte langsam den Weg nach Hause beginnen, sonst könnte es noch ungemütlich werden. „Sora-chaaaaan~“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Es wurde ungemütlich. Aber Sora war auf solche Momente gefasst, hieß es doch jetzt nicht zurückschauen, ignorieren und einfach weitergehen. Und gegebenenfalls auf ein Wunder hoffen. Innerlich verkrampfte sich die Achtzehnjährige, versuchte aber nach Außen hin ihren ruhigen Schein zu bewahren. „Ah, Sora-chan, du musst nich’ so tun, als würdeste’ mich nich’ bemerken, Liebes.“ Er war eindeutig betrunken. Keine Seltenheit für ihn, vor allem nicht um diese Uhrzeit. Ein Fehler wäre es, stehen zubleiben und sich ihm zuzuwenden; aber ein noch viel größerer, jetzt weiterzugehen. Diesem Zwiespalt erlag die junge Frau oft, und jedes Mal war es zum Vorteil für ihn ausgefallen. Und zum Nachteil für sie, wobei sie an die immer wiederkehrenden Folgen gar nicht denken wollte. Doch Weglaufen hatte noch nie etwas gebracht. „Kurosagi-san, was führt dich zu mir?“ Die Stimme versucht fest klingen zu lassen, wandte sie sich missmutig zu ihrem Nachfolger um. Ein abschätzender Blick wurde von ihrem Gegenüber erhalten, ebenso wie ein rasches Lecken über die dreckigen, gerissenen Lippen. „Sora-chan, anmutig wie immer, huh?“, säuselte Kurosagi und trat immer näher an die junge Frau heran, die Hände aneinander reibend. In seinen Augen begann sich ein Glimmern zu bilden, welches sich zum Funkeln widerlicher Erregung entwickelte. Sie wusste, dass er wollte. Und er wusste, dass sie keine Chance hatte, sich zu wehren. „Ich hab heut wirklich keine Zeit mehr, dass musst du verstehen...“ Der feste Ton schwand stetig, entwickelte sich zu leichtem, ungehörtem Flehen. Aber Betrunkene verstanden nichts; und er erst recht nicht. Den letzten Abstand überwindend, schritt ihr Gegenüber schnell und zielstrebig zu ihr, erhob die Hand, fasste die ihre, bevor sie sich ihm entwinden konnte und hielt sie an sich. „Kurosagi, bitte...“ Das Flehen wurde lauter, sowohl in ihrem Herz, als auch in ihrer Stimme. Sora bekam Angst, auch wenn diese Prozedur fast zur Routine geworden war. Ihr Körper verkrampfte sich, sie versuchte sich zu wehren, aber er war wie immer stärker. Die gewohnte Erkenntnis durchfuhr sie. Er würde eh wieder bekommen, was er wollte. Wieder und wieder. Und doch konnte sie sich ihm nicht hingeben, konnte ihr dreckiges Leben nicht akzeptieren. „Maan~, jetzt zier’ dich nich’ so, Kleines. Du machs’es doch auch für Geld, also wieso nich’ zwischendurch mal umsonst, huh?“, lallte Kurosagi in ihr Ohr und erweckte damit einen weiteren unwohlen Schauer in der Orangehaarigen. Sein Griff um ihre Hand wurde fester, sein Körper kam näher. Sie schrie auf. „Lass mich los, verdammt!“ Ihre freie Hand drückte gegen seine Brust und ihr Knie versuchte seine empfindliche Stelle zu treffen. Doch er ließ sich das nicht lang gefallen, schien allmälig genug von ihrer stupiden Gegenwehr zu haben. Auch seine Stimme wurde lauter. „Jetz’ hör aber mal auf, du dreck’ges Stück, ey. Immer wieder dasselbe!“ Genervt wurde der Ton und immer einnehmender seine Bewegungen. Soras andere Hand wurde auch ergriffen, die nächste Wand anvisiert und die junge Frau langsam dagegen geschoben, sodass wirklich jeglicher Fluchtweg abgeschnitten war. Sie wusste, das sie bald nicht mehr die Kraft zum Wehren hatte, bald würde ihr Körper ganz von allein aufgeben. Nur in ihrem Kopf würde es schmerzhaft rebellieren, die ganze Zeit lang, in der Kurosagi die Kontrolle über sie hätte. Sein Gesicht war nur noch eine Haaresbreite von ihrem entfernt, sein Atem legte sich auf ihre Züge und ihr wurde übel von seinem Gestank. Zigaretten, Alkohol, ein widerliche Kombination aus beidem, die seinen Mundgeruch ergab. Er schien zu merken, dass ihr Körper schlaffer wurde, hielt sie nur noch mit einer Hand fest, während er seine andere über ihren Körper wandern ließ. Bei jeder Berührung zuckte sie innerlich zusammen, verkrampfte sich so stark, das sie nur noch schwer Luft bekam. In ihrem Magen rebellierte es, sie würgte leicht. Am liebsten hätte sie sich jetzt übergeben, ihm gezeigt, wie sehr sie abgetan von dieser Situation, von ihm war. Doch sie hatte zu lange nichts mehr gegessen, ihr Magen war leer. So leer, dass sie sich wünschte, in ihrem Kopf sähe es genauso aus. Doch die Gedanken konnte sie nicht ausspucken, nicht vertreiben, nicht löschen. Die Gedanken würden bleiben, so sehr sie sich auch Schlaf oder Ohnmacht wünschte in diesem Moment. Ganz von allein kam diese Vorstellung. Es war eine Phantasie, auf die sie nur gewartet hatte, die vielleicht nicht half, aber es ihr dennoch einfacher machte, mit Kurosagi umzugehen. Jemand würde kommen, sie retten. Sich um sie kümmern. Ja, sie war auch nur eine Frau, die sich wünschte, jemanden kennen zulernen, der sie lieben würde. Der sie verehren würde. Nicht so wie Kurosagi, nicht so wie die Anderen, für die sie nur Mittel zum Zweck war. Aber mit jeder dieser Phantasie kamen auch andere Gedanken. Fragen, die wehtaten. Natürlich fragte sie sich oft, wie das alles bloß so weit kommen konnte. Wie sie vom glücklichen Teenager zu so einer verkommenen, benutzten Gestalt werden konnte. Die Fragen brannten auf ihrer Haut, wie die Hände Kurosagis, die rasch und fest unter ihr knappes Shirt wanderten. Wieso das alles…? Eine Träne stahl sich aus ihrem Auge, lief die erhitze Wange entlang und verschwand irgendwo in ihren Haaren, die strubbelig auf ihre Schultern fielen. Der einen folgten gleich mehrere, als ob Tränen sich nur in Rudeln fortbewegen konnten, nicht im Stande waren, allein ihren Weg gehen zu können. Wie schwach sie doch waren. Wie rau Kurosagis Hand. Sein Mund wanderte ihren Hals entlang, hinterließ nasse Spuren, die sich mit ihren Tränen vermischten. Anfangs hatte sie sich geschämt, zu weinen, aber jetzt war es ihr gleich. Ihm scheinbar auch. Ihre Augen schlossen sich verzweifelt, ihr Körper zeigte keine Gegenwehr mehr. Und mit jeder weiteren, schmerzenden Berührung wurde ihr Verstand benebelter. Ein Glück. War es eigentlich kalt gewesen? „Hey! Hey, was soll das? Lass gefälligst deine Finger von der Frau!“ Ja, es war kalt… bevor sie Kurosagis heißen Atem auf ihrem Körper gespürt hatte. „Lass sie sofort los, hab ich gesagt!“ Ein Ruck, ein Ziehen. Da war die Kälte wieder. „Was willste’, Kleiner?! Was soll’n der Mist?“ Kurosagi hörte sich sehr wütend an. Das war nicht gut. Dann tat es immer noch mehr weh. Aber irgendwas war anders, der heiße Körper war weg. Sie vernahm Geräusche, die nicht zu ihrer Situation passten. Ein Faustschlag, ein Aufschreien ihres Peinigers. „Fass sie bloß nicht noch mal mit deinen dreckigen Fingern an!“ Eine fremde Stimme. Noch ein Schlag. „Hast du mich verstanden?!“ Die Stimme hörte sich gar nicht so fremd an. Doch Sora konnte die Augen nicht öffnen, ihre Tränen und ihre Angst hatten sie zugeklebt. „Woah, was bist’en für’n Irrer! Lass mich los!“ Kurosagis Stimme nahm einen… zweifelnden Unterton an? Was war hier los? Sie musste es wissen, auch wenn die Angst noch permanent durch ihre Venen floss. Nachdem sie einen weiteren Schlag vernahm, zwang sie ihren Augen, sich langsam zu öffnen. Das erste was sie sah, war Kurosagis blutige Nase. Sensationslüstern, wie der Mensch nun mal war, fielen ihm Blut, Gewalt und Tod am schnellsten auf. Ganz automatisch. Dann der wütende, zugleich ängstliche Blick. Sie folgte diesem und landete bei einer fremden Gestalt. Ihr musste die Stimme gehören, die sie zuvor gehört hatte. Noch bevor sie irgendetwas von sich geben konnte, schien der Neuankömmling zum letzten Schlag auszuholen, traf Kurosagi hart im Magen. Darauf hörte man nur fiese Würgegeräusche und er fiel auf die Knie. Der Fremde drehte sich um und war mit einem Mal bei ihr. „Oh Gott, Sora. Ist alles in Ordnung mit dir? Was hat er dir bloß angetan?“ Die Stimme, die gerade noch hasserfüllt zu Kurosagi gesprochen hatte, war mit einem Mal ganz sanft und führsorglich geworden. Verwirrt über diesen plötzlichen Wandel konnte die junge Frau erst einmal nur perplex ihr Gegenüber anstarren. Dieser legte vorsichtig die Arme um sie, wurde aber sofort von ihr weggestoßen. „Fass mich nicht an!“, war ihr schneller rausgerückt, als sie auch nur über irgendetwas Weiteres nachdenken konnte. „Sora, ganz ruhig, ich tu dir doch nichts! Ich bin es, Taichi. Erinnerst du dich nicht? Taichi Yagami.“ Die Formulierung des Schlages ins Gesicht kam dem Gefühl ganz nah, das Sora verspürte, als sie den Namen ihres Gegenübers aufnahm, verarbeitete und schlussendlich auch realisierte. „Tai.. chi...?“ Ihre Stimme war ganz brüchig und leise, viel kraftloser als vorhin noch, als sie ihn weggeschubst hatte. Soras Kopf, ihre Gedanken, ihr Verstand, alles wollte diesen Namen gar nicht verarbeiten. Konnte es irgendwo nicht, weil der junge Mann vor ihr so plötzlich aufgetaucht war. Ganz unerwartet, aber doch sehr willkommen, musste sie sich eingestehen. Er kam langsam wieder näher, hob erneut die Hände. „Jaah, Taichi. Ich tu dir wirklich nichts, vertrau mir“, entgegnete er ihr abermals, die Sanftmut in seiner Stimme schien von Wort zu Wort stärker zu werden. Ein Zittern durchfuhr ihren Körper, als er sie berührte. Doch es war so anders, als bei Kurosagi. Er fasste sie nur kurz an, streifte nur flüchtig mit den Händen ihre kalten Arme, als er ihr seine Jacke um die Schultern legte. „Shhhh, beruhige dich erstmal.“ Und diese Worte halfen, auch wenn sie oft in solchen Situationen nichts bewirkten. Sora machte diese Prozedur ja nicht zum ersten Mal durch. Doch normalerweise lief es anders, normalerweise ließ sie Kurosagi sein Werk zu Ende bringen und machte sich dann beschmutzt und zitternd auf den Heimweg. Aber diesmal hatte jemand diese Routine unterbrochen, war eingeschritten. Aber war es wirklich Taichi, der gerade vor ihr stand? Der Taichi, damaliger Anführer ihrer kleinen Gruppe? Der Hitzköpfige, übermütige, aber so treue Taichi Yagami? Erst als sie ihren Blick wieder aufrichtete, bemerkte sie, dass sie ihn auf den Boden gerichtet hatte. Taichi wurde aus Tränenverschmierten Augen angeschaut. Ihr Mund öffnete sich, doch bevor sie nur den Ansatz eines Wortes machen konnte, wurde ihr leicht ein Finger auf diesen gedrückt. Taichi schüttelte lächelnd den Kopf. „Sag jetzt nichts“ Und dann spürte sie die Wärme wieder, fühlte das feste Drücken einer Umarmung. Ihr Körper entkrampfte sich langsam, gab wieder einen Kontrast zu ihren Gedanken, welche gerade wild durcheinander tobten. Doch auch ihr Verstand wollte ruhiger werden, entspannte sich auf seine eigene Art und Weise. Nun nicht mehr ganz so zitternd, hob auch sie ihre Arme, schlang sie um den warmen Körper vor sich und ließ ihren Tränen einfach nur freien Lauf. to be continued Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)