Ersehntes Lachen von chalmey ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Hey ihr Lieben! Da staunt ihr, was? Dieses Mal hab ich mich extra beeilt, dieses Kapitel fertig zu stellen, bevor der erwartete Stress losgeht. In nächster Zeit muss ich nämlich verdammt viel für die Schule tun und ich befürchte, dass ich so schnell nicht mehr zum Schreiben kommen werde. Natürlich verspreche ich euch, dass ich trotz alle dem versuchen werde, etwas aufs Papier bzw. auf den Bildschirm zu bringen! Na, ihr wisst ja was das heißt, bin ja schließlich nicht die Schnellste was das betrifft...^^ Eure euch liebende chalmey Kapitel 4 Ich glaube es war ungefähr halb sieben, als eine gehetzte Nabiki unerwartet in mein Zimmer stürmte und lauthals verlangte, mich einzukleiden. „Wieso, was hast du an meinen Klamotten auszusetzen?“ Ich musste gestehen, ich war etwas verwirrt. „Grundsätzlich nichts, Schwesterherz, aber für den heutigen Abend wäre mehr, als nur Jeans und T-Shirt, angebracht.“ Suchend wühlte sie in meinem nicht gerade zu klein geratenen Kleiderschrank, während ich danebenstand und überlegte, wie viel ein neues Schloss für meine Tür kosten würde. „Wie ich mir gedacht habe: nichts!“ sprach meine ältere Schwester, rannte aus meinem Zimmer und stand keine Sekunde später wieder vor mir. „Na, wie findest du es?“ Im ersten Moment dachte ich mich versehen zu haben, doch es gab keinen Zweifel daran, dass sie ein bodenlanges weinrotes Kleid in den Händen hielt. Es schimmerte leicht, als die letzten verbliebenen Sonnenstrahlen auf den seidenen Stoff trafen. Ich machte einen kleinen Schritt rückwärts. „Du willst doch nicht etwa, dass ich das trage!?“ „Aber natürlich! Es würde dir hervorragend stehen, da bin ich mir sicher.“ Voller Überzeugung drückte Nabiki mir den Fetzen in die Hand. „Na los, probier mal. Aber beeil dich, wir müssen bald los.“ Sie schloss die Tür hinter sich und ich war wieder allein. Etwas hilflos und verloren stand ich mitten in meinem Zimmer, als mein Blick langsam nach oben wanderte. „Mal ganz unter uns: was hab ich dir eigentlich getan?“ Ratlos schweiften meine Augen durch den Raum und ich überlegte. Ich befand mich nicht hoch genug, um aus dem Fenster zu springen, aber aus dem Bettlaken ließe sich sicherlich leicht ein Strick drehen! Bevor meine zerstörerischen Gedanken noch mehr Übermaß annehmen konnten, begann ich mich umzuziehen. Es war mir bewusst, dass dies ein schrecklicher Abend werden würde, doch ich war nie ein Drückeberger gewesen und auch dieses Ereignis würde irgendwann ein Ende nehmen. Einige Minuten später umkreiste mich Nabiki, wie ein Aasgeier seine Beute. Nachdenklich inspizierte sie das Kleid und zupfte hier und da noch was zurecht. „Das Kleid ist um die Taille etwas zu locker...du bist wirklich verdammt dünn...“ sprach sie leise und wohl mehr zu sich selbst, fügte jedoch anschließend etwas lauter hinzu: „Aber das macht nichts, es fällt kaum auf.“ Ich fühlte mich miserabel in diesem Fummel und musste mich schwer zusammennehmen, um es mir nicht gleich wieder vom Körper zu reißen. „So, dann fehlen ja nur noch die Haare und das Gesicht.“ Ein weiteres Mal zuckte ich zurück. Doch meine Schwester ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen, sondern griff nach meiner Hand und zog mich in ihr Zimmer, wo sie mich vor ihrem Schminktisch, - ja, so könnte man es durchaus bezeichnen -, platzierte. Fehlten nur noch die Hand- und Fußfesseln. Fünfzehn Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, fummelte sie an meinen Haaren herum, schüttelte zwischendurch verzweifelt den Kopf, um dann am Ende mit einem zufriedenen Lächeln wieder von mir abzulassen. „Hach, ich bin ein Genie!“ So so, ein Genie also? Vielsagend hob ich eine Augenbraue. „Und wann genau machst du dich für den Ball fertig, oh großes Genie?“ Ich erhielt einen spitzen Schrei als Antwort. Sofort stand meiner Schwester wieder die Hektik ins Gesicht geschrieben und sie scheuchte mich aus dem Zimmer, um sich endlich mal um sich selbst zu kümmern. Erleichtert, ihr entkommen zu sein, zog ich mich in mein eigenes Zimmer zurück. Erst dann fiel mir auf, wie anstrengend es war in diesem Kleid zu laufen. Es war nicht nur die Länge dieses Kostüms, das mir Probleme beim Laufen bereitete, vielmehr störte mich der Saum des Kleides. Dieser war so schrecklich eng geschnitten, dass ich mich nur mit kleineren Schritten vorwärts bewegen konnte. Wenn das den ganzen Abend so weiter gehen würde, wäre es wohl zuviel verlangt, Kilometergeld zu fordern. Ich stellte mich vor meinen Spiegel und betrachtete das Resultat. Fast schon hasste ich meinen Anblick. Die vielen kleinen Spangen, die Nabiki in meinem blau-schwarzen Haar verteilt hatte, funkelten im Licht, meine Lippen glänzten leicht rosa und das Kleid, das durch hauchdünne Träger an seinem Platz gehalten wurde, fühlte sich kalt auf meiner Haut an. Mein Dekolteé war reichlich ausgefüllt und man konnte den Ansatz meiner Brüste erahnen. Ich sah aus wie eine dieser Modepüppchen, die über Laufstege stolzierten und im Blitzgewitter untergingen. Ein sanftes Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Mir war sofort klar, dass es sich nur um Kasumi handeln konnte, da es niemand sonst in diesem Haus für wichtig hielt, vor dem Betreten eines Raumes anzuklopfen. „Akane, Nabiki möchte das wir schon mal ins Auto steigen. Sie...oh!“ Meine älteste Schwester blickte mich mit bewundernden Augen an. Ich seufzte. Das würde heute Abend nicht der einzige Blick dieser Sorte sein, dessen war ich mir sicher. Schließlich hatte mich noch nie jemand so aufgetakelt gesehen. Doch wie hieß es so schön? Das Erste und Letzte Mal. „Du siehst so hübsch und süß aus, Akane!“ Wie bitte? Süß? Wieso streichelte sie mir nicht gleich über den Kopf und belohnte mich mit Leckerli?! Ich musterte meine Schwester. Sie trug ein hochgeschlossenes dunkelgrünes Abendkleid, dass ihr bis zu den Knöcheln reichte. Die Farbe brachte ihre dunklen Augen zur Geltung und ihr braunes Haar, das sie offen trug, war auf der linken Seite mit einer Klammer, auf der ein Schmetterling thronte, zurückgesteckt. Eine dünne Kette zierte ihren Hals und am rechten Handgelenk glitzerte ein Armband. Alle Accessoires hielten sich in Gold. So hatte ich meine älteste Schwester ebenfalls noch nie gesehen. „Komm, lass uns runter gehen. Vater wartet schon auf uns.“ Schnell zog ich die mörderisch hohen Schuhe an, die mir Nabiki vorhin in die Hand gedrückt hatte und folgte Kasumi. Das Laufen war jetzt fast unmöglich und ich war dankbar, als ich heil unten ankam. Mein grausamer Vater, der einen hellen Anzug und eine dazu passende Krawatte trug, hielt uns die Tür auf. „Kinder, ihr seht richtig erwachsen aus!“ Während zwei drittel meiner Familie vor mir herlief, versuchte ich so gut ich konnte zu folgen. „Von welchem Auto hast du eigentlich vorhin gesprochen, Kasumi? Wir haben doch überhaupt kei-“ Den Rest des Satzes verschluckte ich regelrecht. Überrascht starrten wir alle das fahrbare, - das wirklich riesige fahrbare -, Stück Blech an, dass direkt vor unserem Anwesen parkte. Unglaublich, sie wollte doch tatsächlich mit einer Limousine vorfahren! Augenblicke später gesellte sich Nabiki zu uns, vollkommen ignorierend, dass der Rest mit offen Mündern vor diesem Gefährt stand. „Worauf wartet ihr? Steigt ein, sonst kommen wir noch zu spät!“ Die Fahrt dauerte keine fünfzehn Minuten. Doch ich merkte, das mit jedem zurückgelegtem Meter meine Laune zunehmend abnahm. Unser Fuhrpark blieb vor dem Eingang stehen, der in die Halle führte. Schon jetzt strömten lachende Menschen grüppchenweiße in das Gebäude, das fast schon halb so groß wie die Schule selbst war. Gedämpfte Musik war zu hören und ich wollte auf der Stelle weg von hier. Das Innere des Gebäudes war festlich dekoriert, auf der großen Bühne, die sich auf der rechten Seite befand, spielte die Schulband. Kreisrunde große Tische standen verteilt im ganzen Raum, ließen jedoch genug platz für die Tanzfläche. Das Licht war gedämpft, man konnte dennoch sehr gut sehen. Nachdem wir endlich einen geeigneten Tisch gefunden und platz genommen hatten, wandte ich mich Nabiki zu. „Sag mal, wie bezahlst du das alles hier eigentlich? Allein schon die Miete für die Limousine kostet einige Monatsgehälter!“ „Kinderspiel. Einige Leute schuldeten mir noch einen Gefallen. Im Prinzip kostet mich das alles hier keinen Cent, im Gegenteil, ich verdien sogar daran...“ erklärte mir meine Schwester seelenruhig. Ich fragte jedoch nicht näher nach, konnte ich mir doch denken, was dies bedeutete. Nabiki hatte das große Talent, mit krummen Geschäften eine Menge Geld zu verdienen. Der Saal füllte sich immer mehr und es wurde zunehmend lauter. Einige von Nabikis Klassenkameraden kamen an unseren Tisch, lobten die tolle Organisation und bedankten sich bei ihr. Ich erkannte viele Gesichter. Die Hälfte meiner Klasse war ebenfalls anwesend, hatten die meisten doch wie ich ältere Geschwister in der Oberstufe. Fast alle Tische waren nun schon besetzt und es konnte nicht mehr lange dauern, bis das Programm begann. Ich blickte zu meiner Familie. Kasumi und mein Vater unterhielten sich angeregt und Nabiki war plötzlich verschwunden. Alle schienen sich schon prächtig zu amüsieren, doch ich blickte sehnsüchtig Richtung Ausgang. Er schien gar nicht so weit entfernt zu sein. Ich müsste nur aufstehen und scho-. Plötzlich stockte ich. Ungläubig starrte ich die drei Personen an, die soeben zur Tür hereingeschneit kamen. Der ältere Mann hatte, ebenso wie mein Vater, einen Anzug an. Direkt neben ihm stand seine Frau, die einen kostbar aussehenden Kimono trug. Ihr Sohn hatte mir den Rücken zugedreht. Die beiden schienen sich zu unterhalten. Zum ersten Mal spürte ich eine leichte Nervosität, doch woher sie kam und was sie zu bedeuten hatte, konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären. Und das machte mich noch nervöser... „Was machen die denn hier?!“ schoss es aus mir heraus. Ich ließ die Saotomes nicht aus den Augen. Mein Vater blicke in dieselbe Richtung. „Sie sind eingeladen. Da Ranma gestern am Unterricht teilgenommen hat, ist er offiziell ein Schüler dieser Schule und weil die Saotomes theoretisch zur Familie gehören, wurden sie eingeladen.“ Na wunderbar, das hätte ich mir ja denken können. Schnell erhob der alte Mann sich und versuchte mit hektisch und gefährlich aussehenden Armbewegungen die Aufmerksamkeit seines Freundes auf sich zu lenken. Hoffen und Beten half da leider auch nicht mehr, denn sie hatten uns entdeckt und steuerten direkt auf unseren Tisch zu. „Entschuldigt bitte die Verspätung! Wir haben doch nichts verpasst, oder?“ Sicher doch: die Sintflut zum Beispiel! „Ihr kommt gerade recht, meine Freunde. Setzt euch zu uns!“ sprach mein Vater erfreut und ließ sich auf seinen Stuhl nieder. Die anderen nahmen ebenfalls platz und ich fühlte mich plötzlich wie in einem Käfig eingesperrt. „Akane, du siehst ja bezaubernd aus! Das Kleid ist wirklich sehr schön!“ Ich blickte zu Frau Saotome, die denselben Blick in den Augen hatte wie Kasumi einige Zeit vorher. Als alle bemerkten, dass ich diese Aussage nicht kommentieren würde, senkten sie niedergeschlagen ihre Blicke. Hastig versuchten sie diesen – für sie – peinlichen Moment zu überspielen und beschworen Gespräche hervor, die nicht sinnloser hätten sein können. Doch es wunderte mich nicht, dass diese einfältigen Personen tatsächlich ein reges Interesse an solchen Konversationen hegten. Nur eine Person zog es wohl lieber vor, mich anzustarren. Er saß mir gegenüber, hatte die Hände gefaltet und stützte seinen Kopf auf eben diese. Seine blauen Augen bohrten sich in mein Bewusstsein und ich blickte ebenfalls zu ihm. Sein schwarzes Jackett hatte er ausgezogen und über die Stuhllehne gehängt. An dem weißen Hemd, das er trug, hatte er die ersten beiden Knöpfe offengelassen und ich konnte seine Haut darunter erkennen. Ich merkte das er etwas sagen wollte, doch dazu kam er nicht. Irgendwo aus der Masse vor der Bühne löste sich Nabiki und trat zu uns, um die verspäteten Gäste zu begrüßen. Der Saum ihres rosafarbenen schulterfreien Kleides wippte bei jedem ihrer Schritte hin und her. „Wie schön, ihr seid auch gekommen. Und wie gefällt es euch hier?“ Während meine ältere Schwester sprach, schweifte ihr Blick durch die Halle, als suchte sie jemanden. Zwischendurch zog sie an ihrem Kleid, als hätte sie Angst, dass es ihr vom Körper fallen könnte. Von einer Sekunde auf die nächste erhellte sich ihr Gesicht und sie stürmte ohne ein weiteres Wort davon. Ich sah, wie sie sich zu einem jungen blonden Mann am anderen Ende des Raumes stellte, mit ihm zu diskutieren schien und sich schließlich bei ihm unterhakte. Die beiden marschierten Richtung Bühne. Ich schätzte, dass jetzt der ganze Schwachsinn erst richtig losging. „Meine Damen und Herren, liebe Klassenkameraden! Guten Abend und herzlich Willkommen zur Abschlussfeier des Jahrganges...“ Meinem Mund entwich ein langgestrecktes Gähnen, dass ich beim besten Willen nicht unterdrücken konnte. Mit halb geschlossenen Augen und den Kopf auf einem Arm abstützend, beobachtete ich jede Bewegung die Nabiki und ihr Kasper dort auf der Bühne vollführten. Ihr Gesprochenes drang jedoch nicht bis zu mir, zu sehr war ich damit beschäftigt, mir einen Plan auszudenken, wie ich meinem Gegenüber bestmöglichst in den nächsten zwei Tagen –und wenn es möglich wäre auch in den nächsten paar Jahrzehnten – aus dem Weg zu gehen. Denn Tatsache war, dass je dunkler es draußen wurde, desto schneller würde der folgende Morgen einbrechen. Und somit auch mein zerplatzter Traum, von einer angenehm einsamen Zeit. Ich weiß nicht wie lange wir schon so dasaßen, doch es musste reichlich spät sein, denn dieser Abend war zu einer richtigen Party ausgeartet. Schüler hatten sich vor der Bühne versammelt und tanzten ausgelassen zur Musik und die Elternschaft hatte sich aufgesplittet. Ich vernahm ein dröhnendes Lachen aus einer hinteren Ecke und blickte zu der Runde von Vätern, die feuchtfröhlich über ihre Gläser hinweg unsinniges Zeug von sich gaben. Sie amüsierten sich prächtig, dank des Alkohols, den sie alle in Mengen vernichteten. Nicht unweit von ihnen entfernt, saßen die Frauen zusammen, bei denen es bedeutend ruhiger zuging. Auch wenn ich hiermit ein typisches Klischee bestätigte, entsprach es doch der Wahrheit, dass die Damen nur drei Themen kannten. Die kleinen süßen Kinder, Rezepte und das ewige Rätsel, wie man Mann am Besten erzieht. Letzteres unterstrichen sie mit verächtlichen Blicken in die Richtung der vor Testosteron strotzenden Meute. Ich erblickte meinen Vater und seinen alten Freund unter den besagten Männern und Kasumi und Frau Saotome in der Gruppe der Frauen. Sie schienen sich alle bestens zu vergnügen. Leicht angewidert blickte ich weg. Mir gar nicht aufgefallen, dass ich inzwischen völlig allein am Tisch saß. Und auch wenn ich das nicht wollte, irgendetwas zwang mich nach ihm Ausschau zu halten. Mein Blick schweifte durch den ganzen Raum und über die tanzende Menge einige Schritte vor mir. Es war schon fast unerträglich laut hier und zu meiner miesen Laute gesellten sich auch noch rhythmisch pochende Kopfschmerzen. Und plötzlich erblickte ich ihn. Ein laut lachendes Tanzpaar schritt zur Seite und gab den Blick auf ihn und seine Tanzpartnerin frei. Eng umschlugen bewegten sie sich passend zur Musik. Erst jetzt fiel mir auf, dass ein vielsagend langsamer Song gespielt wurde. Ich kannte die junge Frau nicht, hatte sie auch vorher noch nie auf der Schule gesehen. Ihre blonden Haare hatte sie sich teilweise hochgesteckt, doch wie ein wasserfallartiger Strahl fielen ihr einzelne Strähnen den Rücken bis zu den Hüften hinunter. Sie trug ein knielanges, dunkelblaues Kleid und dazu passende Ohrringe. Ihre dünnen Arme hatte sie ihm, - wie er auch bei ihr -, auf den Rücken gelegt. Ich sah, wie sie sich immer mehr an ihn drückte und mit ihren Händen begann, ihn zu streicheln. Im wahrsten Sinne des Wortes lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Wie schon heute morgen, wurde mir wieder schwindelig, ich fühlte mich plötzlich matt und unendlich müde. Wieder sah ich Schatten auf mich zukommen, die mir die Kehle zuschnürten und den letzten Rest Luft nahmen. Die Menschenmenge vor mir verschwamm, der Krach drang nur noch gedämpft durch den Nebel an meine Ohren und in dem Moment beschloss ich zu fliehen. Weg von ihnen, von denen, die sich an mir verzerren wollen, schon mein Leben lang. Gehetzt sprang ich auf, hob den Saum meines Kleides leicht an und flüchtete aus diesem scheußlichen Gebäude. Schwungvoll stieß ich die breite schwere Tür auf. Sofort empfing mich die eisige Nachtluft. Oder fühlte sie sich nur so kalt an, weil es im Saal so warm war? Schnell entfernte ich mich einige Meter, drehte mich aber noch einmal um. Dieser Steinblock, der einem schwarzen Monster glich, schien zu schrumpfen. Nichts gefährliches ging mehr von ihm aus. Erleichtert wollte ich meinen Weg fortsetzten, als ich ihn erblickte. Durch die große Glastür konnte ich sehen, wie er erschrocken zu mir sah. Er hatte wohl mitbekommen, wie ich stürmisch den Raum verlassen hatte. Sofort riss er sich von seiner Tanzpartnerin los. Er stürzte auf den Tisch zu, an dem ich noch vorhin gesessen hatte, riss sein Jackett vom Stuhl und folgte mir. Ich legte keinen Wert auf seine Gesellschaft, lief aber auch nicht panisch vor ihm davon. Sekunden später hörte ich Schritte hinter mir. Er trat neben mich und passte sich meinem Tempo an. Ich hatte mein Kleid immer noch leicht angehoben, achtete auf jeden meiner Schritte. Wieder konnte ich spüren, wie er mich ansah. Er hatte sein Jackett über den Arm gehängt und beide Hände in seinen Hosentaschen vergraben. „Schöne Feier, oder? Ist richtig gut geworden.“ Ich schaute zu ihm auf, deutete mit meinem Blick, dass ich ganz sicher kein Interesse an einem Gespräch hatte. Er schaute in die Ferne. „Du kannst nicht einfach abhauen. Es ist mitten in der Nacht.“ Kein Kommentar. „Es könnte dir sonst was passieren.“ Kein Kommentar. „Schließlich bist du nur ein Mädchen!“ Kei-. WAS? Hätte ich die Fähigkeit zu Lachen, ich hätte es getan. Doch stattdessen starrte ich ihn nur ungläubig an. Wir waren beide abrupt stehen geblieben. Sein Grinsen bohrte sich in mein Gedächtnis und ich wusste, es würde mich bis zu meinem Lebensende verfolgen. „War nur ein Scherz.“ winkte er lachend ab und deutete mir, weiterzulaufen. Leicht angesäuert und energisch lief ich weiter. Jeder Schritt bereitete mir höllische Schmerzen. Verdammte Schuhe! „Du warst damals schon ein ziemlich starkes Mädchen. Das hat sich bis heute bestimmt nicht geändert.“ Hätte ich das gewusst, wäre ich mit der Limousine nach Hause gefahren. Schließlich stand sie ja noch vor der Halle. Inzwischen hatten wir das Tor zum nahegelegenen Stadtpark durchquert. Dies war eine erhebliche Abkürzung. Meine Füße wären mir dankbar. „Was natürlich nicht heißt, dass du stärker warst als ich.“ Mit hochgezogener Augenbraue blickte ich zu ihm hoch. „Was du nicht sagst.“ Wir folgten immer noch dem asphaltierten Weg, umgeben von mächtigen Bäumen, die hin und wieder einen Blick auf Wiesen und den dahinterliegenden See, freigaben. Alles in einem tiefdunklen Blau getaucht. Mir war immer noch etwas kalt. „Tja, und selbst heute würdest du kaum eine Chance gegen mich haben.“ Missbilligend musterte ich meinen Begleiter, was ein Fehler war, denn ich übersah hierdurch eine kleine Erhebung des Bodens und stolperte prompt darüber. Der junge Mann neben mir reagierte blitzschnell. Er griff nach meinem Arm und verhinderte zum x-ten Male einen bösen Sturz. Langsam wurde es schon unangenehm. „Was ist? Hat dich die Neuigkeit etwa umgeworfen?“ Wieder lachte er herzhaft. Nicht böse oder herablassend, eher provozierend. Das tat er schon immer gerne. Mich provozieren. Denn er liebte es, wenn ich mich über ihn aufregte. Jetzt reichte es! Wütend riss ich mich von meinen Gedanken los. Sein Lachen verstummte und er blickte mir erstaunt hinterher, als ich auf eine Parkbank zusteuerte und mich dort niederließ. Ich streifte meine Schuhe ab und feuerte sie in einen Mülleimer, der direkt neben der Bank stand. Dann erhob ich mich wieder, beugte mich zum Saum meines Kleides hinunter und fügte diesem blöden Stück Stoff einen Riss bis oberhalb meiner Knie zu. Anschließend entfernte ich noch den letzten Rest. Ich bemerkte, wie er mich während der groben Kürzung des Kleides grinsend anstarrte, doch ich ignorierte dies gekonnt. Endlich konnte ich mich wieder frei bewegen. Mit einer verächtlichen Bewegung drehte ich mich von dem Mülleimer, dessen Inhalt die traurigen Überreste eines mit Sicherheit teuren Kostüms sind, weg. Jetzt wusste ich auch, dass ich mich vorhin nicht getäuscht hatte, es war wirklich recht kühl heute Nacht. Das schien auch mein Begleiter bemerkt zu haben, denn er legte mir sein Jackett um die Schultern. „Du zitterst.“ Den Rest des Weges war kein Wort mehr zu hören. Ich war damit beschäftigt, mir eine passende Formulierung für meine Klage gegen die Schuhmarke auszudenken und auch er schien in Gedanken zu sein. Und endlich, nach einer Ewigkeit wie mir schien, betraten wir das Tendo-Anwesen. Ich runzelte die Stirn. Dieses Szenario erinnerte mich doch stark an diese Liebesschnulzen, die Kasumi so gerne sah. Der Mann, der die Frau, die er heimlich liebt, bis vor die Tür begleitet und beide nun unschlüssig, was sie denn jetzt tun sollen, sich gegenseitig eine angenehme Nachtruhe wünschen und gegebenenfalls noch Süße-Träume-Küsse austauschen. Was ein Glück, das dies kein Film ist. Wortlos reichte ich ihm sein Jackett zurück. Und dann brach es über mich herein. Ich hatte meinen Schlüssel vergessen! Seufzend lehnte ich mich gegen die Wand. Fragend blickte er mich an. „Ich hab keinen Schlüssel.“ erklärte ich, genervt über meine eigene Dummheit. „Das lässt sich regeln.“ sprach er und war auch schon weg. Schnell löste ich mich von der Wand, blickte nach oben und konnte noch sehen, wie seine schemenhafte Silhouette vom Vordach aufs große Dach sprang und auf der anderen Seite aus meinem Blickfeld verschwand. Vermutlich suchte er nach einem offenen Fenster, durch das er hineinklettern konnte. Wenn ihn jetzt jemand sah, würde man glauben, dass er ein Einbrecher wäre. Es war sehr ruhig, nicht einmal Autos, von der naheliegenden Hauptstraße, waren zu hören. Ich wurde mir wieder meiner dröhnenden Kopfschmerzen bewusst und sehnte mich nach meinem Bett. Ein leises Klicken hinter mir, veranlasste mich dazu, dass ich wieder auf den Eingang zusteuerte. Der Dunkelheit, die im Flur herrschte, konnte nichts entrinnen. Nicht einmal ihn erkannte ich in der Schwärze. Angestrengt starrte ich auf den Boden, damit ich nicht noch einmal in Verlegenheit geraten konnte, zu stolpern. Plötzlich legte sich seine Hand auf meinen Rücken und er drückte mich leicht in die Finsternis. Ich blieb wie angewurzelt stehen, rührte mich keinen Zentimeter mehr. Er kam mir näher, das spürte ich. Sein Atem strich sachte an meinem Hals entlang und kitzelte anschließend mein Ohr, seine Wange berührte die meine ganz leicht. Und er flüsterte. Flüsterte obwohl wir allein waren. „Wir sehen uns morgen...“ Die Tür fiel hinter ihm zu und ich zitterte stärker als zuvor. Hosted by Animexx e.V. 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