Die Legende der 5 Blutsöldner von abgemeldet (Das Leben des Fion) ================================================================================ Kapitel 1: Das Leben an der Grenze ---------------------------------- 1022 BF, An der Grenze Araniens Die Zikaden lärmten laut in der Mittagshitze. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen. Es hatte den Anschein als wenn es ein weiterer unerträglich heißer Sommertag werden würde. Er lag mit geschlossenen Augen im Gras auf einer kleinen Anhöhe und döste vor sich hin. Die Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt. In seinem Mundwinkel hing lässig ein Grashalm auf dem er halbherzig herum kaute. Die warme Mittagssonne schien ihm ins Gesicht und ein lauer Wind, wehte spielerisch durch sein blondes Haar. Auch wenn der Wind nicht wirklich für Abkühlung sorgte, sondern die Hitze nur zu transportieren schien, so war es dennoch angenehm für ihn, den Lufthauch auf der Haut zu spüren. Er war dieses heiße Sommerwetter bereits gewohnt. Niemals waren die Temperaturen in Aranien anders. „Fion!“ Eine entfernte Stimme riss ihn schließlich halb aus seinen Tagträumen. Aber noch dachte er gar nicht daran sich in irgendeiner Weise zu bewegen oder bemerkbar zu machen. „Hey, Fion.“ ertönte die Stimme kurz darauf erneut. Nun blinzelte der Junge doch etwas. Langsam setzte er sich auf und schaute in die Richtung aus, der die Rufe kamen. Fion erkannte wie ein Junge den Hügel hinaufgeeilt kam. Er keuchte bereits schwer wegen der Hitze, die jede Bewegung zu einer ungeheuren Anstrengung machte. Fion seufzte einmal und spuckte den Strohalm aus. „Was gibt es, Omar?“ fragte er mit ruhiger Stimme als der andere Junge nahe genug heran war. Dieser blieb schließlich schwer atmend stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Mensch, ich hab dich schon überall gesucht.“ meinte Omar nur und sah Fion mit festem Blick vorwurfsvoll an. „Du kannst doch hier nicht einfach so herum liegen. Hauptmann Sharid hat eine Trainingseinheit für heute Nachmittag angesetzt.“ setzte er schließlich noch hinzu. „Na und?“ war der einzige Kommentar den Fion dazu hatte. „Das ist mir viel zu warm.“ setzte er nur noch hinzu und ließ sich wieder zurück ins Gras sinken. Leicht blinzelnd sah er in den blauen Himmel. Als Omar das hörte wurde seine Miene etwas ungehaltener. „Sei nicht immer so faul. Du weißt das der Hauptmann keinen Spaß versteht wenn es um so etwas geht.“ grummelte Omar und beugte sich über Fion, so das er ihn ansehen konnte. Dieser erwiderte den Blick kurz und seufzte erneut leise und resignierend. Fion wusste genau das es keinen Sinn hatte mit Omar zu diskutieren. Er würde solange stochern und drängen bis Fion schließlich genervt aufgab und mit ihm kam. Irgendwie hatte Fion den Eindruck das der Hauptmann absichtlich immer die heißesten Tage für diese Mittagsexerzitien ansetzte. „In Ordnung. Ich komm ja.“ meinte Fion schließlich und setzte sich dann auf. „Beeil dich. Wir sind ohnehin schon zu spät dran.“ drängte Omar weiter, packte den anderen Jungen an der Hand und zog ihn hoch. „Hey. Zieh doch nicht so.“ protestierte Fion noch leicht grummelnd, während Omar ihn bereits mit sich, zurück zur Feste schleifte. Die Feste der aranischen Grenzgardisten war eine uralte Bastion. Wahrscheinlich war sie noch aus der Zeit der Bosperanier. Schon damals war sie wohl zur Verteidigung der Siedler gegen die Novadis gewesen. Daran hatte sich bis heute nicht viel geändert. Auch wenn die Angriffe längst nicht mehr so zahlreich wie früher waren. An vielen Stellen, wo der Stein in den Mauern heller war, konnte man sehen das die Bastion schon mehrmals ausgebessert und erweitert worden war. Heute diente sie den etwa 50 Grenzgardisten hier als Heimat. Auch wenn Fion fand das die Bastion ein ziemlich hässliches und karges Äußeres aufwies, so war er im Grunde doch irgendwie zufrieden hier. Er lebte bereits seit gut 3 Jahren in der Feste. Schon immer war es sein Traum gewesen ein starker und ruhmreicher Krieger zu werden, so wie er sie aus den Geschichten kannte. Aus diesem Grund war er auch, nachdem er alt genug war, der Grenzgarde beigetreten. Fion hatte gehofft das er viele Abenteuer im Kampf gegen die wilden ‚Wüstensöhne’ erleben würde. Aber bisher hatte er nicht viel von diesem ‚Traumbild’ erlebt. Das erste Jahr über hatte er fast ausschließlich als Stallbursche und Küchenhilfe verbracht. Erst im 2. Jahr hatte er dann auch endlich mal eine Klinge in den Händen halten dürfen. Aber seitdem war es im Grunde auch nicht wirklich besser für ihn geworden. Denn von da an bestand sein Tagesablauf zum Grossteil aus Kampf- und Reittraining sowie anderer körperlicher Ertüchtigung. Fion war kein sonderlich kräftiger und großer Junge. Er war immer einer der schmächtigsten und kleinsten Jungen in seinem Alter gewesen. Die Tatsache das er obendrein noch so ein jugendliches Gesicht hatte sorgte dafür das er von den Anderen immer aufgezogen oder gehänselt wurde. Aber machte ihm das schon lange nichts mehr aus. Mit der Zeit hatte Fion heraus bekommen das diese derbe Sprache und so ein Verhalten unter Söldnern ganz normal war. Hier gingen alle so miteinander um und auch wenn er sich in der Regel immer etwas absetzte, so war Fion doch recht froh zu diesem ‚Haufen’ dazu zu gehören. Das Training hatte bereits begonnen als Fion und Omar den Innenhof erreichten. Zwanzig Gardisten standen in Reih und Glied beisammen und waren dabei nach den Kommandos einer Weibelin, synchron, Luftschläge und Schrittfolgen auszuführen. Zwar versuchten sich die beiden Jungen unauffällig dazu zu stellen, doch der Weibelin schien es nicht entgangen zu sein. „Heyda!“ rief sie mit lauter Stimme zu den beiden Nachzüglern hinüber. Diese strafften sich daraufhin und sahen zu der Frau hinüber. „Ihr seit zu spät gekommen. Was habt ihr für eine Entschuldigung?“ fragte sie mit lauter und befehlsgewohnter Stimme. Omar schluckte leicht und schien im Kopf nach einer passenden Ausrede zu suchen. „Nun ja, wir...“ begann er schließlich etwas stockend. „Wir haben keine Ausrede.“ setzte Fion schließlich seine Worte etwas ruhiger fort. „Ich habe die Zeit vergessen und Omar ist gekommen um mir bescheid zu sagen. Ihn trifft also keine Schuld. Ich bin derjenige der die Zeit vergessen hat.“ Setzte Fion noch hinzu. Die Weibelin funkelte den Jungen mit festem und unbarmherzigen Blick an. Dann schritt sie durch die Reihen der anderen Recken zu den Beiden. „Nun, mir scheint als wenn ihr zuviel Freizeit habt, wenn ihr euch erlauben könnt zu spät zu kommen. Darum werde ich euch für die heutige Nachtwache einteilen. Außerdem werdet ihr die versäumten Exerzitien natürlich nachholen.“ befahl sie mit einem ernsten Blick. Allerdings konnte man für einen Moment so was wie ein spöttisches und einwenig schadenfrohes Lächeln über ihre Lippen huschen sehen. Fion und Omar nickte nur stumm. „Jawohl, Frau Weibelin.“ Gaben sie, wie aus einem Mund zur Antwort. „Und jetzt reiht euch ein. Ihr habt das Training schon genug aufgehalten.“ meinte die Frau nur noch knapp und ging dann wieder zurück an ihren Platz. Kurz warf Fion noch einen Blick zu Sharid al Vashid, dem Hauptmann dieser Feste. Er hatte die ganze Zeit stumm, etwas abseits, gestanden und die Szene nur, mit vor der Brust verschränkten Armen, beobachtet. Sharid war ein wirklich seltsamer Mann. Er sprach nur selten und schien stets eine gewisse Ruhe und Abgebrühtheit auszustrahlen. Niemand wusste genau wo er her kam. Fion fand das er etwas geheimnisvolles und unheimliches an sich hatte. Doch im Grunde war Sharid recht beliebt unter den Gardisten der Garnison. Er schien stets die richtigen Entscheidungen zu treffen und war außerdem ein unnachahmlicher Schwertkämpfer und Stratege. Fion hatte sich immer gefragt woher Sharid all dieses Wissen wohl hatte. Es ging das Gerücht um das er mehrere Jahre im Mittelreich gelebt haben soll und dort bei dem Strategen des Kaisers, Leomar vom Berg, einiges gelernt haben soll. Doch glaubte Fion nicht wirklich an solche Geschichten. Generell gab er nicht viel auf die Gerüchte und das Geschwätz von Söldnern. Sie neigten ehe immer dazu zu übertreiben. Schließlich stand Fion ebenfalls in den Reihen der Anderen Gardisten und führte die Übungsschläge und Manöver mit seiner Boronssichel aus. Hierbei handelte es sich um ein sehr langes, leicht gebogenes, vorlastiges Zweihänderschwert. Es war die Waffe die vorwiegend von den Fußtruppen in der Einheit geführt wurde. Allerdings hatte Fion stets den Eindruck das diese Waffe viel zu unhandlich für ihn war. Nicht nur das sie ihm an Länge, gleichkam, es erforderte auch einiges an Kraft die weit ausholenden Schläge mit diesem großen Zweihänder zu kontrollieren. Im Grunde war die Boronssichel ehe eine ‚veraltete’ Waffe, die noch aus Zeiten stammte in denen die Grenztruppen über keine Kavallerie verfügten. Damals verwendeten die Aranier diese Waffe um die berittenen Novadis besser abwehren zu können. Gegen einen berittenen Gegner leistete die Boronssichen nämlich recht gute Dienste, auch wenn es eine gehörige Portion Mut erforderte, an seinem Platz auszuharren und abzuwarten bis der berittene Gegner in Schlagreichweite gekommen war. So dauerte es dann auch nicht lange bis Fion bereits schwer atmend und schwitzend da stand. Er war eher ein mittelmäßiger Kämpfer. Doch machte er seine fehlende Kraft und Ausdauer in den praktischen Übungen mit Geschick und Wendigkeit wieder wett. Mit weit ausholenden Schlägen ließ er die mächtige Waffe, nach den Kommandos der Weibelin durch die Luft schnellen. Der Junge war vollends konzentriert, so das er auch nicht bemerkte wie Hauptmann Sharid ihn aus einiger Entfernung beobachtete. Leicht nachdenklich verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen als er den Jungen bei seinen Übungen genauestens musterte. Doch schließlich ließ Sharid seinen Blick wieder gedankenverloren in den Himmel schweifen. Das Training dauerte noch eine ganze Weile. Fion hatte den Eindruck das es gar nicht mehr enden wollte. Aber schließlich durften alle gehen. Erleichtert ließ der Junge seine Waffe sinken und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn um den Schweiß weg zu wischen. Erleichtert atmete er einmal durch. „Heda!“ riss ihn die Stimme der Weibelin jedoch wieder aus seinen Gedanken. „Ihr Beiden werdet noch 9 mal 9 Extrastreiche führen, zu ehren des Gottes Kor. Vielleicht überlegt ihr euch so, das nächste mal ob ihr wieder zu spät kommen wollt.“ meinte sie mit lauter Stimme zu Omar und Fion. Dabei stemmte sie provokativ die Arme in die Seiten und sah die Jungen einwenig herablassend an. Fast synchron seufzten Omar und Fion leicht. Aber es half ihnen nichts. Kurzerhand nahmen die Jungen wieder Aufstellung und führten die Schlagserie aus. Auch wenn ihm der Schweiß in Strömen von der Stirn lief und seine Muskeln bereits wie Feuer brannten, Fion verzog keine Miene. Er wusste das jede noch so kleine Geste des Unmutes dazu führen würde das er noch weitere Übungen machen musste. Nach einiger Zeit hatten die beiden Jungen schließlich auch ihre Strafschläge vollendet. Zufrieden nickte die Weibelin ihnen zu. „Gut. Ihr dürft nun wegtreten.“ meinte sie nur knapp. Dann entfernte auch sie sich. Erschöpft sank Fion nun doch zu Boden. Er atmete schwer und brauchte einen Augenblick bis er wieder klar denken konnte. „Ich hoffe das ist dir eine Lehre.“ keuchte Omar neben ihm, der nicht minder erschöpft wirkte. Fion brachte jedoch keinen Ton heraus. So nickte er dem anderen Jungen nur zu. Ihm war schrecklich heiß und alles was er jetzt wollte war seinen Kopf in die Pferdetränke stecken, die ihn, vom anderen Ende des Hofes, ‚verführerisch’ an zu lächeln schien. Aber der Junge riss sich schließlich zusammen und schüttelte seinen Kopf. So etwas konnte er nicht tun. Fion nahm seine Waffe wieder auf und erhob sich. Dann steckte er sie in die Schwertscheide auf seinem Rücken und wischte sich nochmals den Schweiß von der Stirn. Anschließend wandte er sich an Omar. „Tut mir leid das ich dich da mit rein gezogen habe.“ meinte Fion schließlich immer noch etwas schwer atmend. „Schon gut. Passt schon. Mir reicht es wenn ich heute Abend deinen Nachtisch auf meinem Teller sehe.“ grinste Omar frech und streckte Fion die Zunge raus. „Jaja...lass uns gehen.“ war der einzige Kommentar des Jungen dazu. Er war ehe nicht so scharf auf das was Omar so großzügig als ‚Nachtisch’ bezeichnete. Außerdem war er zu erschöpft um sich nun auch noch damit auseinander zu setzen. Im Gegensatz zu der unerbittlichen Sommerhitze die tagsüber herrschte, war es nachts angenehm kühl, ja beinahe schon kalt an der aranischen Grenze. Ein sanfter Wind hatte eingesetzt der feinen Wüstensand heranwehte. Immer noch war das lärmen der Zikaden lautstark zu vernehmen. Es hatte den Anschein als wenn die Insekten so etwas wie Nachtruhe nicht kannten. Es war eine sternenklare Nacht und der Vollmond tauchte das Land in ein silbriges Licht, so das man auch noch um diese Zeit weit hinaus über die Ebenen und die Wüste blicken konnte. Fion stand auf der Wehrmauer der Bastion und schaute in die ferne. Er hatte sich einen Schal umgebunden, dessen Enden leicht im Wind wehten. Die Nachtwache war etwas, was Fion eigentlich gern übernahm. So hatte er wenigstens etwas Ruhe und Zeit für sich. Bisher hatte er noch nie erlebt das die Novadis bei Nacht einen Angriff starteten. Daher nutzte der Junge die Zeit um seinem eigentlichen Hobby nachzugehen. Fion kramte ein zusammen gerolltes Pergament und einen Kohlestift aus seiner Tasche hervor. Beides schien schon etwas abgenutzt und verbraucht zu sein. Sorgsam faltete er das Papier auseinander und glättete es einwenig. Anschließend schaute er sich kurz um. Schließlich schien er gefunden zu haben, was er suchte. Fion griff nach einem losen Brett am Boden, welches er als Unterlage verwenden konnte. Anschließend setzte er sich, mit dem Rücken an die Wehrmauer gelehnt, auf den Boden und begann zu zeichnen. Schon als kleiner Junge hatte Fion stets mit großen Augen die Bilder von Künstlern und Malern, die ihre Gemälde auf den Basaren anpriesen, bewundert. Seit damals hatte er immer versucht es ihnen gleich zu tun und viel gezeichnet um auch solche Kunstwerke zu schaffen. Auch wenn er sich nicht als überragendes Talent herausstellte, so hatte sich Fion mit der Zeit, doch einen eigenen Stiel angeeignet, der sich durchaus sehen lassen konnte. Wenn er zeichnete vergaß der Junge stets alles um sich herum und konnte so etwas abschalten. Im Augenblick war Fion dabei ein Bild der Landschaft zu zeichnen, die er sah, wenn er von dem Wehrgang hinaus, über die weiten Ebenen blickte. Er hatte mal einen Sonnenaufgang von dort aus beobachten können, was ihn schließlich auch inspiriert hatte. So kam es dann auch das Fion völlig in seine Zeichnung vertieft war und gar nicht bemerkte wie sich Jemand zu ihm gesellte. „Verstehst du das unter Wache halten?“ ertönte plötzlich eine ruhige und kühle Stimme. Schlagartig schreckte Fion hoch und sah zu der Person. Dabei ließ er sein Papier und den Stift natürlich fallen. Vor ihm stand Hauptmann Sharid und schaute ihn mit einem harten und ernsten Blick an. Auch er trug einen Schal, welcher ihm bis zur Nase reichte und so seinen Mund verdeckte. Sofort straffte sich Fion und salutierte vor seinem Vorgesetzten. „Hauptmann. Verzeiht ich...“ wollte der Junge gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, doch Sharid hatte seinen Blick bereits von dem Jungen abgewandt und hob das Pergament auf. Kurz warf er einen Blick auf die Zeichnung. Es war absolut nicht zu erkennen was er in diesem Moment dachte oder empfand. Stumm reichte er Fion schließlich das Blatt. Dann schweifte Sharids Blick über die Wehrmauer hinaus über die weiten Ebenen. „Eine wirklich ruhige und friedliche Nacht.“ Murmelte er schließlich mit leiser Stimme. Fion blickte Hauptmann Sharid etwas unsicher an. Bisher hatte der Hauptmann niemals mehr als 2 Worte mit ihm gewechselt oder ihm auch nur irgendwelche Beachtung geschenkt. So war es dem Jungen schon etwas mulmig zumute das er nun hier, so ganz allein, mit ihm war. Doch versuchte Fion sich nichts anmerken zu lassen. Unauffällig ließ er das Pergament wieder unter seiner Tuchrüstung verschwinden und sammelte auch den Kohlestift wieder ein. Dann folgte er dem Blick des Hauptmanns und schaute auf die Ebene hinaus. Allerdings konnte der Junge dort absolut nichts erkennen. Alles schien ruhig und friedlich wie immer. „Machst du das öfters wenn du hier allein bist?“ fragte Sharid schließlich nach einiger Zeit, ohne Fion dabei anzusehen. Leicht verzog der Junge seine Miene. Er wusste nicht so recht was er sagen sollte. Wenn er den Hauptmann nun belog würde er sicher hart bestraft werden. Doch wusste Fion auch nicht, wie Sharid auf die Wahrheit reagieren würde. „Ja...hin und wieder.“ gab er schließlich als Antwort. Fion hoffte so die Tatsachen etwas abzuschwächen. „So?“ war der einzige Kommentar des Hauptmanns dazu. Immer noch war sein Blick starr geradeaus gerichtet. Fion hatte sich unterdessen wieder halb an den Älteren gewand und sah ihn etwas unsicher an. Es war absolut unmöglich zu sagen was in dessen Kopf vor ging. Noch niemals hatte Fion so einen mysteriösen und geheimnisumwobenen Mann wie Hauptmann Sharid al Vashid gesehen. „Warst du jemals bei Vollmond hier auf der Wehrmauer?“ fragte Sharid schließlich und sah kurz zu Fion hinüber. Einwenig unsicher und verdutzt sah ihn der Junge an. Was hatte diese Frage jetzt zu bedeuten? Fion nickte nur leicht. „Ja. Ein paar mal.“ gab er noch mit ruhiger Stimme zur Antwort. Um ehrlich zu sein war es wohl schon weitaus häufiger gewesen als ein ‚paar mal’ doch irgendwie war Fion gerade etwas irritiert und wusste nicht ganz was er da eigentlich sagte. Hauptmann Sharid hatte seinen Blick unterdessen wieder geradeaus über die Ebene gerichtet. Leicht verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. Unwillkürlich schaute auch Fion nun wieder in die Richtung. Tatsächlich konnte man nun in der Ferne eine dunkle Gestalt erkennen, die stetig näher zu kommen schien. Sharid ging mit nachdenklicher in seinem kleinen Büro auf und ab. Der Bote, welcher ihm so eilig die Nachricht überbracht hatte, stand mit ernster Miene neben der Tür. Seine Kleidung war völlig verstaubt und er wirkte auch sonst einwenig mitgenommen und übermüdet. Immerhin hatte er eine recht lange und kräftezehrend Reise hinter sich. Die ganze Zeit über hafteten seine Augen auf Sharid, welcher seit ca. fünf Minuten nachdenklich in dem kleinen Raum umher tigerte. Immer wieder nahm er die Nachricht auf die der Bote ihm überbracht hatte vom Schreibtisch und las sie durch als wenn sich die Worte dadurch verändern würden. Doch blieb die Botschaft stets die gleiche. „Tsss...so was dummes.“ murmelte er schließlich leise vor sich hin. Plötzlich klopfte es einmal kurz an der Tür. Sofort hielt Sharid inne und blickte zur Tür. „Ja?“ fragte er schließlich etwas lauter. Kurz darauf öffnete sich die Tür und die Weibelin trat ein. Sie salutierte kurz und straffte sich dann. „Ihr wolltet mich sprechen Hauptmann Sharid?“ fragte sie mit knapper und sachlicher Stimme. Kurz warf sie dem Boten einen kurzen Seitenblick zu, dann hafteten ihre Augen jedoch wieder an Sharid. Dieser nickte nur kurz und atmete einmal tief durch. „Wir haben einen Auftrag von Marschallin Alwidja saba Mhirija persönlich erhalten.“ erklärte Sharid schließlich mit ruhiger und sachlicher Stimme. „Fürstin Sybia von Zorgan soll es gelungen sein aus Oron zu fliehen. Auf ihrer Flucht ist es ihr anscheinend gelungen die Amethystlöwin, das Schwert der Göttin Rhaja, aus Keshal Taref mit zu nehmen und es in die ehrbaren Hände des Königs zu übergeben.“ sprach Sharid mit ernster und ausdrucksloser Miene. Für einen Moment lang weiteten sich die Augen der Weibelin. Dies waren in der Tat unglaublich gute Nachrichten. Nun würde sich sicher wieder alles zum besten für sie wenden. Nun da sie die Gunst der Göttin auf ihrer Seite hatten. Ein seltsamer Schimmer der Hoffnung legte sich für einen Moment lang über ihre Züge. Dann fing sie sich jedoch wieder und Sharid fuhr weiter fort mit seinen Ausführungen. „Nachdem sich diese Nachricht über die Flucht der Fürstin und der Bergung der Amethystlöwin in Oron und dem Umland herum gesprochen hat, sind in Narhuabad und Farukand Aufstände ausgebrochen.“ Sharids Miene schien sich noch etwas weiter zu verfinstern. „Wahrscheinlich haben ein paar Bauern und Barone geglaubt das sich nun, durch das Schwert, alles für sie wieder zum Guten wendet.“ meinte Sharid leicht knurrend. So ein unüberlegtes Handeln mochte er gar nicht. Solche Taten kosteten meistens nur unnötig Leben. „Jedenfalls haben wir den Auftrag bekommen unseren Posten hier an der Garnison zu verlassen und nach Farukand aufzubrechen um die dortigen Rebellen zu unterstützen.“ setzte Sharid schließlich noch hinzu. Einen Moment lang weiteten sich die Augen der Weibelin. Sie sollten tatsächlich als Unterstützung nach Farukand? „Aber...weshalb ausgerechnet wir?“ fragte sie etwas unverständlich. Die aranische Grenzgarde wurde eigentlich niemals von ihrem Posten abgezogen. Das geschah nur in äußerst seltensten Fällen. Sharid seufzte einmal und wandte sich um. Nachdenklich schritt er an das Fenster hinter seinem Schreibtisch und sah in die sternenklare Nacht hinaus. „Wahrscheinlich sind die Armeen des Königs noch zu geschwächt von den bisherigen Kämpfen, als das sie schon wieder einen Angriff auf Oron führen könnten. Und sollten die ‚Eisernen Tiger’ tatsächlich unterliegen würde Aranien wohl völlig schutzlos der Bedrohung durch die Schwarzen Lande ausgeliefert sein. Darum hat sich König Arkos Schah wohl entschieden zunächst ein paar ‚entbehrliche’ Truppen an der Grenze abzuziehen. Immerhin sind die Überfälle der Novadis in den letzten Jahren ehe drastisch zurück gegangen.“ erklärte Sharid schließlich mit ruhiger Stimme ohne sich umzusehen. Die Weibelin senkte leicht den Blick und ballte ihre Fäuste. Doch sagte sie nichts weiter dazu. Etwas unsicher warf der Bote stumm abwechselnd Sharid und seiner Untergebenen fragende Blicke zu. Auch er schien von alledem bisher nichts gewusst zu haben. Doch stand es ihm nicht zu sich dazu zu äußern oder sich einzumischen. Er war immerhin nur ein einfacher Kurier. Seine Aufgabe war es gewesen diese Nachricht zu überbringen. So herrschte einen Moment lang eine bedrückende Stille in dem Raum. Sowohl Sharid als auch die Weibelin ...und sogar der Bote wussten, das sie sich nicht über diesen Befehl hinweg setzen durften. Zu Viele verließen sich bereits auf sie. „In Ordnung...“ meinte Sharid schließlich mit ruhiger Stimme und durchbrach so das Schweigen. Langsam wandte er sich wieder zu der Weibelin und dem Boten um. „Ich werde mit 3 Einheiten ausrücken und nach Farukand aufbrechen. Ich überlasse Euch das Kommando über die Bastion und die übrigen 2 Einheiten hier.“ befahl Sharid mit ernster und sicherer Stimme. Die Weibelin wollte erst noch etwas erwidern und sah ihn leicht erstaunt an. Dann nickte sie jedoch nur und straffte sich. „Jawohl, Sir.“ Irgendwie schien sie jedoch kein sonderlich gutes Gefühl bei der Sache zu haben. Anschließend wandte sich der Hauptmann an den Boten. „Ihr werdet nach Zorgan reiten und sagen das wir spätestens in 3 Tagen eintreffen werden.“ Auch der Bote straffte sich wieder und nickte knapp. Fion stand mit den anderen Gardisten und Söldnern im Innenhof der Feste. Ein lautes Raunen und Murmeln ging durch die Reihen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und dennoch hatten sich alle hier zu versammeln. Das konnte nur bedeuten das etwas wirklich wichtiges anlag, da es noch zu früh für einen Morgenappell war. Fion war sich sicher das es mit dem Boten zu tun hatte den er heute Nacht mit Hauptmann Sharid vom Wehrgang aus gesehen hatte. „Weißt du was das hier soll?“ fragte Omar neben ihm plötzlich. Fion wandte sich dem anderen Jungen halb zu und zuckte nur mit den Achseln. „Ich hab auch keine Ahnung.“ musste er zugeben. Doch bevor er noch etwas sagen konnte trat der Hauptmann, durch eine Tür des Nebengebäudes, auf den Platz. Sofort verstummten die Gardisten und strafften sich. Alle Augen hingen gespannt auf Sharid al Vashid und der Weibelin die einen halben Schritt hinter ihm ging. Der Hauptmann postierte sich schließlich vor den Männern und ließ seinen Blick kurz durch die Reihen schweifen. Irgendwie hatte Fion den Eindruck das sein Blick einen Moment länger auf ihm haftete, als auf den Anderen. Doch konnte es genauso gut sein das er sich das nur einbildete. „Männer.“ rief Sharid schließlich mit lauter Stimme um auch sicher zu gehen das er die geteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte. Es war schon etwas ungewohnt den Hauptmann mit so einer lauten Stimme sprechen zu hören, wo er doch normalerweise immer so ruhig und verschlossen wirkte. „Ich habe eine Nachricht von der Marschallin Alwidja saba Mhirija erhalten.“ Ein leises Raunen ging durch die Reihen. Jeder hier wusste das Alwidja die direkte Stellvertreterin des Königs war wenn es um militärische Angelegenheiten ging. Sie war für die gesamte Koordinierung der Truppen von Aranien zuständig. Wenn sie hier eine Nachricht von der Marschallin erhielten dann war es mit Sicherheit wichtig. Kurz hob Sharid seine Hand und das Raunen unter den Gardisten verstummte wieder. „Wir haben den Auftrag bekommen nach Farukand zu reisen. Dort hat man begonnen, sich gegen die Herrschaft der Moguhli Dimiona aufzulehnen.“ erklärte Sharid weiter. Erneut ging ein Murmeln und Flüstern durch die Menge. Dieses mal war es sogar weitaus lauter. Diese Nachrichten waren mehr als ungewöhnlich. Fion senkte leicht seinen Blick und ballte die Fäuste. Er wusste das Farukand in Oron lag, welches unter der Herrschaft der Schwarzen Lande stand. Von dort aus wäre es nicht mehr weit bis sie nach Elburum, seiner Heimat, gelangen konnten. Seit die Moguhli die Herrschaft über Oron erlangt hatte und es zu einem unabhängigen Königreich ausgerufen hatte, hatte Fion keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt. Früher hatte er mindestens 1-2 mal im Monat einen Brief von seiner Mutter aus Elburum erhalten, doch wusste er nun nicht einmal mehr ob seine Eltern noch lebten. Er hoffte das die Befreiung Farukands nur der Anfang war und sie dann weiter nach Elburum marschieren würden. Vielleicht konnte Fion schon bald seine Eltern wieder sehen. Er vermisste sie sehr. „Warum ausgerechnet wir?“ ertönte plötzlich die Stimme eines Gardisten aus den Reihen. Schlagartig wurde Fion aus seinen Gedanken gerissen. Alle wandten sich zu dem Mann um. Es war ein großer kräftiger Kämpfer der bereits um die 30 Götterläufe zählen mochte. Eine große Narbe zierte seine Wange. Fragend sah Fion schließlich wieder zu Hauptmann Sharid. Dieser schloss kurz die Augen und schmunzelte leicht. „Weil wir zur Zeit die einzige Armee sind die im Namen Araniens noch kämpfen kann. Nach der Dämonenschlacht und der Eroberung Orons...was ist da noch geblieben?“ meinte Sharid mit lauter Stimme und ließ erneut seinen Blick schweifen. „Ich werde es euch sagen. Geblieben sind wir. Die tapferen Grenzgardisten die jahrein und jahraus ihr Leben für dieses wunderbare und schöne Land verteidigt haben und an die man sich nun, in der Stunde der Not wenden muss. Lasst uns ein weiteres mal gemeinsam ausziehen und allen zeigen das wir es sind, die im Grunde dieses Land schützen.“ setzte er noch enthusiastisch hinzu. Fion konnte sehen wie viele der Gardisten nickten oder jubelnd und zustimmend die Hände in die Luft reckten. Doch konnte er auch noch ein paar Zweifler unter den Gardisten erkennen. Allerdings war es dem Jungen im Grunde egal. Er hoffte das er so die Chance bekommen würde endlich seine Eltern wieder zu sehen sofern sie noch lebten. Ja, bald würde Fion wieder zu Hause sein. Nachdem er zusammen mit den tapferen Soldaten die hier versammelt waren, die unheiligen Horden der Moguhli zurück ins Meer gejagt hatte würde er sie endlich wieder sehen. 1022 BF, Moghulat Oron Müde und erschöpft schleppte sich Fion den Weg vor ihm entlang. Seine Beine wollten ihn kaum noch tragen und schlurften lustlos über den staubigen Boden. Seine Tuchrüstung war ebenfalls von einer Staubschicht bedeckt und wirkte nicht mehr so sauber wie noch vor ein paar Tagen. Seine Boronssichel hatte er auf den rücken geschnallt, doch schien sie ihm im Augenblick unwahrscheinlich schwer. Mit Fion gingen ungefähr drei Dutzend weitere Bewaffnete die schmale Strasse entlang auf der ansonsten keine Menschenseele zu sehen war. Der Heerzug hatte sich bereits etwas auseinander gezogen. Es waren nun bereits fünf Tage seit ihrem Aufbruch von der Bastion vergangen. Hauptmann Sharid hatte drei Einheiten der Grenzgardisten abgezogen und zur Verstärkung nach Farukand geschickt. Zwei berittene Einheiten und eine Einheit schwere Infanteristen zu welcher auch Fion zählte. Vor gut drei Tagen hatten sie schließlich geschlossen Farukand erreicht und sich mit den dortigen Rebellen zusammen geschlossen. Doch bereits nach dem ersten Zusammentreffen der ‚alliierten’ Truppen mit denen der Moguhli mussten sie feststellen das sie den Gegner gewaltig unterschätzt hatten. Viele Söldner und Rebellen mussten in dieser ersten Begegnung ihr Leben lassen. Fion selbst hatte nicht viel von dem Kampf mitbekommen. Er hatte mit den anderen Infanteristen weit hinter den Linien der Kavallerie auf seinen Einsatz gewartet. Doch soweit kam es dann gar nicht erst. Die paar Reiter die versprengt und einzeln zurück geritten kamen, hatten eilig einen Rückzug angeordnet. Man konnte ihnen den Schrecken und das Entsetzen in den Augen deutlich ansehen. Erst zu diesem Zeitpunkt war Fion wirklich bewusst geworden wer eigentlich ihr Gegner in diesem Kampf war. Natürlich hatte er schon dutzendfach die schaurigen und gruseligen Geschichten über die Armeen der Heptarchen und die schwarzen Horden gehört, doch waren es für ihn dennoch immer irgendwelche Schauermärchen von Söldnerveteranen gewesen. Viel vorstellen konnte er sich darunter nicht. Zu Fremd war ihm dieses ganze Thema einfach bisher erschienen. Nach ihrer ersten Niederlage hatte man sich schließlich dazu entschlossen nach Narhuabad aufzubrechen um sich mit den dortigen Truppen zu verbünden. Doch bereits die Reise dorthin erschien Fion wie ein Höllentrip. Es war fast so als wenn sich das Land Orons selbst gegen sie verbündet hatte. Mehr als ein Dutzend Kämpfer kamen durch Bisse und Stiche irgendwelcher unbekannter Schlangen oder Skorpione ums Leben. Dies schien wirklich ungewöhnlich häufig zu passieren, so das man schon nicht mehr von einem Zufall sprechen konnte. Doch das schlimmste waren die Nächte. Fion hatte den Eindruck niemals wirklich Ruhe zu finden. Schreckliche Alpträume von dämonischen Fratzen oder entstellten, wage menschenähnlichen Gestalten, die ihn verfolgten und quälten hielten ihn die Nächte über wach. Zwar hatte Fion diese Alpträume erst seit drei Nächten, doch fühlte er sich so unausgeruht und geschwächt als wenn er bereits seit einem Monat keinen Schlaf mehr gefunden hatte. Und auch bei den anderen Soldaten schien es nicht anders zu sein. Generell wirkte die Moral der Truppe bereits betrübt und leicht gereizt. Überall sah man müde Gesichter oder konnte Leute streiten hören. Irgendeine unsichtbare Macht schien sie hier zermürben zu wollen. Fions anfängliche Zuversicht war jedenfalls bereits versiegt. Müde und erschöpft schlurfte er mit den anderen Fußkämpfern weiter den Weg entlang nach Narhuabad. Neben ihm ging Omar, welcher nicht unbedingt zuversichtlicher wirkte. „Hoffentlich kommen wir bald an.“ murrte der andere Junge immer wieder so das es Fion bereits anfing zu nerven. Durch sein ewiges Gebrummel kamen sie auch nicht schneller an ihr Ziel. Auch wenn sich der Weg irgendwie ewig hinzuziehen schien. Einige der Rebellen hatten bereits aufgegeben oder waren auf der Strecke geblieben, während die Berittenen bereits voraus geeilt waren. Auch Hauptmann Sharid war unter den Reitern gewesen so das die Fußtruppen nun von einem dicken Weibel angeführt wurden, welcher so stark nach Schweiß zu stinken schien das ihn kein Pferd zu tragen vermochte und er ebenfalls zu Fuß ging. Zumindest war es das, was die Gardisten und Söldner über ihn sagten. In Wirklichkeit waren bereits viele Pferde durchgegangen oder sind ebenfalls Schlangenbissen zum Opfer gefallen. Niemals hatte Fion gedacht das die aranische Grenzgarde hier innerhalb von wenigen Tagen so aufgerieben worden war. „Alle man Sammeln und Aufstellung nehmen!“ riss Fion plötzlich die laute und befehlsgewohnte Stimme des dicken Weibels aus seinen Gedanken. Schlagartig schreckte er hoch und schaute sich um. Plötzlich schien Bewegung in den müden Heerzug zu kommen. Überall um Fion herum liefen Söldner und Rebellen durcheinander um ihre Positionen einzunehmen. Im ersten Moment war Fion wie erstarrt und wusste gar nicht was er tun sollte. Schließlich merkte der Junge wie er unsanft am Arm gepackt und mitgezogen wurde. „Komm mit. Wir müssen hier hin.“ rief ihm Omar zu da es bereits so laut war, das Fion ihn sonst nicht verstanden hätte. Der andere Junge zog Fion mit zu den schweren Infanteristen seiner Einheit. „Was ist denn los?“ fragte Fion schließlich als sie in ihrer Einheit erreicht hatten um dort Aufstellung zu nehmen. Omar deutete nur zu einem Hügelkamm hinüber von wo aus eine größere Staubwolke zu erkennen war. Noch war es zu weit entfernt als das Fion etwas genaueres erkennen konnte. Doch wusste er das es nichts gutes bedeuten konnte. Immerhin befanden sie sich auf feindlichem Territorium. Wie gebannt starrte Fion auf die Staubwolke aus der sich schließlich einzelne rote und schwarze Punkte zu schälen schienen. Zunächst waren es nur einzelne Flecken, doch dann schienen sich Diese zu verdichten. Nun trug der Wind auch ein monotones Grollen und Donnern zu den Soldaten hinüber. „Reiter...“ meinte ein Soldat neben Fion, der weiterhin wie gebannt auf, die sich nähernde Staubwolke starrte. Kurz warf Fion ihm einen Blick zu, sah dann jedoch auch wieder, wie gebannt in die Richtung. Insgeheim hoffte der Junge das es Hauptmann Sharid und die Kavaleristen waren. Doch irgendwie machte sich ein ungutes Gefühl in ihm breit. Bisher hatte Fion noch niemals an einem wirklichen Kampf teilgenommen. Den Kämpfen an der Grenze, gegen die Wüstensöhne, hatte er bisher nicht beigewohnt. Er war dazu noch zu unerfahren gewesen. Als die Reiter sich schließlich weiter näherten konnte man auch genauer erkennen was es für welche waren. Fion meinte zu erkennen das sie blutrote Mäntel trugen, die durch den schnellen Jagdgalopp den die Pferde an den Tag legten, wild im Wind flatterten. Dies waren definitiv nicht die Grenzgardisten. „Das sind Rotmäntel...“ murrte der Soldat neben Fion erneut. Der Junge hatte bereits von ihnen gehört. Die Rebellen hatten erzählt das die Rotmäntel die Geheimpolizei der Moguhli waren. Eine Kompanie Elitesöldner die auch gleichzeitig als Tempelgardisten und Kriegseinheit dienten. Unwillkürlich musste er einmal schlucken. Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit und ließ seine Knie weicher werden. Doch hatte der Junge nicht lange Zeit sich damit zu befassen. Denn erneut riss ihn die Stimme des Weibels aus seinen Gedanken. „Speerträger nach vorn!“ befahl er mit lauter Stimme und winkte die Gerufenen rasch herbei. Die ‚Speerträger’ waren in diesem Fall Rebellen und Bauernmilizen die mit Piken, Sensen, Dreschflegeln und anderen langen Handwerksgeräten ausgerüstet waren. Wirkliche Pikaniere oder Speerträger gab es in dem zusammengewürfelten Haufen hier nicht. Insgeheim war Fion froh das der Weibel hier war um ihnen zu sagen was zu tun war. Er würde sie schon sicher durch den bevorstehenden Kampf führen. Es gab ihm einwenig halt. Langsam zog der junge seine große Boronssichel und trat zusammen mit den anderen Infanteristen hinter die ‚Speerträger’ um sich dort auf den Nahkampf vorzubereiten, sollten die Reiter durch die Linien brechen. Schließlich hatten alle Aufstellung genommen. Wie immer stand Omar direkt an Fions Seite. Als der Junge ihm einen kurzen Blick zu warf, konnte er die Nervosität in Omars Augen erkennen. Auch er hatte noch niemals an einer richtigen Schlacht teilgenommen. „Hey. Ganz ruhig. Das wird schon.“ versuchte Fion mit einem lächeln auf den Lippen seinen Freund zu beruhigen. Mit einem mal schien all der Groll und die Wut, welche er zuvor noch gegen Omar gehegt hatte, wie weg geblasen. Omar schaute kurz zu Fion hinüber und nickte nur stumm. Gebannt erwarteten die Soldaten die heranstürmenden Reiter. Je näher sie kamen umso deutlicher konnte man sie erkennen. Es waren unglaublich viele. Fion schätzte sie mindestens auf ein Schwadron, wenn nicht gar noch mehr. Er konnte bereits Säbel und Helme in der Sonne aufblitzen sehen. Auch schien das Donnern der Hufe immer lauter und bedrohlicher zu werden. Wie rot gewandete Dämonen, die sich aus dem Staub erhoben wirkten die Reiter auf Fion. Gebannt schaute der Junge in die Richtung. Er merkte wie ihm ein einzelner Schweißtropfen die Wange hinab lief. Unwillkürlich umfasste er den Griff seiner Boronssichel einwenig fester. Auch die Bauern und Rebellen in der ersten Reihe schienen langsam nervös zu werden, je näher die Reiter ihnen kamen. Einzelne von ihnen schienen langsam zurückzuweichen und gegen die dahinter stehenden Soldaten zu drängen. Auch die laute Rufe des Weibels, sie sollen wieder zurück auf ihren Posten kehren um die Linie zu halten, schien nichts zu bringen. Viele der Rebellen waren einfache Bauern und Handwerker, denen das Wort irgendeines Weibels nicht die Ängste nehmen konnte. Selbst Fion hatte Schwierigkeiten damit, seinen Instinkt, einfach die Flucht zu ergreifen zu unterdrücken. Mittlerweile waren die Rotmäntel bereits so nahe heran das man hören konnte wie sich laute Schlachtrufe mit in das Donnern der Hufe mengte. Fion hatte den Eindruck das die Zeit unglaublich langsam verging bis die Reiter sie schließlich erreicht hatten. Immer mehr Bauern und Rebellen schienen ängstlich zurück zu weichen. Ein beunruhigendes Gemurmel ging durch die Reihen. Auch der Mann der direkt vor Fion stand machte ein paar Schritt zurück und stieß gegen Fion, so das der Junge nicht mehr erkennen konnte was vor ihm geschah. Zunächst versuchte er noch den Mann zurück zu drängen, doch stemmte Dieser sich immer weiter mit dem Rücken gegen den Jungen. Das ohrenbetäubende Dröhnen der Hufe wurde dabei immer lauter und lauter. Zu den Rufen der Reiter mengte sich nun auch das Wiehern von Dutzenden Pferden. Plötzlich hörte Fion ein lautes Krachen aus dem Lärm heraus, was in etwa an das zerbersten und splittern von Holz erinnerte, dicht gefolgt von einem lauten Aufwiehern. Im nächsten Moment jedoch spürte der Junge einen heftigen dumpfen Schlag der ihn zurück schleuderte. Da der Bauer immer noch direkt vor ihm stand konnte Fion nichts genaueres erkennen. Für einen Augenblick war es absolut dunkel um ihn herum. Erst der harte und schmerzvolle Aufprall auf dem staubigen Straßenboden, welcher ihm die Luft aus den Lungen presste, schien Fion wieder zurück in die Realität zu holen und Ordnung in seine Sinne zu bringen. Leicht blinzelte er etwas und versuchte sich wieder zu sammeln. Nun konnte Fion auch das Geräusch von aufeinander prallendem Metall, vernehmen. Kurz blickte sich der Junge um. Die Schlachtreihe die sie gebildet hatten war von den Reitern fast vollständig überrannt worden. Überall um ihn herum drängten Pferde sich an ihm vorbei. Der Junge hatte Mühe nicht von ihnen zertrampelt zu werden. Ein heilloses Chaos war ausgebrochen. Überall hörte man laute Rufe und Schmerzensschreie. Menschen die aufeinander eindrangen oder versuchten davon zu eilen. Pferde die sich aufbäumten, umher tänzelten und überall Staubwolken aufwirbelten, so das die ganze Szenerie schließlich für Fion hinter einer einzigen aufgewirbelten Staubwolke zu verschwimmen drohte. Schnell suchte Fion nach seiner Waffe welche ihm, bei dem Sturz aus den Händen gerissen worden war. Dabei viel sein Blick unwillkürlich auf den Mann, der noch einige Augenblicke zuvor, vor ihm gestanden hatte. Er lag neben Fion am Boden und rührte sich nicht mehr. Sein Kopf war zur Seite gerichtet und seine Augen starr und ausdruckslos. Aber dennoch hielt er krampfhaft den Schaft seiner Sense umschlungen. Schließlich gelang es Fion jedoch seinen Blick von dem Mann los zu reißen. Er durfte sich jetzt nicht gehen lassen. Wenn er hier überleben wollte musste er sich endlich erheben und kämpfen. Entschlossen griff er nach seiner Boronssichel, welche neben ihm am Boden lag und erhob sich ruckartig. Fion brauchte gar nicht lange nach einem Gegner Ausschau zu halten, denn bereits direkt vor ihm preschte ein weiterer Reiter auf ihn zu. Sein Blick schien zu einem dämonischen Grinsen verzogen zu sein, der von dem aufflatternden roten Mantel nur noch unterstrichen wurde. Entschlossen holte der Reiter, noch während er mit seinem Ross heran stürmte, mit seinem großen Säbel aus. Es hatte den Anschein als wenn er Fion direkt im vorbeireiten enthaupten wollte. Fion hatte kaum noch die Zeit sich in die Kampfposition zu begeben. Er sprang stattdessen rasch beiseite um sich so außer Reichweite seines Gegners zu begeben. Zum Glück hatte er so etwas bereits bei der Grenzgarde ausgiebig lernen müssen. Gerade als sich Fion zu seinem Gegner umwenden wollte um mit einem weitausholenden Schlag seiner langen Waffe nachzusetzen, bemerkte er in den Augenwinkeln bereits wie der nächste Reiter auf ihn zu stürmte. Dieses mal war Fion jedoch etwas gefasster. Sein Körper reagierte fast von allein. Mit einer gekonnten Seitwärtsdrehung wich er dem Pferd aus um es ins leere laufen zu lassen. Dabei drehte er sich weiter um die Achse um dem Reiter, mit einem gekonnten und eleganten Passierschlag die scharfe Klinge direkt in die Seite zu rammen. Der Wucht des Hiebes war so gewaltig das Fion seine Waffe beinahe aus der Hand gerissen wurde. Der Rotmantel jedoch schrie laut und schmerzvoll auf während er weiter an dem Jungen vorbei ritt, nur um ein paar Schritt später, wie ein nasser Sack aus dem Sattel seines Pferdes zu kippen und reglos am Boden liegen zu bleiben. Fions Atem ging schneller und er merkte wie sein Herz zu rasen begann. Der Lärm um ihn herum schien zu einem einzigen lauten Rauschen anzuschwellen. Fest umfasste der Junge seine Klinge wieder mit beiden Händen um sich seinem nächsten Gegner, einem Fußkämpfer, zuzuwenden. Blitzschnell war der Rotmantel heran geeilt und versuchte mit einem schnellen Vorwärtsschlag seines Säbels, Fion den kalten Stahl, direkt in die ungeschützte Flanke zu stoßen. Doch erneut reagierte der Junge bevor er überhaupt die Chance hatte darüber nachzudenken. Ruckartig ließ er die mächtige und doch schlanke Waffe erneut kreisen und schlug den Säbel des Angreifers so mit einem schnellen und doch wuchtigen Hieb zur Seite. Ein eindeutiger Vorteil einer solch großen Waffe war es das man in der Regel eine weitaus größere Reichweite als sein Gegner hatte und ihn so auf Distanz halten konnte. Fions Herz schlug ihm bis zum Hals und sein Atem brannte von dem Staub und der Hitze. Aber dennoch zwang er seinen Körper zur Ordnung. Er fixierte den Rotmantel mit festem Blick und versuchte die Schreie und Kämpfe um sich herum zu ignorieren. Fion wusste, das selbst die kleinste Ablenkung hier sein Ende bedeuten könnten. Schließlich machte er einen schnellen Ausfallschritt nach vorn und griff seinen Feind mit einem eleganten und fließenden Schlagmanöver an. Dieser erkannte Fions Finte jedoch und wich einfach ein Stück zur Seite aus so das der wuchtige Schlag des Jungen ins leere ging. Ohne lange nach zu denken riss Fion seine Waffe schließlich wieder hoch um mit einem weiteren Schlag nachzusetzen. Dabei erkannte er aus seinem Augenwinkel jedoch eine weitere Bewegung. „Ein weiterer Gegner?“ schoss es Fion durch den Kopf. Doch er hatte keine Zeit mehr zu reagieren. Das letzte was Fion noch wahrnahm war das bösartige, fast zu einer Maske verzerrte, Grinsen des Rotmantels vor ihm. Dann merkte der Junge nur noch einen scharfen und heißen Schmerz in der Seite, welcher ihm für einen Moment den Atem raubte. Die Geräusche um Fion herum schwollen zu einem einzigen lauten Ton an, der in seinem Kopf dröhnte. Unweigerlich taumelte Fion ein Stück zur Seite und ließ seine Waffe fallen. Instinktiv griffen seine Hände an seine schmerzende Seite. Er fühlte etwas warmes. Blut? Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah Fion auf seine blutverschmierten Hände. Seinen Gegner, seine Kameraden, alles um ihn herum schien Fion nun gänzlich zu vergessen. Er sah nur das Blut an seinen Händen... sein Blut. So merkte Fion auch nicht wie der Rotmantel und sein Kollege, welcher Fion von hinten in die Seite geschlagen hatte, nun langsam auf ihn zutraten. Starr vor schreck sank Fion auf die Knie. Musste er nun sterben? Das wollte er nicht. Mit aller Kraft riss er sich aus seiner Starre und schaute zu den beiden Rotmänteln. Fion wollte nicht sterben. Er würde bis zum letzten Atemzug weiter kämpfen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er nach seiner Boronsichel. Jede Bewegung schien ihm weh zu tun. Doch noch bevor er seine Waffe aufheben oder sich wieder aufrichten konnte waren die beiden Angreifer schon heran. Das letzte was Fion sah, war das dämonisch verzerrte Grinsen des Rotmantels vor ihm. Dann traf ihn ein dumpfer Schlag und alles um ihn herum wurde dunkel. Eine erlösende Finsternis legte sich über ihn, die alle Sinne betäubte. Fion merkte bereits nicht mehr wie er vornüber auf dem staubigen Boden aufschlug. Hosted by Animexx e.V. 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