Geheimnisse sind nicht immer schön von JonahThera ================================================================================ Ducky stand in seinem Reich zwischen zwei der silbernen, kalten Tischen und schüttelte den Kopf. Die zwei Frauen, die dort lagen, waren wunderschön. Ihre Gesichter waren dezent geschminkt. Allerdings vollkommen identisch, was darauf hinwies, dass dies der Täter getan hatte. Auch ihre Haare entsprachen nicht mehr der Wirk-lichkeit. Der Mörder hatte sie ihnen abgeschnitten und rot gefärbt. Normal waren sie blond beziehungsweise dunkelbraun. Ducky wusste das, da die zwei Damen Angestellte des NCIS waren und er ihnen des Öfteren be-gegnet war. Palmer fotografierte sie gerade und zog sie anschließend aus, um weitere Fotos zu machen. Ihre Körper waren von Hämatomen überseht, jedoch gab es sonst keine äußerlichen Verletzungen, die ihren Tod hätten verursacht haben könnten. „Ihr armen. Letzte Woche habt ihr noch hier gearbeitet und nun?“, flüsterte Ducky und beugte sich über eine der Frauen. Er strich eine der unnatürlich roten Strähnen aus ihrer Stirn und begann dann die äußerliche Leichen-schau. Clarice Camper war siebenunddreißig Jahre alt und ein Meter sechsundsechzig groß. Sie hatte in der Ak-tenabteilung gearbeitet. Privat war nicht viel über sie zu sagen. Im Grunde verheiratet mit ihrem Beruf, war sie Single. Nur eine Katze wartete abends auf sie. An dies erinnerte sich Ducky, während er die einzelnen Bluter-güsse katalogisierte. Anschließend schickte er Palmer mit ihr zum Röntgen. Seufzend wand sich der Pathologe der zweiten Frau zu. Sie hieß Darleen Grant und war vierzig Jahre alt. Mit ihren ein Meter achtundsechzig füllte sie kaum den ganzen Tisch aus. Auch sie war Single und arbeite beim NCIS in der Cafeteria. Sie schien die erste Leiche zu sein, da bei ihr der Verwesungsstatus höher war als bei Miss Camper. Trotzdem konnte sie nicht län-ger als vier Tage Tod sein. Gibbs schnaufte genervt und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als er das Telefon auflegte. Sein Team sah ihn fragend an, doch der Senioragent schien in trüben Gedanken zu fischen. Dann stand er ruckartig auf. „Gabrielle Montez aus dem technischen Labor für Bomben aller Art ist seit gestern Nachmittag verschwun-den.“, schaute er zu Tony und danach zu den anderen Beiden. Diese wechselten kurz Blicke. „Denkst du, es ist derselbe, der die Frauen unten bei Ducky umgebracht hat?“, wollte Ziva wissen und auch Tony und Tim blickten fragend zu ihrem Boss. „Ich will es nicht hoffen.“, war Gibbs’ einzige Antwort und bedeutete Ziva und Tony ihm zu folgen. „McGee hilf Abby.“, befahl er noch und verschwand mit seinen Leuten im Fahrstuhl. Cynthia schaute immer wieder zur Tür zum Büro der Direktorin. Vor wenigen Minuten war Lieutenant Colonel Hollis Mann hineingegangen. Da ihr bekannt war, dass Direktor Shepard anscheinend eine gewisse Abneigung gegen die Soldatin von der Army hatte, wartete sie eigentlich nur darauf, dass es lauter werden würde. Doch bis jetzt schienen sich die Frauen ruhig zu unterhalten. „Sie sind eine interessante und geheimnisvolle Frau, Direktor Shepard.“ Hollis stand ihr gegenüber und hatte die letzten Minuten gewartet, dass Jenny ihr ihre Aufmerksamkeit schenkte, die sie nun auch bekam. „Wie meinen?“ Jenny sah die Soldatin freundlich aber unnahbar an. „Ich habe mich etwas über sie erkundigt, da ich es für beachtlich hielt, dass es eine Frau auf diesen Posten ge-schafft hat. So habe ich auch von Amber und erfahren.“ Jennys Blick verfinsterte sich augenblicklich, bedachte die Frau aber noch mit einem abwartenden Blick. „Mir scheint, dass ist ihr bestgeschütztes Geheimnis, da nicht mal Jethro etwas davon weiß, wobei..“ „Es reicht.“, unterbrach Jenny Hollis unsanft, in dem sie ruckartig aufstand. „Meine Vergangenheit geht sie einen Scheißdreck an, Colonel. Wenn sie mich als Bedrohung in Bezug auf Agent Gibbs ansehen, kann ich sie beruhigen. Es gehört ebenfalls zu meiner Vergangenheit und ist damit abge-schlossen. Ich denke unser Gespräch ist beendet. Und ich warne sie. Sie sollten, das, was sie wissen, für sich behalten.“, verwies die Direktorin ihr Gegenüber im scharfen Ton aus ihrem Büro. Ducky besah sich gerade die Röntgenbilder seiner beiden Gäste, als Gibbs durch die Tür trat und ihn fragend ansah. „Hast du was für mich?“ Ducky nickte und ging zu den Leichen. „Beide wurden, wie du sicher selbst siehst Jethro, schwer misshandelt. Sie haben Beide extreme Brüche ver-schiedenster Knochen erlitten und wer auch immer ihnen das antat, hat sie denke ich auch vergewaltigt. Vaginale Abstriche und Hautfetzen unter den Fingernägeln der Opfer sind bei Abby, sowie ein paar Fasern von der Klei-dung.“ Jethro sah seinen Freund noch immer fragend an. „Ach, die Todesursache konnte ich nicht feststellen. Keine der inneren Verletzungen waren tödlich. Blutproben sind ebenfalls bei Abby, die sie auf Gifte prüft.“ Gibbs nickte einmal und ging wieder. „Meine Güte ist er wieder schweigsam heute, oder was meint ihr, meine Hübschen?“, beugte Ducky sich zu den beiden Frauen. Tony stand hinter Abby und McGee und sah auf den Bildschirm über ihren Köpfen. „Ich habe leider noch keine Übereinstimmung von irgendwelchen Giften oder anderen fremden Substanzen in ihrem Blut. Auch die DNA-Bestimmung lässt noch auf sich warten.“, informierte die Gothlady den stellvertre-tenden Teamleiter über den Stand der Dinge. Dieser seufzte gequält. „Beeilt euch bloß. Es sieht alles danach aus, als wäre Gabrielle Montez sein nächstes Opfer.“ „Tony. Die Fasern, die Ducky uns gebracht haben, stammen aus einem Chevrolet vermutlich Baujahr 1999.“, ergänzte Tim noch die Aufzählung von Abby. „Wenigstens etwas, Bambino.“ Damit verließ der Italiener das Büro. Abby zog ihre kleine Schnute und blickte zu Tim. „Der Typ hat es auf NCIS-Angestellte abgesehen.“ Tim lächelte milde und drückte Abbys Hand. „Wir passen schon auf. Inzwischen ist ja auch eine Warnung an alle weiblichen Mitarbeiter herausgegeben worden.“, versuchte er sein Freundin zu beruhigen. Die nickte nur kurz und beschäftigte sich dann wieder mit ihrem PC. Nun schaute Tim sie doch etwas besorgt an. Dieser Kerl war nicht richtig im Kopf. „Was haben wir?“ Gibbs saß an seinem Schreibtisch und sah seine Mitarbeiter abwartend an. Tony stand auf und betätigte die Fernbedienung für den Bildschirm. „Zwei weibliche Leichen. Die erste Darleen Grant und Clarice Camper. Gabrielle Montez ist verschwunden.“ Es erschienen drei Bilder auf dem Bildschirm von den Frauen, wie sie vor der Entführung aussahen. „Grant und Camper wurden die Haare abgeschnitten und rot gefärbt. Beide Frauen waren auf dieselbe Art und Weise geschminkt, was darauf schließen lässt, dass es der Täter war. Außerdem hat der Täter beide Frauen schwer misshandelt und …“ Ziva stoppte in ihrer Erklärung, als Jen zu ihnen trat. „Mach bitte weiter.“, nickte sie ihr zu und lehnte sich an Zivas Schreibtisch. „.. und vergewaltigt. Er fährt vermutlich einen Chevrolet Baujahr 1999.“ „Das scheinen mir Stellvertretermorde zu sein.“, bemerkte McGee und Gibbs nickte. „Jetzt müssen wir nur herausfinden, wer die eigentliche Frau ist, auf die der Kerl so einen Hass hat.“, kräuselte Gibbs die Stirn und starrte auf die Photos der drei Frauen. So sahen sie sich kaum ähnlich. Trotzdem schienen es gezielt gewählte Opfer zu seien, da alle beim NCIS arbeiteten. „Und warum ausgerechnet alle von hier kommen.“, fügte er noch an. Einen Moment lang herrschte Schweigen, bevor Abby aus Richtung des Fahrstuhles angerannt kam und Tony die Fernbedienung aus der Hand riss. Alle sahen sie fragend an. „Unsere Opfer wurden mit dem Gift der australischen Braunschlange umgebracht. Sie ist eine der gefährlichs-ten Schlangen auf der Welt.“, informierte sie und sah Gibbs erwartungsvoll an. Dieser nickte nur, dann grinste Abby. „Und ich kenne unseren Täter.“ Sie drückte ein paar Knöpfe und ein Bild erschien. „Lyonel Petrowsky. Saß mehrere Jahre wegen Vergewaltigung und ist seit fünf Monaten raus. Arbeitet im Moment im Tierpark bei den Terrarien.“, verkündete Abby stolz und sah von einem zum anderen. Bei der Direk-torin stockte ihr Blick und verwandelte sich in einen fragenden. Auch McGee hatte die Veränderung in der Kör-perhaltung der Chefin bemerkt und vor allem, dass sie kreidebleich geworden war. „Alles okay, Direktor?“, fragte er sie besorgt betrachtend. Jenny starrte wie angewurzelt auf das Foto des Man-nes und ihr Körper schien bis aufs Äußerste angespannt. Gibbs und Tony musterten sie genauer und beiden Männern schien diese Starre nicht zu gefallen. Auch Ziva sah ihre Freundin besorgt an. Als sie ihr eine Hand auf die Schulter legte, erschrak die rothaarige Frau heftig und zuckte zusammen. Ziva zog irritiert die Hand zurück. Gibbs war inzwischen aufgestanden, zu den beiden Frauen gegangen und sah die Direktorin eindringlich an. „Jen? Was ist los?“, wollte er von der anscheinend vollkommen verstörten Frau wissen. Diese schien sich nun aber wieder gefangen zu haben und lächelte matt. „Nichts. Entschuldigt mich.“, löste sie sich von Zivas Schreibtisch und ging langsam in Richtung der Toiletten davon. Das Team um Agent Gibbs wechselte besorgte Blicke und Gibbs wand sich schließlich Abby zu. „Versuch noch mehr über den Mann herauszufinden, Abbs. Er muss irgendetwas mit Direktor Shepard zu tun haben. Finde die Verbindung.“, befahl er der quirligen Forensikerin, die salutierte und zum Fahrstuhl rannte. „Boss. Jenny hat kurze, rote Haare. Was ist, wenn Petrowsky sie meint?“, schaute Tony zu seinem Chef und eine bedrückende Stille setzte zwischen den Teammitgliedern ein. Zivas Blick richtete sich in Richtung der Toi-letten und sie schien unentschlossen zu sein, ihrer Freundin zu folgen. McGee begann wie ein Wahnsinniger auf seiner Tastatur herumzuhämmern, während Tony und Gibbs sich noch immer anschauten, den anderen aber gar nicht wahrzunehmen schienen. Langsam ging es auf einundzwanzig Uhr zu und noch immer hatten sie keine neuen Beweise. McGee konnte zwar herausfinden, dass es in der näheren Umgebung zweihundertsechsundvierzig gemeldete Chevrolets gab, das brachte das Team nur kein Stück weiter, da keiner auf Petrowskys Namen lief. Auch Abbs war kein bisschen vorwärts gekommen, da alle Akten über Petrowskys Fall zum Schutz der Betroffenen versiegelt waren. Dies allerdings auch nur für den NCIS und einige andere kleinere Bundesbehörden, deren Bedeutung anscheinend nicht gewichtig genug war. Zwar bemühte Abby sich einzuhacken, doch mit welchem Programm auch immer sie es versuchte, die Firewall konnte jedem Stand halten. Gibbs saß an seinem Schreibtisch und starrte auf die Bilder der drei Frauen. Gabrielle Montez war noch immer verschwunden und auch der Verdächtige schien nicht auf-findbar zu sein. Sein Chef im Tierpark konnte ihnen nur sagen, dass Petrowsky sich vor einer Woche krank mel-dete und er ihn seitdem auch nicht gesehen hatte. Die Adresse, die Petrowsky angegeben hatte, führte ins Nichts, da dort schon seit mehreren Jahren keine Häuser mehr standen. „Fahrt nach hause. Wir treffen uns um sechs Uhr wieder.“, befahl der Teamleiter plötzlich. „Aber was ist mit Gabrielle Montez und Jenny?“, wollte Tony zweifelnd wissen. „Wir haben keine Anhaltspunkte. Nichts. Heute Nacht können wir wohl oder übel nichts für Miss Montez tun. Was Jenny betrifft. Die hat sich in ihrem Büro verbarrikadiert. Ich glaube nicht, dass sie das Gebäude verlässt.“, meinte Gibbs mit ruhiger Stimme und schaute besorgt die Treppe hinauf zu ihrem Büro. „Für den Fall bleibe ich hier.“, fügte er noch an. Widerwillig nahmen Tony und McGee ihre Sachen und gingen zum Fahrstuhl. Nur Ziva blieb sitzen und tippte noch etwas. Gibbs sah sie eine Weile an und stand dann auf. „Ich hol mir einen Kaffee. Wenn ich wiederkomme, bist du bitte auch gegangen.“, sah er sie eindringlich an. Ziva nickte stumm und tippte weiter. Gibbs sah nachdenklich auf die Uhr. Sie zeigte Mitternacht. Von Jenny war nichts zu sehen gewesen und ihre Tür war auch noch immer verschlossen. Zwar hatte sie nicht auf sein Rufen geantwortet, trotzdem war er sich sicher, dass sie noch da war. Plötzlich öffnete sich der Fahrstuhl. Stirn runzelnd sah er zu ihm und musste lä-cheln, als er Hollis sah. Sie kam zu seinem Schreibtisch und überreichte ihm einen Becher Kaffee. „Danke. Was machst du hier?“, fragte er und nippte an dem frischen Getränk. „Wir waren vor vier Stunden verabredet.“, lächelte sie und holte sich einen Stuhl. Gibbs schlug sich an den Kopf und sah sie entschuldigend an. „Was gibt es denn für einen schlimmen Fall, dass du mich versetzt?“, erkundigte sie sich und setzte sich ihm gegenüber. „Zwei Frauen, die hier arbeiten, wurden heute tot aufgefunden. Eine weitere ist verschwunden und es hat ir-gendetwas mit Jenny zu tun. Ich bin hier geblieben, weil sie sich in ihrem Büro eingeschlossen hat.“, erzählte er knapp und nichts für den Fall relevantes, was Hollis nicht wissen durfte. Die Soldatin nickte und schaute sich die Fotos der Frauen an und dann das von Petrowsky. Langsam erhob sie sich und sah den Mann genauer an. „Ist das euer Verdächtiger?“, fragte sie mit merklicher Anspannung in der Stimme und deutete auf das Foto. Gibbs nickte und stand auf, um zu ihr zu gehen. „Ja. Lyonel Petrowsky. Kennst du ihn?“, erkundigte er sich, da er die Veränderung ihrer Stimme bemerkt hatte. „So kann man das nicht sagen. Ich habe mich etwas über Direktor Shepard erkundigt und da fiel auch sein Name.“, erklärte sie und ihr Gesicht zeigte tiefe Besorgnis. „Du hast dich über Jenny erkundigt?“, wollte Gibbs wissen und sah sie über ihre Gründe zweifelnd an. „Es hat mich einfach interessiert, wie sie es auf diesen Posten geschafft hat.“, lächelte sie verlegen. „Und dabei bist du über ihn gestolpert?“ „Ja. Er ist gefährlich, Jethro. Deine Direktorin ist mit Sicherheit sein eigentliches Ziel.“, blickte sie beschwö-rend zu dem älteren Agent und auf Gibbs Stirn bildeten sich Sorgenfalten. „Was hat er mit Jenny zu schaffen. Du weißt doch was.“ Hollis seufzte und schien einen Moment zu überlegen, ob sie es ihm sagen sollte. „Jethro. Ich weiß nicht, ob es besser wäre, wenn sie es euch erzählt.“ „Das tut sie aber nicht, Hollis. Sie ist starr vor Angst und ich will wissen, warum?“, bohrte sich sein Blick in die Soldatin, die noch eine Weile zögerte. „Lyonel Petrowsky ist acht Jahre älter als Direktor Shepard. Er war ein Nachbarjunge, der immer auf die kleine Jenny aufgepasst hat. Als sie fünf war, verschwand sie aber. Petrowsky hatte sie entführt und vergewaltigt.“ Gibbs Blick schien vor Entsetzen zu schreien, trotzdem sagte er nichts und wartete, dass Hollis vielleicht noch mehr erzählte. „Er kam in den Jugendknast, aus dem er mit zwanzig Jahren entlassen wurde. Seine erste Handlung war nicht etwa zu seinem Bewährungshelfer zu gehen, sondern in seine alte Wohngegend zu fahren.“ Hollis sah ihr Ge-genüber an und Gibbs schien sofort zu wissen, worauf sie hinaus wollte. „Und hat sie noch mal vergewaltigt.“, führte er ihren Satz zu Ende. Hollis nickte merklich bedrückt. „Sie war über eine Woche in seiner Gewalt.“, fügte sie abschließend an und blickte zu dem Foto des Mörders und Vergewaltigers. Gibbs biss die Zähne vor Wut so stark zusammen, dass Hollis hören konnte, wie sie knir-schten. Er schnaufte, schaute hoch zum Büro und ging dann zur Treppe. Hollis folgte ihm, als er diese im Eil-tempo hochhetzte und zu Jennys Büro ging. Die Tür zum Vorzimmer stand offen, so dass der Special Agent direkt auf die Tür zum Büro zuhielt. Sie war verschlossen und auch als er die Klinge herunterdrückte, rührte sich die Tür nicht. „Jenny, mach auf. Sofort.“, klopfte er laut an die Tür. Dann bedeutete er Hollis zu Cynthias Schreibtisch zu gehen. „Da muss irgendwo ein Schlüssel zu der Tür sein.“, sagte er und Hollis begann den Schreibtisch zu durchsu-chen. „Vielleicht schläft sie. Denkst du, dass es richtig?“, gab die Soldatin zu bedenken, doch Gibbs klopfte weiter an die Tür. „Jen! Mach auf! Sonst trete ich die Tür ein. Hörst du nicht? Jenny!“, schrie er inzwischen. „Ich glaube, ich habe ihn.“, hielt Hollis einen Schlüssel hoch auf dem ein Pflaster mit der Aufschrift Büro kleb-te. Sie warf ihn Gibbs rüber, der ihn sofort ins Schlüsselloch steckte. Kaum ging die Tür auf, stand Gibbs bereits im Büro und sah sich um. Hollis folgte ihm und blieb überrascht stehen. „Sie scheint dich ausgetrickst zu haben.“, kommentierte sie die Leere, die im Büro herrschte. Von Jenny fehlte jede Spur. Nichts wies daraufhin, dass sie heute überhaupt in ihrem Büro gewesen war. „Ich war nur kurz nach neun Kaffee holen. Da war Ziva aber noch hier.“ Gibbs Blick huschte leicht panisch durch den Raum, den er daraufhin verließ. An sich selbst zweifelnd stand er am Geländer und blickte hinab zu den Schreibtischen, um anschließend zum Konferenzraum zu gehen. Außer zwei Leuten, die den allgemeinen Funkkontakt überwachten, war dieser aber ebenfalls leer. Gibbs starrte etwas verzweifelt auf die zwei Angestell-ten und murmelte eine leises ‚Scheiße’. Kaum dass Gibbs bei jedem von ihnen angerufen hatte, waren Tony, Ziva und Tim schon wieder im Büro. Gemeinsam überprüften sie die ganzen Überwachungskameras und die aufgenommenen Bänder. „Was habt ihr?“ Gibbs’ Laune war vermutlich am tiefsten Punkt, den sie erreichen konnte. Dementsprechend blaffte er seine Mitarbeiter an. „Und wo steckt Abby?“ „Ich konnte sie noch nicht erreichen, aber ich versuche es weiter.“, meinte McGee kleinlaut, während Tony aufstand und zum Bildschirm ging. „Die Direktorin hat um neunzehn Uhr achtundvierzig ihr Büro verlassen und ist in den Fahrstuhl gestiegen, den sie ein Stockwerk unter uns verlassen hat, um in den anderen zu wechseln. Um neunzehn Uhr vierundfünfzig verlässt sie durch den Haupteingang das Gebäude.“, spielte der Italiener die entsprechenden Szenen vor. Ziva ging zu ihm und spulte ein Stück zurück. „Ich finde, ihr Gesicht zeigt zum einen Angst, zum anderen aber auch Entschlossenheit.“ Gibbs schaute das angehaltene Bild eine Weile stumm an. Hollis, die sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, legte den Kopf schief. „Denkt ihr, sie weiß, wo Petrowsky ist?“, erkundigte sie sich und schaute zu Tony und Ziva, die Beide mit den Schultern zuckten. Tony nahm wieder die Fernbedienung und spulte noch weiter zurück. „Ich weiß nicht, ob es wichtig ist. Aber Abbs hat das Gebäude um neunzehn Uhr vierundvierzig verlassen und scheint von da an verschwunden.“, zeigte er die Szene, in der Abby durch den Haupteingang ging. „Was ist mit der Kamera auf dem Parkplatz?“, wollte Gibbs wissen und malträtierte einen Radiergummi. „Seit zwei Wochen kaputt. Die Firma ist unterbesetzt und hat es noch nicht geschafft, sie reparieren zu lassen.“, informierte Tim das Team und wählte zum x-ten Mal Abbys Nummer. Doch auch dieses Mal ging keiner ran. Gibbs schien kurz davor zu sein, jeden Moment zu explodieren. „Gibbs. Du weißt doch inzwischen mehr als wir. Was ist zwischen Jenny und diesem Petrowsky?“, sah die Israelin den Teamleiter durchdringend an. Gibbs schnaufte nur und drehte sich von ihnen weg, so dass Hollis ein Stück vortrat. „Nicht Hollis.“, blaffte er auch die Soldatin in seinem vernichtenden Ton an. Doch die Soldatin sah ihn nur ungerührt an. „Sie sollten es wissen.“, bestimmte sie und wand sich dem Team zu, die sie irritiert, aber auch fragend ansahen. „Sie wissen, dass Petrowsky wegen Vergewaltigung im Gefängnis saß.“ Das Team nickte einheitlich. „Sein Opfer war beim ersten Mal fünf und beim zweiten Mal 12 Jahre alt und hieß Jenny Shepard.“, gab die Soldatin ihr Wissen mit ruhiger Stimme wieder. Ziva sackte auf ihren Stuhl und starrte entsetzt vor sich hin. McGee blickte die Frau nur mit großen Augen und offenen Mund an und schien wie Ziva vollkommen geschockt zu sein. „Oh mein Gott!!!“ Tonys Stimme versagte ihm den Dienst, so dass nur ein Flüstern seinen Mund verließ. „Wir müssen sie finden.“, meinte er, nachdem er sich vom ersten Schock erholt und seine Stimme wieder hatte. Mit Blaulicht bog der Rettungswagen in die Auffahrt zur Notaufnahme des Krankenhauses ein. Sofort stürmten mehrere Schwestern aus der Tür und öffneten die hinteren Türen des Wagens. Ein Sanitäter sprang aus dem Wagen und zusammen entluden sie die Trage, auf der die rothaarige Frau bewusstlos lag. Hinter ihr stieg eine junge Frau mit schwarzen Zöpfen aus. „Ihr wurde das Gift der australischen Braunschlange gespritzt.“, schrie sie eine der Schwestern an, während sie dieser und der Trage in die Notaufnahme folgte. Dort wurde sie von der bewusstlosen Frau getrennt, damit man sich um sie kümmern konnte. Eine Schwester nahm Abby am Arm und zog sie mit sich zur Aufnahme. „Können sie mir sagen, wie die Frau heißt?“, wollte die Schwester wissen. Abby nickte nur kurz, während sie noch immer zur Tür schaute, hinter der die Schwestern mit der Frau verschwunden waren. „Gabrielle Montez. Sie ist neununddreißig Jahre alt und arbeitet beim NCIS.“, meinte Abby und biss sich auf die Unterlippe. Die Schwester notierte die Angaben. Als sie wieder aufsah, stand Abby allerdings nicht mehr vor ihr und auch im Rest der Notaufnahme fehlte jede Spur von ihr. Wieder herrschte eiserne Stille in Gibbs Team und jeder schien seinen mehr oder weniger düsteren Gedanken nachzuhängen. Gibbs trank seinen inzwischen neunten Kaffee und wurde dabei misstrauisch von Hollis beäugt. McGee versuchte noch immer Abby zu erreichen, während Tony und Ziva noch mal alle Beweise durchgingen, jedoch ständig den Kopf schüttelten, weil jeder Hinweis ins Nichts führte. So bemerkte auch niemand, wie sich der Fahrstuhl öffnete. „Gibbs! Gibbs! Gibbs! Gibbs!“, rannte Abby regelrecht zu den Schreibtischen des Teams. Gibbs stand ruckar-tig auf und schloss Abby etwas erleichtert in die Arme. „Abbs. Wo warst du?“ Er hielt ihr Gesicht in seinen Händen und sah sie Eindringlich an. „Petrowsky hat die Direktorin.“, antwortete sie ihm nur, während Tony, Ziva und Tim sie begrüßten. „Was ist denn passiert?“, wollte Ziva wissen und schob Abby einen Stuhl hin, auf den sie sich setzte. „Er hat mich auf dem Parkplatz überwältigt. Die Direktorin scheint das mitbekommen zu haben. Auf jeden Fall ist sie uns gefolgt. Sie konnte ihn davon überzeugen, mich und Gabrielle Montez frei zu lassen und dafür sie zu behalten, weil er doch sie wolle. Ich habe Miss Montez ins Krankenhaus gebracht und bin dann sofort hierher gefahren.“, erklärte Abby und sah Gibbs den Tränen nahe an. Er strich ihr übers Haar und drückte einen Kuss auf ihre Stirn. „Das hast du gut gemacht, Abbs.“ „Weißt du, wo er euch hingebracht hat?“, fragte Tony, der neben ihr hockte und sie ansah. „Er hat mir die Augen verbunden, auch als er uns weggebracht hat. Aber ich habe einige Geräusche gehört. Ich werde sofort versuchen den Fahrtweg zu rekonstruieren. Hilfst du mir, McGee?“, erklärte sie und sah zu dem Computerspezialisten rüber, der nickte und mit ihr zum Fahrstuhl ging, damit sie in ihr Labor fahren konnten. Gibbs und die anderen schauten den Beiden einen Moment hinterher. „Okay. Petrowsky hat das, was er will und wir müssen es ihm wieder wegnehmen.“, verkündigte Gibbs mit harter Stimme. Das Team von Gibbs sowie Verstärkung hatten eine kleine herabgekommene Hütte außerhalb der Stadt um-stellt. Abby konnte den Fahrtweg bis zu diesem recht abgelegenen Ort verfolgen und das Haus blieb durch den davor stehenden Chevrolet als einziges übrig, in dem Petrowsky sich verschanzt haben konnte. Jenny saß mit geneigtem Kopf auf einem alten, zerfetzten Sofa. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt und Petrowsky stand am mit Brettern vernagelten Fenster und blickte durch ein kleines Loch hinaus. Er lächelte überlegen, während er die Mannschaften beobachtete, die sich um das Haus herum aufstellten. „Sie denken, sie könnten dich retten, Jennymaus. Aber da irren sie sich. Du gehörst mir.“, lachte er gehässig. Seine Geisel reagierte gar nicht darauf. „Bald sind wir vereint und dann bleiben wir für immer zusammen. Du wirst schon sehen. Wir werden viel Spaß haben.“ Seine irre Stimme wurde immer lauter, während er sich ihr näherte. „Denkst du nicht auch, Liebes?“, flüsterte er ihr ins Ohr und sie zuckte heftig zusammen. Ihr Atem beschleu-nigte sich und sie schloss die Augen. „Angst? Du brauchst doch keine Angst zu haben. Ich liebe dich.“, hauchte er, während die kalte Klinge seines Messers ihren Hals nachfuhr. Ihr Körper begann zu zittern und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Aber auch wenn ich dich liebe. Gehorchst du mir nicht, muss ich dich umbringen.“ Der Ton seiner Stimme hallte in ihrem Kopf wider und als er ihr einen Kuss auf die Wange gab, schluchzte sie erschrocken. Gibbs blickte kurz zu seinem Team und zu Hollis, die sich momentan noch bei ihm aufhielten und nur auf den Befehl warteten, die Direktorin aus den Händen dieses Typen zu befreien. Der Teamleiter hielt ein Megaphon in der Hand, atmete tief durch und hob es dann hoch. „Lyonel Petrowsky! Wir wissen, dass sie sich in der Hütte befinden. Ergeben sie sich freiwillig!“, begann der Special Agent das Gespräch. Lyonel stand am Fenster und ging rüber zu Jenny. „Wer war das?“ Die Direktorin sah ihn nicht an, weshalb er ihr das Messer an die Kehle drückte. „Special Agent Gibbs.“, schluchzte sie und Petrowsky ließ wieder von ihr ab. Ein schmutziges Grinsen schwang über seine Lippen. Langsam ging er zurück zum Fenster. „Bringen sie meine Tochter her. Dann können wir darüber verhandeln, Special Agent Gibbs.“, schrie der Mann in irrer Euphorie. Gibbs sah zu seinen Leuten, die alle samt die Stirn runzelten. „Wie heißt ihre Tochter, Petrowsky?“, erkundigte sich Gibbs. Eine Weile herrschte Ruhe, ehe eine Antwort kam. „Das werden sie herausfinden müssen. Ihre Mutter hat es mir nicht verraten. Beeilen sie sich, sonst wird meine Jennymaus für ihren Fehler büßen.“, schrie Petrowsky in bestimmenden Ton aus der Hütte. Gibbs lief ein Schau-er über den Rücken und auch der Rest des Teams schüttete sich angewidert. Dann sahen sie sich etwas ratlos an, weil allen klar war, dass sie noch nie etwas davon gehört oder gelesen hatten, dass Petrowsky ein Kind hatte. Die Stille hielt einige Minuten an, in denen die Agents über eine mögliche Lösung des Problems nachdachten. „Das übernehme ich. In einer Stunde bin ich wieder da.“, meinte plötzlich Hollis und verschwand in der nächs-ten Minute bereits zu ihrem Wagen. Gibbs rief ihr zwar noch hinterher, doch sie reagierte nicht darauf. Zielstre-big fuhr die Soldatin zu der ihr bekannten Adresse. Sie ordnete kurz ihre Kleidung und betätigte dann die Klingel. Nach einigen Sekunden konnte sie Schritte hö-ren und im nächsten Moment ging die Tür auf. Vor ihr stand ein kleiner Junge mit dunkelblonden, struppeligen Haaren und sah sie aus großen grünen Augen an. „Hallo. Ist deine Mutter zu Hause?“, lächelte Hollis und er kleine Bub nickte. „MUM!!! Für dich!!“, schrie er und lief wieder die Treppe hoch. Nach kurzer Zeit kam eine junge Frau. Ihre blonden Haare waren zu einem Zopf geflochten. Neugierig betrachtete sie die Besucherin aus grünen Augen. „Ms. Lowman? Army Lieutenant Colonel Hollis Mann.“, stellte die Soldatin sich vor. Die junge Frau sah sie irritiert an. „Was möchte denn die Army von mir?“, erkundigte sie sich. „Im Grunde nichts. Ich bin im Auftrag des NCIS hier.“, erklärte Hollis knapp und in den Augen der jungen Frau blitzte es kurz, bevor sie die Soldatin hinein bat. Sie begaben sich ins Wohnzimmer und setzten sich. „Ich habe leider nicht allzu viel Zeit und hoffe inständig auf ihre Hilfe.“ „Es geht um meine Mutter, habe ich Recht? Ich muss ihnen sagen, dass ich sie seit neunzehn Jahren nicht gese-hen habe.“, meinte die junge Frau. „Das ist mir durchaus bekannt, Ms. Lowman. Es geht aber auch um ihren Vater.“ Die junge Frau verspannte sich plötzlich und sah Hollis nun skeptisch an. „Lyonel Petrowsky ist mein Erzeuger, aber nicht mein Vater.“, antwortete sie bestimmt und mit harter Stimme. „Er hat zwei Frauen getötet, eine weitere fast und hält momentan ihre Mutter gefangen. Er will sie sehen, an-sonsten verhandelt er nicht.“, meinte Hollis mit ruhiger aber eindringlicher Stimme. Ms. Lowman stand auf und ging zum Kamin. Auf diesem standen mehrere Fotorahmen. Eines davon hob sie an und ging mit ihm zurück zu Hollis. Sie reichte es ihr und Hollis schaute es sich an. „Das war an meinem achten Geburtstag. Mum hatte mit meinen Großeltern alles wunderbar hergerichtet. Es war ein toller Tag. Zwei Tage später ist Mum gegangen und ich habe sie nie wieder gesehen.“ Hollis nickte und übergab den Rahmen wieder der jungen Frau, die sich das Foto nun eine Weile anschaute. Dann stellte sie es zurück. „KC! Komm bitte runter.“, rief sie schließlich und der Junge kam die Treppe runtergehüpft. „Mum muss mit dieser Frau mitgehen. Du gehst rüber zu den Robinsons und ich lege Daddy einen Zettel hin, damit er dich abholt, falls ich noch nicht zurück bin.“, erklärte sie dem Jungen, der brav nickte, seine Jacke nahm, seiner Mum einen Kuss gab und dann das Haus verließ. Ms. Lowman schrieb noch einen Zettel, den sie auf die Kommode im Flur legte und sah dann Hollis erwartungsvoll an. Diese lächelte und bedeutete ihr zum Auto zu gehen. „Das Warten macht mich wahnsinnig.“, murmelte Ziva entnervt und lief wieder auf und ab. Tony folgte ihr mit dem Blick und seufzte immer wieder, während Tim einfach vor sich starrte und wartete. Gibbs saß im Fahrzeug und nippte an einem Kaffee. Immer wieder warf er einen Blick zu der Hütte, doch dort drinnen war es die ganze Zeit über ruhig. „Ich wüsste gern, was Colonel Mann vorhat.“, durchbrach Tim die Stille und blickte zu seinen Kollegen. Die zuckten ratlos mit den Schultern. Zwar hatte das Team sofort Abby darauf angesetzt, diese geheimnisvolle Toch-ter zu finden. Doch selbst das kleine Genie konnte keinen Sieg in dieser Hinsicht verbuchen. Mit quietschenden Reifen hielt Hollis am äußeren Rand der Umstellung. Sie und die junge Frau stiegen aus und Hollis führte sie durch die Reihen der Polizisten zu dem Fahrzeug, an dem Gibbs’ Team die ganze Zeit wartete. Tony, Ziva und Bambino sahen die Frauen fragend an, doch keine sagte etwas. Gibbs blickte die Soldatin über-rascht an, als diese über ihn hinweg nach dem Megaphon griff. Sie reichte es der jungen Frau und nickte ihr zu. Langsam ging sie ein Stück vor und hob das Megaphon an ihren Mund. Gibbs und sein Team schauten die frem-de Frau interessiert an. „Lyonel Petrowsky! Mein Name ist Amber Lowman ……. ich bin deine Tochter!“ Lyonel, der die Wartezeit neben Jenny gesessen hatte, sprang auf und lief zum Fenster. Sein irres Grinsen brei-tete sich auf seinem Gesicht aus. „Hübsch, hübsch. Sie ist sehr hübsch. Sieht dir sehr ähnlich. Sie ist es doch, oder? Sie heißt Amber, oder?“, irrte sein Blick zwischen Jenny und dem Fenster hin und her. Seine Geisel schluchzte leise und nickte schwach, während ihr Körper wie Espenlaub zitterte. Hollis nickte Amber aufmunternd zu, weiter mit Petrowsky zu reden. „Ich bin jetzt hier. Also kannst du dich ergeben, Dad.“, rief sie ins Megaphon. Alle warteten, dass eine Reakti-on des Mannes kam, doch es blieb still im Haus. „Wo hast du sie aufgetan?“, flüsterte Gibbs Hollis ins Ohr, doch diese schüttelte nur abwehrend den Kopf und deutete auf die junge Frau. „Ich bitte dich, Dad. Hör auf mit dem Wahnsinn. Hast du ihr nicht genug angetan?“ Amber holte tief Luft. „Du hast sie vergewaltigt. Sie war gerade mal fünf Jahre alt. Und kaum dass an dich entlassen hast, fällst du wieder über sie her. Du sagst, es sei, weil du sie liebst. Aber man tut Menschen, die man liebt nicht weh. Wenn du Mum wirklich liebst, dann lass sie frei. Ich bitte dich, Dad. Ich habe sie seit neunzehn Jahren nicht gesehen. Ich weiß nicht, wie sie aussieht, geschweige denn weiß sie, wie ich aussehe. Bitte Dad, ergib dich. Lass Mum frei.“, steigerte sich Amber in ihren Appell. Gibbs und sein Team blickten sie vollkommen irritiert an. Der Teamleiter fing sich aber zügig wieder und gab den Befehl, sich auf einen Zugriff vorzubereiten. Lyonel schaute mit schiefgelegtem Kopf zu Jenny herüber, die leise weinte. „Neunzehn Jahre? Jennymaus, ich bin entsetzt. Hast du einfach unsere Tochter allein gelassen? Aber sie liebt dich. Wobei du ihr das angetan hast.“ Langsam ging er zu ihr und setzte sich wieder neben sie. Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie trotz der Abwehrversuche an sich. „Ich kann aber nicht aufgeben, Jennymaus. Noch mal Gefängnis überlebe ich nicht. Ich bin ja jetzt schon ver-rückt.“, lachte er und drückte ihr eine Kuss auf die Wange. „Deshalb muss ich es wohl hier beenden.“, schaute er sie für ihren Geschmack zu ruhig an. Er griff unter das zerschlissene Sofa und holte eine Pistole heraus. Jenny zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein, Lyonel. Bitte nicht.“, flehte sie weinend. Der Schuss und ein schriller Schrei zerrissen die angespannte Stille, die bei den um die Hütte postierten Teams herrschte. Gibbs gab nach der ersten Schrecksekunde den Befehl zum sofortigem Zugriff. Die Tür wurde einge-treten und eine Rauchbombe ins Hausinnere geschmissen. Durch den dichten Qualm stürmten mehrere Teams in die Hütte und verteilte sich in den Räumen. Gibbs, gefolgt von Tony und Ziva sahen sich ruckartig um, bis eines der Teams sie zu sich rief. Der Raum war dunkel und die Lampen an den Waffen verursachten ein diffuses Licht. Auf dem Boden lag eine Person, die andere saß auf dem im Raum befindlichen Sofa. Augenblicklich steckte Ziva ihre Waffe weg und lief zu Jenny. Behutsam nahm sie die weinende und zitternde Frau in den Arm. Gibbs drehte Petrowsky auf den Rücken. Er hatte sich mit einem Kopfschuss selbst gerichtet. Dann sah er hinüber zur Direktorin. Ziva durchtrennte gerade ihre Fesseln und strich beruhigend über ihren Rücken. Auch Tony steckte seine Waffe ins Halfter und beugte sich zu Jenny runter. Vorsichtig nahm er ihren Arm und legte ihn um seinen Hals, um dann seine Arme um ihren Rücken zu legen und unter ihre Kniekehlen zu schieben. Ziva schob Jennys anderen Arm auf deren Schoß und Tony hob sie sachte hoch. Langsam verließ er mit ihr die Hütte und übergab sie draußen an die wartenden Sanitäter. Hollis, die bis jetzt Amber zurückgehalten hatte, ließ die junge Frau nun los, die sofort zum Rettungswagen lief. Sie wechselte ein paar Worte mit den Sanitätern und stieg dann mit ein. Vorsichtig nahm sie Jenny Hand, drückte diese sanft und strich ihr übers Haar, wobei sie milde lächelte. Die Türen des Rettungswagens schlossen sich und Ziva blickte ihm mit Tony zusammen hinterher, als er abfuhr. Ungeduldig lief Abby auf und ab, wobei sie von Ducky beobachtet wurde und der Pathologe immer wieder versuchte, sie zu beruhigen. Erst als die Fahrstuhltür sich öffnete, blieb die quirlige Forensikerin stehen und sah gespannt zu ihr. Als Gibbs und der Rest ausstiegen, lief sie aufgeregt zu ihnen. „Was ist mit der Direktorin? Wo ist sie?“, bombardierte sie das Team mit Fragen. Gibbs schob seine Ziehtoch-ter zurück zu den Schreibtischen, wo Ducky wartete und sie genauso gespannt ansah. „Petrowsky ist tot und Jenny im Krankenhaus. Sie wird doch überwacht und bekommt psychologische Hilfe. Außerdem ist ihre Tochter bei ihr.“, erklärte Gibbs, bevor er sich in seinen Stuhl fallen ließ. Dies tat ihm der Rest des Teams nach und die beiden Wissenschaftler konnten ihnen die Erleichterung über den Ausgang des Falles genau ansehen. Nach einer Weile runzelte Abby dann aber doch die Stirn. „Tochter?“, fragte sie und blickte von einem zum anderen. Ducky schien dies ebenfalls gerade aufgefallen zu sein. „Ja. Jenny hat eine siebenundzwanzigjährige Tochter namens Amber Lowman, ohne die wir es wohl kaum geschafft hätten, Jenny lebendig da raus zu bekommen.“, antwortete Ziva und lächelte breit. Abby schien im Kopf einige Gehirnwindungen zu beanspruchen und Ducky meinte: „Aber dann war sie doch…“ „Dreizehn, als sie Amber bekommen hat. Ja, Ducky. Petrowsky hatte sie vergewaltigt.“, beendete Gibbs den Satz des langjährigen Freundes. „Ich denke, es wird eine Weile dauern, bis Jenny wieder ihre Arbeit aufnimmt. Aber wenn wir sie alle unter-stützen, haben wir unsere reizende Direktorin bald wieder.“, lächelte Gibbs schließlich. Eine Woche später stellte Amber ihrer Mutter ihren Mann Bray Lowman und ihren fünfjährigen Sohn Keith Connor, kurz KC, vor. Einen Monat nach dem Ereignis kehrte Jenny auf ihren Posten zurück. Trotz der Einmi-schung bedankte sie sich bei Hollis für die Unterstützung. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)