Die andere Welt von Blonde_Hexe ================================================================================ Kapitel 1: Ich bekomme einen Schlag und ein Riese fällt um ---------------------------------------------------------- Hätten Sie mir bis zu jenem bewussten Nachmittag erklärt, dass an einem Freitag dem 13. der beste Gedanke den man haben kann, der feste Entschluss ist, im Bett zu bleiben und wirklich keinen Finger zu rühren, so hätte ich sie im Bewusstsein tiefster Überzeugung schallend ausgelacht. Aber wie gesagt, so wäre es bis zu jenem Spätsommertag gewesen, der einige Unruhe in mein bis dahin doch recht sorgloses Leben bringen sollte. Natürlich war mein Leben nicht völlig sorgenfrei. Die Wochenenden waren verdammt lang, wenn es einem nicht gelungen war, eine liebe und nette Kollegin in die heimischen vier Wände zu schmuggeln oder mit ihr einen Bummel durch die für meinen Geldbeutel geeigneten Lokale zu machen. Auch der Vorrat eines Getränkes das im schottischen Hochland am besten auf Flaschen gefüllt wurde, durfte unter keinen Umständen enden bevor die Ladenöffnungszeiten das Nachfüllen erlaubten. Sie sehen also, einen Anlass sich zu Sorgen gab es in größerer Fülle. An diesem Freitag allerdings hatte ich in jeder Hinsicht für das kommende Wochenende vorgesorgt und eigentlich konnte nichts mehr schief gehen. Wenn nicht so verdammt kurz vor Büroschluss das Telefon auf meinem Schreibtisch geklingelt hätte. Es mag pure Einbildung gewesen sein, aber irgendwie kam mir der dunkle Summton recht aufdringlich und boshaft vor. Ich beschloss es erst einmal klingeln zu lassen. Doch ein Blick auf meine Armbanduhr überzeugte mich davon, dass es besser wäre, doch nach dem Hörer zu greifen. Das dies kein schlechter Gedanke war wurde mir schon nach den ersten Worten aus dem Hörer klar. Niemand geringerer als Dr. Boos, der allgewaltige Chef und alleinige Inhaber unserer Werbeagentur machte sich bemerkbar. Seine tiefe kräftige Stimme war schon klar zu hören, da hatte ich den Hörer noch lange nicht in der Nähe meines Ohres. Ich hatte ohne Verzug in seinem Heiligtum zu erscheinen oder diverse Höllenstrafen erwarteten mich. Das waren zwar nicht genau seine Worte, aber inhaltlich eher unter- als übertrieben. Missmutig knallte ich den Hörer auf die Gabel. Er hatte meine Antwort nicht einmal abgewartet und das Gespräch beendet. Das sah ganz nach einem neuen Auftrag aus und ich wusste aus der Erfahrung die ich in den vier Monaten die ich jetzt hier arbeitete, erworben hatte. Dass damit auch eine Unmenge Überstunden, natürlich völlig Freiwillige, verbunden waren. Das Wochenende geriet in weiteste Ferne und das gerade, als es mir endlich gelungen war, mit der wohl hübschesten Mitarbeiterin der Abteilung Industrie ein kleines Rendezvous zu vereinbaren. Gut es blieben noch die bewussten Flaschen aus dem schottischen Hochland, aber das war nur ein sehr schwacher Trost. Ich erhob mich und beeilte mich so schnell ich konnte aus dem Zimmer und zum Aufzug zu gelangen. Mit langen schnellen Schritten eilte ich den breiten Gang entlang und konnte nicht mehr stoppen, als eine andere Person unverhofft aus einer der vielen Türen trat. Unwillkürlich streckte ich meine Arme aus und umfasste sie mit festem Griff, dann jedoch verloren wir beide den Halt und landeten recht unsanft auf dem mit grauem Teppich überzogenem Boden. Wobei ich mehr Glück hatte. Ich kam als oberster zu liegen, was mir im Nachhinein keineswegs unangenehm war. Denn die Person die so unvermittelt vor mir aufgetaucht war entpuppte sich als eine sehr hübsche, gutgebaute junge Frau. Ihre Überraschung legte sich wesentlich schneller als die meine. Zwei wunderschöne Augen funkelten mich böse an und eine sehr melodische Stimme erkundigte sich ärgerlich, ob ich vorhätte, sie vollends zu erdrücken. Ich beeilte mich wieder auf die Beine zu kommen und ihr galant eine hilfreiche Hand zu reichen. Doch daraus wurde nichts. Von meinem Gewicht befreit war sie mit einer flinken Bewegung schneller als ich wieder oben. Sie musterte mich mit spöttischen Augen von oben bis unten und ich spürte, dass ich ihr gegenüber meine sonstige Sicherheit verlor. Ihre nächsten Worte aber brachten mich noch mehr aus dem Gleichgewicht. „Ich weis ja dass Sie hinter jedem weiblichen Wesen herjagen. Aber glauben sie, so zum Erfolg zu kommen?“ Sprachs, drehte sich um und ging mit wiegenden Schritten den Gang in die andere Richtung entlang. Ich sah ihr etwas verwirrt nach. Ich hatte sie noch nie gesehen. Woher nahm sie also ihre weisen Erkenntnisse über mich. Und dann ihre Augen. Ich hatte noch nie solche Augen gesehen, von dunklem Grün mit einer goldenen Iris. Ich schüttelte energisch den Kopf, verdammt was sollte das, ich hatte jetzt anderes im Kopf, als dieses, wie es mir jetzt erschien, seltsame Mädchen. Ich wollte schon weitergehen, als mein Blick auf einen nur wenige Zentimeter großen, siberglänzenden Gegenstand auf dem Boden fiel. Ich hob ihn auf und steckte ihn ohne nähere Betrachtung in meine Hosentasche. Wahrscheinlich hatte ich ihn ihr bei unserem unvermutetem Zusammenstoß abgerissen Eigentlich ein plausibler Grund sich nach ihr zu erkundigen. * * * * * Meine dunkelsten Vorahnungen schienen sich zu erfüllen, als ich das Büro meines Chefs betrat. Breit und wuchtig saß er hinter seinem Schreibtisch. Sein kantiges Gesicht blickte mir forschend entgegen. Unter seinem Blick aus grauen immer kühl und forschen blickenden Augen wurden selbst angesehene Abteilungsleiter ziemlich klein. Ich war aber kein Abteilungsleiter. Ich war nur ein kleiner Werbeassistent der erst seit wenigen Monaten hier arbeitete. Da ich mir jedoch keiner grösseren Sünde bewusst war, von den kleineren konnte er unmöglich wissen, beschloss ich ihm nicht minder fest in die Augen zu sehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch Doktor Sternberg, seines Zeichens Leiter der Personal- und Finanzabteilung anwesend war. Diese beiden zusammen bedeutete kaum etwas Gutes. Hatte ich bei dem ersten Gespräch zwischen unserer Agentur und Auftraggebern, bei dem ich gestern dabei sein durfte, mit meinen Vorschlägen etwas verbockt? Dr. Boos hatte mich einige Male recht scharf gemustert. Schön, in einer Woche war der Erste und damit ein perfektes Datum meinen Vertrag zu kündigen. „Wie lange ist er jetzt bei uns?“ hörte ich die knurrige Stimme des Alten wie er allgemein nur genannt wurde. Sternberg, der lässig an der breiten Aktenwand lehnte, tat, als müsse er überlegen und musterte mich ebenfalls recht abschätzend. „Am ersten werden es vier Monate.“ „Verdammt kurz, was, Sternberg.“ „Er hat sich nicht schlecht gemausert, besser als ich gedacht habe.“ Der Alte kniff die Augen zusammen, dass seine buschigen Brauen fast zusammen stießen. Seine Stimme grollt wie ein fernes Gewitter und verhieß nichts Gutes. „Ja ganz besonders bei unserer Damenwelt. Eigentlich müsste er doch beinahe durch sein.“ Sternberg lachte schallend. Er war der einzige der sich das in so ungezwungener Art in Gegenwart des Chefs erlauben durfte. „Wir haben über fünfhundert Mitarbeiter. Zwei Drittel davon sind weiblich. Da reichen vier Monate nicht. Er musste ja auch noch arbeiten.“ Der Alte grinste breit und etwas niederträchtig. „Nehmen sie bei ihrer Rechenaufgabe nur die Jungen und H,übschen und teilen die durch vier Monate Sternberg. Dann sieht die Sache ganz anders aus.“ Nach diesen Worten wurde der Alte unvermittelt ernst. Er erhob sich und winkte Sternberg und mir zu, ihm hinüber in die wuchtige Polstergarnitur zu folgen, die einen guten Teil des großen Raumes beherrschte. Was ich im Verlauf der nächsten halben Stunde erfuhr, brachte mich in recht aufgeräumte Stimmung. Meine Einwände und Anregungen, die ich im Verlaufe des Gespräches mit den zukünftigen Auftraggebern gemacht hatte und die meist nicht ganz dem erarbeitetem Konzept entsprachen das wir vorgelegt hatten, hatten etwas doch recht unerwartetes bewirkt. Der Seniorchef der Ewaldwerke bestand in einem persönlichen Gespräch mit Dr. Boos darauf, dass der doch recht umfangreiche Auftrag nur an unsere Agentur ginge, wenn ich ohne wenn und aber die Federführung erhalten würde. Das war eigentlich recht ungewöhnlich, aber Rainer Ewald war in Statur und Gebaren unseren Chef nicht unähnlich. Auch er wich keinen Zentimeter von einem als richtig erkanntem Entschluss ab. So kam es, dass ich als frisch gebackener Gruppenleiter drei Stunden später das Büro wieder verlies. Auch zu diesem Zeitpunkt hätte mir der Gedanke an einen Freitag mit der Zahl 13 keinerlei Angst eingejagt. Doch das sollte sich sehr schnell ändern. Es war doch schon recht spät geworden und ich mußte mich beeilen, wollte ich frisch gebügelt und gestärkt zu meinem ersten Zusammentreffen mit der hübschen Sigrid erscheinen. Der Verkehr auf den Strassen hatte schon stark abgenommen und so erreichte ich mein Jungesellenzuhause in recht annehmbarer Zeit. Da ich mich nur umziehen und etwas erfrischen wollte, lies ich das Auto seitlich in der Einfahrt zur Tiefgarage stehen. Es mochte etwas eng für ungeübte Vorbeifahrer werden aber meine zeitliche Knappheit war doch wohl Entschuldigung genug. Eilig stieg ich die Treppen zur dritten Etage hinauf. Der Fahrstuhl war natürlich wie immer besetzt wenn man in Zeitnot war. Den Schlüssel für meine kleine Wohnung fischte ich zwischenzeitlich aus meiner Jackentasche. Ich wunderte mich noch flüchtig darüber, dass ich vergessen hatte, die Eingangstüre abzusperren und trat in den kleinen Vorraum hinein. Ein großer dunkler Schatten, der plötzlich vor mir stand und ein heftiger Schlag mitten in mein Gesicht, drangen noch in mein Bewusstsein, dann herrschte tiefe Stille. * * * * * * Das erste, was mir ins Bewußtsein drang, war ein fürchterlicher Kopfschmerz und ein unangenehmer Geschmack in meinem Mund. Rundum herrschte fast völlige Dunkelheit. Nur durch die Glastüre zum Wohnzimmer drang ein spärlicher Schimmer, der aber nicht ausreichte, um auch nur annähernd etwas zu erkennen. Aber immerhin, ich wußte wo ich war. Mühsam rappelte ich mich hoch und der Schmerz in meinem Schädel nahm dabei erheblich zu. Als ich mir mit der Hand über die schmerzenden Lippen fuhr, wurde mir klar, woher der unschöne Geschmack in meinem Mund kam. Es war mein eigenes Blut. Etwas taumelig, aber schon wieder recht stabil auf den Beinen, tastete ich nach dem Lichtschalter. Das grelle Licht des Deckenstrahlers drang schmerzhaft in meine Augen und ich stieß einen recht kräftigen Fluch aus. Ich ging die wenigen Schritte in das etwa zwei mal drei Meter große Badezimmer und besah mein Gesicht im Spiegel. Es sah nicht so schlimm aus wie ich mich nach dem Schlag fühlte. Zwar mußte ich heftig aus Mund und Nase geblutet haben, aber nachdem ich meinen Kopf unter das kalte Weser gesteckt hatte, ging es mir bedeutend besser. Aber etwas anderes wurde mir erst jetzt so richtig Bewusst. Ich war bis auf Unterhose und Socken völlig ausgezogen. Ich ging zurück in den Eingangsbereich und richtig, da lagen Hemd, Hose und Schuhe. Die Jacke dagegen war ordentlich über einen Bügel an die Garderobe gehängt. Allerdings wie ich jetzt feststellen mußte, gewendet. Futterteile und Taschen bildeten jetzt das Äußere. Ziemlich verständnislos betrachtete ich das gute Stück. Irgendwie ergab das Ganze doch keinen Sinn. Sollte die hübsche Sigrid einen Aufpasser haben, der es nicht gerne sah wenn ein anderer mit ihr aus ging? Aber wie war er dann in meine Wohnung gekommen und warum hatte er meine Jacke völlig umgedreht? So beschloss ich erst einmal, Kontakt mit einem guten schottischen Freund aufzunehmen. Als ich mein Wohnzimmer betrat, traf mich der zweite Schlag. Diesmal allerdings nicht mit einer Faust, sondern eher vor Überraschung. Nicht ein Teil der Einrichtung war mehr an seinem Platz. Jede Türe, jeder Schub war geöffnet und der Inhalt lag verstreut im ganzen Zimmer herum. Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit gab ich einige Worte von mir, die jedem altgedienten Seemann hätten vor Neid erblassen lassen. Aber nach einigem Suchen fand ich meinen schottischen Freund unversehrt am Boden und auch eines meiner Gläser hatte den Sturz auf den Boden heil überstanden. Das edle Getränk brannte wie Feuer und verstärkte meine recht unfreundlichen Gefühle für den heimlichen, oder sollte ich besser sagen unheimlichen Besucher um einiges. Aber es half auch meine Gedanken zu ordnen und in klare Bahnen zu lenken. Eine Tatsache stand fest. Unmittelbar von meiner Person hatte der unangenehme Zeitgenosse nichts gewollt. Mit dem nun in weite ferne gerücktem Treffen mit Sigrid hatte das Ganze nichts zu tun. Der Besucher hatte etwas gesucht und, wie es den Anschein hatte, sogar in meiner Kleidung vermutet. Ich lies mich in den etwas altmodischen Sessel sinken und starrte gedankenverloren zum Fenster hinaus. Ich war weder Geheimagent noch bearbeitete ich irgendwelche Details, die von wirtschaftlichem Interesse oder Wert waren. Produkte, mit denen ich zu tun hatte, gab es in fast allen Märkten zu kaufen. Reichtümer und Kunstschätze besaß ich auch nicht. Das Bargeld das ich im Hause gehabt hatte, war vollzählig vorhanden und da die Börse geöffnet worden war, hatte der Täter das Geld auch gesehen. Es hatte ihn in keinster Weise interessiert. Was um alles in der Welt hatte ihn dann dazu veranlasst, mich derart zu beglücken. Das Wochenende war gelaufen. Bis alles wieder an seinem angestammten Platz war, war es Montag Morgen. Was ich Sigrid sagen würde musste ich mir noch einfallen lassen. Ich war eben dabei, mein Glas zum dritten Male zu füllen, als ein seltsamer Gedanke in mir Gestallt annahm. Ich stellte das Glas eiligst auf die Erde und ging hinaus in den Eingangsbereich. Ich hob meine achtlos in eine Ecke geworfene Hose auf und begann nun meinerseits sie zu durchsuchen Alles was ich an üblichen Gegenständen darin verstaut hatte, lag irgendwo auf dem Boden. Aber das was ich suchte war nicht mehr vorhanden. Das kleine Schmuckstück oder was auch immer war verschwunden. Während ich noch überlegte ob der unbekannte Besucher wohl danach gesucht haben könnte, bemerkte ich ein Loch in meiner Hosentasche. Der Anhänger war hindurch gefallen aber das kleine Kettchen hatte sich im ausgefransten Futter verfangen. Vorsichtig zog ich das kleine Anhängsel heraus. Nun neugierig geworden betrachtete ich es von allen Seiten. Es bestand aus feinen sehr kunstvoll gearbeiteten Ornamenten, die wirr ineinander verschlungen waren. Es wog überraschend schwer in meiner Hand und war auch auf der Rückseite sorgfältig ausgeführt. Das heißt, was Vorder- oder Rückseite war, konnte ich nicht festlegen. Ich ging zurück ins Wohnzimmer und nahm meinen Platz im Sessel wieder ein. Gedankenverloren nippte ich an meinem Glase. War es das, was der Unbekannte gesucht hatte? Hatte er es nur durch einen seltsamen Zufall nicht gefunden? Es musste der jungen Frau gehört haben, mit der ich so unverhofft zusammen gestoßen war. Ich sah sie direkt wieder vor mir. Sie war verteufelt hübsch gewesen. Warum hatte ich sie in diesem Kafferngral nur bisher noch nicht gesehen. Und erst ihre Augen! Hier stockte ich in meinen Gedanken. Ich hatte noch nie dunkelgrüne Augen mit einer goldenen Iris gesehen. Gab es das überhaupt? Oder erweckte sie nur mit Kontaktlinsen diesen Eindruck. War das möglich? Ich schüttelte überlegend den Kopf. Nein an Kontaktlinsen glaubte ich nicht. Diese Augen waren zu schön, zu seltsam gewesen. Als ich soweit in meinen Überlegungen gekommen war, erhob ich mich und ging zur Eingangstüre. Sorgfältig sperrte ich sie ab und klemmte den einzigen Küchenstuhl unter den Griff. Ich kam mir dabei zwar wie in einem zweitklassigen Krimi vor, aber wer einmal in meine Wohnung gekommen war, konnte es jederzeit wieder versuchen. Sollte er wirklich den Anhänger gesucht haben, dann war dieser Gedanke gar nicht so abwegig. Aus der wüsten Unordnung im Schlafzimmer suchte ich mir zusammen was ich zum Anziehen brauchte. Während ich mich ankleidete, überdachte ich noch einmal die gesamte Situation. Der Gedanke, dass der Anhänger die Ursache für meine dicke Unterlippe und das wüste Durcheinander war, erschien mir nicht mehr so abwegig wie am Anfang. Dass er auch die Ursache für meinen immer noch schmerzenden Schädel war, brachte auch die unfreundlichen Gefühle zurück. die ich für den Verursacher empfand. Das Telefon lag zwar ebenfalls auf der Erde, aber es hatte den Sturz unversehrt überstanden. Es zeigte mit seinem Summton an, dass es gewillt war, mich mit allen Menschen dieses schönen Planeten zu verbinden. Zumindest mit all Jenen, die ebenfalls einen Fernsprecher ihr eigen nannten. Die Nummer die ich nun wählte hatte ich im Kopf . „Bernhardt“ meldete sich eine etwas raue Stimme. „Grüß Dich alte Hütte“ brummte ich mit schmerzendem Kiefer. Das Sprechen bereitete mir doch einiges Ungemach. „Bist Du es Erich?“ wollte die Stimme am anderen Ende der Leitung wissen. „Klar wer sonst.“ knurrte ich etwas ungehalten. „Natürlich, Du bist ja der einzige Mensch, der mich anrufen könnte. Aber Du sprichst so merkwürdig. Ich hätte Dich beinahe nicht erkannt. Hast Du zu viel schottischen intus?“ Ich musste unwillkürlich grinsen. Er war genau der Richtige, um mir das zu sagen. „Nein, drei armselige Gläschen und die nicht bis zum Rand gefüllt.“ „Also so gut wie gar nichts,“ lachte die Stimme am anderen Ende. „Hör zu Klaus, ich muss Dich dringend sprechen. Am Besten gleich.“ „Klar, komme vorbei. Ich bin Zuhause.“ Noch ein kurzer Gruß und ich legte auf. Wenn es jemanden gab, der mit dem Anhänger etwas anzufangen wusste, dann war es Klaus. Wir kannten uns seit unserer Studienzeit und waren feste Freunde geblieben, obwohl wir in Wesen und Statur nicht hätten unterschiedlicher sein können. * * * * * * Klaus Bernhardt wohnte in einem alten Haus am Stadtrand, das gut und gerne seine zweihundert Jahre auf dem Buckel hatte. Er hatte es billig erworben und liebevoll restauriert. Ich selbst hatte ihm manche Stunde dabei geholfen. Jetzt ein paar Jahre später, war er damit zwar noch nicht fertig, aber das Ergebnis konnte sich schon sehen lassen. In seinem Inneren jedenfalls war es urgemütlich und dazu trug auch der nicht sonderlich auf Ordnung haltende Charakter seines Besitzers bei. Da er finanziell gut gepolstert war, konnte er es sich leisten, mehrmals im Jahr für einige Wochen auf reisen zu gehen und all die Dinge, die ihm gefielen oder in sein Interessengebiet fielen, trug er hier zusammen. Zumindest soweit es ihm möglich war, sie käuflich zu erwerben. Seine Leidenschaft waren die Hinterlassenschaften längst vergangener Völker und die Sterne am Himmel. Unter dem Dach seines Hauses hatte er sich ein kleines, aber feines Observatorium eingerichtet und manche klare Nacht hatten wir damit verbracht, den Himmel zu beobachten. In der langen Strasse gab es nur wenige Häuser. Dafür einen sehr alten Baumbestand und weitläufige Gärten. Die meisten Fenster der Anwesen waren unbeleuchtet. Hier gingen die Bewohner wohl noch mit den Hühner schlafen. Vor Berhardts Haus konnte ich ungestört parken. Hier gab es anders als in der Stadt genügend Platz. Ich verschloss meinen Wagen sorgfältig, denn ich wollte bei meiner Rückkehr keine unliebsamen Überraschungen erleben. Das bisherige Geschehen mahnte mich zur Vorsicht. Ich fand es sehr leichtsinnig, dass Klaus die schwere aus geschnitztem Holz bestehende Eingangstüre nicht verschlossen hielt. Als ich mich bei diesem Gedanken erwischte, musste unwillkürlich grinsen, obwohl das Verziehen meiner Mundwinkel unverschämt schmerzte. Die Nachwehen des Schlages machten sich wohl erst jetzt bemerkbar. Ich musste aufpassen, dass ich keinen Sicherheitskomplex entwickelte. Der Lichtschein, der aus einer der halb offenen Türe fiel, zeigte an, wo Klaus sich aufhielt. Es handelte sich um den grössten Raum im ganzen Haus, der zur Gartenseite hin lag und von ihm als Arbeitszimmer verwendet wurde. Keiner, der diese Zimmer zum ersten Male betrat, war in der Lage, die unzähligen Gegenstände bewusst zu erfassen, die diesen Raum füllten. Fast genau in der Mitte hatte ein alter, massiver Schneidertisch seinen Platz gefunden. Auf dessen großer Arbeitsplatte türmte sich alles, womit Klaus zur Zeit beschäftigt war. Zumindest erklärte er das heillose Chaos damit. Seine lange dürre Gestallt stand über den Tisch gebeugt und der fast kahle Hinterkopf leuchtete im hellen Licht einer unbeschirmten Lampe, die hoch über ihm an der Decke hing. Ohne sich in seiner Tätigkeit stören zu lassen winkte mir Klaus zu. Ich trat langsam neben ihn an den Tisch. Er betrachtete mit einer großen Tischlupe ein etwa Handteller großes Holzstück. Daneben lag ein ganzer Stapel von Fotos und seltsamen Diagrammen. Immer wieder verglich er für mich unsichtbare Merkmale des Holzes mit den vorhandenen Unterlagen und schüttelte jedesmal unwillig seinen Kopf. Nach einigen Minuten richtete er sich so umständlich auf, dass der Eindruck nicht wegzuschieben war, er müsste schon hart an die neunzig Jahre heran gehen. Dabei zählte er genau wie ich nicht mehr als siebenundzwanzig Jahre. Er reichte mir grinsend die Hand und ich mußte wieder einmal feststellen, dass er ohne Mühe mit den Mundwinkeln seine Ohren erreichen konnte. Mit äußerstem Interesse betrachtete er dann mein Gesicht und so etwas wie Schadenfreude zeigte sich in seinen Augen „Tja mein Sohn“ grinste er genüsslich. „Nicht jeder reagiert mit vornehmer Zurückhaltung, wenn du seine Freundin anlachst. Du solltest etwas rohes Fleisch auflegen. Das soll bei Schlägereien ein altes Hausmittel sein.“ „Depp“ war alles was ich dazu sagte und das breite Grinsen in seinem Gesicht verstärkte sich um einiges. Er ging in den hinteren Teil des Raumes und entnahm einer Vitrine eine Flasche und zwei Gläser. „Du siehst aus, als könntest du Einen vertragen“ meinte er gutmütig. Aber ich winkte ab, was ihn sichtlich in Verwirrung brachte. „Erstens glaube ich, mein Quantum für heute schon erfüllt zu haben und zum Anderen brauche ich einen klaren Kopf. Ein zweites Mal möchte ich nicht in einen solchen Schlag laufen.“ Klaus deutete auf einen Stuhl in der Nähe und angelte sich mit seinen langen Armen selbst einen der vielen recht unterschiedlichen Sitzgelegenheiten, die den großen Tisch umstanden. Rücklings nahm er darauf Platz, streckte seine Beine in den viel zu weiten Hosen, gelassen von sich und sah mich nun doch neugierig geworden an. „Erzähle.“ * * * * * * „So nun bist du genauestens unterrichtet und verdächtigst mich hoffentlich nicht mehr der Vielweiberei oder ähnlicher Untugenden“ Klaus konnte ein niederträchtiges Grinsen nicht verhindern. Aber er wurde sofort wieder ernst. Offenbar nahm er meine Erzählung doch nicht so unernst wie es zuerst aussah. „Und wo ist nun das Prachtstück?“ erkundigte er sich. Ich nahm es aus meiner Jackentasche und reichte es ihm hin. Stumm und mit unbewegtem Gesichtsausdruck betrachtete er es aufmerksam von allen Seiten. Er sagte kein Wort, aber nach einigen Minuten erhob er sich und betrachtete das gute Stück unter seiner großen Lupe. Als er jetzt zu einem seiner Bücherregale hinüber ging, war nichts mehr von der scheinbaren Schwerfälligkeit zu bemerken, die ansonsten zu seinem Kennzeichen gehörte. Sehr zielbewusst wählte er eines der Bücher aus und kam zu mir an den Tisch zurück. Aufgeschlagen legte er es vor mir auf den Tisch und tippte mit seinem Finger auf eine der darin abgebildeten Darstellungen. „Es ist nicht genau dieselbe Art der Darstellung, aber es ist nicht unähnlich meine ich.“ „Und was bedeutet dieses Zeichen?“ Wollte ich wissen. „So genau lässt sich das nicht sagen. Schriftliche Zeugnisse der nordischen Völker gibt es so gut wie nicht. Die Mönche haben bei der Christianisierung ganze Arbeit geleistet und wirklich alles vernichtet was eventuell vorhanden war. Heute ist der Nachweis einer Schriftsprache für diesen ganzen Kulturkreis fast unmöglich“ „So etwas ist doch nicht möglich. Es gäbe doch bestimmt noch Reste alter Aufzeichnungen.“ Klaus schüttelte stumm den Kopf. Wir wissen, dass die Azteken Bibliotheken mit vielen Tausenden Schriften besaßen, als die religiösen Fanatiker dort eintrafen. Es sind nicht einmal eine Handvoll davon erhalten geblieben und das ist nur ein paar Jahrhunderte her.“ „Und was bedeutet nun dieses Zeichen deiner Meinung nach.“ „Es handelt sich fast immer um Grabinschriften, die mit festgelegten Zeichen versehen waren. Sie geben in etwa Auskunft darüber, wie der Tote in das Jenseits wechseln durfte.“ „Dann hat dieses Anhängsel etwas mit dem Tot zu tun?“ „Nein, sicherlich nicht.“ „Was dann.“ „Auf diesem Grabstein steht ein ähnliches Zeichen, vermutlich für den Eingang in eine andere Welt. Gewissermaßen in das Jenseits. Aber das von dir mitgebrachte unterscheitet sich doch recht erheblich davon. Es ist diesem nur recht ähnlich im Aufbau und Struktur. Zudem glaube ich nicht, dass es ein altes Stück ist. Dieses Teil ist mit modernster Technik gestaltet und geformt worden.“ Klaus erhob sich und ging zurück zu seiner Lupe. Er bedeutete mir ihm zu folgen. Unter dem stark gewölbten mehr als dreißig Zentimeter durchmessendem Glas war jede noch so kleine Einzelheit des Stückes zu erkennen. Es war eine bis in das kleinste Detail kunstvoll ausgeprägte Arbeit. Winzige, nur Millimeter große Figuren und andere Darstellungen waren zu erkennen. Der Rand des kreisrunden Stückes war fugenlos zusammengeschweißt und mit wunderbaren Ornamenten verziert. Ansonsten jedoch waren Vorder- und Rückseite etwa einen Millimeter von einander getrennt. Allerdings waren beide Seiten an vielen Stellen der Ornamente durchbrochen, wenn auch genau Seitengleich. Die Rückseiten der betreffenden Teile waren mit einem Geflecht aus winzigen, funkelnden Teilchen, Katzenaugen nicht unähnlich überzogen. Klaus hatte recht, diese Stück entstammte keiner älteren Epoche und es war mit Sicherheit in keiner Juwelierwerkstatt hergestellt worden. Zumindest nicht als reines Schmuckstück. „Hast Du eine ungefähre Ahnung, was das sein könnte?“ wollte ich wissen. Klaus antwortete nicht. Seltsam verschlossen betrachtete er das eigentümliche Werkstück. Von seinem sonst eher jungenhaftem Äußeren war jetzt nichts mehr zu spüren. Kantig, fast hart wirkte sein Gesicht nun und ich wusste, dass hinter seiner hohen Stirn nun die Gedanken jagten. In diesem Zustand war er kaum mehr von außen erreichbar. Ich lies ihn gewähren und entschloss mich nun doch, den angebotenen Schluck nachträglich anzunehmen. Klaus hatte sich in einen Gedanken oder eine Idee verbissen und er würde nicht nachlassen, bis er zu einer für ihn befriedigenden Lösung gekommen war. Ich hatte es während unserer gemeinsamen Studienzeit erlebt, dass er Stundenlang in höchster Konzentration und Anspannung arbeiten konnte. Die Welt um ihn her war dann vergessen. Das Schicksal meinte es jedoch gnädig mit mir. Es verging kaum eine halbe Stunde und er schien zu einem brauchbaren Ergebnis vorgestoßen zu sein. Er nahm das Amulett, oder was es auch immer sein mochte und ging hinüber zu einer kleinen Werkbank. Sorgfältig spannte er es in eine bewegliche Halterung ein. Als er mit seinem Werk zufrieden war, bedeutete er mir das Licht im Raum auszuschalten. Er wartete, bis ich mich in dem nun kaum beleuchteten Raum bis zu ihm durchgearbeitet hatte und begann dann mit einer kleinen Lampe wie Ärzte sie öfter verwendeten, nahe an den Gegenstand heranzugehen. Er benötigte nur drei Versuche. An der wahrscheinlich dafür vorgesehenen Stelle, mit einem Lichtstrahl erhellt, brachen durch winzige Öffnungen an der runden Abschlusskante, die wir selbst unter der Lupe nicht erkannt hatten, fein gebündelte Lichtstrahlen. Befriedigt nickte Klaus und leuchtete mir dann mit seiner kleinen Lampe den Weg zurück zum Lichtschalter. Wenig später saßen wir wieder am Tisch und Klaus legte mein Fundstück vor uns auf die blanke Platte. Ich sah ihn erwartungsvoll an, denn ehrlich gesagt konnte ich mir keinen rechten Reim aus der gezeigten Vorstellung machen. „Kannst du dir wirklich nicht denken um welche Art von Funktion es sich bei dem von dir gefundenem Stück handeln könnte?“ Ich schüttelte den Kopf und wartete auf seine Erklärung, die jedoch lies auf sich warten. Versonnen musterte Klaus immer noch das leicht im Licht funkelnde Stück Metall „Laß mich ruhig in Dummheit sterben.“ knurrte ich ungehalten. Klaus nickte nachdenklich mit vorgeschützten Lippen und lächelte mich dann friedfertig an. „Was du hier vor dir siehst ist ein Schlüssel. Ich weis nur noch nicht wofür oder besser gesagt, wozu er gemacht wurde. Aber ein Schlüssel ist es, dafür lasse ich mich hängen wenn es denn sein muß.“ Ich lies mir seine Vorstellung durch den Kopf gehen und er wartete geduldig das Ergebnis meiner Denkfabrik ab. „Du meinst, es funktioniert ähnlich wie der Zahlenkranz in einem Tresor.? Gibt man die richtigen Zahlen ein, entriegelt man mit einem Schieber das Schloss.“ Klaus nickte zufrieden. „Nur, dass hier statt Riegel Lichtstrahlen den Mechanismus auslösen. Du hast es erfasst mein Sohn.“ „Darf ich fragen, wie Du auf eine solche Lösung gekommen bist? Und vor allem so schnell.“ „Sieh dir doch noch einmal die Abbildung an. Ich sagte dir doch, es sei das Symbol für den Übergang in eine andere Welt. Sozusagen ein Schlüsselzeichen. Irgendwie lies mich dieser Gedanke nicht mehr los und die unseren Reflektoren so ähnlichen Gebilde gaben in meinen Überlegungen den Ausschlag. Ist doch ganz einfach oder?“ Eine geraume Weile sprachen wir nicht miteinander, sondern hingen unseren Gedanken nach „Und du sagtest, sie hatte grüne Augen mit einer goldenen Iris?“ Schreckte mich seine nächste Frage auf. „Ein herrliches grün, dunkel wie italienischer Marmor.“ „Und sie hat dich abblitzen lassen, vergiss das nicht .“ „Was habt ihr nur alle immer.“ Verteidigte ich mich erbost. Da lacht man ab und zu mal ein Mädchen freundlich an, ist höflich und zuvorkommend zu ihr und schon wird man in Casanovas Nähe gerückt. Da ist doch gar nichts dahinter.“ „Und weil du so lieb und zuvorkommend bist, geht sie dann mit dir aus oder zu dir nach Hause was?“ „Ach lass doch den Quatsch“ winkte ich ab. „Glaubst du, sie ist nicht von hier.“ „Wie nicht von hier. “sah er mich verständnislos an. „Nun ich meine, denkst du, sie kommt von einem anderen Stern?“ „Blödsinn, was gäbe es auf unserer guten alten Erde, das für eine wirklich hoch entwickelte Rasse von Interesse sein könnte? Wir werden nie die Sterne in diesem Umfang erreichen mein Lieber und ein Volk oder besser gesagt. eine Rasse, die das ferne Ziel erreicht hat, wird sich aus vielerlei Gründen hüten, hier bei uns aufzutauchen.“ „Du glaubst, wir wären kulturell oder als Brüder im All nicht für sie interessant?“ „Wenn du einen Ameisenhaufen gesehen hast, betrachtest du dann auch alle anderen? Das wäre das Eine und zum Anderen würde kein hochentwickeltes Volk so verantwortungslos handeln wie unsere Vorfahren es bei der Erforschung unserer eigenen Welt getan haben. Für eine wirkliche Hochkultur wären wir Tiere, die sprechen können und sonst nichts.“ „Du glaubst also nicht das sie von Außerhalb kommt.“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Nein, sie ist ganz sicher von diesem Planeten. Es stellt sich nur die Frage woher.“ Ich deutete auf den kleinen Anhänger, denn das war er mit seinem feinen Kettchen trotz allem. „Tippst du in nördliche Richtung.“ Klaus antwortete nicht. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen auf irgend etwas, das sich hinter mir befinden musste. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Klaus hatte gewiß seine Stärken und war mir in vielen Dingen unbestritten überlegen. Aber auch ich hatte meine kleinen angeborenen Eigenarten. Ich schnellte nach vorne, griff nach dem Anhänger und war mit einem Satz auf dem Tisch. Ich drehte mich nicht um, sondern sprang auf dessen anderen Seite herunter und war mit wenigen langen Schritten durch die offene Türe draußen im Garten. Ich lief nicht weiter, sondern presste mich fest gegen die Hauswand, machte mich so klein und unauffällig wie möglich. Drinnen hörte ich ein dumpfes Poltern und einen lauten Schrei der unverkennbar aus dem Mund von Klaus stammten. Wenig später stand ein Hüne von gut zwei Meter Größe im Lichtkegel der Türe. Mächtige Schultern und ein breiter Brustkasten verrieten die geballte Kraft, die in diesem Körper wohnte. Jetzt brauchte ich nicht mehr zu überlegen weshalb ein Schlag ausgereicht hatte mich für längere Zeit ins Land der Träume zu senden. Ich wunderte mich nur im Nachhinein, dass mir nicht der gesamte Kiefer zerschmettert war, Der Riese wendete suchend den Kopf und blickte genau in meine Richtung. Ich wusste, dass direkt neben dieser Türe allerlei Gartengeräte abgestellt waren. Der Riese reagierte unglaublich schnell, aber ich war noch eine Kleinigkeit schneller. Denn ich war auf dieses Treffen vorbereitet. Meine Hand ergriff den Stil irgend eines Gartengerätes und ich schlug mit aller Kraft zu. Ich traf ihn mitten auf die Stirn und der feste Stil zerbrach unter der Wucht des Schlages. Aber der Riese taumelte nur und seine mächtigen Arme griffen nach mir. Sollte es ihm gelingen, mich in den Griff seiner Hände zu bekommen, war ich verloren. Ich war nicht mehr gegen ihn als ein kleiner Junge gegen mich. Die einzige Waffe, die ich jetzt noch hatte, war der zersplitterte Rest der Holzstange. Aber irgendetwas hinderte mich, die scharfe Bruchkante gegen meinen Gegner einzusetzen. Das wäre mir beinahe zum Verhängnis geworden. Noch im Sprung drehte ich dem Riesen das stumpfe Ende des Bruchstückes zu und rammte es ihm mit der ganzen Wucht meiner fünfundachtzig Kilo in den Unterleib. Zwar erwischte er mich noch mit beiden Händen gab mich aber sogleich wieder frei und brach mit einem ächzenden Laut in die Knie. Beide Arme fest gegen seinen Bauch gepresst. Er tat mir beinahe Leid, als ich mit dem Stock weit ausholte und erneut zuschlug. Ohne einen weiteren Laut von sich zu geben, kippte er nach vorne um und blieb reglos liegen. Obwohl es ein erhebliches Risiko war, jetzt näher an ihn heran zugehen, tat ich es dennoch. Ich beugte mich zu ihm herab und griff nach seinem Arm. Schwach, aber deutlich spürte ich das Pochen seines Pulses. Ich kramte mein Feuerzeug aus der Tasche und leuchtete ihm ins Gesicht. Er wirkte keineswegs unsympathisch und hatte kupferfarbenes, kurz geschnittenes Haar. Vorsichtig hob ich sein Augenlied an und schreckte unwillkürlich zurück. Er hatte dunkelgrüne Augen und eine goldene Iris. Er würde wohl noch einige Zeit bewusstlos liegen bleiben. Ich hatte also Zeit, mich um das Wohlbefinden von Klaus zu kümmern. Der Riese hatte den gewiss nicht leichten Schneidertisch mit allem, was darauf gelegen hatte, einfach zur Seite gewischt und Klaus wie ein lästiges Insekt in die andere Richtung gestoßen. Dieser war eben dabei, sich mühsam aus den Resten eines kleinen Regales und der darin gelagerten Raritäten zu erheben. Ich ging rasch zu ihm hinüber und half ihm beim Aufstehen. Er machte noch einen recht benommenen Eindruck. Ich konnte ihm nachfühlen, wenn hier einer wusste was es hieß, mit diesem Koloss zusammenzustoßen, dann war es wohl meine Wenigkeit. Mein Schädel schmerzte jetzt noch von dem Schlag, den vermutlich er mir versetzt hatte. Klaus schüttelte sich wie ein Pudel, der versehentlich ins Wasser gefallen war und blickte reichlich verduzt auf das Chaos, das unser ungebetener Gast in nur wenigen Sekunden angerichtet hatte. Mit einer Rolle festen Gartendrahtes versehen, begab ich mich zurück in den Garten um dem Riesen Fesseln anzulegen. Einem Strick misstraute ich bei der ungewöhnlichen Körperkraft die ihm innewohnte. Aber ich hatte diesen Gegner wohl weit mehr unterschätzt als angebracht war. Die Stelle, an der er zu Boden gegangen war, war leer. Allerdings musste er doch ziemlich angeschlagen gewesen sein, denn so wie ich ihn einschätze, hätte er keinen Moment gezögert uns erneut aufzusuchen. Ein zweites Mal hätte er sich dann wohl nicht von mir überraschen lassen. Nur in einem war ich mir absolut sicher, vor weiteren unangenehmen Überraschungen mussten wir von nun an auf der Hut sein. Etwas Gutes brachte der kleine Zwischenfall jedenfalls mit sich. Klaus und ich beschäftigten uns nun noch einmal mit meinem Fundstück und zwar wesentlich intensiver als vorher. Wobei Klaus in seinem ureigenstem Element zu Hause war. Verbissen nutzte er alle Mittel, die im seine sehr einfallsreich eingerichtete Werkstatt bot. Über eines waren wir uns sehr rasch im Klaren. Dieses kleine rätselhafte Stück war mit großer Sicherheit keine Einzelanfertigung oder gar eine Besonderheit an seinem Ursprungsort. Es dürfte sich um ein ziemlich alltägliches Gebrauchsstück handeln, nicht anders als unsere Schlüssel auch. Es war schon eine Stunde nach Mitternacht, als es mir gelang, einen winzigen eingebauten Energieträger ausfindig zu machen, der den Schlüssel mit dem notwendigen Strom versorgte. Jetzt war es nur noch ein sehr kurzer Weg den vielfältigen Funktionen des Schlüssels auf die Spur zu kommen. Als erstes stellten wir dabei fest, dass im Inneren des Gerätes ein helles Licht erzeugt wurde, das je nach Bedarf nach außen gelenkt wurde und einen Steuermechanismus in Gang brachte. Umgekehrt konnte jedoch auch ein gezielt gerichtetes Licht den Schlüssel zum Abgeben eines Steuerbefehles veranlassen. Der Lichtstrahl, der aus jeweils einer oder mehrer der dafür vorgesehenen Öffnungen drang, konnte eine recht beachtliche Datenmenge enthalten. Klaus kam auf die Idee, dass dieses Gerät unter den gegebenen Umständen auch unserem Personalausweis gleichkommen könnte oder einer Scheckkarte. Die Vielzahl der ganz offensichtlich darin gespeicherten Funktionen musste recht beträchtlich sein und sollte es gelingen sie zu enträtseln, einen sehr großen Bereich der Lebensumstände der Eigentümer preisgeben. Es war sehr gut möglich, dass auch etwas über ihre Art und Herkunft in Erfahrung zu bringen war. Doch leider fehlten uns die Möglichkeiten, die ausgehenden Informationen zu entschlüsseln. Das würde noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Klaus würde sicherlich nicht nachgeben ehe er auch dieses Rätsel gelöst hatte. Die ersten Strahlen des neuen Tages zeichneten sich schon am Himmel ab, als wir beide doch reichlich erschöpft unsere Versuche einstellten und noch eine Mütze voll Schlaf zu erhaschen versuchten. Der Einfachheit halber lud mich Klaus ein, bei ihm zu bleiben. * * * * * Es gibt wichtige Grundbedürfnisse ohne deren Erfüllung ein schönes Leben gar nicht denkbar ist, Faulenzen und Essen. So beschlossen wir diesen Sonntag jenen prächtigen Errungenschaften der menschlichen Kultur zu weihen. Da Essen mit der Zubereitung der Malzeit verbunden ist und somit dem ersten Bedürfnis der Faulheit entgegensteht, beschlossen wir unser Mittagessen in einer nahegelegenen Gaststätte einzunehmen. Es gibt noch eine dritte Sache, die zu einem erfüllten Dasein gehört. Ich möchte nicht versäumen dies zu erwähnen. Das ist die Schadenfreude. Eine Erfindung von Mutter Natur, die echte Zufriedenheit schenken kann, auch wenn man sich ein klein wenig mies dabei vorkommt. Warum ich das erwähne? Nun ganz einfach, nachdem wir einige der Gerichte auf der Speisenkarte genüsslich in uns hinein geschaufelt hatten und auch der heimischen Spirituosenindustrie etwas zukommen ließen, machten wir uns in aller Ruhe auf den Heimweg. Das Gefühl etwas Bewegung könne nicht Schaden, drängte sich uns irgendwie auf. Auch wenn dies ebenfalls dem Gebot der Faulheit entgegenstand. Bereits als Klaus die Eingangstüre öffnete, zeigte sich, dass er während unserer Abwesenheit Besuch bekommen hatte. Schrank und Ablage waren gründlich durchwühlt worden und nicht anders sah es in den anderen Räumen des doch recht großen Hauses aus. Nicht anderes als in meiner Wohnung, herrschte ein wüstes Durcheinander. Wahllos war der Inhalt von Schränken und Schubladen auf dem Boden verstreut. Es fehlte nichts und es war auch nichts mutwillig kaputt gemacht worden. Aber gründlicher konnte eine Durchsuchung nicht erfolgen. An zwei Stellen war selbst die Holzverkleidung der Wand aufgebrochen. Eine einzelne Person hätte dafür sicherlich länger gebraucht als wir uns außer Haus befunden hatten. Das zeigte, dass man uns ganz offensichtlich die längste Zeit beobachtet hatte und natürlich auch, dass es sich um eine Gruppe von Menschen handeln musste. Hier drängte sich mir angesichts der Entdeckungen, die wir mit dem Schlüssel gemacht hatten, wieder die Frage auf, hatten wir es tatsächlich mit Menschen in unserem Sinne zu tun? Kein Kulturkreis, der mir bekannt war, verwendete solche technischen Mittel. Unsere Zivilisation war hier ganz andere Wege gegangen. Klaus, der diesem Gedanken zuerst recht zögerlich entgegengetreten war, stimmte mir jetzt weitgehend zu. Hätte ich dem Vorschlag von Klaus zugestimmt. den Schlüssel seinem kleinen Tresor anzuvertrauen, so hätte sich das Problem jetzt schon erledigt. Der Tresor war das einzige, was von den unbekannten Eindringlingen mit brutaler Gewalt geöffnet worden war, wenn gleich wir auch hier vor einem Rätsel bei dem eingesetzten Mittel standen. Das doch recht stabile Metallgehäuse war buchstäblich in der Mitte auseinander gerissen, ohne Brand und Hitzespuren zu hinterlassen. Klaus nannte es eine kalte Sprengung, aber was er darin vermutete, blieb unklar. Da es wohl Freundespflicht war, Klaus nicht inmitten der heillosen Unordnung allein zu lassen, verbrachten wir den Rest des Sonntages damit, zumindest eine gewisse Grundordnung wieder herzustellen. Dabei beschäftige uns eine ganz andere Frage. Keiner von uns beiden glaubte ernsthaft daran, dass dies der letzte Versuch unserer unbekannten Widersacher war, sich ihr verloren gegangenes Eigentum zurückzuholen. Das aber bedeutete, dass jederzeit mit einem Überfall oder einer ähnlichen Aktion auf uns zu rechnen war. Jetzt am lichten Tag sicherlich nicht, aber bei einbrechender Dunkelheit gab es für uns keine allzu große Sicherheit mehr. Die unangenehme Frage lautete also wohin mit dem Schlüssel und wohin mit uns. Klaus war anderer Meinung. Er glaubte nicht an die Möglichkeit eines weiteren Überfalls oder Einbruches. Er nahm an, dass man sich nach drei vergeblichen Versuchen jetzt ganz gezielt mit uns, insbesondere mit mir in Verbindung setzen würde. Der Gedanke daran war mir nicht besonders geheuer. * * * * * So vorsichtig wie an diesem späten Sonntagabend hatte ich noch nie meine Wohnungstüre geöffnet. Zwar kam ich mir reichlich albern vor, aber ich benahm mich nicht anders als die recht zweifelhaften Hollywoodhelden. Mit einem kräftigem Tritt stieß ich die Türe gänzlich auf. Krachend schlug sie zurück bis an die Wand. Aber anders als in den erwähnten Filmen, stand kein unliebsamer Besucher dahinter. Den Schlag musste man im gesamten Haus gehört haben. Ich lauschte, aber alles blieb ruhig, auch in meiner Wohnung. Etwas sicherer schloss ich die Türe hinter mir und warf einen suchenden Blick in Schlafzimmer und Küche, ehe ich das Wohnzimmer betrat. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Klaus hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen, die Fremden würden mit mir oder ihm in Verbindung treten. Kapitel 2: Eine süße Biene sticht mich und ein Wurm stirbt ---------------------------------------------------------- Über eines bin ich mir sicher. Einen besonders intelligenten Eindruck habe ich in diesen Sekunden mit absoluter Sicherheit nicht hinterlassen. Natürlich hatten wir uns Gedanken gemacht wie unsere nächste Begegnung mit den Fremden ausfallen würde. Selbst auf der Fahrt in meine Wohnung hatte mich dieser Gedanke weiter beschäftigt. Besonders erfreulich war es schließlich, nicht stets mit einem kräftigen Hieb an den Kopf rechnen zu müssen. Natürlich ist das nicht die einzige Möglichkeit, aber zumindest die Nächstliegende, oder finden Sie nicht? Dass jedoch besagte junge Dame quietschfidel auf meinem Sofa sitzen würde und mich mit blitzenden Zähnen anlachte, war eine gelungene Überraschung. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt und was ich in der ersten Aufregung nicht bemerkt hatte, aus meiner kleinen Küche duftete es sehr verlockend. Mit zwei schnellen Schritten wich ich von der Türe seitlich weg um einer unliebsamen neuerlichen Begegnung mit einem Dritten vorzubeugen. Doch meine Vorsicht war unnötig. Mein alter Freund mit den großen Fäusten stand nicht hinter dem Türblatt. Sie erhob sich mit einer leichten geschmeidigen Bewegung und kam auf mich zu. Ich stand immer noch unbeweglich unweit der Türe. Sie reichte mir ihre schmale Hand und ihre wunderschönen Augen musterten mich belustigt. „Ich heiße Skara, möchtest du dich noch etwas erfrischen bevor wir essen oder kann ich auftragen? Ich habe Dich schon etwas früher erwartet.“ Unwillkürlich lauschte ich wieder dem Klang ihrer Stimme. Glockenhell und doch mit feinen, dunkel klingenden Untertönen. Fast so, als ob sie mit zwei Stimmen sprechen würde. Sie war nicht ganz so groß wie ich, rank und schlank gebaut mit herrlichen Beinen die der kurze Rock ihres leichten Sommerkleidchens nicht verbergen konnte. Ihr dunkelblondes, schulterlanges Haar glänzte wie feine Seide, wirkte als ob es mit hauchdünnen Kupferfäden durchwirkt war. Mit feinem, etwas spöttischem Lächeln, ließ sie meine Musterung über sich ergehen. Neigte dann ihren hübschen Kopf etwas zur Seite und erkundigte sich abermals, ob sie nun auftragen könnte, die Speisen würden sonst wohl kalt werden. Der Nachsatz “meine Beine kannst du später auch noch betrachten“, brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Dies war keine verliebte Verabredung, sondern eine Art Zweikampf, dessen erste Runde klar an sie ging. Dieser Gedanke brachte auch mich zum lächeln. Aber es war wohl eher das Lächeln einer bissigen Dogge, als das eines Mannes, den ein hübsches junges Mädchen in seiner Wohnung zum Essen einlud. Hier war höchste Vorsicht geboten. Diese junge Dame kämpfte mit den Waffen einer Frau und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie darin ungeübt war. Bis jetzt hatte ich mir immer eingebildet, dass ich die Spielregeln festlegen konnte. Die Rolle der Jungfrau gefiel mir nicht besonders gut. Aber ich beschloss erst einmal abzuwarten. Sie war es, die etwas von mir wollte und damit hatte ich den angenehmeren Teil der Rollenverteilung. Das Abendessen das sie zubereitet hatte, war über jede Kritik erhaben. Das Mädel konnte kochen, da gab es nichts zu rütteln. Was sie in meiner wohl eher bescheidenen Jungesellenküche zuwege gebracht hatte, konnte sich sehen lassen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass von einer so bezaubernden jungen Frau eine ummittelbare Gefahr ausgehen könnte. Vergiften würde sie mich kaum und körperlich war ich ihr wohl eindeutig überlegen. So ließ ich mir alles, was sie mit ihrem bezauberndem Lächeln auftrug, gut schmecken und betrachtete sie dabei nicht ohne Vergnügen. Sie war wirklich eine ausnehmend hübsche Vertreterin ihres Geschlechtes und wenn ich sie noch länger in meiner Nähe haben würde, bestimmt nicht ganz ungefährlich für meinen Seelenfrieden. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Wir unterhielten uns vergnügt und munter über allerlei oberflächliche Belanglosigkeiten. Ihr Mund lachte und ihre Augen strahlten mich an. Es war verdammt schwer, sich dem Zauber dieser sonderbaren und doch so schönen Augen zu entziehen. Ihre weißen Zähne blitzten, wenn sie lachte und ihr Haar funkelte im Licht der Lampe, als hätte man es aus feinsten Goldfäden gewirkt. Sie räumte den Tisch ab und lehnte jede Hilfe von meiner Seite aus strikt ab. Nahm jedoch mit schelmischem Lächeln zu Kenntnis, dass ich aufstand und mithalf, die Reste des Mahles in die Küche zu bringen. Sie hatte schon eine zweite Flasche Wein bereit gestellt und entkorkt. Verwundert nahm ich diese in die Hand. Sie war aus schwerem, dickem Glas gefertigt und sah eher wie ein Ballon mit einem langen Hals aus, denn eine der gebräuchlichen Flaschen. Auch fehlte jedes Etikett. Nur mit Kreide hatte jemand etwas darauf geschrieben. Eine fünfstellige Zahl und ein unleserliches Wort. Gemeinsam gingen wir in mein Wohnzimmer zurück und sie nahm sittsam an meiner Seite Platz. Als ich ihr mein frisch gefülltes Glas entgegen hielt, wurde sie plötzlich ernst. Leicht berührten sich unsere Gläser und ein feiner, heller Ton klang auf. Sie nippte aber nur wenig und stellte ihr Glas zurück. „Ich wollte dich bitten, mir meinen Schlüssel zurückzugeben.“ Danach blieb es erst einmal still. Ich betrachtete sie abwartend. Sie war sehr ernst geworden und blickte mich fast hilfesuchend an. Senkte den Blick auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände und fügte ganz leise „bitte“ hinzu. „Warum der zweimalige Überfall? Ich hätte dir den Anhänger ohne weiteres ausgehändigt, wenn wir uns wieder getroffen hätten. Tut mir sehr Leid Skara, aber ganz so leicht geht es nun nicht mehr. Ich bin immer noch bereit, dir deinen Schlüssel auszuhändigen. Aber vorher erwarte ich eine ganze Reihe Antworten auf meine Fragen und erst dann, wenn diese zu meiner Zufriedenheit ausgefallen sind, reden wir über eine Rückgabe.“ Meine Antwort schien sie doch etwas zu überraschen. Aber nur für Sekunden. Ihre Augen funkelten mich wütend an. Sie gefiel mir in diesem Zustand ausnehmend gut. Das Weinglas in der Hand, lehnte ich mich bequem in die Rückenpolster und betrachtete sie vergnügt. Mein Blick ging über ihre schmalen Schultern und der feinen Rundung ihres Busens hinab zu ihren Beinen und zurück. Nicht anders, als wenn ich im Laden überlegte, ob die Ware ihren Preis wert sein könnte. Skara sprang wütend auf und blickte zornig auf mich herab. Damit bot sie mir natürlich unfreiwillig eine noch bessere Gelegenheit meine Blicke über ihr so bezauberndes Äußeres gleiten zu lassen. „Du hast wirklich sehr hübsche Beine.“ grinste ich amüsiert .“Schade, dass dein Rock etwas zu lang geraden ist.“ „Herrgott noch mal, kannst du an nichts anderes denken?“ Fauchte sie mich erbost an. „Ich muß doch meinem Ruf gerecht werden Skara. Du hast doch selbst gesagt. dass er nicht der Beste ist. Außerdem hast du wirklich sehr hübsche Beine.“ „Laß das jetzt.“ Ihre stimme klang wieder ruhig und ganz sanft. Aller Zorn, der noch vor Sekunden so deutlich in ihren Augen gewettert hatte, schien verflogen. Ja, sie lächelte mich wieder mit ihrem süßen Lächeln an. „Du gibst mir also den Schlüssel nicht.“ Ich stellte mein Glas zurück und erhob mich ebenfalls. „Ich sagte dir doch schon, dass ich vorher einige Auskünfte haben möchte. Oder ist das zuviel verlangt.“ Sie blickte mich überlegend an und um ihre Lippen zuckte es verräterisch. „Mein Bruder wollte mich hier abholen. Er hat sich aber wohl etwas verspätet. Er kann dir über alles viel besser Rede und Antwort geben als ich. Bist du damit einverstanden?“ „Der Riese?“ wollte ich wissen und ein nicht ganz behagliches Gefühl machte sich in meiner Magengrube bemerkbar. So unbedingt war ich nun doch nicht darauf versessen ihm wieder zu begegnen. Skara lachte vergnügt auf und ich lauschte wieder dem eigenartigen Zweiklang ihrer so angenehm klingenden Stimme. „Keine Angst, er ist zwar mein großer Bruder aber wenn du dich brav benimmst, wird er bestimmt friedlich bleiben.“ „Schade, so ganz brav wollte ich eigentlich nicht sein.“ „So ganz brav musst du auch nicht sein.“ Lächelte sie schelmisch und deutete zu meinem Plattenspieler hin. „Wollen wir tanzen?“ „Möchtest du?“ wollte ich völlig überflüssigerweise wissen. Ohne mir eine Antwort zu geben, drehte sie sich um und ging zu meiner kleinen Schrankwand hinüber, kniete sich nieder und blätterte in der vorhandenen Auswahl von etwa siebzig Scheiben. Sie wurde schnell fündig und bediente mit flinken Händen die recht noble Anlage. Schon bei den ersten Takten der recht einschmeichelnden Melodie war sie wieder bei mir, Sie legte ihre Arme auf meine Schultern und ich faste sie mit leichtem Griff an der Hüfte. Sie war jetzt ganz nahe bei mir. Ich spürte die Wärme und jede Bewegung ihres Körpers. Ihre Augen strahlten und ihr lockender Mund lachte mich an. Jetzt noch ein Glas Schottischen in der Hand und das Glück musste vollkommen sein. Sie war ungelogen das hübscheste Mädchen, dass ich bis dahin im Arm gehalten hatte und ihre Blicke schienen zu sagen, dass es so bleiben könnte. Das Lied ging langsam zu ende und sie drängte sich ganz nahe an mich heran. Ihre Arme schlangen sich fest um meine Nacken und ihr Mund kam dem meinen gefährlich nahe. Mein Herz klopfte mir zum Hals herauf. Ganz fest nahm ich sie in meine Arme und zog sie noch dichter an mich heran. Sie gab willig dem Druck meiner Arme nach und da spürte ich einen heftigen Stich in meinem Nacken, ganz nahe meiner Schulter. Die Umrisse ihres Gesichtes verzerrten sich vor meinen Augen zu farbigen Schleiern. Der Boden bewegte sich auf und nieder und ich versuchte verzweifelt festen Halt zu bekommen. Das letzte was mein Verstand mir zuflüsterte war -du dreimal verdammter Narr- den Aufprall auf dem Boden spürte ich schon nicht mehr. ** * * * * Ein unangenehmes, schleifendes Geräusch und ein widerlicher, scharfer Geruch waren die ersten Eindrücke, die in mein Bewusstsein drangen. Das spärliche Licht der Straßenbeleuchtung das von außen eindrang, reichte völlig aus, die Umrisse meines Zimmers zu erkennen. Der Versuch mich zu bewegen misslang allerdings recht kläglich. Was immer mir Skara, das war tatsächlich ihr Name, injiziert hatte, hätte wahrscheinlich ausgereicht, einen Bullen in die Knie zu zwingen. Zwar spürte ich Arme und Beine, aber selbst den kleinen Finger vermochte ich nicht zu krümmen. Mein Verstand hingegen arbeitete einwandfrei. Die Gewissheit, nicht allein in meinem dunklen Wohnzimmer zu sein, verstärkte sich. Da war es wieder. Ein Geräusch, als ob ein Sandsack über den Boden gezogen würde und auch der widerliche Geruch verstärkte sich zusehends. Irgend etwas war noch bei mir und bewegte sich auf mich zu. Mit aller Kraft versuchte ich meinen kopf zu wenden, in die Richtung zu drehen, aus der etwas Bedrohliches auf mich zu kam. Vergebens. Nicht einmal meine Augen konnte ich dem Unbekannten zu wenden. Ich konnte nur starr in jene Richtung blicken, die mir durch meine Lage vorgegeben war. Nur mein Herz schien von der Lähmung völlig ausgenommen zu sein. Es klopfte mir bis zum Halse herauf. Was auch immer da auf mich zukam, es näherte sich mir von der unangenehmsten Seite. Jetzt konnte ich auch leise tiefe Atemzüge vernehmen und das Rascheln von Stoff oder einem ähnlichen, recht festem Gewebe. Skara oder ihr Bruder würden es wohl kaum sein. So angestrengt ich in das Halbdunkel lauschte, ich vermochte keinen Tritt oder Schritte auszumachen. Der Unbekannte bewegte sich wohl sehr vorsichtig. Nur das Schleifen verriet seine ungefähre Position. Obwohl er mir schon gefährlich nahe sein musste, spürte ich nicht die geringste Vibration des Bodens. Es war nur ein dunkler, unförmiger Schatten, der sich in mein Gesichtsfeld beugte. Der Geruch, den er verströmte, war so stechend, dass mein Magen revoltierte. Was immer das auch sein mochte, ein Mensch war das auf keinen Fall. Ich konnte weder Arme noch Beine noch irgend eine Form von Gesicht erkennen. Tiefer beugte sich der unheimliche Besucher zu mir herab und aus seiner Umhüllung tauchte ein silbern glänzender, spitzer Gegenstand auf, der wenig später meine Wange ritzte. Den heftigen Schmerz spürte ich nur allzu deutlich. Allerdings war ich noch immer völlig unfähig auch nur die kleinste Bewegung auszuführen. Der Schatten richtete sich auf, verharrte einige Sekunden bewegungslos und verschwand dann wieder aus meinem Blick. Er hielt mich entweder für Tod oder völlig ungefährlich. Mit dem zweiten Gedanken hatte er zweifelsfrei recht und ich hoffte innigst, dass er mit dem ersten nicht auch noch recht behalten würde. Es war das zweite Mal, dass meine Wohnung innerhalb kurzer Zeit durchsucht wurde. Allerdings schien es mir als ob der unheimliche düstere Bursche damit erhebliche Schwierigkeiten hatte. Allerdings brachte mich das Poltern und Klirren, das der Inhalt von Schrank und Schub verursachte, zur Weißglut. Dem Unbekannten war es völlig gleichgültig was er dabei zerstörte und er ließ sich scheinbar alle Zeit der Welt. Das taube Gefühl wich urplötzlich aus meinen Gliedern. Fast ohne Übergang bekam ich die Kontrolle über meinen Körper zurück. Vorsichtig, um nicht die Aufmerksamkeit des ungebetenen Gastes zu wecken, bewegte ich Arme und Beine, ließ meine Finger spielen. Noch behutsamer richtete ich mich auf. Ich spürte keinerlei Nachwirkung der Betäubung, nur das Blut, das warm an meinem Hals hinablief. Die Verletzung war wohl doch etwas stärker als ich vermutet hatte. Der Schatten beugte sich gerade über meine Anrichte und warf rücksichtslos alles zu Boden was auf ihr stand. Wenn er zu einem solchen Gefühl überhaupt fähig war, dann schien er äußerst ungehalten zu werden und ich glaubte plötzlich zu wissen, wonach er suchte. Auf dem Tisch stand noch die schwere unförmige Weinflasche. Vorsichtig umfaste ich deren langen Hals und sprang mit zwei Sätzen auf den Unbekannten zu. Leider war ich doch noch nicht so flink wie ich glaubte. Zwar traf ich den Unbekannten mit voller Wucht, aber doch nicht so gezielt wie ich es gerne gehabt hätte. Mit unglaublicher Schnelligkeit huschte er zur Seite und ein bösartiger Zischlaut drang aus seiner Umhüllung. Die Betäubung zeigte scheinbar doch Nachwirkungen. Zumindest in meinen Reaktionen hinkte ich doch noch ziemlich nach. Ich holte zum zweiten Schlag mit der Flasche aus, als der Fremde mit einer geschmeidigen Bewegung ganz nahe an mich heranrückte. Alles geschah viel zu schnell, um in meiner augenblicklichen Verfassung noch reagieren zu können. Ein kurzer, unförmiger Arm berührte mich und ein heftiger Stromschlag warf mich zu Boden. Der Fremde bewegte sich nun langsam auf mich zu. Er war offenbar der festen Überzeugung, dass ich kampfunfähig war. Der eine seiner Arme verschwand in dem Gewirr aus Stoff und an anderer Stelle schob sich ein Zweiter hervor, wieder mit der schon bekannten spitzen Waffe . Unter anderen Umständen hätte der Stromschlag wahrscheinlich ausgereicht, um mich zumindest für Minuten ganz erheblich zu schwächen. Bei mir löste er das genaue Gegenteil aus. Eine bessere, wenn auch schmerzhafte Medizin gegen die Nachwirkungen des Betäubungsmittels, gab es wohl kaum. Eines war klar, eine zweite Möglichkeit so nahe an mich heran zu kommen, durfte ich meinem Gegner nicht bieten. Aber wie sollte ich ihm dann entgegentreten? Viel Zeit zum Überlegen verblieb mir nicht, er war mir bereits viel zu nahe. Mir verblieb nur eine winzige Möglichkeit und die wollte ich nutzen. Als er auf Armeslänge heran war, richtete ich mich auf und sprang direkt auf ihn zu. Offenbar war der Unheimliche nie einem Gegner begegnet, der nach so kurzer Zeitspanne wieder kampffähig war. Er reagierte überhaupt nicht. Die Wucht des Aufpralles warf uns beide zu Boden. Noch im Sprung bekam ich den Waffenarm zu fassen und umklammerte ihn mit beiden Händen in Erwartung einer heftigen Gegenwehr. Der Arm gab meinem Druck ohne nennenswerten Widerstand nach und die Spitze des Dolches drang in den Stoff seines Gewandes ein. Ein gellender, in den Ohren schmerzender Laut drang aus der Stelle des Stoffes, unter der ich Gesicht oder Kopf vermutete. Der Körper unter mir erschlaffte und lag still. Einige Sekunden blieb ich heftig atmend sitzen, dann erhob ich mich schwerfällig und ging hinüber zum Lichtschalter. Das helle Licht schmerzte in meinen Augen. So ganz aktionsfähig war ich offenbar noch nicht. Mein Wohnzimmer sah aus, als ob Hollywood Regisseure darinnen einen ihrer Western gedreht hätten. In all dem Gewirr lag heil und unversehrt eine Flasche mit einem vielversprechendem Etikett. Das war genau die Medizin, die ich jetzt gebrauchen konnte. Wenn die Überraschungen in dieser Form kein Ende nehmen würden, dann war die absolute Möglichkeit gegeben, dass ich zum Alkoholiker wurde. Aber ich denke, jeder Psychiater hätte dafür Verständnis . Schließlich genügte ja schon meine Begründung, um mich für einige Monate unter Bebachtung zu halten, denn glauben würde er mir wohl kein Wort. Vorsichtig näherte ich mich dem in dunkelbraunem, groben Stoff gehüllten Unbekannten. Man konnte ja nicht wissen. Zumindest hatte ich nicht vor, den selben Fehler wie er zu machen und allzu vertrauensselig zu sein. Aber meine Vorsicht war vollkommen überflüssig. Die Waffe steckte bis zum Heft in seinem Körper. Ihre Spitze musste meinen Fußboden erreicht haben. Vorsichtig schlug ich die Falten des Umhanges zur Seite und prallte erschrocken zurück. Das Wesen besaß kein Gesicht in unserem Sinne. Was ich erkennen konnte, war eine graubraune Masse, dem Ende einer faltigen dicken Wurst nicht unähnlich. Darin zwei lidlose, weit aufgerissene Augen und ein klaffender, zahnloser Spalt, der wohl den Mund darstellte. Eine Nase oder Ohren fehlten gänzlich. Der Gestank der von ihm ausging, löste einen heftigen Brechreiz aus. Ich richtete mich wieder auf und starrte nachdenklich auf den leblosen Körper. Wie sollte ich dafür eine plausible Erklärung finden. Um den Körper heimlich verschwinden zu lassen, dafür war er zu groß. So wie es aussah, würde eine schier endlose Kette von Unannehmlichkeiten auf mich zukommen. Ich hatte Sigrid für morgen zu mir eingeladen und dabei alle Listen und Tücken aufbringen müssen deren ich fähig war, um mir ihr Verzeihen zu erschleichen. Bis dahin hatte ich weder den Trümmerhaufen ringsum beseitigt, noch die Unannehmlichkeiten mit diesem Etwas auf meinem Boden. Zu allem Übel klingelte es an meiner Wohnungstüre. Eigentlich zu erwarten. Wahrscheinlich standen alle Nachbarn erbost über den Krach vor meiner Türe. Na gut, je schneller ich all das bevorstehende Ungemach hinter mich brachte, umso schneller war es vorüber. Ich würde ihnen einfach etwas von einer recht stürmischen Umarmung erzählen. Das war zumindest nicht völlig gelogen. Lügen sollte man ja nur im Notfall. * * * * * * Soweit ich mich erinnern konnte, war es das erste Mal, dass ich den Türspion benützte. Soweit war es also mit mir bereits gekommen, dass ich mich scheute, die Türe zu öffnen. Dieser Tag hielt offenbar noch einige Überraschungen für mich bereit. Denn niemand anderes, als Skara und ihr Bruder standen vor meiner Türe. Ich holte tief Luft und öffnete den Beiden. Sie beeilten sich in den kleinen Vorraum zu kommen. Noch während ich die Einganstüre wieder schloss, hörte ich ein dumpfes Poltern. Erschrocken und auf alles vorbereitet fuhr ich herum. Der Koloss lag leblos am Boden. Skara blickte erschrocken und stumm auf ihn hinab. Kniete dann jedoch sofort an seiner Seite und bemühte sich mit fast verzweifelter Geste um ihn. Als ihr bewusst zu werden schien, dass es ihr unmöglich war ihm zu helfen, hob sie müde den Kopf und blickte mich so verzweifelt an, dass es mir unmöglich war, ihr all das zu sagen, was mir auf der Zunge lag. Es kostete mich einige Mühe ihn auf den Rücken zu drehen. Dass mir hier kein Theater vorgegaukelt wurde war mir sofort klar. Das helle Hemd unter seiner Jacke war in Schulterhöhe blutgetränkt und die Wunde blutete ganz offensichtlich noch immer. Hier war schnellste Hilfe angebracht. Für den Riesen wäre vielleicht jede Hilfe zu spät gekommen, wenn nicht auch hier der Zufall seine Hand im Siel gehabt hätte. Ich wollte mit Freunden in einigen Tagen eine größere Segeltour machen und hatte unsere Bordapotheke erst gestern nachfüllen lassen. Sie stand auf Armeslänge von mir entfernt. Noch während ich die klaffende Wunde versorgte, schlug der Verletzte die Augen auf. Sein Verstand arbeitete sofort wieder und die Energie, die in seinem Körper wohnte, war bewundernswert. Obwohl ihm kalter Schweiß auf der Stirne stand und der Blutverlust recht beträchtlich war, brachte er sich in sitzende Stellung. Er hatte klar erfast, dass es mir kaum möglich gewesen wäre, seine gut und gerne zweihundert Kilo zu bewegen, um einen ordentlichen Verband anzulegen. Allerdings fehlte im dann doch die Kraft, sich ganz von alleine aufzurichten. Mit meiner Hilfe schaffte er es dann bis in den bequemen alten Ohrensessel in meinem Wohnzimmer. In mein Bett wollte er sich nicht verfrachten lassen. Beide, Bruder und Schwester bemerkten die Gestalt am Boden fast gleichzeitig. Sahen aber auch das Heft der Klinge die in seinem Körper steckte. Ein eigenartiger Blick des Riesen traf mich und seine Schwester setzte sich müde und abgekämpft auf mein Sofa. Sie machte ganz den Eindruck eines Menschen, der am Ende seiner Kräfte war und nur mit größter Beherrschung all dem nicht nachgab, was in seinem Inneren tobte. Glas und Flasche standen noch auf dem Tisch und so reichte ich ihr wenig später ein halb gefülltes Glas. Sie nippte ein wenig daran und stellte es dann mit dankbarem Lächeln zurück. Ihr blasses Gesicht zeigte bald wieder etwas Farbe. Der Riese, seinen Namen wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, deutete mit schwachem Lächeln auf die Flasche und ich reichte sie ihm ohne zögern. Er setzte sie an seine Lippen und eine recht beachtliche Menge des goldfarbigen Getränkes verschwand in seinem Hals. Mit breitem Grinsen reichte er mir dann die Flasche zurück. Er hatte natürlich meinen bewundernten Blick bemerkt. Zufrieden lehnte er sich zurück und war wenig später eingeschlafen. Diesen Mann konnte wahrscheinlich so leicht nichts erschüttern. Skara, die ihren Bruder bis dahin ängstlich beobachtet hatte hob ihren Kopf und blickte mir in die Augen. „Ich wusste nicht wohin wir uns hätten wenden können. Wir haben hier keine Freunde. Du bist uns doch nicht böse oder?“ Dabei lächelte sie mich so lieb und treuherzig an, dass ich den Verdacht hatte, das alles sei in Wahrheit nur ein alberner Traum. Ich hätte ihr eine recht beachtliche Liste von unangenehmen Wahrheiten an den hübschen Kopf werfen können. Aber als ich in ihre Augen sah, schmolz meine bis dahin reichlich aufgestaute Wut völlig dahin. Natürlich bemerkte sie den Wandel in meiner Stimmung sofort und ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie dachte nicht im Traum daran, sich für ihr tun zu rechtfertigen. Aber ganz so leicht wollte ich es ihr nicht machen. „Natürlich nicht und jetzt verschwindet.“ Sagte ich bewusst grob. Als ich nach meinen Worten die Veränderung in ihren Augen sah, tat sie mir fast schon wieder leid. Hilflos blickte sie zu mir empor. „Bitte laß uns hier, wenigstens für ein paar Stunden. Skörin ist am Ende und.“ Sie geriet ins stocken und schwieg. Ich ging zu ihr hin und setzte mich neben sie. „Glaubst du wirklich, ich werfe Euch jetzt aus meinen vier Wänden? Kannst Du nicht verstehen, dass ich einen Stinkwut auf dich hatte?“ „Jetzt nicht mehr“ sagte sie leise und legte ihre Hand auf die meine. Ich knurrte etwas unverständliches und erhob mich. Dieses Mädchen verstand es großartig, mich aus der Fassung zu bringen. Mit den feinen Sinnen einer Frau hatte sie offenbar besser erfast was in mir vorging, als ich selbst und das ärgerte mich maßlos. „Das einzige was ich jetzt genau weis ist, dass mir ein Frühstück ganz bestimmt nicht schaden kann und im Anschluss daran vertrage ich dann hoffentlich auch deine Erklärung für all das. Besonders für deine bestechende Gabe von gestern Nacht.“ Skara erhob sich sogleich und ging mit mir hinüber in die Küche. „Sei mir bitte nicht böse, ich hatte wirklich keine andere Wahl. In all das, was nun geschehen ist, wollte ich dich nicht hineinziehen. Wir hätten uns wohl nie mehr wieder gesehen, aber ich hätte dich in Sicherheit gewusst.“ „Liegt Dir soviel daran?“ sagte ich scheinbar gleichgültig und fischte eine Pfanne aus einem der Unterschränke. Wenn ich mir eine Antwort erwartet hatte so wartete ich vergebens. Stattdessen nahm mir Skara die Pfanne aus der Hand und schob mich mit glänzenden Augen aus der Küche. * * * * * * Gesättigt lehnte ich mich in das Polster zurück. Jetzt sah die Welt schon wieder etwas freundlicher aus. Wenngleich die Probleme keineswegs kleiner geworden waren. Während Skara in meiner kleinen Küche unser Frühstück zubereitete, hatte ich den toten Eindringling in eine ältere Decke gewickelt und auf den Balkon hinaus gezogen. Der widerliche Geruch, der von ihm ausging, war kam zu ertragen. Eine dicke, grünliche Flüssigkeit war aus seiner Wunde ausgetreten. Nicht sehr viel, aber auch das verstärkte den Ekel, den ich gegenüber diesem Wesen empfand. Die Fenster im Schlafzimmer hatte ich geöffnet um frische unverbrauchte Luft hereinzulassen . Skörin schlief tief und fest. Skaras Blicke gingen immer wieder besorgt zu ihm hinüber. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten und sein Gesicht zeigte bereits wieder eine natürliche, wenn auch etwas blasse Farbe. „Ist es zuviel verlangt wenn du mir jetzt ein paar Auskünfte gibst?“ Wollte ich von Skara wissen. „Denn ehrlich gesagt, ich begreife so gut wie überhaupt nichts mehr. Da dieses hässliche, einem Wurm nicht unähnliche Geschöpf und auf der anderen Seite du und dein Bruder.“ Skara legte den Kopf leicht schräg und sah mich prüfend an. „Was ist mit uns?“ wollte sie wissen. „Das weißt du genau mein Schatz. Kein Mensch hat solche Augen und eine so zweistimmig klingende Stimme, besonders wenn du erregt bist, kannst Du es nicht verbergen, habe ich noch nie gehört.“ Und was ziehst du daraus für Schlüsse?“ „Woher kommt ihr wirklich Skara?“ Sie wurde sehr ernst. Aber auch so etwas wie tiefe Sorge schwang in ihrer Stimme mit. Sie versuchte jetzt nicht mehr, sich unseren Sprachgewohnheiten anzupassen und ich lauschte dem eigenartigem Zweiklang ihrer Stimme. „Wir alle haben unseren Ursprung hier auf der Erde. Auch Er.“ Sie deutete in Richtung der Balkontüre. „Bitte habe zu mir Vertrauen. Du wirst bald alles erfahren. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit. Sie werden wiederkommen und dann dürfen sie uns hier nicht mehr vorfinden. Sie scheuen das Tageslicht, aber sie können jederzeit hier auftauchen. Dann sind wir verloren. Es ist mehr als ein Wunder, dass es dir gelingen konnte, den Zweikampf mit ihm zu bestehen. Normalerweise lähmen sie ihre Opfer durch Induktion. Sie können ein Spannungsfeld aufbauen, das einen Menschen auf beinahe zwei Meter töten kann. Vereinigen Zwei oder Drei ihre Kräfte, dann gibt es kaum eine Möglichkeit, ihrem Angriff zu entgehen.“ „Wer sind Sie?“ „Wir nennen sie Droohr. Ihren Eigennamen könnte selbst ich nicht aussprechen.“ Skara sah mich bittend an. „Wenn du irgendetwas mitnehmen möchtest, dann bitte beeile dich. Wir müssen so schnell es geht hier weg. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Da er nicht zurückgekommen ist. werden sie ihre Schlüsse daraus ziehen und handeln. „ Das Drängen und die unverkennbare Sorge in Skaras Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen. Vielleicht hatten wir wirklich nur noch wenig Zeit. Aber die ganze Angelegenheit gefiel mir nicht. Es gab zu viele offene Fragen und keine Antworten. Ohne es zu wollen, war ich ein Abenteuer geschlittert, das alles auf den Kopf stellte, was ich bisher mein Leben genannt hatte. Ich deutete mit dem Kopf in Richtung ihres Bruders. „Glaubst du dass er gehen kann?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, dass wird nicht nötig sein. Ich habe um Hilfe gerufen.“ Ich begriff immer weniger von dem was sie sagte und kam mir langsam wie ein dummer Junge vor, über den sich die Erwachsenen mit schmunzeln amüsieren. „Hilfe gerufen, bitte wie und womit und vor allen Dingen wen?“ Obwohl die ganze Situation sehr ernst zu sein schien, zauberte meine Bemerkung ein schelmisches Lächeln auf Skaras Gesicht. Sie zog ein feingliedriges Kettchen aus ihrem Ausschnitt und zeigte mir was daran befestigt war. Im hellen Licht des Tages funkelte mir der bewusste Schlüssel entgegen. „Es ist weit mehr als nur ein Schlüssel wie ihr ihn kennt. Es ist ein sehr universelles Gerät. Wenngleich der Begriff Schlüssel gar nicht so falsch liegt. Nur öffnet er ganz andere Dinge als bloße Türen und Schlösser.“ Unbemerkt von uns war Skörin erwacht. Belustigt verfolgte er unserem Gespräch. „Sie wollte unter allen Umständen vermeiden, dass ich oder jemand Anderes den Anhänger von dir zurückholt. Sie hatte Angst, es könnte eine ganz bestimmte Person dabei zu Schaden kommen.“ Auch Skörin sprach jetzt mit seiner natürlichen Stimme und verbarg deren Klang nicht mehr. Er hatte ja aus der Unterhaltung mit seiner Schwester herausgehört, dass sie sich ebenfalls nicht mehr verstellte. Skara warf ihrem Bruder einen wütenden Blick zu, den er belustigt zur Kenntnis nahm und auch ich konnte ein breites Grinsen nicht verbergen. So war das also gewesen. Als sich Skaras und meine Blicke begegneten, ließ sie ihre Schulten etwas sinken und musterte angelegentlich die Tischplatte. „Wir können jetzt nur warten und hoffen, dass unsere Leute früher hier sein werden als die Droohr. Skörins Worte brachten die Gedanken an unsere ganze Lage zurück. Besonderen Wert legte ich weis Gott nicht auf ein neuerliches Zusammentreffen mit diesen Würmern. Mit einem unverletzten Skörin an meiner Seite hätte ich mich wesentlich wohler gefühlt. Aber er war, obwohl sichtlich munter, mit dieser Verletzung bestimmt keine allzu große Hilfe. Und Skara, sie wollte ich am allerwenigsten einer echten Bedrohung ausgesetzt sehen Aber ganz so hilflos waren wir doch nicht. In meinem bereits für die Segeltour gepacktem Seesack hatte ich eine Signalpistole, nebst der dazu gehörendem Patronen. Es empfahl sich zwar nicht unbedingt sie innerhalb eines geschlossenen Raumes abzufeuern, aber immer noch besser als nichts. Ich möchte nicht Derjenige sein, der davon getroffen wird. Ich ging hinaus auf den Gang und öffnete meinen Seesack, entnahm ihm die Pistole und die Schachtel mit den Patronen. Eine davon steckte ich ohne zögern in den dazu vorgesehenen Aufsatz. Ich war mir nicht sicher, ob die Idee besonders gut war, aber das kühle Metall der Waffe gab mir doch ein beruhigendes Gefühl. Ich sah mich mit einem sehr unruhigem Gefühl in der Magengegend um. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich meine Wohnung nie mehr wiedersehen würde. Recht nachdenklich ging ich ins Wohnzimmer zurück, wo Skara und ihr Bruder leise miteinander sprachen. Zum ersten Male hörte ich beide in ihrer Muttersprache reden. Bei Skara klang es wie das Zwitschern eines Vogels. Erst jetzt, in ihrer eigen Sprache, kam das mehrstimmige Schwingen ihrer Stimmbänder so richtig zum Tragen. Als beide merkten, dass ich zurückgekehrt war, wechselten sie wieder zur deutschen Sprache. „Skara macht sich sorgen weil sie noch immer keine Bestätigung ihres Hilferufes erhalten hat.“ „Das heißt, es ist völlig unklar, ob wir mit Hilfe rechnen können.“ Entgegnete ich. Skörin nickte etwas bedrückt. Auch er schien sich um seine Schwester Sorgen zu machen. Unsere Blicke begegneten sich in stummem Verstehen. Wir konnten nichts anderes tun als warten. Zwar lag der Gedanke an eine Ortsveränderung nahe, aber weit würden wir mit Skörin nicht kommen und wohin sollten wir uns wenden. „Manchmal ist man schon vernagelt“. Knurrte ich und Beide blickten mich erstaunt an. „Schaffst du es bis in die Tiefgarage? “wollte ich von Skörin wissen. Er lachte dröhnend. „Ich bin schon mit schwereren Wunden um einiges weiter gelaufen. Was hast du vor.“ „Mein Wagen steht da unten. Wenn es einen Ort gibt, an dem wir uns besser verteidigen können als hier, dann bei Klaus. Wenn sie unsere Spur aufgenommen haben, dann ist er nicht weniger in Gefahr als wir.“ Skörin nickte. „Gehen wir. Das ist immer noch besser als hier untätig zu warten und wenn es zu einer Auseinandersetzung kommt, dann gebe ich Dir recht. Sein Haus ist dafür besser geeignet als deine Wohnung.“ „Ach ja, ich vergaß, du kennst dich ja aus.“ Skörin und ich lachten uns vergnügt an. Im Stillen musste ich ihn bewundern. Mit einer solchen Verletzung, wie er sie vor kurzem wohl davongetragen hatte, wäre ich kaum so tatendurstig gewesen. Um sich schien er sich keine Sorgen zu machen. Der Gedanke an den Tod war ihm wohl vertraut, aber jetzt war seine Schwester in Gefahr und das bekümmerte ihn. Das Telefon war heil geblieben, hatte unbeschadet den Sturz auf den Boden überlebt. Klaus meldete sich fast sogleich. Ich erklärte ihm in kurzen Worten was sich ereignet hatte und bekam sofort seine Zustimmung, bei ihm die Ankunft von Skaras Leuten abzuwarten. * * * * * * Klaus erwartete uns an seinem Gartentor stehend. Er machte ein recht betrübtes Gesicht und schien wieder einmal das gesamte Leid der Welt auf seinen Schultern tragen zu müssen. Er bat uns in sein Haus und hier erwartete uns eine neuerliche Überraschung. Bei ihn sah es nicht viel besser aus, als bei mir Zuhause. Ein Sturm hätte nicht verheerender wüten können. Alles, was Klaus hier zusammengetragen hatte, lag wüst durcheinander. Scherben und Trümmer überall. „Ich war in dieser Nacht bei einem Bekannten in dessen Observatorium. Er hat einige recht seltsame Beobachtungen gemacht. Als ich heute Morgen zurückkam, sah es so aus.“ „Es wird besser sein, Dein Freund kommt mit uns“ sagte Skörin leise. „Bleibt er hier, so ist er der einzige Anhaltspunkt den die Droohr hier haben und wenn sie mit ihm fertig sind, ganz gleich ob erfolgreich oder nicht, wird er Tod sein.“ Klaus Begriff schneller als ich. Dafür gab es jedoch einen sehr guten Grund. Er dachte von Natur aus in ganz anderen Bahnen als ich und dazu kam jene seltsame Beobachtung, die er und sein Bekannter in der vergangenen Nacht gemacht hatten. „Nicht das ich neugierig bin alter Junge, aber es würde mich schon interessieren, was das für eine seltbar, wundersame Beobachtung war, die du jetzt in Zusammenhang mit all den Ereignissen bringst“ Klaus angelte nach einem seiner Stühle und forderte uns auf, ebenfalls Platz zu nehmen. „Mein Bekannter, Dr. Höffner, hat es sich in den Kopf gesetzt, die Spannungsfelder, die die Gravitation zwischen den Himmelskörper erzeugt, sichtbar zu machen. Ich will euch nicht mit endlosen Fakten langweilen, das würde ins Endlose führen. Kurzum, es ist ihm gelungen, durch eine Art elektromagnetischen Filter, eben diesen Feldern auf die Spur zu kommen. Seid etwa zwei Wochen nützt er die ihm zur Verfügung gestellte Zeit im Observatorium unter anderem aus, erste Aufnahmen herzustellen. Bislang sind die Ergebnisse aber recht trübe. Deswegen bat er mich auch um meine Hilfe. Diese Felder unterscheiden sich von Stabilen, Magnetischen dadurch, dass sie in ständiger vibrierender Bewegung sind. Etwa so, wie Tausende. ins Wasser geworfener Steine, ein recht skurriles Muster hinterlassen würden“. Klaus machte eine kleine Pause und schien sich vergewissern zu wollen, dass wir seinen Ausführungen folgen konnten. „In der vergangenen Nacht konnten wir beide jedoch etwas recht eigenartiges beobachten. Zwischen diesen sich ständig neu verwirrenden Linien bildete sich auf einmal ein recht stabiles Gebilde. Es hatte eine sehr starke Ähnlichkeit mit einem Regenbogen. Das eine Ende diese Bogens verlor sich irgendwo im All, das andere schien hier auf der Erde zu enden, irgendwo in den oberen Schichten der Atmosphäre. Was dann geschah, ließ uns an unserem gesunden Menschenverstand zweifeln. Endlang dieses Bogens bewegten sich eine Reihe von kleinen Kugeln. Der ganze Spuk dauerte keine zwei Minuten und doch sah es so, aus als hätten diese runden Körper in dieser Zeit weit mehr, als die Strecke von der Erde zum Mond zurückgelegt.“ Klaus schwieg und musterte uns erwartungsvoll. Ich muß zugeben, dass ich mit dieser Geschichte herzlich wenig anfangen konnte. Die Vorstellung, es könnten außerirdische Raumschiffe gewesen sein, erschien mir doch recht gewagt. Skörin und Skara jedoch warfen sich verstehende Blicke zu. Ihre nächsten Worte bewiesen, dass ich mit meiner Vorstellung gar nicht so ins Unbekannte gezielt hatte. „Es waren Flugkörper der Droohr, die ihr gesehen habt.“ Klaus sprang erregt auf. „Also doch,“ rief er aus, „ich war von Anfang an der Meinung, es müsste sich um unbekannte Flugkörper handeln.“ „Leider sind sie uns nur zu bekannt.“ Sagte Skara leise. „Wollt ihr uns nicht endlich etwas genauer erklären, worum es in diesem Spiel eigentlich geht?“ Sagte ich und musterte Beide etwas verärgert. „Die Droohr benützen Teile der alten Weltenschleuse um zur Erde zu gelangen“ Der Kopf von Klaus ruckte hoch. Er war jetzt ein einziges Fragezeichen. Der Begriff Weltenschleuse war uns nicht unbekannt. Er tauchte in den alten nordischen Sagen auf und hatte schon die wildesten Spekulationen zu Tage gebracht. Skörin blickte zu Skara hinüber und diese nickte ihm zu. Während er zu sprechen begann, stand sie von ihrem Platz auf und kam zu mir herüber. Mit spitzbübischem Lächeln setzte sie sich auf meine Knie und schlang ihren rechten Arm um meinen Hals. „Die Weltenschleuse,“ begann Skörin „wurde vor über 23 000 Jahren von unserem Volk erbaut. Ihr werdet das alles noch genauer erfahren. Was wir damals noch nicht wussten, eine solche Schneise entlang einer Faltung im Raumzeitgefüge des Universums bettet sich wesentlich stabiler in das Gesamtgefüge ein. Wir dachten, die von uns geschaffene Strasse würde sich nach Abschaltung der für ihre Entstehung benötigten Energie von selbst wieder unter dem Druck, der sie umgebenden Kraftfelder auflösen. In gewisser Weise stimmt das auch. Aber für die überall vorhandene Energie ist so eine Strasse der bequemste Weg sich auszudehnen. Wenn bei Euch ein Gewitter abläuft, so seht ihr auch nur den Blitz. Das Kraftfeld, das ihn erzeugt reicht aber bis an die Grenze des Weltalls. Das Tor wird sich gemessen an den Abläufen im Universum sehr schnell schließen. An der Lebenserwartung eines Menschen oder der unserer Rasse werden aber über 10 000 Jahre vergehen. Zudem hat sich die Strasse durch die ihr zuströmende Energie über viele Lichtjahre geöffnet und so ist es den Droohr gelungen, unsere Heimat und auch die Erde zu erreichen. Skara und ich wurden deshalb zu Euch gesendet, um einen Weg zu finden, das Tor zumindest im Bereich der Erde zu versiegeln.“ Skörin blickte lächelnd zu seiner Schwester herüber die vergnügt ihren Platz behauptete und lässig ihre Beine baumeln ließ. „Mein hübsches Schwesterchen ist bei uns in etwa das, was bei Euch eine Kernphysikerin ist. Ich selbst bin Spezialist für nichtenergetische Kraftfelder. Aber leider wurden vor etwa 12 000 Jahren, während des großen Krieges hier bei Euch, die Anlagen zerstört. Euere Vorfahren haben damals ganze Arbeit geleistet. Ihre atomaren Waffen waren bereits um einiges höher entwickelt als dies dem jetzigen Stand entspricht. Sie konnten bedenkenlos zum Einsatz gebracht werden, da ratioaktive Stoffe dabei kaum mehr ausgebreitet wurden. Skörin machte gedankenverloren eine kleine Pause. Er versuchte uns in wenigen Worten ungeheuere Zusammenhänge zu erklären. Das war auch für ihn nicht ganz einfach. Klaus hatte zwei Flaschen Wein geöffnet und so tranken wir uns erst einmal zu. Besiegelten so die Verbundenheit zwischen uns, die ohne unser Betreiben entstanden war. „Leider sind wir an der Gefahr durch die Droohr nicht ganz unschuldig und es ist uns bekannt, dass sie zumindest von einer Person aus unseren Reihen Unterstützung erfahren.“ Er wollte eben mit seiner Erklärung der Zusammenhänge fortfahren, als wir von all diesen Dingen ahnungslosen Erdenbürger, fassungslos in Richtung der Terrassentüre starrten. Durch die geöffnete Türe betraten zwei hochgewachsene Männer den Raum, die jederzeit in einem Wikingerfilm mitwirken konnten. Selbst die breiten mächtigen Schwerter an ihrer Seite fehlten nicht. Skörin winkte ihnen freundschaftlich zu und wendete sich dann wieder an uns. „Es ist, glaube ich, an der Zeit für uns, diese Welt zu verlassen. Ihr werdet jetzt durch die Weltenschleuse in unsere Heimat gehen“ Skara sprang von meinen Beinen herunter und reichte mir lächelnd ihre Hände. Gemeinsam gingen wir hinter den anderen her, hinaus in den Garten, wo eine neuerliche Überraschung auf uns wartete. Kapitel 3: Ich sterbe viel betrauert und Klaus heißt eigentlich ganz anders. ---------------------------------------------------------------------------- Hi Leute! *grins* hier ist mal wieder ein neuese Kapitel! Viel spaß dabei! ^^ Während wir ohne sonderliche Hast in den weitläufigen Garten hinaustraten, beschlich mich ein sehr ungutes Gefühl, das ich mir zuerst nicht recht erklären konnte. Gewiss, von der Sicherheit meines bisherigen Lebens war nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Wenige Stunden hatten genügt um all das zu Wege zu bringen, aber das war es nicht. Ich hatte mich zu meinem eigenen Erstaunen überraschend schnell in diese neue Situation hinein gefunden. Ändern konnte ich daran sowieso nichts. Ich spürte Skaras warme Hand, den leichten Druck ihrer Finger und blickte aufmunternd zu ihr hin. Ein eisiger Schreck durchzuckte mich wie ein starker Stromschlag. Beinahe hätte ich Skaras Hand los gelassen. Nichts von ihr war zu sehen nur tiefe undurchdringliche Schwärze. Nicht einmal meine eigene Hand konnte ich erkennen. Nichts von Klaus und Skörin, die vor uns gehen mussten. Ich war unwillkürlich stehen geblieben. Doch Skara zog mich mit sanftem Druck weiter. Vor uns hörte ich die stampfenden Schritte der vier Männer. Die Welt war hier offenbar noch nicht zu Ende und vom Rand der Erdscheibe würde ich dann wohl auch nicht fallen. „Wir werden jeden Augenblick wieder etwas erkennen können“, hörte ich Skaras Stimme neben mir. „Skörin hätte uns aber auch darauf aufmerksam machen können.“ „Worauf?“ flüsterte ich in die Dunkelheit hinein zu Skara hin und ärgerte mich im gleichen Moment über mich selbst. Es gab überhaupt keinen Grund zu flüstern. Aber die herrschende Dunkelheit verlockte dazu. In Skaras Stimme schwang ein leises Lachen mit, als sie antwortete: „Was ein zufälliger Beobachter sehen könnte, würde ihm zwar niemand glauben, aber, sein muss es nicht unbedingt.“ Ich brauchte nicht mehr zu fragen. Ohne Übergang wurde es taghell. Skara hatte recht. Niemand würde einem Menschen glauben schenken, wenn er das erzählen sollte, was ganz nahe vor meinen Augen lag. Wie aus blankgeputztem Messing gefertigt, lag ein schlanker länglicher Schiffskörper vor uns. Ein wunderschön gearbeiteter, weit nach vorne ausladender Drachenkopf bildete die Spitze und selbst der kunstvoll gestaltete Schwanz fehlte nicht. Wappenähnliche Darstellungen zierten die gesamte Längsseite, allerdings fest an den blanken Rumpf gefertigt. Fast die gesamte Oberseite dieses Schiffes bestand aus funkelndem kristallähnlichem Material, das sich in unzählige dreieckige Facetten gliederte. Allerdings gewährte es keinerlei Sicht in das Innere dieses gut sechzig Meter langen Kolosses. Das Ding war ohne Zweifel von oben gekommen. Unter seinem Gewicht waren zwei mächtige Bäume geknickt und zersplittert wie Streichhölzer. Die starken Äste und Zweige bildeten ein fast undurchdringliches Gewirr. Klaus und ich waren unwillkürlich stehen geblieben. Zu groß war unser Erstaunen über das, womit wir so unvermittelt konfrontiert wurden. Die Ähnlichkeit zu den Drachenschiffen der Wikinger war unverkennbar. Aber auch Darstellungen in alten chinesischen Sagen berichteten von solchen Körpern die durch die Himmel reisen konnten. Skara drängte sich nahe an mich und blickte mich ganz lieb lächelnd an. „Dieses Schiff wird uns vor den Droohr in Sicherheit bringen.“ „Wohin Skara, wohin geht diese Reise und wo endet sie?“ Skörins kraftvolle Stimme enthob sie einer Antwort. Wir nennen unsere Heimat Wröllfag. In eueren alten Sagen trägt sie den Namen Asgard.“ „Ich habe es geahnt.“ sagte Klaus. „Die Ornamente auf dem Schlüssel Skaras waren ein zu deutlicher Hinweis. „Ich hätte verdammt noch mal selbst darauf kommen können.“ „Wir sollten uns besser beeilen.“ Drängte einer der beiden Männer, die uns abgeholt hatten, zur Eile. „Es gibt nur den einen Weg von der Erde ins All und auch die Anderen müssen ihn nutzen. Dieses Schiff ist nicht für einen Kampf mit mehreren Einheiten von ihnen ausgerüstet und du mein Freund, brauchst wohl dringend einen Arzt.“ Während wir schneller auf das Schiff zugingen, stellte ich verwundert fest, dass auch dieser Mann ganz offensichtlich meine Sprache einwandfrei beherrschte. Ich war ihm dankbar dafür, dass er sich nicht mit den anderen in seiner eigenen Sprache verständigte, sondern aus Rücksicht auf mich und Klaus deutsche Worte verwendete. Seine eigene hatte nur wenig Ähnlichkeit mit irdischen Sprachen. Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Ein fürchterliches Heulen erfüllte plötzlich die Luft. So schrill und kreischend, dass es schmerzhaft empfunden wurde. Der Donnerschlag der folgenden Explosion löschte mein Gehör für etliche Sekunden aus. Die Luft wurde gewaltsam aus meinen Lungen gerissen und blutrote Schleier tanzten vor meinen Augen. Eine kräftige Hand ergriff meinen Oberarm und zerrte mich weiter. Ich bekam noch mit, dass ich Skara unter keinen Umständen loslassen wollte, dann löschte der donnernde Knall einer zweiten Explosion alles fühlbare aus. Zwei blaue Lichter waren es, die sich bis in mein Bewusstsein vorarbeiteten. Diese blauen Lichter gehörten zu einem messingfarbenem Gesicht das über mich hinweg nach vorne blickte. Zwei kraftvolle Arme mussten mich umklammert halten, denn ich konnte mich nicht bewegen. Mein Verstand begann sehr schnell wieder zu arbeiten. Wer auch immer mich da trug, rannte mit unglaublicher Schnelligkeit auf das Schiff zu und schnellte wenig später mitsamt seiner Last über fünf Meter empor zu einer hell erleuchteten Öffnung. Nur Minuten später gaben mich die schimmernden Arme aus ihrer Umklammerung frei. Sie gehörten zu einem künstlich geschaffenem Wesen, das in allen sichtbaren Teilen bis ins winzigste Detail einem Menschen nachgebildet war. Der Körper selbst war unter der gleichen Kleidung verborgen die alle an Bord dieses Schiffes trugen. Sie schien aus Stoff und Leder gefertigt. Das Wehrgehänge bestand aus einem breiten Gurt, der über die linke Schulter zur Hüfte lief und sich dort mit dem Gürtel durch eine schwere Gemme verband. Ein breites Schwert mit einer etwa achtzig Zentimeter langen Klinge und feste Stiefel vervollständigten die Ausrüstung. Etwas, das an die bei uns gebräuchlichen Schusswaffen erinnerte, konnte ich nicht sehen. Das Atmen wurde mir zusehends schwerer. Ein stechender Schmerz begleitete jeden Atemzug. Etwas warmes breitete sich zwischen meinen Schulterblättern aus und meine Beine mußten aus Watte bestehen, denn sie gaben unter meinem Gewicht nach. Skaras erschrockene Stimme und zwei schimmernde Arme, die wieder nach mir griffen, waren die letzten Eindrücke, die ich vom Beginn meiner Reise in eine andere Welt mitnahm. Dann wurde es immer dunkler um mich her. * * * * * * Alles, was meine Augen mich erkennen ließen, war ein Gewirr aus hellen und dunklen Schatten, die wie Gespenster um mich herum geisterten. Nur ihre Stimmen konnte ich sehr klar und deutlich hören. Sie sprachen mit gedämpfter Lautstärke Ein guter Freund von ihnen musste so schwer verwundet worden sein, dass sie keinerlei Hoffnung hatten, ihn noch lebend in ihre Heimat zu bringen. Verdammt, warum konnte ich nur so wenig erkennen. Es hätte mich doch auch interessiert um wen sie sich solche Sorgen machten. Der arme Kerl tat mir irgendwie leid. „Es tut mir schrecklich leid Skara“ sagte die Stimme beruhigend. “aber da ist nichts mehr zu machen. Der Splitter hat sein Rückgrad vollkommen zerrissen. Seine Lunge schwer geschädigt und sein Herz durchbohrt. Es ist ein Wunder, dass überhaupt noch Leben in ihm ist. Hier versagt auch unser Können. Zuhause hätte er vielleicht eine winzige Chance, aber hier mit unseren beschränkten Bordmitteln.“ Die Stimme verstummte mit hörbarem Bedauern und ich hörte ein Mädchen weinen. Auch wenn ich es nicht sehen konnte, wusste ich, es war Skara. Ich war fast ein wenig eifersüchtig auf den Mann um den sie weinte. Es wurde dunkler um mich herum und kälter. Die Stimmen und Töne rückten in immer weitere Ferne. Nichts von außen drang mehr zu mir herein. Ich war in mir selbst gefangen. Meine Gefühle aber waren frei von jeder Angst. Tief in mir begann sich etwas aufzulösen das mich bisher blockiert hatte. Ich wusste, dass ich keine Angst haben musste, denn ich konnte nicht sterben. Was auch immer ich an Verletzungen erlitten haben mochte, sie waren für ein Wesen meiner Art völlig bedeutungslos. Bei diesem Gedanken erschrak ich zutiefst. Ich war doch ein Mensch und sterblich und wusste doch im selben Augenblick, tief in meinem Inneren, dass dem nicht so war. Aber was war ich dann. Ich war doch auf der Erde geboren , hatte als Mensch unter Menschen gelebt. Gewaltsam verdrängte ich diese Gedanken. Wer oder was ich auch immer war, das konnte ich später noch klären. Es gab jetzt andere, wichtigere Dinge, für die ich all meine Kräfte brauchen würde. * * * * Unendlich langsam kehrte das Gefühl für meinen Körper zurück. Ich wusste nicht, wie lange ich starr und leblos dagelegen hatte. Mein Herz schlug gleichmäßig und ruhig und auch meine Atemzüge waren ruhig und tief. Ich öffnete die Augen und blickte mich um. Der Größe und Einrichtung nach war es wohl eine Mannschaftskabine, in welche man mich gebracht hatte. Ich musste unwillkürlich lächeln. Der Mann, um den sie sich gesorgt hatten und um den Skara Tränen geweint hatte, war wohl ich gewesen. Im festen Glauben, einen Toten vor sich zu haben, hatten sie mich dann wohl hierher gebracht und auf diese Liege gelegt. In meine kalten leblosen Hände hatten sie ein Schwert gegeben, das ich noch immer umklammerte. Ich richtete mich langsam auf und legte das Schwert seitlich ab. Mein scheinbarer Tod brachte mich ihnen gegenüber in arge Bedrängnis. Wie sollte ich ihnen meine Auferstehung erklären, ohne das Geheimnis um meine Person zu lüften. Denn ich wusste nun, dass ich nicht der Mensch war, als den sie mich gekannt hatten, aber ich könnte ihnen nicht erklären wer oder was ich war. Das wusste ich nämlich selbst nicht. Es war, als ob ein stählerner Ring diesen und andere Teile meiner Erinnerung versperrte. Verwundung und notwendige Regeneration hatten diese Sperre zwar etwas gelockert, aber ganz konnte ich sie nicht aufbrechen. Aber kraftvoll stürmte meine Erinnerung dagegen an. Während ich noch versuchte Ordnung in meine vielfältigen Gedanken zu bringen, wurde mir die unnatürliche Ruhe und Stille die mich umgab bewusst. In mir begannen alle Alarmglocken gleichzeitig zu schrillen. In einem Schiffskörper dieser Größenordnung wurde es nie ganz still. Die Lebensgeräusche der Besatzung, das dumpfe Dröhnen der Wandler für die zum Flug benötigten Energien oder das Arbeitsgeräusch der Raumklimaanlagen verstummte nie ganz. Ich wusste all diese Dinge so selbstverständlich, wie eins und eins zwei ist. Aber ich hätte niemandem sagen können woher. Der Erdenmensch hätte es sich vielleicht vorstellen können. Die Gewissheit darüber sicherlich nicht. Verdammt, es wurde Zeit für zwei Dinge. Ein kräftiger Schluck aus einer Bulle und die vollständige Rückkehr meiner Erinnerungen. Aber wie es jetzt aussah, würde ich wohl auf beides noch etwas warten müssen. Mit der Rechten ergriff ich das Schwert und löste den Sicherungsring aus seiner Verankerung. Damit wurde es zu einer äußerst gefährlichen Waffe, deren Möglichkeiten weit über deren mittelalterliches Aussehen hinausging. Alle Energien die in ihm schlummerten auf einmal freigesetzt, hätten selbst dieses Schiff in einen Haufen glühenden Schrottes verwandelt. Vorsichtig erhob ich mich und ging die wenigen Schritte zur Verbindungstüre hinüber. Soweit, die Wände selbst durchlässig zu machen, war die Technik der Asen also noch nicht. Ich schüttelte bei diesem Gedanken unwillig den Kopf. Wie sollten sie, meldete sich meine innere Stimme, die mir seltsam vertraut war. Dazu mussten noch Jahrtausende technischer Entwicklung verstreichen. Jahrtausende einer Entwicklung, die die allerwenigsten Lebensformen im Universum durch ihr von der Natur vorgegebenes Verhalten, nie vollenden konnten. Da waren sie wieder, die Bruchstücke von Wissen, Gedanken und Erinnerungen, die sich gewaltsam in mein Bewusstsein drängen wollten und ebenso machtvoll zurückgehalten wurden. Aber dafür hatte ich jetzt keine Zeit. Zuerst musste ich die Ursache für diese unheilvolle Ruhe um mich her klären. Denn sie verhieß nichts gutes. Bereits ein Blick durch die offene Türe hinaus, auf den breiten das ganze Schiff durchziehenden Gang, zeigte mir, dass meine Befürchtungen nur allzu berechtigt waren. Drei Männer der Besatzung lagen recht übel zugerichtet leblos am Boden. Für sie kam wirklich jede Hilfe zu spät. Und ich musste auch nicht lange raten, wer für ihren gewaltsamen und grausigen Tod verantwortlich zu machen war. Ich kannte nur eine Lebensform in dem uns bekanntem Teil der Galaxie, die ihre Opfer völlig willenlos werden ließen und sie dann regelrecht von oben bis unten aufschlitzten. Es gehörte zur Entwicklungsgeschichte dieser einem Wurm so ähnlichen Geschöpfe, ihre Beute durch ein starkes elektrisches Feld zu lähmen, dann deren Leib zu öffnen und die als Nahrung hochwertigen Innereien zu verspeisen. Da sie nie auf einen ihnen ebenbürtigen Gegner getroffen waren, hatten sie auch nie eine andere Art des Tötens entwickelt. Auch die Asen konnten sich nur dank ihrer hochentwickelten Technik gegen sie behaupten. Kam es zu einer direkten körperlichen Begegnung, siegten fast immer die Droohr. Der widerliche Geruch dieser unangenehmen Kreaturen lag noch in der Luft. Sie waren trotz aller Entwicklung die sie hinter sich hatten und die sie befähigte mit leistungsfähigen Raumschiffen weit in das Weltall vorzustoßen, Aasfresser geblieben. Sie hatten sich nicht gescheut, ihren Hunger an den von ihnen getöteten Asenkriegern zu stillen. Die übel zugerichteten Leichen zeigten es nur allzu deutlich. Langsam ging ich den von der Notbeleuchtung nur spärlich beleuchteten Gang in Richtung der Schiffszentrale entlang. Wenn überhaupt, dann konnte ich mir nur dort ein Bild der vergangenen Ereignisse machen. Sehr wahrscheinlich gab es so etwas wie eine bildhafte Aufzeichnung der letzten Stunden. Auch irdische Flugzeuge besaßen ja einen Flugschreiber. „Achtung“ meldete sich meine innere Stimme. Aber es war unnötig darauf zu achten. Ich wusste es auch so, spürte es mit jeder Faser meines Körpers. Sie waren da und sie griffen mich mit aller Macht ihrer natürlichen Waffen an. Langsam und bedächtig drehte ich mich um, blickte den kurzen Weg den ich gegangen war zurück. Sie waren zu dritt. Die Türe des Raumes aus dem sie getreten waren, stand noch halb offen. Sie hatten sich hoch aufgerichtet und in ihren Klauen hielten sie ihre spitzen Dolche. Ich spürte die Macht ihres konzentrierten Angriffes. Ihre etwas starre Haltung zeigte, dass sie mit aller Kraft die in ihnen steckte, versuchten, mich zu ihrer Beute zu machen. Ich hob langsam das Schwert und ging ganz ruhig auf das widerliche Trio zu. Aber noch ehe die flammende Energie des Schwertes von mir freigesetzt wurde, um alle drei in Asche zu verwandeln, geschah etwas auch für mich völlig unerwartetes. Die Droohr richteten ihre Dolche gegen sich selbst und beendeten auf diese Weise ihr irdisches Dasein. Fast lautlos sanken ihre unförmigen Körper zusammen und blieben mit letzten Zuckungen reglos liegen. Vorsichtig näherte ich mich dem Raum, aus welchem sie auf den Gang hinausgetreten waren. Die Körper zweier toter Krieger zeigten, dass sie auch hier ihr grausiges Mahl abgehalten hatten. Der Fußboden war vom Blut der Opfer rot verfärbt. Inmitten dieses unschönen Bildes lagen die Körper zweier toter Droohr. Auch sie hatten ihre Waffen gegen sich selbst gerichtet. Für die Toten konnte ich nichts mehr tun. Ich trat wieder hinaus auf den Gang. Eine schreckliche Angst erfüllte mich in diesem Augenblick. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, dass sich ja auch Skara, Klaus und Skörin an Bord dieses Schiffes befanden. Waren auch sie von den Droohr ..... Ich weigerte mich diesen Gedanken zu Ende zu denken und doch entstand vor meinem geistigen Auge das Bild einer jungen Frau, deren Körper vom Hals bis zum Schoß aufgeschnitten war. Gewaltsam verdrängte ich diese Vorstellung und eilte so schnell ich konnte, dem Raum am Ende des Ganges zu, der wohl die Zentrale beherbergen musste. Das breite, mächtige Schott war von innen verriegelt. In mir entstand die Hoffnung, dass sich zumindest ein Teil der Besatzung, darunter auch Skara, dahinter in, wenn auch zweifelhafter Sicherheit, befanden. Denn die Droohr hätten sicherlich Mittel und Wege gefunden, sich Zutritt zu verschaffen. Ein dumpfes Dröhnen, das für Sekunden wohl den gesamten Schiffskörper erfüllte, riss mich aus meinen Gedanken. Auch ohne viel Überlegung wusste ich, was sich in diesem Augenblick abspielte. Ein anderes Raumschiff löste seine Verankerung mit diesem Schiff. Ich musste keine hellseherischen Fähigkeiten entwickeln, um zu ahnen, dass es das Droohrschiff war, das die Flucht ergriff. Aber warum verzichteten sie darauf, diese leichte und völlig wehrlose Beute zu vernichten. Befürchteten sie etwa die Asen, welche sich in der Zentrale befanden, könnten ihnen jetzt noch gefährlich werden? In diesem Augenblick öffnete sich zischend das schwere Schott zur Zentrale. Ich drehte mich um und stand einem völlig fassungslosen Skörin gegenüber. Er schien nicht glauben zu können was er sah. Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Gesicht kreidebleich. Auch die Nachwirkungen des Angriffes der Droohr, die auch seinem starken Körper erheblich zugesetzt haben dürfte, machten ihm wohl noch mehr als genug zu schaffen. „Hallo alter Freund und Kampfgenosse“ sagte ich lächelnd und da erst wich die lähmende Beklemmung von ihm. Seine Augen lachten und mit lärmender Stimme, die an den Wänden widerhallte, gab er seiner Freude mich lebend wieder zu sehen, Ausdruck. Ich lies das Schwert einfach fallen und dann lagen wir beide uns in den Armen. Versicherten uns lachend, wie sehr wir uns freuten, den anderen noch lebend zu sehen. Fünf, sechs Männer drängten sich zu uns auf den Gang heraus. Ich blickte mich suchend um und die verdrängte Angst um Skara kam zu mir zurück. Skörin, der meinen suchenden Blick bemerkte, legte seinen kräftigen Arm um meine Schultern und zog mich in die Zentrale hinein. Auf einem der wuchtigen Kommandosessel sah Skara und bei ihr war Klaus, der leise und für mich unverständlich auf sie einsprach. Sie hob langsam ihren hübschen Kopf und blickte zu mir her. Ungläubiges Erstaunen spiegelte sich auf ihrem Gesicht. Dann aber sprang sie auf und eilte mit einem Jubelschrei auf mich zu. Alle Angst und alle Not, die noch vor Sekunden ihr Gesicht gezeichnet hatten, waren daraus verschwunden. Mit Tränen in den Augen lag sie in meinen Armen und flüsterte leise „Dass du nur lebst.“ * * * * * Die Asen kannten zwar keinen Whisky. Aber das Gebräu, das sie in golden glänzenden Flaschen für solche und ähnliche Gelegenheiten bereit hielten, war auch nicht von schlechten Eltern. Allerdings tranken wir uns mit sehr ernsten Gesichtern zu. So sehr wir uns auch freuten noch am Leben zu sein und den anderen in die Augen sehen zu können, so bedrückten uns doch alle die schrecklichen Bilder, der von den Droohr getöteten und als Nahrungsquelle zerfleischten Kameraden. Das Schiff der Droohr hatte sich, ohne sich weiter um das bereits Besiegte der Asen zu kümmern, aus dem Staub gemacht. Sie hatten weder den Versuch unternommen, es zu zerstören, noch es zurückzuerobern. Selbst die beiden kleinen Beiboote, mit welchen sie zu uns herüber gekommen waren, hatten sie bei ihrem eiligen Rückzug zurückgelassen. Leicht im grellen Sonnenlicht schimmernd, trieben sie nicht weit von unserem Schiff entfernt im All. Tharon, der Kommandant des Schiffes, lies sie an Bord holen. Dabei machten die Asen eine weitere grausige Entdeckung. Acht der noch vermissten Besatzungsmitglieder wurden mit aufgeschlitzten Körpern darin gefunden. Das Schicksal der anderen noch vermissten vier Männer und drei Frauen war uns damit ohne jeden Zweifel klar. Aber all diese Ereignisse hatten auch für mich eine unangenehme Folge. In den Augen der Asen lag von nun an eine stumme Frage wenn sie mir gegenüber traten. Sie sprachen sie nicht offen aus und auch an der Herzlichkeit ihrer Art änderte sich nicht viel, doch so unbefangen wie früher waren sie nicht mehr. Sie alle hatten mein Sterben miterlebt und hatten von einem toten Körper, der das Schwert eines Krieger in den kalten Fingern gehalten hatte, Abschied genommen. Nun stand ich ohne Schaden genommen zu haben vor ihnen und einige der Drohohr hatten es in panischer Angst vorgezogen, sich selbst zu richten als sich auf einen Kampf mit mir einzulassen. Alle anderen waren in panischer Angst geflohen. Sie schienen mich mehr zu fürchten, als alle Waffen und Krieger dieses Schiffes zusammen. Aber wie hätte ich den Asen ihre stummen Fragen beantworten sollen. Ich kannte die Antwort auf die vielen daraus entstandenen Fragen ja selbst nicht. So sehr ich auch versuchte die tiefe Blockierung meiner Erinnerung zu durchdringen, es gelang mir nicht mehr. Ich befand mich im Augenblick allein in der recht behaglich eingerichteten Messe des Schiffes. Alle anderen Besatzungsmitglieder waren dabei, die recht beträchtlichen Schäden am Schiff zu reparieren. Ich hatte es übernommen bei den Toten die hier aufgebahrt waren, die Totenwache zu halten. In einigen Stunden sollten ihre Körper dem ewigen All übergeben werden. Eine Ehrung, die auch für mich vorgesehen gewesen war und vor deren Ausführung mich der Angriff der Droohr bewahrt hatte. Ob ich diese Art der Ehrerbietung ebenfalls überlebt hätte, daran wagte ich berechtigte Zweifel zu hegen. Skara, die sich angeboten hatte, mit mir zusammen die Toten für ihre Übergabe an die ewigen Götter vorzubereiten, hatte einige Zeit tapfer durchgehalten, obwohl ihr der Anblick der übel zugerichteten Körper sehr zusetzte. Besonders die in Schmerz und Angst erstarrten Gesichter ließen einen nicht mehr los. Stumm und mit Tränen in den Augen war sie hinausgegangen, als Skörin sie auf meine Bitte hin, ablöste. Ohne ein Wort miteinander zu sprechen, hatten wir unsere schwere Aufgabe beendet. Langsam ging ich hinüber an die breite Stirnwand des Raumes. Sie lies sich über eine Tastatur in ein breites Panoramafenster verwandeln, das einen ungetrübten Blick auf die Weiten des Alls ermöglichte. Bereits als ich noch einige Schritte davon entfernt war, verschwamm die metallisch schimmernde Wand und wurde scheinbar für die Blicke durchsichtig. Hier, inmitten dieser unendlichen Pracht aus Milliarden leuchtender Sterne, war Wodans ureigenstes Reich. Ein leises Geräusch wurde hinter mir hörbar. Es war Skara, die den Raum erneut betreten hatte, um gemeinsam mit mir Wache bei den Toten zu halten, deren unsterblicher Teil jetzt wohl schon in den Armen der Götterbotinnen ruhte. Sie blieb dicht vor mir stehen und ihre sonst so fröhlichen Augen blickten mich ernst und fragend an. „Wer bist Du!“ Sagte sie ganz leise und etwas zögerlich. „Du weißt doch wer ich bin.“ Sagte ich ruhig. Skara schüttelte stumm den Kopf. „Nein, ich glaubte es zu wissen. Aber nichts an Dir lässt sich mit uns oder den Menschen vergleichen“ „Ich bin genau der selbe wie vordem Skara.“ Sagte ich und wusste, dass es nicht stimmen konnte. „Du hast die Sichtfläche ins All geöffnet, ohne die Tastatur zu berühren. Keiner von uns könnte das.“ Sie verstummte und schien nach Worten zu suchen, um endlich Klarheit über all jene Dinge zu bekommen, die ihr Auf der Seele lagen. “Ich selbst habe neben dir gekniet und Deine Hände gehalten, als alles Leben aus Dir zu weichen schien. Ich habe einige Stunden bei Dir Wache gehalten, als Du stumm und leblos dagelegen hast ich... „ Sie verstummte und ich konnte die innere Not in ihren Augen sehen. Ich streckte meine Arme aus und zog sie ganz nahe an mich heran. Willig folgte sie dem Druck der Hände und schmiegte sich fest an mich. So standen wir wohl einige Minuten stumm da, dann sagte ich ganz leise um die Ruhe der Toten nicht allzu sehr zu stören. „Ich kann Dir darauf keine Antwort geben Skara, denn ich kenne sie selbst nicht. All meine Erinnerungen sind wie abgeschnitten. Nur eines weis ich ganz genau und dagegen kommt wohl keine Macht an. Was ich bisher für dich empfunden habe, hat sich nicht geändert. Wir hatten keine Zeit darüber zu sprechen und jetzt und hier ist es wohl auch nicht angebracht. Aber eines weis ich genau, ich liebe Dich Skara.“ Sie antwortete nicht, aber ihre Augen wurden groß und dunkel wie zwei kostbare Edelsteine. Ihre Lippen öffneten sich ganz leicht und lächelten mir zu. Nach einiger Zeit löste sie sich behutsam aus meiner Umarmung und gemeinsam, eng beieinander blickten wir hinaus in die für uns unendliche Weite. * * * * * * Alle, die den Angriff der Droohr überlebt hatten, versammelten sich in der Großen Schleuse des Schiffes. Die, die ihr oft noch junges Leben unwiederbringlich verloren hatten, lagen stumm und starr vor uns. Aufgereiht, um ihre letzt große Reise anzutreten. Von ihrer Seele hofften wir, dass sie würdig war, aufgenommen zu werden, in die Reihen der unsterblichen Krieger. Damit der Kampf am Ende der Zeit nicht vergebens sein würde. Wieder drängten sich Bilder, die tief in mir verborgen lagen, an die Oberfläche meines Denkens. Wie oft hatte ich schon vor den sterblichen Resten anderer gestanden. Der Lärm von Kampf und Sterben tönte in meinen Ohren und es kam mir vor, als hörte ich die Schreie der Sterbenden noch einmal. Die Erinnerungen waren so mächtig, dass ich zu taumeln begann und Skörin, der neben mir stand, helfend seinen Arm unter den meinen legte. Einer, der sterbend zu Boden sank, hob mit blutiger Hand noch einmal sein Schwert und schrie mich an „Du sollst für immer verflucht sein Thor von Orvig, für immer“ Thor von Orvig, das war mein Name! Thor von Orvig, aus dem Hause und dem Geschlechte der Roan. Ich musste mich gewaltsam zusammenreißen. Denn, nachdem wir schweigend der Toten gedacht hatten, sprach Tharon die Worte, die seid Äonen von Jahren am Grab der Toten gesprochen wurden, um ihnen die Achtung der noch lebenden mit auf den Weg zu geben. In längst vergangenen Tagen war es das Meer gewesen, das die Gefallenen aufgenommen hatte. Jetzt und hier war es die Kälte des Weltenraumes, die ihr Grab sein Würde. Als wir stumm und in Andacht die Schleuse verließen, musterte mich Skörin fragend. Als er aber meinen klaren Blick bemerkte, entspannte sich seine Mine wieder. Die mächtigen Tore der Schleuse schlossen sich vor uns und während jeder ein stilles letztes Gebet für die Gefallenen sprach, entwich die Luft aus der Schleuse und riß die Körper hinaus in die Endlosigkeit. „Was war denn los“ flüsterte Skörin leise, um die anderen nicht aufmerksam zu machen. Ich blickte ihn schmunzelnd an. „Es gibt einen guten Grund, einem edlen Tröpfchen in einer goldenen Flasche den Garaus zu machen. Einen Grund, dem selbst Dein Schwesterchen nicht widersprechen kann.“ Skörin grinste sein breitestes Lächeln. Denn Skara setzte dem trinkfreudigen Riesen immer wieder Grenzen, wenn sein Durst ihrer Meinung nach mit normalen menschlichen Regungen nichts mehr gemein hatte. In mir fand er zumindest zeitweilig einen Verbündeten. Wenngleich mein Trinkvermögen gegen seines recht bescheiden wirkte. Ein Fläschchen des edlen Branntweins konnte ich ohne nennenswerte Nachwirkungen schon im Verlaufe eines Abends in mich hinein kippen. Skörin aber betrachtete dies als geradezu lächerlich. Wenn er gut aufgelegt war, so reichte der Inhalt einer Flasche gerade eben mal für einen tiefen Zug. Das nötigte mir und auch den anderen an Bord doch einiges an Respekt ab. „Wie sieht der Grund denn aus, mein Freund.“ Wollte er sogleich wissen und sah wohl im Geiste schon einige der glänzenden Flaschen geöffnet vor sich stehen. „Ich kenne jetzt zumindest meinen Namen, und das ist doch ein Grund, eine kleine Nachfeier zu veranstalten.“ Skörin wurde schlagartig wieder ernst. „Dein kleiner Schwächanfall von vorhin? Hat die Feierlichkeit in dir irgendwelche Erinnerungen geweckt.?“ Ich nickte ihm zu. „Darf man erfahren, welchen Namen das Mädchen Deiner Wahl einmal tragen wird?“ Tönte Skaras hell klingende Stimme an mein Ohr und mit munterem Lächeln schob sie ihren Arm unter den meinen. Oder handelt es sich nur um eine geschickte Ausrede, damit mein Brüderchen seinen unstillbaren Durst löschen kann?“ „Ja“ meldete sich Skörin lautstark zu Wort. „ Ich bin auch gespannt, wie Euere Kinder einmal heißen werden.“ Skara blieb stehen und blitzte ihren Bruder mit funkelnden Augen böse an. Als sie merkte, dass wenigstens zehn Männer und Frauen der Besatzung, unser kleines Gespräch mitbekommen hatten und sich diskret abwendeten, da löste sie sich von mir und lief eilig den Gang entlang, ihrer Kabine zu. Skörin wurde wieder ernst. „Wohl alle an Bord haben ihre Trauer um Dich mitbekommen. Nach dem Brauch unseres Volkes gehört sie damit zu Dir. Ich hatte bis zur Stunde noch keine Gelegenheit, mit Dir darüber zu sprechen. Aber Du weißt, wie sehr ich an meinem Schwesterchen hänge. Sie hat sich zu Dir bekannt, mit allen Konsequenzen, die das unter Umständen für sie haben kann. Du weißt, dass sie nie einen Angehörigen der irdischen Völker heiraten könnte, ohne alles aufgeben zu müssen, was bisher ihr Leben war.“ Ich reichte Skörin meine Hand. „Du hast eben wieder ein Stück meiner Erinnerung aufgebrochen. Ich glaube, an dem Ort der meine Heimat ist, herrschen recht ähnliche Regeln. Willst Du im Rat euerer Familie für mich sprechen.?“ Wie sehr sich Skörin über das eben gesagte freute, bewies er damit, dass er mir bei seiner heftigen Umarmung ohne weiteres einige Rippen gebrochen hätte, wenn die Kraft die in mir wohnte, der seinen nicht ebenbürtig gewesen wäre. Mein Körper spannte sich unwillkürlich und sein fester Griff stieß auf harten Widerstand. „Du hast mein Wort.“ Lachte er mich an. „Aber, darf ich jetzt auch erfahren, wie du eigentlich heißt?“ „Thor von Orvig aus dem Geschlecht der Roan.“ Die mächtigen Arme des Riesen sanken nach unten. Mit großen Augen starrte er mich etwas ratlos an. Der Klang meines Namens musste in ihm etwas ausgelöst haben, das ihn zutiefst erschütterte. Ich war mir in diesem Augenblick sehr sicher, dass er das Gehörte einzuordnen wusste. Als er meinen fragenden Blick bemerkte, löste sich seine Spannung. „Dein Name erklärt mir einiges, was sich wohl keiner an Bord im Augenblick erklären kann. Die Familie Orvig und das Geschlecht oder besser. das Volk der Roan, klingt in den Jahrtausende alten Sagen und Legenden wieder. Ist aber auch historisch belegt. Du erinnerst Dich wirklich an nichts darüber.“ Ich konnte nur etwas hilflos den Kopf schütteln. „Komm“ sagte er. „Wir wollen zu Skara gehen, denn ich glaube, auch sie hat ein Anrecht zu erfahren, wer Du eigentlich bist und Dir will ich alles erzählen, was mir über die Roan bekannt ist. * * * * * * Bei unserem Eintritt lagen Skara wohl einige nicht gerade freundliche Worte auf der Zunge, die sie ihrem Bruder an den Kopf werfen wollte. Als sie jedoch den Ernst spürte, der in seinen Augen lag, da blieb sie still. Ihr Bruder, der wohl besser als jeder andere ihre innere Not erkannte und zu deuten wusste, setzte sich neben sie auf die bequeme Liege, die gleichzeitig als Bett und Sitzgelegenheit diente. Vergnügt zog er sie zu sich heran. Und wies mit seiner kräftigen Hand zu mir her. „Ich glaube Schwesterherz, du wirst bald eine Reise an einen Ort antreten müssen, der sich über viele Jahrtausende vor uns verborgen hat.“ Skara blickte zuerst ihren Bruder mit recht verständnislosen Blicken an und dann mich. Ich nickte ihr munter zu und setzte mich ebenfalls zu ihr. Ich war nicht minder auf Skörins nächste Worte gespannt als sie. Skörin blickte einige Sekunden lang recht nachdenklich auf einen für mich nicht erkennbaren Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Er schien seine Gedanken zu ordnen. „Es ist so lange her, dass eigentlich niemand mehr den genauen Zeitpunkt benennen kann. Wir lebten noch mit den Menschen zusammen auf der Erde, da gab es heftige Streitereien unter de Führern unseres Volkes, über die verschiedenen Wege, die unsere weitere Entwicklung bestimmen sollten. Dass wir den Weg der Menschen nicht gehen wollten, weder mit ihnen zusammen, noch getrennt, wurde bald klar. Aber eine Gruppe hatte gänzlich andere Vorstellungen. Ein Weg der Gewaltlosigkeit und der, wie sie es nannten, zügellosen Freiheiten, denen nicht im gleichen Maße Pflichten entgegen gestellt wurden, war für sie untragbar. Für sie war die Waffengewalt und die straffe Ordnung die Voraussetzung für die Gewährung von Freiheiten. Das Recht der Einzelperson musste sich immer hinter den Rechten aller zurückstellen. Das Gewinnstreben der Kaufleute und der Machthunger Einzelner war für sie ein Verbrechen, für das sie nur eine Maßnahme kannten, den Tod. Als gleichberechtigte Lebewesen akzeptierten sie nur Angehörige der eigenen Art. Alles, was Fremd oder anders war, verachteten sie oder schränkten es in deren Handlungsfähigkeiten restlos ein. So kam es zu recht bösen und auch mit der Waffe geführten Auseinandersetzungen. In der Hauptsache wurde dese Meinung von einem kleinen Volk vertreten, das ganz am nördlichen Ende des von uns beanspruchten Gebietes lag und in das sich immer mehr Menschen drängten.“ Skörin machte eine kleine Pause und blickte recht nachdenklich zu mir her. Was hinter seiner hohen Stirne vorging lies sich nicht erraten. Seine hellen blauen Augen blickten aber recht freundlich und zufrieden. „Dieses Volk waren die Roan. Als sie in ihrer Denkungsart keine Unterstützung bei uns fanden und immer mehr Fremde aus allen Teilen der Erde ihr fruchtbares, reiches Land bevölkerten, mit Erlaubnis des Rates der Zehn, uns damals wie heute regiert, da verließen sie die Erde. Der Name eines der mächtigsten Fürstenfamilien dieses Volkes waren die Herren auf der Insel Orvig und diesen Namen Thor von Orvig trägt er.“ Skara, die dem Vortrag ihres Bruders still und sehr aufmerksam gefolgt war, blickte mich sehr ernst an. Stumm legte sie ihre schmale Hand auf meinen Arm und lauscht wieder den Worten ihres Bruders. „Lange vor uns“ sprach Skörin weiter, machten sie sich auf, die Erde zu verlassen. Dieser Schritt musste hohe Opfer an Leben von ihnen gefordert haben, da unsere Technik damals längst nicht jene Perfektion erreicht hatte, die jetzt unsere Schiffe lenkt. Der Kontakt zu ihnen riss lange Zeit nicht ab und bestand auch dann noch, als auch wir vor den Menschen flohen und unsere Heimat weitab der Erde neu aufbauten. Dann aber vor etwa sieben Jahrtausenden, zogen sie sich endgültig zurück. Da wir nie herausgefunden hatten wohin die Roan sich zurückgezogen hatten, gerieten sie in Vergessenheit. Ihre harte unerbittliche Art im Umgang mit anderen Lebensformen und ihre allen aufgezwungene Lebensform hatte sie restlos isoliert, vor allem, da sie jedem Versuch eine Einigung herbeizuführen ohne den geringsten Zweifel ablehnten. „Allerdings hätten wir unsere heutige Welt ohne ihre Hilfe niemals besiedeln können. Noch während sich unsere neue Heimat im Aufbau befand, griffen uns insektenartige, hoch intelligente Lebewesen an. Sie hätten uns und auch die Erde ohne das Eingreifen der Roan sehr wahrscheinlich unterworfen. Die Roan behaupteten sie hätten uns ohne Gnade ausgerottet um Lebensraum für sich zu gewinnen. Gnadenlos zerstörten sie die drei Planeten die von diesen Lebewesen bevölkert waren. Nur die Trümmer dieser Welten zeugen noch heute von der unbarmherzigen Art der Roan im Umgang mit anderen Lebensformen. Sie handelten ohne sich mit uns zu verständigen. Die einen behaupteten, sie hätten uns damit gerettet, der größere Teil von uns war jedoch der Meinung, die Verhandlungen mit den Siiren hätten ohne Zweifel zu einem brauchbaren Ergebnis für uns alle geführt. Damit war der Bruch zwischen ihnen und uns bis auf den heutigen Tag besiegelt. Nur die Geschichten, die sich um die grausam geführten Kämpfe zwischen ihnen und den Siiren ranken, sind uns erhalten geblieben. Sind zu längst vergessenen Legenden geworden! Skörin blickte von mir auf seine Schwester und dann wieder auf mich. „Es ist sehr seltsam,“ fuhr er dann fort „dass ausgerechnet jetzt, da sich unser Volk wieder einer tödlichen Bedrohung ausgesetzt sieht, der auch die Erde nichts entgegen zu stellen hat, dass gerade jetzt Du bei uns aufgetaucht bist. Dein Volk hat Dich bestimmt nicht grundlos zur Erde geschickt. Skörins Rede und Gedanken wurden jäh vom schrillen , durchdringendem Ton eines Alarmsignals unterbrochen. Wie etwas böses, unheimliches fuhr dieser Ton in unsere recht nachdenkliche Stimmung. Überall im Schiff wurde es lebendig und auch Skörin und Skara rannten so schnell sie konnten, auf ihre für den Ernstfall vorgesehenen Posten. Meine Person war dafür nicht eingeplant, so blieb ich nachdenklich allein in der Kabine zurück. Doch ich sollte nicht lange allein bleiben. Klaus steckte seinen Kopf durch den sich öffnenden Türspalt und grinste mich mit verschmitztem Lächeln an. „Ich glaube, mein Sohn“ sagte er in seiner gemächlichen Redensart „es wird höchste Zeit für einen ausgezeichneten Schluck und die Rückkehr deiner Erinnerung.“ Bei diesen Worten zauberte er eine jener goldenen Flaschen mit dem wunderbarsten Inhaltstoff, den es geben konnte, hinter seinem Rücken hervor. Grinsend hielt er mir die Buddel hin, damit ich den ersten Schluck daraus nehmen konnte. Dankbar nahm ich seine Gabe an. Ein guter Schluck half mir bestimmt, meine doch recht in Unordnung geratenen Gedanken zu ordnen. Mit festem Griff führte ich den Hals der Flasche zum Mund. Ein tiefer Zug sorgte für die dazu benötigte Menge in meinem Hals. Als ich die Flasche absetzen wollte um sie Klaus zu reichen, sah ich etwas silbernes in seiner Hand aufblitzen. Mit einer für mich völlig überraschenden Geste erreichte seine Hand meine Stirn. Es war als wollte etwas in meinem Kopf explodieren. Das Letzte, was ich mitbekam, war das lachende Gesicht von Klaus und die flinke Bewegung seiner anderen Hand, mit der er die Flasche die aus meiner Hand glitt, auffing. Dann wurde es rabenschwarze Nacht um mich her. Doch bald geisterten Stimmen und Gesichter durch diese Finsternis und ich bemühte mich verzweifelt, die mir bekannten Bilder und Töne zusammen zu bringen. Seltsame, fremdartige Landschaften und Ereignisse huschten wie ein viel zu schnell ablaufender Film an mir vorüber. Dann kehrten überraschend schnell mein Sehvermögen und mein klarer Verstand zurück. Noch immer waren meine Augen auf Klaus gerichtet. Aber ich wusste nun, dass er genauso wie ich, ein Mitglied der heiligen Wache im Tempel des ewigen Weltenbaumes war und auf den bildschönen Namen Skraven hörte. Er zwinkerte mir vergnügt zu und reichte mir ein zweites Mal die Flasche, nicht ohne vorher selbst noch einen tiefen Schluck daraus zu tun. Ich konnte diesen und einen weiteren tiefen Schluck aus dem goldenen Fläschchen gut vertragen. Es war doch für das Bewusstsein ein ziemlicher Schock, wenn das ganze bisherige Leben mit einem Male nichts anderes, als ein eingeimpftes Denkmuster ist und die tatsächliche Erinnerung zurück kehrt. Das Gehirn ist zwar imstande, all das in wenigen Augenblicken zu verarbeiten, aber das Gefühlseben gerät dabei doch bedenklich ins Wanken. Noch immer schrillte der so unversehenes ausgelöste Alarm durch alle Räume des Schiffes und schmerzte fast in den Ohren. Aber was sollte es. Wenn nicht einmal mehr Zeit für einen tiefen Schluck mit einem alten Freund ist, dann taugt auch der beste Alarm nichts. Mit einem tiefen Seufzer verschloss ich die Flasche und bemerkte auch den bekümmerten Blick von Skraven, der deshalb nicht weniger betrübt war als ich. Noch während wir der Zentrale zueilten, erschütterten schwere Schläge das Schiff. Die gesamte Hülle schwang unter der Wucht des Angriffes wie eine übermächtige Glocke. Alles was nicht fest mit dem Schiffskörper verbunden war, wurde zum gefährlichen Geschoss. Auch Skraven und ich konnten uns nicht auf den Beinen halten und wurden wie Puppen umher geworfen. „Die Droohr müssen Verstärkung herbei gerufen haben und greifen jetzt vermutlich mit vier oder fünf Schlachtschiffen das unsere an. Sie wissen jetzt wahrscheinlich, dass Du an Bord bist und wollen Dich unter allen Umständen vernichten. Die Schmach einer Niederlage könnten sie wohl kaum verwinden. Zumal die Informationen, die wir auf der guten alten Erde gesammelt haben, aus ihrer Sicht unsere Heimat nie erreichen dürfen.“ Ein Serie weiterer Schläge erschütterten das gesamte Schiff und lies mich krampfhaft Halt suchen, um mir nicht alle Knochen zu brechen. Belustigt stellte ich fest, dass ich immer noch wie ein Mensch dachte. Das mit den Knochen brechen war bei mir oder Skraven gar nicht so einfach. Noch während ich versuchte, wieder festen Halt unter meine Beine zu bekommen, erschütterte ein neuer heftiger Stoß das Boot und alle Lichter erloschen. Irgendwo schrie eine junge Frau, deren Stimme mir seltsam bekannt vorkam: „Skara“ * * * * * * Ich hoffe, dass es euch gefallen hat! *zu winker* Bitte hinterlasst mir viele kommis! *knuddl* *ganz verrückt danach ist* Kapitel 4: Klaus verliert sein Haus, eine Prinzessin will nicht alleine verreisen und wir warten auf das falsche Schiff. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwo in meinen hintersten Gehirnwindungen tauchte die Vorstellung an einen kitschigen und mehr schlecht als recht gemachten Hollywoodfilm auf. Es war alles da, was es dazu brauchte. Ein Held, der mehr oder minder unfreiwillig in die ganze Geschichte verwickelt wurde und so gut wie keine Ahnung hatte, was ihn erwarten könnte. Sein bester Freund, ein verteufelt hübsches Mädchen und jede Menge lustig bunte Statisten. Was um alles mochte eine Weltenschleuse sein. Warum hatten wir als Begleiter recht rustikal bewaffnete Krieger, die vermutlich im Konflikt mit einer modernen Armee sang und klanglos untergehen würden. Aber es blieb mir keine Zeit, um weitere Überlegungen anzustellen. Einer der Schwertträger redete in deren eigenartiger, fast zweistimmig klingenden Sprache hastig auf Skara und Skörin ein. Leider verstand ich davon kein Wort. Aber die ganze Art, wie sich die Krieger benahmen, deutete auf recht unliebsame Gegebenheiten hin. Offensichtlich lief unser geplanter Ausflug in eine andere Welt doch nicht so harmlos ab. wie es gedacht war. Während Skörin sich noch mit den Männer seiner Welt unterhielt, zog mich Skara etwas zur Seite. Sie wirkte jetzt nicht mehr so ruhig und zuversichtlich, wie noch vor wenigen Minuten. „In unmittelbarer Nähe dieses Hauses wurden Spuren der Droohr gefunden. Sie selbst aber konnten wir nicht ausfindig machen. Sie tarnen ihre körpereigene Strahlung mit einem Deflektorfeld.“ „Was um alles in der Welt soll das Skara? Ich kann mir unter körpereigener Strahlung ebenso wenig vorstellen, wie unter einem Deflektorfeld. Zumindest im präzisem Sinne.“ Skara musterte mich recht eindringlich und ich spürte die echte Sorge, die in ihren Worten mitschwang. „Alle Lebewesen haben ein Kraftfeld um sich, das sich aus ihrer Energieabgabe und dem veränderten Schwerefeld ergibt. Es sind sehr minimale Werte, aber mit der richtigen Technik lässt sich dieses Feld anmessen. Dein Feld stimmt übrigens in keiner Weise.“ Das klang so vorwurfsvoll, als hätte ich mir einen zweiten Kopf hingezaubert, der ihr in keinster Weise gefiel. Skörin kam zu mir herüber. „Unsere Krieger sind mit einem unserer Schiffe gekommen. Damit wir von außen nicht ausgemacht werden können, haben sie ein Abschirmfeld über Haus und Garten gelegt. Vor den Augen der Menschen sind wir damit sicher. Aber die Droohr können uns dafür umso besser erkennen. Da sie aber vermutlich sehr genau wissen wo wir uns im Augenblick aufhalten, dürfte das vernachlässigbar sein.“ Der Anführer der Krieger entnahm seiner ledernen Tasche eine Brille, deren Gläser in einem leicht bläulichem Licht schimmerten. Auch die Anderen seiner kleinen Truppe folgten seinem Beispiel. Vorsichtig näherten sie sich der offenen Türe zum Garten. Mit oft geübter Bewegung zogen sie ihre Schwerter aus der Scheide. Was mir allerdings auffiel, war die recht ungewöhnliche Art, mit der sie ihre scharfen Waffen in den kräftigen Fäusten hielten. Den Arm leicht angewinkelt und sehr in Hüftnähe zeigte die Klinge waagerecht nach vorne. Bei einem überraschenden Angriff war sie so bestimmt nicht sehr sinnvoll einzusetzen. Skörin gefiel mir allerdings ganz und gar nicht und auch seine Schwester betrachtete ihn mit recht sorgenvoller Mine. Er hielt sich zwar tapfer und aufrecht, seine Verwundung aber bereitete ihm ganz offensichtlich mehr Schwierigkeiten, als er zugab. Auch ein Riese wie er und er überragte alle hier noch um Haupteslänge, war wohl doch nur ein Mensch. Obwohl ich mir da nicht mehr ganz so sicher war. Oder können sie mit zwei Stimmen gleichzeitig reden und ihre Augen glitzern wir reines Gold. Nun, ich bestimmt nicht. Aber was sollte es, ich war da, die Wikinger waren da und zumindest einige dieser wurmartigen Kreaturen lauerten da draußen in bester Laune darauf, uns in himmlische Gefilde zu befördern. Also ganz gewiß etwas recht alltägliches. Ich löste meine Hand aus der Skaras und ging hinüber zu jener altmodischen Vitrine, hinter deren schweren bleiverglasten Scheiben ich einige Flaschen meines Lieblingsgetränkes wusste. Aber ohne einen tüchtigen Schluck aus einer jener Flaschen, würde ich wohl an meinem Verstand zweifeln und mit einem extra Schlückchen würde es mich sehr verwundern, wenn mir dann noch etwas seltsam vorkommen würde. Klaus, der meine Absicht wohl erkannt hatte, beeilte sich an meine Seite zu kommen. Er wusste eben genau so gut wie ich, dass unser schottischer Freund jetzt das beste aller Mittelchen war, um das seelische Gleichgewicht zu stabilisieren. Skara, die mir ebenso gefolgt war, schien zu glauben, ich hätte schlagartig den Verstand verloren. Anstatt ebenso behutsam wie alle anderen das Haus zu verlassen, füllte ich zwei schwere Whiskygläser bis an den Rand mit dem köstlichem Nass. Leider war es mir nicht vergönnt, auch nur einen winzigen Tropfen davon zu erhaschen. Während ich noch dabei war, das Glas an die Lippen zu führen, zerriss eine fürchterliche Explosion die Stille um uns her. Die Druckwelle, die der Detonation folgte, war so gewaltig, dass ich gut zwei Meter weit nach hinten gerissen wurde. Während ich mich mühsam aufrappelte und nach Skara und Klaus Umschau hielt, ertönte eine zweite nicht minder heftige Explosion . Von draußen drangen die lauten Zurufe der Krieger an mein Ohr und grelle Lichtblitze erhellten immer wieder die draußen herrschende Dunkelheit. Der Kampf den sie erwartet hatten, war wohl in vollem Gange. Skara erhob sich in meiner unmittelbaren Nähe und auch Klaus schien alles unverletzt überstanden zu haben. Noch beachtenswerter aber war es, dass auch die Flasche in meiner Hand unversehrt geblieben war. „Den ewigen Göttern sei Dank“ knurrte ich und Skara warf mir einen halb belustigten, halb ärgerlichen Blick zu. Streckte dann aber verlangend die schmale Hand aus. Ich reichte ihr die Flasche mit etwas zweifelnder Mine. Aber das Mädel überraschte immer wieder aufs neue. Ohne mit der Wimper zu zucken, setzte sie die Flasche an ihren so verlockend roten Mund und nahm einen tüchtigen Zug aus der Flasche, reichte diese dann mit einem spöttischen Seitenblick auf mich an Klaus weiter. Der hatte dem allem wortlos zugesehen und verzog nun seinen breiten Mund zu einem achtungsvollem Grinsen. Sein Zug aus der Flasche konnte sich sehen lassen. Ich jedenfalls gab mich neidlos geschlagen. Schlagartig jedoch wurde uns der bittere Ernst unserer Lage klar. Einer der Krieger taumelte zurück in das Haus. Sein Gesicht wies schwere Brandwunden auf und ein spitzer, metallischer Dorn ragte aus seinem Hals. Er ging noch zwei, drei Schritte, dann brach er leblos zusammen. Der Gefechtslärm draußen nahm sichtlich ab. Skörin und der Anführer der kleinen Truppe, taumelten ins Haus zurück. Das war wohl alles was von unserem Rettungstrupp übrig geblieben war. Die Türe brauchten sie nicht mehr zu schließen. Eine der heftigen Explosionen hatte sie ins innere des Raumes gerissen, wo sie einiges an Unordnung in die Sammlungen von Klaus gebracht hatte. Skörin, der mehr schwankte als er ging, suchte hinter einem umgefallenem Schrank Deckung. Sürdag, so hieß der Anführer der kleinen Truppe suchte hinter der wuchtigen Platte des umgefallenen Tisches notdürftig Schutz. Und dann hörte ich es wieder, jenes eigenartige, seltsam schlürfende Geräusch und ein ekelhafter Geruch drang trotz des schwelendes Rauches um uns her, in meine Nase. Irgendwo tief in mir machte sich ein Gefühl des absoluten Hasses Platz. Drängte mit aller Macht nach oben und wurde zum alles beherrschendem Gefühl. Ich wusste, ich musste jetzt handeln. Der schwer angeschlagene Skörin war dazu bei aller Selbstbeherrschung nicht mehr in der Lage und auch Sürdag war wohl ziemlich angeschlagen. Mit wenigen Schritten war ich bei Skörin und nahm ihm das Schwert, das er wohl einem der gefallenen Krieger abgenommen hatte, aus der Hand. Der kalte Stahl fühlte sich gut an. So ganz wehrlos war ich diesen wurmartigen Kreaturen nun nicht mehr ausgesetzt. Mit dem Daumen drückte ich den breiten Griffring ganz nach links. Ein feines Flimmern ging jetzt von der Oberfläche der Klinge aus. Aber die Droohr kamen nicht offen durch die so breite Öffnung zum Garten. Sie stürmten nicht kampfbereit den Raum. Still und von uns unbemerkt hatten sie die Haustür geöffnet und sieben oder acht dieser unheimlichen Kreaturen standen plötzlich hinter uns im Raum. Die spitzen Dornen, die sie als Waffe gebrauchten, glitzerten kalt und drohend aus deren Vermummung heraus. Ich wirbelte herum und wollte mich zum Kampf stellen. Denn wenn sie unser aller Leben haben wollten, kampflos bekämen sie es nicht. Sürdag erhob sich auf etwas unsicheren Beinen. Ein dünner Blutfaden lief an seinem linken Arm herab. Skörin stellte sich schützend vor seine Schwester. Was dann aber Geschah, war uns allen unerklärlich. Der erste Dorn schwirrte mit singendem Ton direkt auf Skörin zu, der ihn jedoch mühelos mit der blanken Faust abfing. Die Droohr schienen mich erst jetzt richtig zu bemerken. Sie erstarten mitten in ihren Bewegungen und schrille Pfeiflaute klangen auf. Noch während ich drohend auf sie zuging, zogen sich vier von ihnen eiligst zurück. Die Anderen aber richteten ihre Dornen gegen sich selbst und sanken leblos zu Boden. Seltsam verkrümmt blieben sie liegen. Mit dem Daumen drückte ich den Griffring in seine Ausgangsstellung zurück. Leise schnappte er in seine Sicherung ein. Dieses leise Klicken war das einzige Geräusch das die lastende Stille durchbrach. Sürdag starrte mit großen ungläubigen Augen auf meine Hand, die das Schwert achtlos irgendwo ablegte. Die Droohr am Boden waren Tod. Davon konnten wir uns sehr schnell überzeugen. Ihre klaffenden Mäuler und die spitzen Zahnreihen zeigten es sehr deutlich. Selbst jetzt im Tod ging noch immer ein ekelerregender Geruch von diesen Körpern aus. Ein dumpfer Laut löste mich aus meinen Gedanken. Skörin sank langsam auf die Knie. Mit seinen muskulösen Armen stützte er sich an einer umgekippten Kommode ab. Sein Atem ging schwer und laut. Skara kniete sich zum ihm und redete leise auf ihn ein. Zärtlich streichelte ihre Hand sein borstiges Haar. Sürdag ging zu ihm hinüber und entnahm seiner Seitentasche etwas, das bei uns wohl als Notverbandspäckchen gegolten hätte. Er entnahm einen flachen Zylinder, riß die vordere Kappe ab und drückte dieses Ende fest gegen Skörins Oberarm. Danach versorgte er sich in gleicher Weise. Das Medikament, woraus es auch immer bestehen mochte, wirkte unheimlich rasch. Die doch recht heftige Blutung an Sürdags Arm hörte fast schlagartig auf und auch unser etwas mitgenommener Riese erholte sich zusehends. Aus den überall herumliegenden Stühlen suchten wir uns die aus, welche noch am standfestesten aussahen. Sürdag hatte sich mit einem kurzen Blick nach draußen davon überzeugt, dass unser Schiff nicht mehr zu unserer Verfügung stand. Vermutlich hätte es gegen eine Übermacht der Droohr auch nicht bestehen können. Jetzt war guter Rat teuer. Unsere Überlegungen wurden durch das Heulen von Polizeisirenen unterbrochen. Natürlich, der Donner der Explosionen und die Verwüstungen im Garten konnten den Nachbarn nicht verborgengeblieben sein. Eines wurde uns wohl ziemlich schwer fallen, den eintreffenden Beamten die ganze Situation zu erklären. Skörins und Sürdags Anwesenheit zu erläutern, dürfte auch nicht gerade ein Kinderspiel werden. Und die toten Krieger im Garten. Bis zu diesem Punkt gelangt, stand mein Entschluß fest. Mein Blutdruck dürfte die einhundertundachtziger Marke erreicht haben und mein Herz schlug laut und kräftig. „Los, schrie ich, weg von hier, aber so schnell als nur möglich:“ „Aber unsere Toten.“ „Wenn man uns hier erwischt, dann landen wir vermutlich in irgend einem geheimen Lager der Geheimdienste und bis die uns wieder freigeben, sind wir alt und grau. Oder könnt ihr euere Existenz auf dieser guten alten Erde plausibel erklären? So, als etwas misslungene Faschingsparty?“ Die sich rasch nähernden Sirenen sprachen eine noch deutlichere Sprache als ich. Es war wohl höchste Eile geboten. Ich ergriff das Schwert, das ich vorher abgelegt hatte und ging hinter den Anderen her, hinaus in den Garten. Es war nur gut, dass es spät in der Nacht war und das Ende des Gartens direkt am Wald endete. So konnten wir unbemerkt entkommen. Vom Waldrand aus sahen wir die blinkenden Lichter der ankommenden Streifenwagen. Aber ehe auch nur einer der Polizeibeamten das Haus betreten konnte, erschütterten erneut heftige Explosionen die Luft. Das Haus von Klaus wurde buchstäblich in Stücke gerissen. In einer grellen Feuerlohe zerbarst es in zehntausende von Stückchen. Weitere, sehr heftige Detonationen verwandelten das gesamte Areal des Gartens in ein Flammenmeer. Die davon ausgehende Glut trieb die Beamten zurück und war auch für uns als glühend heiße Druckwelle zu spüren. „Was war das?“ flüsterte Klaus und blickte hinüber, auf das, was einmal sein Haus und Garten gewesen war. „Diese flammende Gluthölle wird alle verräterischen Spuren auslöschen.“ Murmelte Sürdag. „Die Droohr haben ganze Arbeit geleistet.“ „Du meinst.“ erwiderte Skara. Ihr Bruder nickte. Er hatte sich unter der Einwirkung des Medikamentes zusehends erholt. „Sie können es sich nicht erlauben, ihre Spuren so deutlich zu hinterlassen.„ Er blickte zu mir her. „Ein Glück, dass du so rasch geschaltet hast. Ohne dein Drängen wären auch wir zu Asche verbrannt. „Alles schön und gut!“ Sagte Klaus. „Aber was machen wir jetzt? Da ist wohl guter Rat teuer.“ * * * * * Nun, eine allzu große Auswahl an Möglichkeiten hatten wir nicht. Das Schiff der sternenfahrenden Wikinger war wohl für das Erste aus dem Bereich unserer Möglichkeiten verschwunden. In Kläuschens Haus konnten wir mangels Masse nicht zurück. Dampfende und qualmende Ruinen, in welchem Polizei und Feuerwehr herumstocherten, waren wohl etwas ungeeignet. So hatte ich die ganze Gesellschaft kurzentschlossen zurück in meine Wohnung verfrachtet. Zwar sah es auch dort wie nach einem Schlachtfeld aus. Aber immerhin gab es ein festes Dach über dem Kopf und Wände aus Beton, die uns vor Einsicht schützten. Einige späte Passanten hatten uns zwar verwundert nachgestarrt, aber wohl angenommen, dass wir von irgendeiner verrückten Party, reichlich mit Alkohol abgefüllt, nach Hause wollten. Skörin und Sürdag setzten sich in meinem Wohnzimmer auf den Boden und lehnten sich erschöpft gegen de Wand. Ihre Verwundung machte ihnen wohl weitaus stärker zu schaffen, als sie zugeben wollten. Aber auch ich, obwohl unverletzt, spürte jeden Muskel und jeden Knochen in meinem Körper. Erst jetzt schlug die Anspannung der letzten Stunden voll durch. Ich fühlte mich wie ein zittriger, alter Tatterkreis. Komisch, den Helden im Kino war von solchen Problemen nichts anzumerken und die in den Abenteuerromanen schienen auch einiges mehr zu vertragen als ich. Ich ging zu Skara in die Küche. Auch sie wirkte jetzt müde und abgespannt. Aber sie lächelte mir zu. Sie hatte die Kaffeemaschine in Gang gebracht und der feine Duft frisch gebrühten Kaffees zog mir in die Nase. Ich blieb neben ihr sehen und legte meinen rechten Arm um ihre Hüfte. Sie rührte sich nicht, blieb ganz ruhig stehen. Langsam zog ich sie etwas fester an mich und sie gab ohne Widerstand nach. „Nach unserem Brauch seid ihr jetzt verheiratet.“ Ertönte da Skörins kräftige Stimme. Die wenigen Minuten der Entspannung hatten offenbar genügt, um ihm einiges seiner alten Spannkraft zurückzugeben. Skara schmiegte sich noch etwas enger an mich. In ihrer hellen, klaren Stimme schwang ein deutliches Lachen mit. „Mein geliebtes Bruderherz, dann müsste ich dich ja der Vielweiberei anklagen. Du kannst ja die Damen gar nicht mehr zählen, die dein Arm schon gehalten hat.“ „Ach und er ist da wohl besser? Nach all dem, was du mir von ihm erzählt hast.“ Ich war mit einem Schlag wieder hellwach. „Was hat sie denn alles über mich erzählt Skörin.“ Skörin grinste über sein ganzes Gesicht. Es bereitete ihm sichtlich Vergnügen, Skara zu reizen. „Sie hat sich jedes Mal grässlich aufgeregt, wenn in euerer Firma bekannt wurde,dass du eine neue Flamme erobert hattest. So sagt man doch bei Euch, oder nicht.“ Statt ihren Bruder einer Antwort zu würdigen, drückte ihm Skara ein Tablett in die kräftigen Arme, das nahezu den gesamten Bestand meines Kaffeegeschirrs darstellte. „Decke lieber den Tisch, ehe du hier Lügengeschichten erzählst:“ und du„ war ich jetzt an der Reihe „steh nicht rum und halte mich von der Arbeit ab, sondern hilf mir lieber.“ „Aye, Aye „ rief ich laut und half ihr beim Belegen der Brotscheiben. Wenig später sasen wir im Wohnzimmer zusammen. Skörin und Sürdag entwickelten dabei einen recht beachtlichen Appetit. Was ich an Vorräten im Hause hatte, ging bei dieser Mahlzeit zu nächtlicher Stunde drauf. Heute war Sonntag. Es würde nicht leicht sein die Mengen an Nahrung aufzutreiben, die die beiden Wikinger scheinbar benötigten. Anders sah es mit flüssiger Nahrung aus. Hier reichte der bescheidene Vorrat bei weitem über das Wochenende. Nur mit dem schottischen Freund musste streng rationiert werden. Der bei mir eingedrungene Droohr hatte nicht sehr sorgsam darauf geachtet, dass Flaschen eben zerbrechlich waren. Allein diese Tatsache genügte, um diese Lebensform als nicht akzeptabel zu bezeichnen. Volle Whiskyflaschen, besonders jene meiner Lieblingsmarke, zerstörte man nicht ungestraft. Die Aufregungen der letzten vierundzwanzig Stunden machten sich langsam bemerkbar. Eine etwas längere Ruhepause war wohl angesagt. Ob es Skörin und Sürdag gefiel, sie mussten sich meiner Ansicht beugen, dass ich die erste Wache übernehmen würde und sie mehr Ruhe nötig hatten, als ich. Klaus würde mich dann ablösen. Zudem war ich der Meinung, dass es für unsere Sicherheit besser war, im Wohnzimmer zusammen zu bleiben. Die Droohr wussten wo ich wohnte und ich wollte nicht, dass sie uns von einander getrennt im Schlaf überraschen könnten. Ich ergriff also mein Beuteschwert und machte es mir in meinem reichlich mitgenommenem Sessel bequem. Skörin und Sürdag richteten sich auf dem Boden ein Nachtlager, für Skara blieb meine Couch reserviert. Etwas, das ihr gar nicht passen wollte. Sie fand der verletzte Sürdag hätte mehr Anrecht darauf. Dieser jedoch erklärte, die Verwundung Skörins sein erheblich größer. Nach einem kurzen Wortgefecht legten sich dann alle vier friedlich am Fußboden nieder und schliefen kurz darauf den Schlaf der Gerechten. Ich löschte fast alle Lichter in meiner kleinen Wohnung. Lediglich die kleine Deckenleuchte im Eingangsbereich spendete durch die weit geöffnete Türe etwas Helligkeit. Jetzt fand ich endlich etwas Zeit, die Ereignisse, die in den letzten dreißig Stunden mein Leben so grundsätzlich verändert hatten, zu überdenken. Da gab es das Volk der Asen, das vor langer Zeit auf der Erde gelebt hatte und heute irgendwo in der weite des Weltenraumes lebte. Da gab es eine unheimliche Bedrohung, von der die Menschheit nichts ahnte und die rücksichtslos ihre Machtmittel zur Anwendung brachte, um unseren Stern zu erobern. Die Droohr! Allein der Klang dieses Namens barg all das Unheimliche, das von ihnen ausging. Sie wollten zur Erde über eine jener für mich unbegreiflichen Sternenschleusen und sie hatten ganz offensichtlich auch die Möglichkeit dazu. Skörin oder Sürdag hatten im Augenblick mehr Hilfe nötig, als dass sie sie geben konnten und ihr Sternenschiff hatte vor den Waffen der Droohr flüchten müssen. Es war wohl eine unbestreitbare Tatsache, dass der kleine Trupp der Asen in eine recht hoffnungslose Lage geschlittert war. Sie, die eigentlich zu den Menschen gekommen waren um das, was durch sie möglich geworden war, zu verhindern. Die Eroberung der Erde durch die Droohr. Wenn es uns nicht gelang, in irgendeiner Form eine Verbindung zu den Asen herzustellen, würden ihre, das heißt, auch meine Probleme fast unlösbar werden. Wie wollte ich irgendeiner Behörde das Vorhandensein dreier von uns so verschiedenen Menschen erklären. Die Wahrheit würde uns keiner abnehmen. Zumal auch der tote Droohr von meinem Balkon verschwunden war. Mit ihm hätte sich vielleicht unsere Lage einigermaßen erklären lassen. Die tiefen, regelmäßigen Atemzüge der vier Schläfer zeigten, dass sie die dringend nötige Erholung im Schlaf finden würden. Sie schliefen tief und fest. Da konnte ich es schon riskieren, das Radio einzuschalten um vielleicht doch schon etwas über die Zerstörung des Anwesens von Klaus zu erfahren. Die Nachrichten zu vollen Stunde mussten jetzt gleich kommen. „...wurden Haus und Garten völlig zerstört. Auch umliegende Gebäude wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Brandexperten vermuten auf Grund der erheblichen Schäden, dass auf diesem Grundstück erhebliche Sprengstoffe gelagert waren und durch unsachgemäße Handhabung zur Explosion gekommen sind.“ Das waren ja wunderbare Nachrichten. die der Sprecher da von sich gab. Aber verständlich. Wer nicht wusste. was wirklich geschehen war. konnte wohl zu keinem anderen Ergebnis kommen. Aber es kam noch besser. Nur wenig später folgte eine Suchmeldung der Kriminalpolizei, die so ziemlich genau auf unseren kleinen Trupp zutraf. Der Sprecher drückte sich sehr vorsichtig aus, aber wer auch nur ungefähr zuhörte, konnte sich denken, was für eine skrupellose Mörderbande da gesucht wurde. Erst einen halben Stadtteil in Schutt und Asche legen und dann heimlich verschwinden. Weitere Meldungen darüber kamen nicht. Was mich aber doch bewegte war die Frage, wer der Polizei so genaue und treffende Beschreibungen geliefert hatte. Damit war unsere Gesamtsituation nicht besser geworden. Ich erhob mich, ging zum Tisch hinüber und gönnte mir ein winziges Gläschen einer im Licht goldbraun schimmernden Flüssigkeit. Wenn uns die Polizei erwischte, würde man uns zuerst einmal trennen und dann über Tage hinweg unangenehmen Verhören unterziehen. Die Geschichte würde man uns in ihren Grundzügen vielleicht abnehmen. Aber sicherlich nicht den Teil mit den Außerirdischen. Vielmehr würde man eine sehr enge Verbindung zwischen uns und einer allen sattsam bekannten östlichen Großmacht vermuten. Damit gerieten wir dann wohl in die Fänge des Abwehr und Spionagedienstes. Während ich noch überlegte, ob in dieser unangenehmen Situation nicht doch ein zweiter winziger Schluck angebracht wäre, wurde mir klar, sie hatten uns erneut gefunden. Ein leises fast unhörbares Schlürfen. das wahrscheinlich durch die Stimme des Nachrichtensprecher übertönt worden war. Ja, und dann drang auch der widerliche Gestank in meine Nase, der eine nur allzu deutliche Sprache sprach. Die Droohr. Ich griff nach dem Schwert, das in unmittelbarer Nähe lag. Der Sicherungsring schnappte zurück und kaum sichtbar legte sich ein bläulicher Schimmer über die Klinge. So leise es ging, erhob ich mich und ging vorsichtig in Richtung der Wohnzimmertüre. Wenn mich nicht alles täuschte, mussten sie über das Schlafzimmerfenster eingedrungen sein. Zumindest konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt keine andere Möglichkeit vorstellen. Wenn der Sicherungsring eingerastet war, lag eine Art Taste im Bereich des Daumens. Diese Taste verwandelte das so altertümliche Schwert in eine fürchterliche universelle Waffe. Ich war fest entschlossen, sie ohne Rücksicht zu gebrauchen. Der Zusammenstoss mit dem Droohr erfolgte völlig überraschend. Er stand plötzlich vor mir und im trüben Licht konnte ich seine scharfe Zahnreihe in dem flachen unförmigen Kopf erkennen. Ein schriller Schrei war zu hören und mein Daumen drückte die Taste nieder. Für einen Moment erfüllte blendende Helligkeit den Raum, dann sackte der tödlich getroffene Droohr zusammen. Zu seinen natürlichen Ausdünstungen kam jetzt noch der Geruch verbrannten Gewebes. Im Korridor befanden sich noch zwei weitere dieser ekelhaften Kreaturen. Aber zu meiner Überraschung wurde ich nicht angegriffen. Sie richteten ihre Dornen gegen sich selbst und brachen reglos zusammen. Zu begreifen war das allerdings nicht. Da hörte ich direkt hinter mir ein Geräusch und in wirbelte um meine eigene Achse. Klar, um eine Fremde hätte es wenig Sinn gemacht. Meinen Humor hatte ich also auch noch. Ich lies die Waffe allerdings sofort sinken. Denn es war Skörin, der dort stand. Auch er hielt sein Schwert fest in der Faust. Hinter ihm tauchten jetzt Sürdag, Klaus und Skara auf. Wir durchsuchten meine Wohnung gründlich, aber es waren wohl nur drei dieser Wesen bei mir eingedrungen. Wenig später fanden wir uns wieder im Wohnzimmer zusammen. An Schlaf dachte im Augenblick niemand mehr. Ich erzählte ihnen kurz, was ich im Radio erfahren hatte und die Ereignisse, soweit sie sie nicht mitbekommen hatten. Es herrschte zuerst einmal betretenes Schweigen. Unsere ganze Situation verschlechterte sich immer mehr. In meiner Wohnung waren wir auf längere Sicht auch nicht mehr scher. Während wir laut über eine Möglichkeit nachdachten, unsere Lage zu verbessern, hielt sich Sürdag seltsamerweise völlig zurück. Ich spürte jedoch, dass er mich unausgesetzt beobachtete. Dann sprach er einige Sätze in seiner Sprache und die Verwunderung darüber war auf Skaras, als auch auf Skörins Gesicht deutlich zu sehen. Während Skara ihm ganz offensichtlich heftig widersprach, hüllte sich Skörin in nachdenkliches Schweigen. „Nicht das ich mich einmischen möchte, aber wenn es, wie ich glaube, um mich geht, wäre es da nicht fair, die deutsche Sprache zu verwenden?“ Skörin nickte. „Es geht um eine Beobachtung, oder besser ausgedrückt um einige Beobachtungen, die Sürdag in den letzten Stunden wiederholt gemacht hat. Sie betreffen deine Person.“ „Schön und was habe ich gemacht, dasa ihr es vor mir verbergen wollt. Ich denke in unserer Situation sollten wir uns doch etwas Vertrauen schenken.“ „Das habe ich den beiden Holzköpfen auch gesagt.“ Fauchte Skara und stellte sich demonstrativ neben mich. Ihre Augen blitzten die Beiden böse an. Zum ersten Mal bemerkte ich dabei, dass sich in ihrer Erregung die Farbe ihrer Augen von Gold ins rötliche veränderte. Sie wirkte dadurch noch verärgerter als sie es ganz offensichtlich war. „Also heraus damit Sürdag, was habe ich verbrochen“ „Das ist es nicht:“ sagte Sürdag und sah dabei etwas verlegen aus. „Was ist es dann, also heraus damit alter Freund.“ „Es sind zwei Dinge, die mir bei dir aufgefallen sind. Erstens, woher kennst du die Funktion unserer Waffen und zum zweiten, keiner von uns hätte dir im Kampf mit den Droohr beistehen können. Dazu waren sie uns zu nahe. Das Induktionsfeld das sie erzeugen, hat uns handlungsunfähig gemacht. Ohne dich wären wir jetzt Tod. Du bist das einzige Wesen aus Fleisch und Blut, das ich kenne, das davon unberührt kämpfen kann.“ Er machte eine kleine Pause und suchte wohl nach geeigneten Worten. „Und dann ist da noch etwas, das ich nicht begreife. Bei deinem Erscheinen kämpfen die Droohr nicht weiter, sondern töten sich selbst. Es gibt nur ein Volk von dem berichtet wird, was ich bei dir mit meinen Augen gesehen habe.“ Skörin musste sich nach diesen Worten setzen und Skara blickte mich mit großen ungläubigen Augen an. „Du meinst“ flüsterte Skörin. „Das Volk von Wröllfang, die Roan“ vollendete Sürdag. „Aber das sind doch alles Legenden, Jahrtausende alt. Kein Ase könnte sagen, wohin die Roan gegangen sind oder ob es sie je gegeben hat.“ Es war Skara, die dies sagte. „Ja, gewiß, es sind Legenden aus uralter Väter Zeiten“ erwiderte Skörin. Aber Sürdag hat recht. Was über die rätselhaften Roan erzählt wird, trifft genau auf ihn zu. Zudem kann er nicht leugnen, die Funktion unserer Waffen war ihm ohne Erklärung von uns bekannt.“ „Du vergisst, dass ihr euere Waffen im Haus von Klaus benützt habt.“ Kam Skaras Einwand, die sich weigerte, zu glauben, was Sürdag und ihr Bruder aussprachen. Da hat er gesehen wie ihr euere Waffen handhabt.“ Sürdag schüttelte den Kopf. „Ich möchte bezweifeln, dass er das so genau mitbekommen hat.“ „Darf ich auch etwas dazu sagen“ meldete ich mich zu Wort. Alle Augen richteten sich gespannt auf mich. „Zu dem was ihr da sagt, kann ich kaum etwas sagen. Im Grunde muß ich Sürdag recht geben. Ich wusste tatsächlich wie ich euere Waffen zu gebrauchen habe, als ich sie im Haus von Klaus zur Hand nahm. Aber fragt mich bitte nicht warum. Ich habe nicht anders als ihr bemerkt, dass ich von den Droohr nicht wehrlos gemacht werden kann. Aber auch das kann ich euch nicht erklären. Ich kann euer Misstrauen also nachvollziehen. Wenn ihr denkt, ohne mich besser weiter zu kommen, ich kann es euch nicht verdenken.“ Nach meinen Worten war es zuerst einmal sehr still. Sowohl Sürdag als auch Skörin machten recht betroffene Gesichter. „Es, es ist doch nur.“ stotterte Sürdag und blickte wie hilfesuchend zu Slörin hinüber. „Du hast uns mehr als einmal geholfen“ Skörins tiefe, kräftige Stimme füllte den ganzen Raum aus. „Nein, ich darf dir versichern, dass weder er, noch ich ein Wort des Misstrauens gegen dich gesagt haben. Skara wird es dir bezeugen. Aber was Sürdag vorgetragen hat, entspricht doch genau seinen Beobachtungen und vielleicht liegt darin sogar eine Möglichkeit für uns, uns aus unserer misslichen Lage zu befreien.“ „Dann wäre es unter Umständen ganz gut, wenn ihr mir zuerst einmal etwas von über Wröllfag und die Roan erzählen würdet. Denn ich kann mit keiner eurer Geschichten etwas anfangen.“ Skörin nickte mir zu. Es ist, soweit es mir bekannt ist, nicht viel mehr als eine Legende. Aber wie bei jeder dieser Geschichten rankt sie sich wahrscheinlich um tatsächliche Ereignisse. Der tiefere Grund dafür ist wahrscheinlich ein Zerwürfnis, das noch hier auf der Erde stattgefunden hat. Es ging im Grunde um kein anderes Thema, als es auch bei euch an der Tagesordnung ist. Um den richtigen Umgang mit anderen Völkern und Rassen. Unsere Gelehrten, aber auch unsere Priester achteten die Gleichberechtigung allen Lebens. Ich sagte schon, was zu unserer Abkehr von der Erde geführt hat. Eine sehr kleine Gruppe aber erklärte unser Ansicht für falsch. Eine Vermischung mit anderen Völker, den Austausch von Wissen und unsere Hilfe für deren Entwicklung lehnten sie vollkommen ab. Sie sahen darin eine totale Bedrohung für unser Volk. Eines Tages beschlossen sie, die Raumfahrt existierte noch nicht sehr lange, die Erde zu verlassen. Angeblich ist aus den etwa hunderttausend Auswanderern ein eigenes Volk entstanden. Es gibt Berichte, wonach sie immer wieder Angehörigen unseres Volkes geholfen haben sollen, wenn diese im All in Not gerieten. Bestätigt aber ist keine dieser Geschichten. Dabei wird aber immer behauptet, ihre Technik und ihre Fähigkeiten in körperlicher und geistiger Hinsicht seien uns unendlich weit voraus. Aber wie gesagt, Beweise dafür gibt es nicht und nun bist du da und behauptest dich gegen drei Droohr, deren Kraftfeld dich hätte auf der Stelle töten müssen. Wir haben dieses Feld noch im Wohnzimmer bemerkt und es war so stark, dass keiner von uns sich rühren konnte. Wir waren wie gelähmt. Erst als du den Einen tötetest und die Anderen durch Selbsttötung starben, konnten wir dir zu Hilfe eilen. Verstehst du jetzt, was Sürdag und mich so beunruhigte? Und da ist noch etwas...„ Skörin blickte von seiner Schwester, zu Sürdag und dann wieder zu mir. Skara nickte ihm ermundernd zu. Als wir das erste Mal vor deiner Türe standen, um uns Skaras Anhänger zurückzuholen, setzten wir unseren Detektor ein, um sicher zu gehen, dass die Wohnung leer ist. Wie wir feststellten, wardst du jedoch zu Hause. Dein körpereigenes Kraftfeld fällt zur Gänze aus der Reihe. Alle deine Werte sind völlig abnorm.“ Skörin blickte mich jetzt sehr ernst an. „Wenn ich alles zusammen zähle, was ich bis jetzt über dich weiss, dann gibt es nur den einzigen Schluß. Du bist ebenso wenig ein Mensch wie Skara oder ich. Ja, du bist noch viel fremdartiger als wir es sind.“ Nachdem Skörin geendet hatte, hielt ich es doch für ratsam, mich zu setzen. Phantasie hatten die Drei unbesehen. Ich hatte bis dahin ja schon manches an den Kopf geworfen bekommen. Aber als Wunderlicher vom anderen Stern, das war neu. Sürdag kam vom Wohnzimmertisch zu uns zurück. In seiner mächtigen Hand hielt er fünf Gläser. Die Flasche auf dem Tisch, das sagte mir ein Blick, war damit natürlich leer. Er grinste breit und versöhnlich. „Ich denke, dass wir alle einen tüchtigen Schluck vertragen können.“ Als wir unsere leeren Gläser abstellten, griff er nach seinem Schwert, faste es an der Scheide und reichte es mir mit dem Griff zu. „Es gibt einen sehr alten Brauch bei uns.“ lächelte er. „Mit dem Tausch euerer Waffen werdet ihr zu Waffenbrüdern. Verpflichtet zu unverbrüchlicher Treue und Freundschaft.“ Skörin nickte mir ermundernt zu. So ergriff ich Sürdags Schwert und reichte Ihm in gleicher weise die Meine. Er lachte über das ganz Gesicht, als er die eben erhaltene in seinem Gürtel verstaute. „Wer immer du bist, wir wollen den ewigen Göttern dafür danken. Denn ohne dich fände die Polizei in den kommenden Tagen wohl unsere toten Körper und der Fall des zerstörten Hause würde noch geheimnisvoller. „Wir dürfen auch Klaus nicht vergessen.“ Sagte Skara. Auch er gehört in unsere Runde . Skörin nickte zustimmend und versetzte Klaus einen freundschaftlichen Hieb, der ihn zwei Meter nach vorne taumeln lies. Mit etwas verzogenem Gesicht rieb er sich die schmerzende Schulter. „So habe ich mir Freunde im vorgestellt. Bitte lieber Sürdag, drücke dein Wohlwollen etwas weniger heftig aus.“ Damit war die kleine Missstimmung endgültig aus der Welt geschaffen. „Eine andere Frage aber müssen wir noch klären.“ Sagte ich. Ich blickte rundum in fragende Gesichter. „Gibt es irgendeine Möglichkeit, wie ihr euch mit eueren Leuten wieder in Verbindung setzen könnt? Oder wollen diese euch für immer hier zurücklassen?“ Es war Skara, die mir antwortete. „Diese Möglichkeit gibt es schon. Mein Schlüssel bietet diese Möglichkeit, aber nur in sehr beschränktem Umfang. Ein Schiff unseres Volkes muß zumindest auf etwa zehntausend Kilometer in der Nähe sein. Die andere Möglichkeit gibt es nur als letzten Ausweg.“ „Welche Möglichkeit ist das.“ Erkundigte sich Klaus. „Wir können alle Energiem die der Schlüssel beherbergtm auf einmal freisetzen. Diesen Energieschub kann man über Lichtjahre hinweg anmessen. Der Schlüssel ist damit jedoch zerstört und auch noch weit entfernte Droohr können in gleicher Weise unseren Aufenthaltsort anpeilen.“ „Sehr tröstlich das alles.“ Brummte Klaus verdrießlich Dabei sah er Skara zu, wie diese einige Einstellungen an ihrem Anhänger veränderte. Plötzlich stutzte sie. Reichlich verwirt und etwas hilflos blickte sie auf das leuchtende Anzeigenfeld. das auf seiner Oberfläche projiziert wurde. Skörin trat neugierig näher. Betrachtete die angezeigten Ergebnisse und starrte daraufhin völlig sprachlos auf Klaus. Er schüttelte ein paar mal den Kopf, nahm Skara den Schlüssel oder was es auch immer noch sein mochte, aus der Hand und veränderte selbst die Einstellungen. „Wie bist du darauf gekommen.“ Wollte er nun wissen. „Ich wollte lediglich die Werte wieder zurückstellen. Wir haben den Schlüssel zum letzten Mal benutzt, als wir hier in diese Wohnung wollten.“ „Ich möchte nicht stören.“ Meldete sich Klaus zu Wort. Betrifft es mich. Skörin betrachtete ihn recht verständnislos. „Deine Körperwerte zeigen die selben abnormen Strukturen wie seine. Wer im Namen der ewigen Götter seid ihr wirklich.“ Klaus lies ein Achzen hören. „Ich habe zumindest bis zu dieser Stunde gedacht, dass ich Klaus Bernhardt bin und vor achtundzwanzig Jahren hier in Hamburg geboren wurde. Aber euer blödsinniges Gerät weiss es ganz offenbar besser. Also schön, ich heiß Gününürökülümm habe acht Beine und vier Arme und komme vom Mars.“ Er sagte es mit so bitterernster Mine, dass ich nicht im geringsten an seinen Angaben zweifelte. Wahrscheinlich litt ich nur an Gedächtnisschwund hatte einen ähnlichen Namen und sah genauso aus wie Klaus es beschrieben. „Kann euer Gerät nicht richtig funktionieren.“ Wollte ich wissen. Skara schüttelte ganz energisch den Kopf. Mit flinken Finger veränderte sie erneut die Skalen und zeigte mir das Anzeigenfeld. „Hier bitte, das sind genau meine Werte.“ Sürdag wehrte ab. Es macht keinen Sinn, wenn wir uns über diese Abnormität jetzt den Kopf zerbrechen. Es ist nun einmal so und für uns nur von Vorteil. Aber es ist richtig. Für uns muß es jetzt an erster Stelle stehen, sich mit unseren Leuten in Verbindung zu setzen. Wir brauchen Hilfe. Wenn die Droohr auf den Gedanken kommen Prinzessin Skara und ihren Bruder nicht mehr lebend in ihre Hände bekommen zu wollen, dann wird dieses Haus in Sekundenschnelle zu Asche verwandelt.“ „Prinzessin Skara“ entfuhr es mir unwillkürlich. Skara lächelte mir ganz unschuldig zu. In ihren goldenen, so hübschen Augen aber schienen tausend kleine Teufelchen zu tanzen. Sürdag schien sich köstlich zu amüsieren und auch Skörin grinste so breit, dass ich befürchtete, seine Ohren seien dabei im Weg. Sürdag deutete eine knappe Verbeugung an. „Darf ich bekannt machen? Prinzessin Skara aus dem Hause Yürlund. Eine Fürstenfamilie, die es schon über dreitausend Jahr gibt und deren Wurzeln sich über fast zehntausend Jahre zurückverfolgen lassen. Skara und Skörin sind Abkömmlinge der ältesten Familien unseres Volkes. Ihnen gebührt unsere höchste Achtung“ Ich nahm Haltung an und verbeugte mich ebenfalls vor Skara . Es schien ihr jedoch nicht zu gefallen. Eine steile Unmutsfalte bildete sich zwischen ihren Augen. Als ich dann aber beide Hände nach ihr ausstreckte, lächelte sie wieder so munter wie zuvor, „Bei uns gibt es keine Standesunterschiede dieser Art.“ Meldete sich Skörin. „Du kannst also jederzeit bei unseren Eltern um Skaras Hand anhalten. „ Kurz darauf hüpfte er jedoch fluchend durch mein Wohnzimmer, denn Skara war ihm mit ihren bleistiftdünnen Absätzen kräftig auf den Fuß getreten. „Bist du wirklich eine Prinzessin in unserem Sinne?“ Wollte ich dann wissen. Skara richtete ihre Augen vol auf mich. Sie gefiel mir in diesem Moment ganz besonders. „Ja“ klang ihre melodische Stimme auf. „Oder stört es dich?“ Ich wurde einer Antwort enthoben. Denn Skörin, der noch immer den Schlüssel in der Hand hielt, hob um Aufmerksamkeit bittend, seine Hand. Hastig veränderte er wieder einige Einstellungen und las die angegebenen Werte sehr genau. Wir alle sahen ihm dabei in gespannter Erwartung zu. „Ich glaube, unsere Probleme lösen sich bald in Wohlgefallen auf. Wenn ich mich nicht sehr täusche, befindet sich ein sehr großes Schiff im Anflug auf die Erde. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass es sich um ein Kampfschiff unserer Flotte handelt. Ich möchte daran zweifeln, dass die Droohr einen direkten Angriff darauf wagen. Ich lasse den Schlüssel auf Empfang, damit wir im geeigneten Fall ein Signal geben können. Aber ich glaube, sie haben den Schlüssel direkt angepeilt.“ Skara, Skörin und Sürdag war die Erleichterung direkt anzumerken. Für sie bedeutete das Hilfe und auch Rettung aus jeder Gefahr. Ganz anders sah es für Klaus und mich aus. Dann hieß es wohl Abschied nehmen voneinander. Denn sie würden uns wohl kaum mit in ihre Welt nehmen und selbst wenn, was würde daraus werden? Hier auf der Erde waren wir Zuhause. Dort würden wir in einer uns völlig fremden Welt auf immer Fremde sein. Zu groß war die ungebrochene Entwicklung von Jahrzehntausenden. Skara schien zu ahnen, was in mir vorging. Sie trat ganz nahe an mich heran. „Wenn du nicht mitkommst, dann bleibe auch ich hier zurück.“ Wenn ich mir je etwas anderes zu hören gewünscht hätte, dann wäre ich wohl ein verdammter Lügner. Fest legte ich meine Arme um ihre Schulter. „Wenn du hier bleibst, wäre das dein Todesurteil“ flüsterte ich ihr leise zu. In ihre schönen Augen standen Tränen, aber sie lächelte mich an. „Und was wäre ich, wenn ich jetzt gehe“ „Keine Angst Prinzessin „ brummte Sürdag und es klang beinahe wie ein Knurren. „Wenn er nicht freiwillig mitkommt, schleppen Klaus und ich ihn schon in unser Schiff“. „Notfalls schaffe ich das auch alleine, Hoheit. Natürlich nur, wenn auch ich mitkommen darf. Was hällt mich denn noch hier. Eine ganze Welt wartet dort auf mich“. „Das Schiff muß jeden Augenblick hier sein. Die Verbindung steht. Sie haben uns ausgemacht. Gibt es eine Möglichkeit um auf das Dach dieses Gebäudes zu kommen?“ „Die gibt es“ sagte ich ruhig, warf noch einen Blick auf meine Wohnung, die ich wohl niemals wiedersehen würde und ging den Anderen voran. Wenig später standen wir fünf auf dem Kiesbett des Flachdaches und warteten, daß das unter einem Deflektorschirm verborgene Schiff für uns erkennbar würde. Es dauerte noch Minuten, bis sich der kupferfarbene Rumpf eines spindelförmigen Körpers aus der uns umgebenden künstlichen Dunkelheit abzeichnete. Die ganze Form hatte große Ähnlichkeit mit einem der alten Wikingerschiffe. Mit weit geöffneten Augen starrte Skörin nach oben, „Das ist keines unserer Schiffe.“ Ächzte er.“ Auch wenn sie den unseren fast ähnlich sind.“ Kapitel 5: Zwei funkelnde Augen starren mich an und Skaras Kleidchen ist viel zu dünn ------------------------------------------------------------------------------------- Der geneigte Leser kann sich sicherlich unschwer vorstellen, welch recht unangenehme Gefühle entstehen, wenn man von mannshohen, wurmähnlichen Kreaturen gejagt wird, die ihre Opfer auf einige Meter Entfernung völlig bewegungsunfähig machen und dann nicht davor zurückschrecken, mit spitzen Dornen auf ihre Opfer einzustechen. Was mich allerdings bewegte, als Skörin fassungslos auf das über uns schwebende Schiff starrte, lässt sich nur recht schwer erklären. Aber der Gedanke lag nahe, ob es nicht besser gewesen wäre, rasch und zuverlässig erstochen zu werden, als der Besatzung dieses fremden Schiffes ausgeliefert zu sein. Denn das, was aus der Seite des Schiffskörpers in unsere Richtung zeigte waren unzweifelhaft schwere Geschütze deren Wirkung wahrscheinlich ausreichte, das umliegende Stadtviertelchen in Schutt und Asche zu legen. In den drei auf uns gerichteten, armdicken Mündungen glühte es dunkelrot und sehr bedrohlich. Skörin und Sürdag sahen nicht besonders glücklich aus und Skara klammerte sich unbewusst an meinen rechten Arm. Sie schienen weit besser als ich zu erkennen, welch neuerliche Bedrohung da auf uns zukam. Die Fremden verwendeten ganz offenbar eine Technik, die der, der Asen nicht unähnlich war. Auch sie umhüllten uns mit einem Feld aus absoluter Dunkelheit. Ich bezweifelte, ob von der Strasse aus etwas von den Vorgängen auf den Dach dieses Hauses zu erkennen war. Auf der oberen Rundung des Schiffes flammte es plötzlich grell auf und ein gleißender Lichtstrahl erfasste uns. Skara klammerte sich noch etwas fester an mich. Sürdag und Skörin hoben kampfbereit ihre Waffen. Ich verzichtete darauf mich im ähnlicher Weise zum Kampf zu stellen. Die glühenden Mündungen sprachen völlig dagegen. Was konnte die in den Klingen verfügbare Energie, gegen solche Waffen ausrichten. Es war wohl gesünder, zuerst einmal abzuwarten, was da Nettes auf uns zukam. Einige schattenhafte Gestalten tauchten am Anfang des Lichtstrahles auf. Langsam schwebten sie zu uns herab. Es handelte sich um drei Männer und eine bildhübsche junge Frau. Schwere, feste lederartige Kleidung hüllte se ein. Die Schwerter an ihrer Hüfte wirkten kleiner, gedungener als die der Asen. Was mir jedoch sofort auffiel, waren die unseren Pistolentaschen ähnlichen Behältnisse, an der anderen Hüftseite. Allerdings bedrohten sie uns in keiner Weise, ja ich hatte sogar das recht unangenehme Gefühl, das alle vier recht unverschämt grinsten und sich auf unsere Kosten köstlich amüsierten. Bedrohlich jedenfalls wirkten sie nicht. Das merkten wohl auch meine Gefährten, denn ihre kampfbereite Haltung lockerte sich sichtlich. Was konnten wir auch tun. Jede Art der Gegenwehr war wohl von vornherein sinnlos. Die junge Frau trat vor, nahm ganz offensichtlich Haltung an und hob die rechte Hand in Schulterhöhe. Dabei waren ihre goldenen Augen fest auf mich gerichtet. Was dann kam, brachte mich nun doch etwas aus der Fassung. Ihre Stimme hatte einen sehr melodischen Klang und sie sprach in akzentfreiem Deutsch. So als hätte sie nie in einer anderen Sprache gesprochen. „Heil dir, Thor von Orvig, willkommen an Bord meines Schiffes.“ Mein Gesicht drückte in diesem Moment wohl alles andere als grenzenlose Intelligenz aus. Das Gegenteil war doch sehr wahrscheinlicher. Ich wusste immer noch meinen Namen und der lautete mit Sicherheit nicht Thor von Orvig. Zumal ich bemerkte, dass die junge Frau sich auf meine Kosten amüsierte und die in ihr tobende Heiterkeit nur mühsam unterband. Auch die drei, in tadelloser Haltung etwas hinter ihr verharrende Knaben machten erst gar kein Hehl daraus, dass sie sich am liebsten vor Lachen auf die Schenkel geklopft hätten. Ich hob die Hand ebenfalls in Schulterhöhe und knurrte recht gereizt. „Heil dir unbekannte Schöne. Es hat mich gefreut deine Bekanntschaft zu machen aber ich bin sicher das hier ist die falsche Hausnummer. Ein Herr von Orvig hat hier keinen Briefkasten“. Zu meiner Verblüffung brach das Mädchen in schallendes Gelächter aus und auch ihre drei Begleiter konnten sich nun nicht mehr zurückhalten. Es war nur gut, dass auch Klaus und die Anderen recht fragende Gesichter zeigten. Auch wenn es widersinnig klang, aber ich war in diesem Augenblick hundertprozentig davon überzeugt, dass ich diese junge Frau kannte. Die Frage blieb nur woher. Als sie jetzt einen kleinen Stab hob, den sie bisher in ihrer linken Hand verborgen gehalten hatte und auf mich richtete, verspürte ich seltsamerweise keinerlei Angst. Es gab keinen lauten Knall, kein greller Lichtblitz traf mich. Es geschah eigentlich gar nichts und doch eine ganze Menge. Es war, als ob jemand einen Eimer eiskalten Wassers über meinen Kopf entleerte. Ein Moment des Erschreckens und ich wusste wer diese junge Frau mir gegenüber war. Jaskja, meine um zwei Jahre jüngere Schwester. Aber ich wusste nun auch wer ich war. Thor von Orvig aus dem Geschlecht der Roan, Oberst der heiligen Garde des hohen Thimgrates und Klaus war mein alter Kampf und Weggefährte Skraven. Lachend schloss ich Jeskja in meine Arme und küsste ihren roten lachenden Mund. Jeskja aber machte sich sofort wieder frei und blickte mich recht vorwurfsvoll an. Dann richtete sie ihre Augen auf Skara die unserer Begrüßung verständnislos gefolgt war und nun recht feindselig auf sie blickte. Skara verstand ganz offensichtlich nicht, was Jaskja und ich uns zu sagen hatten. Zulange war es her, dass unsere Völker sich in bitterer Feindschaft getrennt hatten. Solange, dass die Asen unsere Existenz längst für eine der alten Sagen hielten, von denen es unzählige gab. Zu tief war die Kluft vor vielen Jahrtausenden gewesen, die Lebensart und Kultur zu weit von einander entfernt. Man hatte uns wahrscheinlich nur allzu gerne dem Vergessen überlassen. Unsere einst gemeinsame Sprache hatte sich in den langen Zeiträumen zu sehr verändert. Wir allerdings hatten die Asen nie vergessen und ihre Sprache wurde von jedem Offizier der Flotte verstanden. Meine Schwester zwitscherte munter und aufgeregt und es klang als ob sie mit zwei Stimmen sprechen würde. Unsere Stimmbänder unterschieden sich doch sehr von denen der Menschen. „Wir müssen uns beeilen. Das Schiff der Asen, das euch zu Hilfe eilen wollte ist von den Droohr vernichtet worden. Wenn wir auch über bessere Waffen verfügen und unsererseits die beiden Schiffe der Droohr vernichteten, gegen eine größere Übermacht können auch wir nicht lange bestehen.“ Als ich ihr antwortete, wechselte ich bewusst in die Sprache der Asen um Skara und Skörin an allem was nun besprochen wurde, teilnehmen zu lassen. Zuerst einmal beeilte ich mich sie mit meiner Schwester und den hinter ihr stehenden Offizieren des Schiffes bekannt zu machen. Für Skara und ihren Bruder eine vollkommene Überraschung. Schon bei meinen ersten Worten in ihrer eigenen Sprache war Skörin erblasst und Skara hatte meinen Arm fast erschrocken losgelassen. Ich bat sie mit an Bord zu kommen. Für diese Entscheidung brauchte ich Jaskias Zustimmung nicht. Als Oberst der heiligen Garde war ich automatisch ihr Vorgesetzter und somit auch über ihr Schiff befehlsberechtigt. Etwas zögerlich trat Skara in den gleißenden Lichtstrahl. Ein künstliches Schwerefeld kannten auch die Asen. Einer Brücke aus Licht aber misstraute sie wohl. Doch als ich ihre Hand ergriff und mit langen Schritten dem offen stehendem Zugang entgegeneilte, war diese Hemmung gleich verschwunden. Skörin nahm es ganz einfach als selbstverständlich hin und Klaus, oder besser gesagt Skraven war ja damit von Jugend an vertraut. Ich hatte mir fest vorgenommen, sobald wir an Bord des Schiffes waren, einige Dinge zu erklären, die den beiden Asen im Augenblick wohl nur Rätsel aufgaben. Aber dazu sollte es nicht kommen. Nur Sekunden nachdem wir uns hinter der metallischen Hülle in Sicherheit wähnten, ertönte ein schrilles Warnsignal und dazu veränderte sich die Beleuchtung mehrmals zu einem tiefen, blutrotem Farbton. Alarmstufe eins! Auf einem Kampfschiff der Askarer wie sich unser Volk nannte, bedurfte es keiner lauten Kommandos. Keiner überhasteten Anweisungen. Jeder wusste zu jeder Zeit, was er zu tun hatte. „Du hast nach wie vor das Kommando“ rief ich meiner Schwester zu und faste Skara fest an der Hand. Skörin winkte ich zu, mir zu folgen. Der geeignetste Platz für uns alle war im Augenblick wohl in der Zentrale. Ein dumpfes Brausen erfüllte den ganzen Leib des Schiffes und der Boden vibrierte unter unseren Füßen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass wir mit Werten dem Himmel zustrebten, die innerhalb der dichten Atmosphäre nicht unbedingt angebracht waren. Auch wenn uns auf der Erde niemand sehen konnte, der Donnerschlag, mit dem die gewaltsam verdrängte Luft in das blitzartig entstandene Vakuum zurückkehrte, musste über viele Kilometer zu hören sein. In der näheren Umgebung des Hauses, auf dessen Dach wir noch vor wenigen Sekunden gestanden hatten, dürfte ein kleiner Orkan für recht erheblichen Glasbruch gesorgt haben. Schließlich hatten wir die obersten Schichten der Erdatmosphäre in nicht einmal zehn Sekunden erreicht. Aber offenbar nicht schnell genug. Noch ehe wir die Zentrale erreichen konnten, erschütterte ein mächtiger Schlag das schlanke Schiff und wirbelte es wie ein loses Blatt im Sturm umher. Der Boden wurde mir unter den Beinen weggerissen und Skara fest umklammernd, prallte ich gegen die Wand des Ganges. Auch wir kennen die segensreiche Erfindung eines Schutzhelmes. Er ist sogar zwingend im Alarmfall über die Haarpracht zu stülpen. Dazu lies uns der Angreifer aber keine Zeit. Selbst mein goldener Paradehelm mit den seitlich angebrachten Flügeln wäre mir jetzt ziemlich willkommen gewesen. Aber so krachte ich mit dem Schädel gegen die stahlharte Wand. Ein greller Lichtblitz zuckte vor meinen Augen auf und dann herrschte für eine nicht erfassbare Zeitspanne absolute Funkstille. * * * * * * Über eines war ich mir im klaren, während ich verzweifelt versuchte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen und meine Augen zu öffnen. Nie wieder würde ich auch nur einen Schluck Whisky zu mir nehmen. Entweder hatte ich die falsche Marke erwischt oder eines der Gläschen musste nicht mehr in Ordnung gewesen sein. Aber verdammt noch mal, ich konnte mich nicht erinnern, gestern etwas getrunken zu haben. Eine helle, recht angenehm klingende Stimme drang durch das mich umgebende Dunkel an mein Ohr. Offenbar machte sich da Jemand ernsthafte Sorgen um mein Wohlergehen. War ich etwa in der Kneipe vom Barhocker gefallen? Ziemlich wirre Bilder tauchten aus den tiefen meiner Erinnerung auf. Vor meinen Augen wurde es langsam hell. Aber erkennen konnte ich nur schattenhafte Umrisse. „Ich glaube er kommt wieder zu sich.“ Diese Stimme kannte ich. Es war Skara die sich da mit einer anderen Person über mich unterhielt. „Die Blutung hat aufgehört. Er wird es schon schaffen Skara.“ Das war ohne Zweifel die Stimme meiner Schwester Jaskja. Das taube Gefühl aus meinem Körper wich ganz langsam. Auch mein Sehvermögen kehrte nun ziemlich schnell zurück. Ich lag am Boden. Links und rechts neben mir knieten Skara und Jaskja. Ein grauer wolkenverhangener Himmel spannte sich über mir. Dunkle schwere Wolken zogen vom Wind getrieben vorbei. Ich musste meine ganze Kraft aufbringen, um mich mühevoll aufzurichten. Sofort tanzten feurige Kreise vor meinen Augen und mein Magen fing an verrückt zu spielen. Aber diese Schwäche verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war. Damit stand unmissverständlich fest, ein Glas, oder auch ein paar mehr, gefüllt mit meinem Lieblingsgetränk, konnte mich nicht umgeworfen haben. Dieses danach Gefühl kannte ich aus einiger Erfahrung. Aber was, bei Thors Hammer und Odins Raben, hatte mich dann in diesen unrühmlichen Zustand gebracht? Mit Skaras Hilfe und der hilfreichen Hand meiner Schwester kam ich endlich auf meinen Beinen zu stehen. Die wohl gutgemeinten Ratschläge der beiden, wollte ich jedoch nicht beachten. Es war ja nicht das erste Mal, dass eine Verletzung einiges von mir abverlangte. Suchend blickte ich mich um. Das Erste, was mir recht unangenehm ins Auge stach war, unser stolzes Raumschiff, oder besser gesagt, das, was von ihm übrig geblieben war. Ohne mich sonderlich anstrengen zu müssen wusste ich, mit diesem stolzen Vogel würde keiner mehr die Weiten zwischen den Sternen durchfahren. Oder um es ganz kurz und passend zu formulieren, was da in der Tundra ähnlichen Landschaft am Boden lag, war ein wertloser Schrotthaufen! „ Was ist geschehen?“ wollte ich wissen und blickte zwischen Skara und Jaskja hin und her. „Wir wurden von drei Schiffen der Droohr angegriffen“ sagte Jaskja leise. „Zwei von ihnen konnten wir noch zerstören, dann aber brach unsere, von deren überraschendem Angriff schon sehr mitgenommene Energieversorgung vollends zusammen. Das dritte Schiff hatte dann leichtes Spiel. Als flammende Fackel stürzten wir zurück auf die Erde.“ „Wo sind wir hier? „ „Wir hatten keine Zeit mehr, unsere Position zu bestimmen. Dafür ging alles zu schnell und dann waren wir bereits in einer Höhe von über zweihundert Kilometer. Es ist ein Wunder, dass wir nicht in der Atmosphäre verglüht sind.“ Sagte Jaskja leise. „Seid wann kann Tarmetall verglühen?“ erwiderte ich etwas angeschlagen. „Sieh dir euer Schiff doch an. Es ist fast bis zu Unkenntlichkeit zusammen geschmolzen.“ Skara deutete bei diesen Worten zu unserem Wrack hinüber, bei dem einige Besatzungsmitglieder eifrig dabei waren, noch Brauchbares zu bergen. Ich schüttelte stumm den Kopf. „Das war nicht die Lufthülle, die diesen Schaden angerichtet hat. Das Schiff hätte sich notfalls bis zu Hälfte in die Erde gebohrt, aber verglüht wäre es nicht. Dazu ist der Schmelzpunkt des Metalls zu hoch. Nein Skara, das waren die Waffen der Droohr und deshalb habt ihr auch so viele euerer Schiffe verloren.“ Skara blickte mich entgeistert an. „Woher weißt du das alles. Wir haben wirklich sehr viele Fahrzeuge verloren.“ Trotz meines Brummschädels musste ich lächeln. „Im Gegensatz zu euch, haben wir euch nicht vergessen. Wir haben auch die Gefahr, die die Droohr heute bilden, über die Jahrtausende nie unterschätzt. Ihr hättet ihnen niemals so viel Unterstützung bei ihrer Entwicklung geben dürfen.“ Ehe Skara antworten konnte, machte sich vom Schiff her Skörin bemerkbar. Er hatte mitgeholfen, alles zu bergen, was für uns noch brauchbar sein konnte. Jetzt winkte er zu uns herüber. „Ich wäre froh, wenn du das Kommando übernehmen könntest.“ Sagte Jaskja und blickte mich sorgenvoll an. „Es wird schon gehen Schwesterherz. Es geht mir schon ganz leidlich und schließlich sind ja Skörin, Skraven und die anderen auch noch da.“ Jaskja blieb stehen. Sie legte ihre Hand auf meine Brust und blickte mir in die Augen. „Es sind nicht mehr allzu viele am Leben. Nur die paar Männer und Frauen am Schiff haben überlebt. Die meisten sind Tod. Darunter auch dein alter Weggefährte Skraven“. „Wie konnte das passieren?“ Jaskja sah traurig zum Schiff hinüber. Um ihre Mundwinkel zuckte es verräterisch. Aber die Tradition unseres Volkes verbot ihr ganz einfac, ihre Trauer und ihren Schmerz über den Verlust so vieler Männer und Frauen offen zu zeigen. Schwäche und Mangel an Beherrschung gilt bei uns nicht als verzeihlich. Wir waren erzogen worden in der Vorstellung, dass ein vollwertiger Abkömmling der Asen seine Gefühle beherrschen konnte. Natürlich durften wir unsere Trauer und unsere Gefühle zeigen. Aber sich wie ein Tier seinen Gefühlen und Ängsten zu unterwerfen. war einfach unverzeihlich. Darin unterschieden wir uns ganz erheblich von Skaras Volk oder den Erdenmenschen. Sie hätten uns wohl als kalt und gefühllos bezeichnet. Aber gerade in einer Situation wie dieser war die unbeeinflusste Denkweise, die daraus hervorging, sehr hilfreich. In meinem Schädel pochte und hämmerte es, dass für einen Moment schwarze Schleier vor meinen Augen tanzten. Meine Beine waren schwer wie Blei. Aber was half es. Es gab einiges zu tun. Die schlimmste Gefahr war, dass die Droohr unseren Absturz verfolgt und Überlebende vermuteten. Die andere Gefahr kam von den Menschen. Wenn sie unseren Absturz wahrgenommen hatten und ihn nicht für einen Meteor oder ähnliches gehalten hatten, dann war mit ihrem Auftauchen zu rechnen. Ich schnitt eine komische Grimasse und blickte Skara und Jaskja um Verzeihung bittend an. Aber so albern es auch war, ohne deren Hilfe hätte ich den kurzen Weg zu unserem Schiff nicht geschafft. Ich kam mir vor, als ob ich einen Gewaltmarsch hinter mir hatte, als ich mich schwer atmend auf einem der Behälter niederließ, die man aus dem Schiff geschafft hatte. Skörin kam zu uns her. Die Sorgen, die er sich um unsere kleine Gruppe machte, standen nur allzu deutlich in seinem Gesicht geschrieben. Als er jedoch bemerkte, dass ich nicht von zwei hübschen Damen auf kräftigen Rössern abgeholt werden würde, begann er erlöst zu lächeln. „Es bleibt die Frage, ob ich von den Walküren und den ewigen Göttern für würdig befunden würde, unter ihnen zu leben und als Krieger bei ihrem letzten Kampf an ihrer Seite stehen dürfte.“ Sagte ich lächelnd da ich mir seine Gedanken um mein Wohlergehen ausmalen könnte. Jetzt musste Skörin doch lachen. „Das möchte ich bezweifeln. Jemand, der schon zu Boden geht, wenn er einen kleinen Kratzer am Kopf erhält, wird kaum bei deren letztem Gefecht an ihrer Seite stehen.“ „Ich bezweifele, dass du an seiner Stelle jetzt schon wieder gehen könntest,“ fauchte Skara gereizt. „Lass es gut sein Skara,“ beruhigte ich sie. „Ich möchte nicht unbedingt mit seiner Stichverletzung herumlaufen. Oder hast du je einen Klagelaut von deinem Bruder gehört?“ Eine feine Röte stieg in Skaras Gesicht. „Hast du eine ungefähre Ahnung, wo wir herunter gekommen sind?“ wollte ich nun von Skörin wissen. „Auf den Kilometer nicht. Aber so im Groben ja.“ Er bückte sich und zeichnete eine ungefähre Karte von Grönlands Westküste in den steinigen Boden. Hier, schon ein ganzes Stück jenseits des Polarkreise, aber in unmittelbarer Küstennähe, müssten wir uns befinden. Von dieser kleinen Anhöhe da drüben kannst du das Meer sehen.“ „Sadrojarg befürchtet, dass sich die Wetterlage in den nächsten Stunden erheblich verschlechtern wird.“ Sagte Jaskja leise. Es ist jetzt schon empfindlich kalt und von Nordatlantik her ziehen schwere Sturmwolken auf. Er befürchtet, dass wir in sehr schweres Wetter kommen könnten.“ Ich überlegte einen Augenblick. Die Wetterlage hatte zumindest, was die Entdeckung durch die Menschen anging, etwas für sich. Von den Droohr drohte uns wohl kaum noch Gefahr. Wenn sie auch nur die geringsten Zweifel gehabt hätten, was unser Überleben betraf, wären wir jetzt schon an Odins Tafel gelandet. „Haben wir soviel von unserer Ausrüstung retten können, um uns in dieser Wildnis zu behaupten, bis wir mit Hilfe durch ein anderes Schiff rechnen können?“ Skörin schüttelte missmutig den Kopf. „Euere Kriegsschiffe sind wohl nicht für eine Robinsonade ausgerüstet. Zudem ist ja der weitaus größte Teil des ehemaligen Schiffskörper zusammengeschmolzenes Metall. Wir haben, was an Kleidung und anderem Zubehör, in diesen sieben Behältern untergebracht. Aber weiterhelfen wird es uns wohl kaum. Lebensmittel sind keine zur Verfügung geblieben.“ „Na, da kann uns ja kaum noch etwas passieren. Außer erfrieren, verhungern oder von einem Eisbären gefressen zu werden, brauchen wir nichts mehr zu fürchten.“ „Es geht ihm schon bedeutend besser.“ Schmunzelte Jaskja. „Wenn sein liebenswerter Humor zurückkehrt, brauchen wir uns nicht mehr viel um ihn zu sorgen.“ Während des kurzen Gespräches, hatte ich immer wieder nach einer seltsam geformten hohen Felsenformation hinüber geblickt. Besonders die höchste Erhebung ließ mir innerlich keine Ruhe. Ich erhob mich und es ging schon um einiges besser, als noch vor zehn Minuten. Ein tiefer Schluck aus einer gewissen Flasche hätte mir dennoch im Augenblick sehr gut getan. „Wir müssen alles, was von diesem Schiff noch übrig ist, vernichten. Die Menschen dürfen nicht das kleinste Stückchen davon finden.“ Ich blickte Skörin fragend an. „Ich denke, das lässt sich machen. Wenn es in Kriegsschiffen etwas gibt, das man mit Sicherheit auch in einem Trümmerhaufen noch findet, dann sind es Waffen. Du sitzt eben darauf:“ „Gut, ihr müsst aber auch die Toten zuvor wieder in das Schiff bringen. Es wäre verhängnisvoll würde man ihre Körper finden.“ „Du willst euere Toten mit dem Schiff vernichten?“ Skara sah mich etwas verwirrt an. „Es geht nicht anders Skara. Man würde sie zweifelsohne einer Obduktion unterziehen und allein schon unsere Stimmorgane würden die Ärzte zur Verzweiflung treiben. Menschenfrauen zwitschern nicht wie Vögel. Zudem gehört ein gefallener Krieger zu seinem Schiff. Sollen ihre Seelen mit ihm zusammen in Baldurs Hafen einlaufen.“ Skörin nickte. Ob er wollte oder nicht, er musste die Notwendigkeit dieser Maßnahme wohl einsehen „Ich kümmere mich darum. Was hast du vor?“ „Ich werde mit Skara dort hinüber zu dieser Felsenkette gehen. Ihr kommt mit allem, was uns nützlich ist und uns nicht belastet, dahin nach.“ „Dort, in dieser kahlen Landschaft wird uns das Wetter aber noch mehr zusetzten.“ Warf Skörin ein. „Das mag sein. Aber ohne frühzeitige Hilfe von außen sind wir so oder so verloren. Wenn es eine mögliche Rettung gibt, dann dort in diesen Felsen. Es wäre zwar ein nahezu unglaublicher Zufall, der uns hier hat abstürzen lassen. Aber sollte ich da oben finden was ich vermute, haben wir eine Möglichkeit mit dem Leben davon zu kommen.“ Skörin und Skara starrten in die von mir angegebene Richtung und ich konnte es in ihren Augen lesen, wie wenig Hoffnung ihnen meine Worte machten. Auch ich war mir bei weitem nicht sicher. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns die Schicksalsnornen wirklich an jenem Ort hatten abstürzen lassen den ich dort vermutete, war verzweifelt gering. Und selbst wenn ich recht behalten sollte, worum ich die ewigen Götter innigst bat, waren wir noch keineswegs gerettet. * * * * * Von unserem alten Standort aus hatte sich die Entfernung ganz anders einschätzen lassen. Ich war jetzt mit Skara schon über zwei Stunden unterwegs und dieser verdammte Felsen kam kaum näher. Dafür aber raunte und brauste es um uns her, als ob tausend Gnome und Trolle dort ihr böses Spiel trieben. Die Wolken kamen immer tiefer und hatten eine fast schwärzliche Färbung angenommen. Der Wind zauste und rupfte an den immer spärlicher werdenden Pflanzen. Er war eiskalt geworden und brachte kleine winzige Regentropfen mit sich. Vor gut einer Stunde hatte ein greller Lichtschein den düsteren Himmel rot verfärbt. Minutenlang stand eine sprühende Fontäne aus lohenden Flammen über dem Land. Die dort herrschende Hitze hatte die Wolkenschicht aufgebrochen und alles in einen undurchdringlichen Nebel gehüllt. Selbst jetzt lag das Land hinter uns in einem weißen schimmernden Dunst gehüllt. Ich zweifelte nicht, dass Skörin ganze Arbeit geleistet hatte und nichts außer einem weiten, flachen Krater, dessen Boden zu Glas erstarrt war, zurückgelassen hatte. Auch er und alle anderen unserer kleinen Gruppe mussten jetzt schon über eine Stunde unterwegs sein. Skara ging stumm neben mir her. Unsere modische Kleidung war alles andere als geeignet für den Weg, den wir vor uns hatten. Wenn der eisige Wind schon mehr als unangenehm durch den Stoff meiner Kleidung drang, wie schlimm mochte er erst Skara in ihrem sommerlichen Kleidchen treffen. Längst hatte ich der heftig Widersprechenden meine Jacke umgelegt. Aber ihre kam bedeckten Beine und ihre Füße in den leichten Schuhen, waren dem Wetter schutzlos ausgeliefert. Was wir noch an Kleidung gefunden hatten, umhüllte jetzt die Verletzten unter uns und auch das nur recht kümmerlich. Aber Skara ließ sich nichts anmerken. Keine Klage, kein Laut kam über ihre Lippen. Tapfer kämpfte sie sich an meiner Seite durch, unserem Ziel entgegen. In den Romanen irdischer Autoren liest sich eine solche Situation immer recht abenteuerlich und in Hollywoodfilmen bekommt man direkt Lust dabei zu sein. Aber glauben sie mir, ich wäre jetzt viel lieber tausend Meilen entfernt in einem warmen Zimmer, Skara und einen guten schottischen Freund bei mir, als hier einer recht vagen Überlebenschance zuzustreben. Stehen bleiben durften wir nicht. Wir schafften es entweder und fanden das, was ich vermutete, oder unsere Knochen würden irgendwann in einem Andenkensladen der Eskimos als Schnitzerei angeboten. Dazu verspürte ich allerdings recht wenig Lust. Ich umfasste also Skara fest mit meinem Arm und schob sie weiter. Mehr tot als lebendig und das ist bestimmt nicht übertrieben, erreichten wir kurz vor Einbruch der Nacht unser Ziel. Skara sank einfach zu Boden und die Anspannung der vergangenen Stunden löste sich in einem heftigem Aufschluchzen. Es war bitter, ihr nicht helfen zu können. Wie sollten wir die kommende Nacht überleben. Der eisige Regen wurde immer heftiger und der Sturm lies nicht nach. Tausend Töne umgaben uns und sangen wohl unser Todeslied. Von Skörin und seiner Gruppe war nichts zu sehen oder zu hören. Verwundern tat es mich nicht. Von den acht Männern und fünf Frauen war fast jeder Zweite mehr oder minder schwer verletzt. Mit meinem Schwert, das mir zum Glück verblieben war, raffte ich soviel Pflanzen zusammen als ich nur konnte und häufte sie in notdürftigem Schutz eines Felsens zusammen. Der flammenden Glut der Klinge war auch die nasse Pflanzenschicht nicht gewachsen. Was ich erhofft hatte, geschah. Flammen züngelten hoch und bald brannte ein Feuer, das zwar im Augenblick noch nicht wärmte, aber doch so etwas wie Hoffnung gab. Ich ging noch einmal los, um weitere Nahrung für unser Feuer zu suchen und kam bald darauf mit einer tropfenden Ladung zurück. Ich war wirklich nass bis auf die Haut und wahrscheinlich auch noch darunter. Zumindest fühlte ich mich so an. Skara hatte sich so nahe es ging, an das lodernde Feuer gesetzt. Obwohl ihr wahrscheinlich alles andere als danach zumute war, lächelte sie mir zu. Ihre Beine hatte sie unter den Rock gezogen und ihre Haare hingen in wilden Strähnen herab. Aber sie lebte und lächelte mir zu. Verdammt, wenn es sich nicht lohnte, für diese Lächeln zu kämpfen und am Leben zu bleiben, wofür dann. Ich musste noch zweimal den schützenden Überhang und unser Feuer verlassen, um dafür zu sorgen, dass es uns erhalten blieb. Dann aber hörten wir unsere Gefährten kommen. Völlig erschöpft und mehr tot als lebendig, taumelten sie aus der undurchdringlichen Dunkelheit in den Lichtkreis unseres Feuers. Jaskja und Skörin ließen sich unmittelbar in unserer Nähe nieder. Die anderen rückten so eng es eben ging, nahe am Feuer zusammen. Etwas Nahrung war gerettet worden und das wurde jetzt verteilt. Fast andächtig kaute jeder die brotähnliche Notration und obwohl man sie sonst als etwas völlig Ungenierbares bezeichnete, schmeckte sie jetzt eben so gut wie das beste Tortenstückchen. Noch während ich das letzte Stückchen der braunen, nach absolut nichts schmeckenden Ration verdrückte, wusste ich, dass ich mich nicht geirrt hatte. Sie hatten unsere Stimmen gehört und sie wussten auch, dass kein Mensch solche Laute in seinem Hals formulieren konnte. Weil sie das wussten, waren sie gekommen und belauerten uns, geschützt durch die Dunkelheit der Nacht und im Vertrauen darauf, dass kein Auge, weder das eines Menschen, noch das eines Asen, sie sehen konnte, wenn sie es nicht wollten. Ich lies ihnen Zeit, uns zu betrachten und unsere Situation zu begreifen. Meinen Gefährten gegenüber schwieg ich noch. Sie hatten keine Ahnung davon, nicht mehr allein in dieser trostlosen öden Wildnis zu sein und von gut einem Dutzend großer funkelnder Augen beobachtet zu werden. Dann erhob ich mich und machte einige Schritte hinein in die Dunkelheit. Ich hatte es immer als völlig überflüssig empfunden, ihre Sprache erlernen zu müssen. Obwohl das Erlernen von Sprache und Wissen bei uns mechanisch vor sich ging, war doch das Einüben unerlässlich und ich hatte meinen Lehrer wohl hundertmal deswegen verflucht. Jetzt aber war ich ihm für seinen unerbittlichen Drill dankbar. Wer brauchte schon die Sprache von Trollen, hatte ich ihn einmal gefragt. Jetzt wusste ich die Antwort. - Wir! Ich stand ganz ruhig da und wartete einige Zeit. Dann hob ich meine Stimme gegen den noch immer heftig blasenden Wind. Ich wusste, dass sie jedes meiner Worte auf die Goldwaage legen würden. Asen und Menschen hatten ihnen selten die Achtung entgegen gebracht, die sie erwarten durften. Nur wir, die Askaren, einst selbst von allen Anderen verachtet und angefeindet, hatten ihr Vertrauen besessen. Wir Askaren hatten uns wohl weit aus stärker verändert, als alle anderen Völker der Asen. Längst hatten die Droohr mit Schrecken festgestellt, dass sie unseren Willen nicht brechen konnten. Ihre Suggestionskraft lähmte uns nicht und schränkte uns nicht in unserer Handlungsfähigkeit ein. Ganz im Gegenteil, wir waren allein durch unseren Willen in der Lage, sie beinahe Handlungsunfähig zu machen. Selbst mehrere von ihnen vermochten nicht gegen die Kräfte eines einzigen Kriegers von uns anzugehen. Ebenso waren wir in der Lage, unsere Sinneseindrücke so wahr zu nehmen, wie sie unser Auge ereichten. Trolle, Gnome und andere Lebewesen aus diesem Lebenskreis machten sich dadurch unsichtbar, dass sie in den Gehirnen anderer Lebewesen den Befehl hinterließen, sie nicht zu sehen. Zusätzlich kam ihnen eine Laune der Natur zugute. Da sie vornehmlich dem Sonnenlicht fern blieben, war deren Farbgebung auch nicht davon abhängig. Während die Haut anderer Lebewesen weiß oder durchsichtig wurde, hatte die ihre, eine rötlich blaue angenommen, die soweit von jenen Farben entfernt lag, das Mensch und Tier sie nur ganz schemenhaft erkennen konnten. Aber auch nur dann, wenn die Lichtverhältnisse, wie etwa in den späten Abendstunden, dafür geeignet waren. Für die goldene Iris der Asen waren sie als Schattenwesen klar zu sehen. Vor meinen Augen aber konnten sie sich nicht verbergen. Die Welt. auf der wir seit Jahrtausenden lebten, hatte uns zu sehr verändert. „Ich grüße das ehrbare Volk der Trolle und bitte sie, im Namen der allmächtigen Götter, die unser Schicksal lenken, um Hilfe.“ Skara, Skörin und Sürdag hatten von der Anwesenheit der Trolle bisher nichts bemerkt. Auch die überlebenden Askaren, die sie eigentlich hätten erkennen müssen waren wohl zu erschöpft, um auf etwas zu achten, das sie hier kaum vermuteten. Es war ein unglaublicher Zufal, dass ich irgendwann während meiner Ausbildung auf die Beschreibung einer alten Festung der Askarer gestoßen war, von der aus wir den anderen Asen Widerstand geleistet hatten, als wir uns von der Erde zurückgezogen hatten. Spätere Trupps, die immer wieder zur Erde gekommen waren, hatten berichtet, dass ein Volk der Trolle den leeren Stützpunkt für sich vereinnahmt hatte. Draußen, jenseits des Lichtkreises unseres Feuers, wurden erschrockene und erstaunte Ausrufe hörbar, die jeder an unserem Lager mitbekam. Mit einem Schlag war ihnen klar geworden dass wir in dieser unendlichen Wildnis nicht allein waren. „“Wer bist du, dass du es wagen kannst uns anzurufen? Weißt du nicht, dass wir schreckliche Krieger sind die nichts zu fürchten haben?“ Als ich diese Worte hörte, konnte ich nur hoffen, dass jetzt keiner der um das Lagerfeuer versammelten, eine falsche Bemerkung machte oder gar darüber schmunzelte. Die Hoffnung, von den Trollen aufgenommen zu werden, wäre dann gleich Null. Im Gegenteil, sie würden uns wie es ihre Art war, ganz erheblich zusetzen. „Ich bin Thor von Orvig aus dem Geschlechte der Roan“ rief ich so laut ich konnte, um wirksam gegen den Wind anzukommen. Sie antworteten nicht sogleich, aber ich konnte erkennen, dass sie unserem Lager langsam näher kamen. Sie waren alle mit Schwertern und Äxten bewaffnet. Sollten sie auf die Idee kommen, uns jetzt anzugreifen. wäre binnen weniger Sekunden nur noch Asche von uns übrig. Denn die Asen hatten ihnen dereinst die Technik der Energiewaffen überlassen. Dann aber trat eine einzelne Gestallt zu uns an das Feuer. Da er sich keine Mühe gab, sich zu verbergen, mussten auch die Asen ihn gut erkennen können. Er war nicht ganz einen Meter groß, aber sehr breit gebaut. Lange Arme mit mächtigen Muskeln und ein viel zu großer Kopf gaben seiner Erscheinung etwas groteskes. Nichts davon passte in eine Vorstellung, die Menschen und Asen von gleichwertigen Lebewesen hatten. Der Troll stand nun auf Armeslänge von mir entfern. Er musste sich etwas zurückbeugen um mir in die Augen sehen zu können. Ich verbeugte mich ganz leicht vor ihm und richtete mich dann wieder zu meiner vollen Größe auf. „Ich grüße dich, Thor von Orvig:“ Ich verneigte mich erneut. Diesmal etwas länger. „Darf ich fragen, mit welchem Krieger eueres tapferen Volkes ich die Ehre habe, zu sprechen. „Ich bin Trüfflar,“ sagte Troll mit tiefer etwas heißer klingenden Stimme. “Von hier bis in das ferne Eisland kennt man meine Kraft und meine Stärke.“ Ich verbeugte mich erneut vor ihm. Denn mehr als Worte galt das Beugen des Kopfes bei ihnen als Zeichen der Hochachtung. Man Ein Krieger beugte sein Haupt nur vor einem gleichwertigem Gegenüber. „Darf ich dich und die deinen an unser Feuer bitten? Wir sind in Not und uns allen auch Euch droht schwere Gefahr. Daher erbitte ich euere Hilfe.“ Trüfflar wendete sich um und winkte seinen Begleitern zu. Wenig später drängten sich gut Zwanzig der knorrig und grob wirkenden Gestallten, mit uns um das flackernde Feuer. Es lag nun an Trüfflar zu sprechen. Was gesagt werden musste, hatte ich erklärt. Aber Trüfflar schwieg. Mit scharfen Augen musterte er unsere kleine Gemeinschaft. Er musste unschwer erkennen, in welch jämmerlichem Zustand die meisten von uns waren. Der Tod stand sicher schon bereit, um mit knöchrigen Fingern seine Opfer zu fordern. Dann hob er ruckartig seinen Kopf. „Der Blitz am Himmel und das große Feuer vor Stunden in der Ferne, das wart ihr:“ Ich nickte ihm zu. Dann erklärte ich ihm unsere Lage. Auch von den immer häufigeren Angriffen der Droohr mit dem Ziel, die Heimat der Menschen und der Asen und auch die der Trolle in ihren Machtbereich zu bekommen, sprach ich. Trüfflar nickte immer wieder. Nachdem ich alles gesagt hatte, was es zu sagen gab und nachdem ich ihm auch alle Gefährten vorgestellt hatte, konnte ich nur hoffen, dass er die ganze Lage richtig einschätzte. Trolle waren weder dumm noch einfältig. Aber sie hatten immer wieder sehr bittere Erfahrungen mit andersartigen Lebewesen machen müssen. Das Lächeln, das jetzt auf Trüfflars Gesicht erschien, verschönte sein grobes, kantiges Gesicht ungemein. „Es ist nicht weit zum Eingang der alten Festung.“ Brummte er gutmütig. „Ich denke, ihr alle könnt ein Lager und gutes Essen vertragen. Auch für euere Wunden soll gesorgt werden:“ * * * * Der mächtige Ofen erwärmte den ganzen weiten Raum. Die helle Glut in seinem Inneren tauchte die aus dem nackten Felsen geschnittenen Wände in ein tiefrotes Licht. Auch wir, die es uns hier so gemütlich wie es nur eben ging, gemacht hatten, wirkten in diesem Licht fremdartig und unwirklich. Rot verfärbt, Haut und Gesichter und tiefe Schatten ließen uns den Trollen ähnlicher erscheinen, als uns selbst. Aber wir hatten alles bekommen, was wir uns nur wünschen konnten. Mit Essen und Trinken reichlich versorgt, hatte sich die Stimmung erheblich gebessert. Die Verwundeten waren versorgt und in wenigen Tagen würde nichts mehr davon zu sehen sein. Um das Wohlergehen unserer weiblichen Mitglieder hatten sich die Trolle besonders bemüht. Besonders Skara, die als Einzige keine feste Uniform, die doch einigermaßen schützte, sondern nur ein leichtes Kleidchen getragen hatte, galt ihre ganze Fürsorge. Jetzt lag sie warm verpackt und vom Alkohol der Trollmedizin ins Traumland geleitet, auf einem notdürftigen Lager. Denn die Betten der Trolle waren für unsere Körpergröße wohl nicht ganz geeignet. Der Medizin der Trolle sprachen wir jedoch alle begeistert zu. Da die Trolle recht gesellige Lebewesen waren und gesundheitliche Vorsorge nicht anders, als auch bei mir mit an erster Stelle stand, beugten sie mit uns zusammen, einer möglichen Erkrankung vor. Besonders Skörin der eine beträchtliche Menge ihrer Medizin vertrug, errang in diesen Stunden ein hohes Ansehen bei ihnen. Wenn ich denke welche Mengen meines Whiskys er mühelos vertilgt hatte, wunderte ich mich keineswegs. Jetzt fanden Jaskja und ich endlich auch Zeit, die Asen über meine Anwesenheit auf der Erde aufzuklären. Das übernahm Jaskja, die Skörin nicht mehr aus den Augen ließ, seid er ihrer ansichtig geworden war. „Für uns ist die Erde immer noch die Heimat unseres Volkes und unserer gesamten Rasse. Nie werden wir sie kampflos den Droohr überlassen. Deshalb wurden immer wieder einige von uns zur Erde geschickt um eine mögliche Invasion zu erkennen. Nur sind wir nicht so leichtsinnig wie ihr. Es wundert, mich schon dass niemand sich Gedanken über Skaras goldene Augen gemacht hat. Wir löschen die direkte Erinnerung derer aus, die wir zur Erde senden und ersetzen sie durch eine künstliche Erinnerung. Natürlich sorgen wir auch dafür, dass alles, an was sie sich erinnern, irgendwo auch auffindbar ist. Sollte etwas Unvorhersehbares geschehen, so würden sie als Fehlentwicklung der Natur gelten und nicht als Angehörige eines ganz andersartigen Volkes. Der Wahrnehmung sind dabei keine Grenzen gesetzt und unbewusst erledigen sie ihren Auftrag. Werden sie abgeholt, dürfen sie wieder sie selbst sein.“ Für Skörin und Sürdag waren damit einige der Rätsel gelöst, die sie mit meiner Person verbanden. Skara würde ich später, wenn sie aus ihrem süßen Schlummer erwacht war, alles erklären. Von ihr war nur der Haarschopf und ein kleiner Teil des Gesichtes mit ihrer hübschen Nase zu sehen, so tief hatte sie sich in Decken und Kissen gekuschelt. Noch während wir uns unterhielten und mit den Trollen immer wieder auf bessere und gesündere Tage anstießen, lief ein dumpfes Grollen durch den Fels und der Boden bebte unter unseren Füßen. Für einen Moment herrschte beängstigende Stille. Aber noch ehe einer von uns etwas sagen konnte, erklang das schwere Grollen erneut auf und diesmal bedeutend lauter. Auch der Boden erzitterte wesentlich heftiger als zuvor. Auch die Trolle zeigten deutlich ihr Erschrecken. Wie erstarrt saßen sie bei uns und lauschten mit ihren mächtigen Ohren auf die immer näher kommenden bedrohlichen Geräusche. Es gab keinen Zweifel. Was wir hier unten, tief im Inneren der alten Festung erlebten, waren die Auswirkungen heftigster Explosionen an der Erdoberfläche. Die nächste Erschütterung war so stark, dass herumstehende Gegenstände wie Flaschen und Gläser zerbrachen. Das dumpfe Grollen schwang in unseren Ohren nach und machte für Sekunden fast Taub. Die Trolle hatten uns noch nicht in die innere Festung gebracht. Die Räumlichkeiten, die uns jetzt zur Verfügung standen, gehörten zu einem Teil der einstigen Anlage, der niemals fertiggestellt worden waren, weil wir zu diesem Zeitpunkt unseren totalen Abzug von der Erde bereits geplant hatten. Trüfflar sprang erschrocken auf. Vor Erregung stellten sich seine großen runden Ohren weit auf und vibrierten leicht. Auch die anderen Trolle, die bei uns waren, verharrten in tiefem Erschrecken. Nein, Helden waren sie ganz sicherlich nicht. Aber das machte ihre Bereitschaft, uns zu helfen, doppelt so beachtlich. Ein Donnerschlag dröhnte durch die Anlage, dass unser Gehör versagte. Die Wucht der Explosion weit über uns war so stark, dass das ganze Felsmassiv zu wanken begann und das Brechen von Gestein noch schlimmer in unseren Ohren tönte, als der Donner, der von oben zu uns hereindrang. Es gab keinen Zweifel, die Festung wurde angegriffen. Die Droohr und daran zweifelte ich nun keinen Augenblick, hatten unseren Absturz sehr wohl verfolgen können und waren nun dabei, einen lästigen und für sie gefährlichen Gegner für immer zum Schweigen zu bringen. Die Trolle waren unfähig sich zu rühren. Auch sie erkannten die auf sie zukommende Gefahr, aber es lag nicht in ihrer Art und in ihrem Wesen, einer solchen Bedrohung zu begegnen. Ich sprang zu Trüfflar hinüber und packte den vor Schreck halb Gelähmten, bei seiner lederartigen Weste. „Gibt es die von uns eingebauten Waffensysteme noch?“ schrie ich ihn an. Noch während ich diesen Satz hinaus brüllte, wurde mir klar, wie unsinnig er war. Wie sollten diese Anlagen fast dreißigtausend Jahre überstanden haben? Aber Trüfflar erwachte dadurch aus seiner Erstarrung. Seine großen funkelnden Augen waren ganz auf mich gerichtet. „Die Droohr“ flüsterte er leise. Ich konnte nur nicken. * * * * * * Kapitel 6: Ein Berg schmilzt, ein Drache wir recht lästig und Skaras Schlüssel öffnet ein Tor. ---------------------------------------------------------------------------------------------- Hi Leute, endlich geht es weiter. Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat^^ Hoffe euch gefällt es Es war unglaublich, wie schnell die Trolle sich bewegen konnten. Sie stürmten durch die dunklen Korridore so schnell voran, dass es uns schwer fiel, ihnen mit unseren Verwundeten zu folgen. Meine eigenen Kräfte kehrten sehr schnell zurück. Gegen sechs Millionen Grad Hitze, die ein Energiewerfer erzeugen konnte, war auch ich nicht gefeit. Aber normale Verletzungen, auch solche, die für Asen und Menschen, die Trolle nicht ausgenommen, tödlich endeten, konnten mir kaum etwas anhaben. Ich hatte also gute Hoffnung, dass unsere Verwundeten im Laufe der nächsten Stunden ihre alte Kraft zurück gewinnen würden. Ich war überrascht, wie groß mein Volk die gesamte Anlage vor Jahrtausenden angelegt hatte. Der Bürgerkrieg unter den Asen hatte damals seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Man hatte uns mit unseren Ansichten über fremde Völker und Rassen und unserer Vorstellung vom Bild eines vollwertigen Lebewesens immer stärker angefeindet, bis uns kein anderer Ausweg blieb, als unseren Lebensraum in dem immer mehr uns fremde Menschen mit Genehmigung der Zentralregierung eindrangen, mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Aber Asen, Menschen und auch die von ihnen als gleichwertige Lebewesen angesehenen Droohr waren uns weit überlegen gewesen. So blieb uns nichts anderes übrig als die Heimat, die die Erde für uns war, zu verlassen. Von dieser Festung aus hatten wir bis zur letzten Sekunde den Abzug unseres Volkes geschützt. Oh welche Narren waren die Asen gewesen, in ihrem Menschlichkeitswahn die Droohr als von der Natur geschaffene, gleichwertige Lebewesen anzusehen. Sie hatten ihnen in jeder Hinsicht bei ihrer Entwicklung Hilfestellung gegeben. Viel zu spät hatten sie ihren schrecklichen Irrtum bemerkt. Viel zu spät hatten sie auch begriffen, wie engstirnig die von ihnen ebenfalls in allen Punkten gestärkten Menschen waren. Erst als die Menschen die Asen mit ihren eigenen Waffen bedrohten, begriffen sie zumindest in Teilen ihr ungeheuerliches Tun. Aber was half uns das jetzt. Gewaltsam schob ich diese Gedanken beiseite. Hoch über uns tobten jetzt wahrscheinlich Urgewalten von den Droohr entfesselt. Was mochten die Menschen denken, wenn ein mächtiger Gebirgsstock buchstäblich verdampfte und Ströme flüssigen Gesteines wie Wasser in tiefere Lagen strömten. Hier tief unter mächtigen Schichten harten Urgesteines war im Moment wenig davon zu spüren. Die Beben, ausgelöst von den Waffen der Droohr hatten aufgehört. Es war uns gelungen, buchstäblich in letzter Sekunde aus den oberen Bereichen der Festung zu fliehen. Unvorstellbare Temperaturen hatten die Wände zum Glühen gebracht. Nur Minuten später mussten sie glutflüssig geworden, zusammengebrochen sein. Wie viele Opfer es unter den Trollen gegeben hatte, konnte ich nur abschätzen. Aber die Zahl derer, die mit uns durch die grob bearbeiteten Stollen flüchteten, war erschreckend gering. Die technischen Anlagen, die einst einen flüssigen Verkehr mit Spannungsfeldern betriebenen Fahrzeugen erlaubt hatten, waren längst ausgefallen. So blieb uns also nichts anderes übrig, als zu Fuß und so schnell es eben ging in die Tiefe zu flüchten. Dabei bewegten wir uns allerdings auch seitlich tief in das eigentliche Felsmassiv hinein. Ich hatte die stille Hoffnung, dort einigermaßen in Sicherheit zu sein. Ein mächtiges Tor versperrte uns schließlich den Weg. Diese Tor war aus einem Material gefertigt, das nur wir Askaren kannten. Es hätte auch den Waffen der Droohr standgehalten. Einmal gefertigt, vermochte kaum noch etwas diesen Stahl zu zerstören. Sein Schmelzpunkt lag dann so hoch, dads es selbst bei einem Sturz in die Sonne nicht vergehen würde. Und dieses Tor, in dem inneren Bereich der ehemaligen Kommandozentrale der Festung, war verschlossen. Wollte man an ihm vorbei, hätte man den Fels ringsum vernichten müssen und selbst ich wusste nicht, wie weit die Abschottungen in den Fels hinein reichten. Mit der Energie unserer Schwerter oder Pistolen war hier nichts mehr auszurichten. Dieses Tor gebot unserem Vormarsch Einhalt. Erschöpft ließen sich die Trolle und Asen in der weitläufigen Halle vor dem Tor nieder. Für das, was sich jetzt in mir abspielte, hatten die Menschen ein passendes Wort gefunden. Sie nannten es Extrasinn. Die Welt in der wir lebten, hatte uns gezwungen, weite Teile des Gehirnes zu aktivieren und gezielt zu benutzen, die bei anderen Lebewesen bestenfalls in ihren Träumen aktiv wurden. So war es möglich, dass gleichzeitig mit mehreren gedanklichen Abläufen eine Flut von Beobachtungen und Erinnerungen abgeglichen werden konnten. Für uns war es alltäglich, zwei Gedanken gleichzeitig zu denken. Ich verglich die Bilder und Pläne, die ich während meiner Ausbildung einmal gesehen hatte, mit der Struktur der Gänge, die ich eben durcheilt hatte. Ganz klar sagte mir die andere Stimme, dass es dieses Tor nicht geben durfte. Es hatte hier nichts zu suchen. Dieser Gang müsste in etwa achthundert Metern in einem weiten Felsendom enden, der einmal der letzte Zufluchtspunkt für die Soldaten gewesen war, die unseren Rückzug mit ihrem Leben deckten und bezahlten. Wie sollten wir hier weiter kommen? Hinter uns mussten alle Zugänge ans Tageslicht von Meter dicken geschmolzenen und wieder erstarrten Gesteinschichten verschlossen sein. Um uns mit unseren Waffen da hindurch zu arbeiten, würde viel zu lange dauern. Zudem war recht unklar, was uns dann oben erwarten würde. Mit absoluter Sicherheit waren ganze Schwärme von Wissenschaftlern und Militärs bereits auf dem Weg. Gut, wir hätten ihnen irgend eine phantasievolle Geschichte erzählen können, die sie mangels besseres Wissen wohl auch geglaubt hätten. Aber wie hätten wir das Vorhandensein der Trolle erklären können? Ich stand unmittelbar vor dem matt schimmerndem Tor, dessen spiegelglatter Oberfläche auch die vielen Jahre nichts hatten anhaben können und da geschah es. Etwa in Augenhöhe drang ein fluoreszierendes Licht aus dem Metall hervor. Der Strahl verbreitete sich so lange, bis er meine gesamte Gestalt umschloss. Mein Herzschlag wurde unwillkürlich stärker. Was auch immer hinter dieser Türe verborgen lag, es versuchte mich zu erkennen. Meine gesamte Körperstruktur wurde davon erfasst und mit wahrscheinlich vorhandenen Daten verglichen. Es war aber höchst zweifelhaft, dass diese sicher Jahrtausende alte Anlage meine persönlichen Daten zum Abgleichen besaß. Von der Decke herab ertönte eine Stimme die so mächtig und gewaltig war, dass die Trolle ängstlich aufschrieen und sich um das kleine Häufchen meiner Leute scharten. Nur ein übermächtiges Wesen konnte solche Laute von sich geben. „Was wagt ihr sterblichen Kreaturen euch in die Tiefen meines Reiches? Geht, oder mein Zorn wird euch vernichten.“ Nachhallend in den weiten Gängen verklang die Stimme und das grüne Licht weitete sich über die gesamte Halle aus. Ich stellte mich breitbeinig vor das Tor. Mit lauter kräftiger Stimme rief ich „Hier steht Thor von Orvig. Befehlsberechtigter Offizier der heiligen Wache. Kannst du mit meinen Angaben etwas anfangen?“ Was auch immer hinter dem Tor war, es benötigte nicht den Bruchteil einer Sekunde, um meine Worte zu verarbeiten. „Deine Angaben wurden verarbeitet. Ich bin derzeit nicht in der Lage, deine Aussage zu überprüfen.“ „Sind dir die vergangenen Zeitabläufe bekannt?“ Die Antwort kam sogleich. „Sie sind bekannt. Wünschen sie eine präzise Angabe?“ „Danke, verzichte. Kannst du das Tor für uns öffnen.“ „Das Tor kann geöffnet werden. Jedoch nur durch eine befehlsberechtigte Person die ich anerkennen darf.“ „Du bist also ein Roboter.“ „Ich bin das Zentralhirn der Festung von Gjörhamvarnok.“ „Dann öffne uns.“ „Dazu bin ich nicht berechtigt. Nur auf Weisung einer dafür ausgewiesenen Person darf ich meine Programmierung ändern.“ „Ich bin befehlsberechtigter Offizier.“ „Dazu muss die Leistung deines Gehirns gemessen werden. Du weißt, dass nur eine Leistung von mindestens 2.741 dafür notwendig ist. Ich bin nicht berechtigt, von mir aus diese Messung vorzunehmen.“ Langsam ging mir dieser Blechkasten auf die Nerven. Natürlich wusste ich genau, dass es kein Blechkasten, sondern ein etwa 100 Zentimeter großer künstlicher Kristall war, in dessen Inneren sich für menschliche Vorstellungen unwahrscheinliche Abläufe abspielten. Das modernste Elektronengehirn der Menschheit war dagegen ein Kinderspielzeug. „Ich gebe dir hiermit den Befehl, die Prüfung zu vollziehen. Nach der Notverordnung kann die Erlaubnis, bei sicherer Feststellung meiner Berechtigung, nachträglich gegeben werden.“ Die Stimme schwieg. Dafür aber spürte ich, dass ein für mich unsichtbares Feld auf mein Gehirn zugriff. Ich erstarrte augenblicklich und unterbrach jeden Gedanken, um die Erkennung nicht zu blockieren. Das hätte für mich recht fatale Folgen haben können. Wobei dauerhafte geistige Umnachtung eine der ganz nebensächlichen Auswirkungen hätte sein können. Es dauerte nicht lange, dann klang die Stimme erneut auf. Diesmal mit absolut menschlicher Tönung. „Herr Thor von Orvig, sie wurden als befehlsberechtigt in der höchsten Stufe erkannt. Die gesamte Anlage steht damit unter ihrem Kommando. Ich öffne jetzt das Tor.“ Meine Freunde und die Trolle hatten der Zwiesprache mit dem Tor stumm zugehört. Die Angehörigen meines Volkes kannten so eine Anlage. Für die Asen war sie noch verständlich, den Trollen jedoch musste all das recht gespenstisch erscheinen. Völlig geräuschlos hob sich ein Teil des mächtigen Tores und gewährte uns Einlass. Das zeigte das Alter dieser Anlage. Denn seid über dreitausend Jahren erlaubte uns unsere Technik, in diesem Falle einfach, durch das Material hindurch zu gehen. Platz war dafür im atomaren Universum in jedem Falle. Es gehörte nur ein kleiner technischer Trick dazu. Auf den man allerdings erst kommen musste. Bereits bei unserem Eintritt flammte die Beleuchtung im Inneren des Torbereiches auf. Zugleich strömte warme, relativ trockene Luft zu uns her. Noch während wir das Tor durchschritten, tauchten in weite, weiße Gewänder gehüllte Gestalten auf, die sich ohne zu fragen, um uns kümmerten. Ihre fein geformten Gesichter ließen erst bei genauem hinsehen erkennen, dass es sich um künstlich erschaffene Wesen handelte. Es waren keine Maschinenmenschen im eigentlichen Sinn. Ihre Gehirne waren so weit entwickelt, dass sie zu eigenen Entschlüssen kommen konnten und auch Gefühle richtig zuordnen konnten. Die Entwicklung dieser Diener war von uns jedoch später abgebrochen worden. Sie vereinbarte sich weder mit unserer Lebens-, noch Wertvorstellung. Im Augenblick jedoch war ich mehr als froh darüber, dass es sie gab. Von jetzt an mussten wir nicht mehr laufen. Fahrzeuge brachten uns in den für menschliche Lebewesen vorgesehenen Teil der Anlage. * * * * * * * Das Zentralgehirn der Anlage hatte unsere gesamte Gruppe über die reichlich vorhandenen Räume verteilt. Was einst für über zwanzigtausend Personen gedacht war, reichte für uns völlig aus. Allerdings waren die Trolle von uns etwas getrennt. Die Asen erachtete der Rechner als gleichwertig, aber nicht befehlsberechtigt. Belustigt hatte ich zur Kenntnis genommen, dass der Rechner Skara als meine Gefährtin eingestuft hatte und ihr den gleichen Wohnraum zugewiesen hatte wie mir. Eine Hochzeit im menschlichen Sinne gab es weder bei uns, noch bei den Asen. Wenn eine Frau sich zu einem Mann bekannte, dann galt sie als zu ihm gehörig. Allerdings war es üblich, dass er bei den jährlich statt findenden Volksversammlungen mit lauter, für alle hörbarer Stimme erklärte, dass diese hier für jetzt und immer seine Frau sein sollte. Die gleiche Erklärung gab sie ab und der Bund für ein ganzes Leben war damit geschlossen. Das Wort, das ein Mann gab, galt bis an sein Lebensende. Hätte er es nach unseren Begriffen gebrochen, so hätte er damit seine Ehre und sein Recht unter uns zu leben, verwirkt. Ich wusste, dass die Asen darin großzügiger dachten als wir. Für sie galten manche menschlichen Verhaltensweisen als verständlich und duldbar. Für uns war ein Mann der sein Wort brach nichts anderes, als ein ehrloses Objekt, dem alle Werte eines vollwertigen Mitgliedes der Gemeinschaft fehlten. Er wurde gnadenlos ausgewiesen. Es kam bei uns so gut wie niemals vor. Zumindest hatte ich es bisher nicht erlebt. Aber ein Ehrloser wurde auch von unserem Heimatplaneten verbannt. Mit ihm wollte keiner etwas zu tun haben. Aber wie gesagt, ich konnte mich nicht erinnern, dass es in den letzten Jahrhunderten so etwas gegeben hatte. Der Stern, auf dem wir lebten und mit dem wir lebten, ließ das gar nicht zu. Skara schien es ganz natürlich zu empfinden. Sie hatte sich für mich entschieden und gehörte damit zu mir. Für mich, der ich bis dahin an eine dauerhafte Verbindung mit etwas weiblichen in keinster Weise gedacht hatte, sah das etwas anders aus und Skara, die meine Hilflosigkeit in diesen Dingen bemerkte, nahm es mit sichtlichem Vergnügen zur Kenntnis. Ich möchte hier keine falschen Gedanken wecken. Eine Frau genoss bei uns eine sehr hohe Wertschätzung und vor der öffentlichen Bekanntgabe unserer Verbindung war nicht gerade ein wildes Treiben vorgesehen. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass ich nicht das Recht gehabt hätte, ihren hübschen, so verlockenden Mund zu küssen. Diese angenehme Sitte gab es auch bei uns bis auf den heutigen Tag. Gemeinsam mit ihr, ihrem Bruder, meiner Schwester und Südag durchstreiften wir das, was von der alten Anlage noch wirklich übrig war. Leider war der allergrößte Teil davon zerstört. Zum einen durch die Angriffe der damaligen Feinde und um ein vielfaches durch die langen Zeitläufe. Das Metall hatte unbeschadet überstanden und würde wohl bis an das Ende der Erde bestand haben. Aber die zahllosen empfindlichen technischen Feinheiten, die zwangsläufig nicht mehr gewartet worden waren, hatte die Zeit vernichtet. Gut, wir waren für das Erste gerettet, aber eine wirkliche Hilfe war uns das nicht. Skara trug jetzt eine Uniform unserer Truppen, die ihr wirklich gut stand. Ihre hübsche Figur kam dabei noch immer gut zur Geltung. Der Schlüssel, mit dem alles einmal begonnen hatte, hing an seiner Kette als Schmuckstück um ihren Hals. Hier unten hatte er wohl kaum eine Funktion. Auch alle anderen hatten sich neu eingekleidet. Nur für die Trolle war es etwas problematisch gewesen. Denn unsere Uniformen passten ihnen nicht. Aber die weißen Diener waren verlässliche Helfer auch darin. Ich sah mich in unserer kleinen Runde um. Ausgeruht und reichlich verköstigt machten sie wieder einen, mit neuer Hoffnung erfüllten Eindruck. „Ich habe mir die Pläne der alten Festungsanlage noch einmal gründlich angesehen und bin auch in einen Teil der verlassenen Anlage vorgestoßen,“ eröffnete ich unsere kleine Besprechung. „Der Weg zurück ist nach Aussage der Diener restlos versperrt. Die Hilfsmittel, uns dort nach oben zu kämpfen, sind leider nicht mehr verfügbar. Der einzige Ausweg ist über dem großen Dom und das daran anschließende, allerdings weitaus unbekannte Höhlensystem weiter zu kommen. Nach den Unterlagen gibt es einen anderen natürlichen Ausgang, über einen erloschenen Vulkan.“ „Dann sollten wir uns beeilen, diesen Weg zu nehmen,“ brummte Sürdag. „Dem stimme ich voll und ganz zu“ erwiderte Skörin. „Die Vorräte an edlen Getränken sind gleich Null und das Gebräu der Trolle zerfrisst selbst mir den Magen.“ „Eine tolle Begründung, Brüderchen, wirklich.“ „So ganz unrecht hat er nicht, Skara. Es gibt hier unten keine Lebensmittelvorräte mehr. Wir haben Konzentrate, die neu aufbereitet, einige Zeit reichen werden. Aber das ist auch alles. Das Gehirn hat auf meine Anweisung mit der Produktion begonnen. In etwa drei Tagen können wir abmarschieren. Wir werden etliche Tage brauchen um unser Ziel zu erreichen. Die Unterlagen sind alles andere als genau.“ Alle in der kleinen Runde waren sich schnell darin einig, dass es wenig Sinn machte, über mögliches und vielleicht mögliches zu reden. Es wäre pure Zeitverschwendung. So besprach ich mich noch mit Trüfflar, um ihm und seiner Horde unseren Entschluss mitzuteilen. So ruhten wir uns noch drei Tage aus und brachen dann zu unserem Weg ins Unbekannte auf, Jeder trug an Gepäck, was ihm nur zugemutet werden konnte. Eine vergnügliche Wanderung sah anders aus. Beladen wie sizilianische Mulis und im grellen Schein unserer Handlampen ging es durch zerfallene und zerstörte Bereiche der alten Festung. Schutt, Staub und Dreck erschwerten schon hier den Weg. Der Zahn der Zeit hatte nicht viel heil gelassen, in den vom Zentralgehirn nicht mehr gewarteten Bereichen. Das Zeitgefühl geht sehr schnell verloren, wenn man stur durch scheinbar endlose Gänge und Hallen trabt. Was zuerst noch die Neugierde oder das Interesse weckt, bleibt unbesehen zurück. Nach Stunden zeigte uns ein zerstörtes Tor, dass wir das Ende der Festungsanlage erreicht hatten. Wodurch auch immer die Höhlen und Gänge entstanden sein mochte, es erinnerte mich an Jules Vernes Roman seiner Reise zum Mittelpunkt der Erde. Kantig, rau und unwirtlich zeigten sich die Felsformationen, durch die unser Weg vorwärts ging. Ohne unsere nahezu unzerstörbaren Militärstiefel hätte hier der Weg wohl bald ein Ende gefunden. Es gab keinen ebenen Boden und keinen Weg, den das Wasser flach geschliffen hätte. Alles was der Strahl unserer Lampen nicht erfasste, lag in tiefster Dunkelheit. Stumm setzten wir uns gegen acht Uhr unserer Zeitrechnung an einer einigermaßen geeigneten Stelle nieder, um zu Essen, zu Trinken und zu Ruhen. Es war ein trauriges Mal, das aus Tabletten und Mineralwasser bestand. Aber was half es, so widerlich es auch anmutete, es musste nun einmal sein. Seltsamerweise hatten unsere Damen weniger Probleme damit. Ein Mann der Schiffsbesatzung übernahm die erste Wache. Mit diesem Befehl stieß ich bei den Asen etwas auf Unverständnis, aber ich gab nicht nach. Der Strahl einer unser Lichtquellen wurde zur Decke gerichtet, um das Umfeld etwas zu erleuchten. Der Posten bezog in einer geschützten Nische seine Stellung. Bald verkündeten ruhige Atemzüge, dass die Anstrengung des Tages ihre Recht verlangte. Ich drehte den Stellring meines Schwertes auf Bereitschaft, schob es seitlich halb unter mich und schloss die Augen. Aber Ruhe fand ich nicht. Meine Sinne registrierten irgend etwas mir Unbekanntes. Warnten mich ohne Unterlass. So lauschte ich die klanglose Stille hinein ohne etwas zu bemerken. Nicht weit von mir regte sich etwas. Jaskja kam zu mir herüber. Sie ging an meiner Seite in die Hocke. „Spürst du es auch, großer Bruder?“ Ich richtete mich halbwegs auf. „Du also auch.“ „Nicht nur ich, flüsterte sie, um die Asen nicht zu wecken. „Alle unsere Leute sind wach. Etwas ist da und beobachtet uns, davon bin ich überzeugt.“ Eine Weile schwiegen wir. Skara, die dicht neben mir lag, drehte sich unruhig auf die andere Seite. Ich lauschte mit allen Sinnen, in die uns umgebende Dunkelheit hinein. Etwas lebendiges war in unserer Nähe. So gut es sich auch verbarg , ich konnte seine unmittelbare Nähe spüren. „Es kommt immer näher,“ raunte Jaskja mir zu. Noch ehe ich etwas erwidern konnte, kam die Wache zu uns. Natürlich spürte auch er die Anwesenheit von etwas Fremdem, Unheimlichem. Er ließ sich neben uns nieder und starte uns schweigend an. „Ich denke, wir sollten jetzt besser die anderen wecken,“ sagte ich und erhob mich. Mein Schwert kampfbereit in der Hand. Was auch immer da langsam auf uns zu kam, es war nichts Gutes. Jede Information, die meine veränderten Sinne erfassten zeigten dies an. Es war durch und durch böse und gefährlich und es kam nicht allein. Der Wächter und Jaskja huschten flink von einem zum anderen und verständigten sie. Unseren Leuten brauchte ich nichts zu sagen. Keiner hatte seine Waffe gesichert während er schlief. Stumm suchten sie sich eine Stelle, von der aus sie einen Angriff abwehren konnten. Skara und Skörin lauschten ebenso, wie Sürdag in die vor uns liegende Dunkelheit hinein. Aber für ihre Augen und Ohren blieb alles still, bis auf unsere Atemzüge und das Rascheln der Uniformen, wenn sich jemand bewegte. „Was ist?“ wollte Skara wissen. „Wir sind nicht mehr allein,“ gab ihr Jaskja zu verstehen. Noch ehe Skara etwas sagen konnte, klang ein dumpfer Ton zu uns her. So, als ob jemand eine Kesselpauke angeschlagen hätte. Dann blieb es wieder still. Wir lauschten gespannt in die Dunkelheit. Zwei, dann drei weitere Lampen richten sich nach vorne in das undurchdringliche Dunkel. Dann wieder das dumpfe, nachhallende Dröhnen. Es kam ohne Zweifel näher. Skara sog plötzlich heftig die Luft ein. „Riecht ihr das auch?“ „Es riecht wie die Hölle,“ raunte Skörin, der dicht an meiner Seite war. Sein mächtiger Körper war angespannt. Das große Schwert wirkte in seiner Faust beinahe wie ein Spielzeug. Erneut dröhnte es auf. Dumpf und weithin hallend. Es war uns nun sehr nahe. Der Boden hatte leicht vibriert unter der Wucht dessen, was da auch immer kommen mochte. Wir lauschten gespannt. Aber alles war ruhig. Kein weiteres Dröhnen, Stille ringsum. Nur unsere eigenen Geräusche waren zu hören. Der Geruch war nun mehr als deutlich zu spüren. Dann ging alles plötzlich sehr schnell. Wie ein Trommelwirbel und so laut, dass es das Gehör betäubte, dröhnte es auf. Ohne Warnung war es plötzlich mitten unter uns. Grauschwarze, mächtige Flügel, an deren Ende messerscharfe Dornen saßen, fegten Staub und Dreck empor. Mächtige Klauen mit klingenartigen Enden schlugen nach uns und ein widerlicher Drachenkopf schnappte aufbrüllend nach uns. Der Atem dieser Bestie war heiß und ätzend. Aber der Angriff traf uns nicht unvorbereitet. Die Asen allein wären verloren gewesen. Viel zu spät hätten sie die tödliche Gefahr bemerkt. Was jetzt kam, war ein gnadenloser, wilder Kampf. Unsere Schwerter glühten auf. Ihr magisches Leuchten machte alles noch unwirklicher, als es ohnehin war. Die reine Energie blendete die Augen. Krachend brachen sich die Lichtblitze ihre Bahn und das Echo hallte tausendfach in dem Gewirr aus Höhlen und Gängen wider. Aber die Bestie brüllte noch lauter. Sie tobte zwischen uns wie eine Furie. Ihre Klauen und Schwingen versuchten, die sich so heftig wehrende Beute, zu schlagen. Doch es war vergebens, wo immer ihr Körper mit den flammenden Klingen in Berührung kam, fraß sich eine sprühende Feuerlohe tief in sein Fleisch. Aber auch wir bekamen die Wut der Bestie zu spüren. Zwar konnten ihre Klauen und Dornen unsere Uniformen nicht durchdringen. Aber die ungeheure Kraft, die hinter jeder Bewegung steckte, warf einen, wie ein welkes Blatt zu Boden. Platzwunden und böse Quetschungen waren die unausweichliche Folge. Nur einer stand wie ein Fels, Skörin. Seine mächtige Faust wirbelte das, eigens für ihn gefertigte Schwert, mit artistischer Leichtigkeit in rasender Folge auf und nieder. Jeder seiner Schläge traf und fügte dem Untier tiefe Wunden zu. Er war wohl der Einzige, der ihren Angriffen ungerührt standhielt. Ich war bestimmt nicht der Schwächlichste. Aber zweimal hatte mich das drachenähnliche Tier getroffen und beide Male war ich etliche Meter weit geflogen. Ich spürte sämtliche Knochen. Aber es half nichts, Skörin sollte nicht allein stehen. Mit wilder Wut sprang ich vor. Zum ersten Male prallte ich direkt mit dem Biest zusammen. Mein Kampfschrei hallte von den Wänden wider und diesmal warf mich die Klaue nicht zurück. Tief und mit aller Macht drang mein Schwert in die Bestie ein. Brennend wie flüssiges Eisen zerteilte die flammende Klinge den zappelnden Leib. Dann Stille. Erschöpft und langsam begreifend, was da vor uns reglos am Boden lag, starrten wir den übel zugerichteten Körper an. Im Tod sah es noch schrecklicher aus als im Leben. Die klaffenden, verbrannten Wunden und das daraus sickernde, grünliche Blut waren bestimmt kein schöner Anblick. Was da vor uns lag, war ohne Zweifel, das, was die Menschen einmal einen Drachen genannt hatten. Aber das war es nicht, was uns so in Erregung versetzte. Um den Hals des Tieres war ein stählernes Band gelegt und eine große Öse bewies, dass es irgendwo angekettet wurde. Diese Bestie hatte uns nicht aus freien Stücken angegriffen. Man hatte sie ganz bewusst auf uns gehetzt. Ganz gleich, ob Asen oder Menschen, sie wären verloren gewesen. Nur mit uns, den Askaren hatte wohl keiner gerechnet. Jetzt tauchten auch einige Trolle, geführt von Trüfflar auf. Die etwa einhundert Überlebenden seines Volkes, folgten uns langsamer, da sie viele Kinder in ihren Reihen hatten. Mit tiefem Erschrecken starrten sie auf den übel zugerichteten Körper, der auch jetzt im Tode noch zeigte, welch mächtiger, tödlicher Gegner er gewesen war. Mit normalem Schwert oder einer Schusswaffe wäre diesem Ungetüm nicht beizukommen gewesen. Etwas anderes aber, als Hieb und Stichwaffen besaßen die Trolle nicht. An Ruhe war nicht mehr zu denken. Zudem war der Gestank, der von dem toten Körper ausging, ausgesprochen ekelhaft. So packten wir unsere Sachen zusammen. Das heißt, was davon noch zu gebrauchen war. Der Angriff des Untieres hatte manches in den Boden gestampft. Wir übernahmen wieder die Spitze. Die Trolle folgten uns. Sich dabei scheu an den Überresten vorbei drückend. * * * * * * Je tiefer wir in das Höhlensystem eindrangen, umso beschwerlicher wurde auch unser vorwärts kommen. Während meine Stiefel immer wieder versuchten, festen Halt in dem Gewirr aus Steinen und scharfkantigen Felsformatierungen zu bekommen, verfluchte ich im Stillen den Umstand, nicht mehr der liebenswerte Mitarbeiter einer großen Werbeagentur zu sein, der seine knappe Freizeit mit hübschen Mädchen verbringen durfte und seinen Kummer mit einem gleichfarbigem Freund aus dem schottischen Hochland bekämpfen konnte. Na ja und Kummer hatte man ja mit dem schönen Geschlecht nicht zu knapp. Zudem braucht man ja auch einen schwerwiegenden Grund, sich sein Glas ein zweites Mal zu füllen. An Bord unseres Schiffes hatte es einen ausreichenden großen Vorrat für durstige Männerkehlen gegeben. Aber entweder war er beim Absturz restlos vernichtet worden, oder Skara und der Rest der Besatzung hatte vergessen, diesen köstlichen Schatz zu bergen. Halt suchend, um zwischen zwei aufgetürmten Steinhaufen hindurch zu kommen, stemmte ich mein rechtes Bein fest in den Boden und zog mich mit der linken Hand etwas hoch. Es gab einen dumpfen Laut und unter mir brach ein gutes Stück des Bodens weg. Polternd brachen weitere Teile ab und fielen in die Tiefe. Skörin, der dicht hinter mir ging, ergriff instinktiv meinen Gürtel und riss mich zurück. Damit ersparte er mir einen Fall in etliche Meter Tiefe, denn nun sackte ein mehrere Quadratmeter großes Stück nach unten. Der breit gefächerte Strahl unserer Handlampen tastete sich in den breiten Schlund, der sich unter uns geöffnet hatte. Schon der erste Blick zeigte uns, dass es sich keinesfalls um eine natürliche Höhlung handeln konnte. Eine Mauer aus armlangen Granitblöcken, die sorgfältig bearbeitet war, war das Erste, was wir zu sehen bekamen. Auch der kaum verschmutzte Boden bestand aus Granit. Vorsichtig tastete ich mich an den Rand der Einbruchsstelle heran. Neben mir ließ sich Skörin auf seine Arme gestützt nieder. Am ausgestreckten Arm hielt er seine Lampe in die breite Öffnung. Der unter uns liegende Raum hatte saalartige Ausmaße. Die Höhe zum Boden mochte knapp acht bis zehn Meter betragen. Mächtige, viereckige Säulen trugen die Last der gewölbten Decke. Doch an einigen Stellen waren diese Träger durch Gewalteinwirkung zerstört worden. In der Mitte des Raumes erhob sich ein wuchtiger Sockel und auf diesem ruhte ohne Zweifel ein steinerner Sarg. Das alles hätte uns nicht besonders beeindruckt und Zeit um archäologische Ausgrabungen durchzuführen, hatten wir ja wohl kaum. Aber es gab einen Ausgang, der von diesem Grab ja irgendwohin führen musste. Skörin sah mich fragend an. „Was meinst du? Immer noch besser als hier über endlose Geröllhalden zu hopsen.“ „Wahr gesprochen, mein alter Freund und Kupferstecher:“ „Bitte was?“ „Bei den ewigen Göttern, bist du Ungebildet,“ feixte ich. Ehe ich antworten konnte, hörte ich Skaras Stimme. „Es handelt sich um einen unmodern gewordenen Beruf aus dem Druckergewerbe. Das solltest du eigentlich wissen!“ „Du hast ja in den letzten zwei Jahren nichts anderes gemacht, als dich mit Druckerfahnen und einem gewissen männlichen Angestellten aus der Messeabteilung zu beschäftigen,“ gab Skörin spöttisch zurück und Skara sah ihn giftig an, zumal sie bemerkte, dass es hinter meiner Stirn zu arbeiten begann. „Das hätte ich wissen müssen,“ grinste ich und Skörin lachte gemütlich zurück. „Sie hat sich einmal ganz grässlich darüber aufgeregt, dass da einer ist, der hinter jedem Weiberrock, der ein hübsches Mädchen umhüllt her ist. Seit kurzem weiß ich ja, wer das gewesen ist.“ Sprachs und sprang auf den Boden hinunter. Skara reichte mir stumm ein Seil und ihre Augen lachten mich vergnügt an. Das kleine Geplänkel tat uns allen gut. „Bilde dir nur nichts darauf ein. Es gab ja noch andere Männer in unserer Firma. So und nun halte das Seil, damit ich zu meinem Brüderchen hinunter kann, damit ich ihm mal wieder den Kopf zurecht setze.“ Inzwischen war auch Sürdag hinzu gekommen. Stumm nahm er mir das Seil aus der Hand und schlang es um einen recht massiv aussehenden Felsen. Geschickt kletterte Skara zu ihrem Bruder hinab. Wenig später stand ich ebenfalls unten. Die Anderen unserer kleinen Gruppe folgten nach und nach. Skara trat nahe an den Sarg heran und versuchte die Inschrift zu lesen. Dazu musste sie allerdings einmal um den ganzen mächtigen Block herum. Mit halblauter Stimme las sie Zeichen für Zeichen. „Hier liegt Griöll, welcher dem Tor der Hölle am nächsten ist. Mit Surtur ein Leben lang verbunden.“ „Kannst du damit etwas anfangen?“ wollte Skörin wissen. Seine Schwester schüttelte stumm den Kopf. Beide sahen dann fragend auf mich. „Es gibt eine Sage, von der Erschaffung der Welt. Von einem Brunnen namens Hwergelmir, aus dem verschiedene Flüsse ihren Ursprung haben. Einer dieser Flüsse trug den Namen Griöll und von ihm erzählt man, dass er der Hölle ganz nahe sei. Von Surtur aber erzählt man sich, dass er es sein wird, der am Ende der Welt die Götter mit seinem flammendem Schwert besiegen wird.“ Skörin blickte nachdenklich auf den blank polierten Steinsarg. „Es ist seltsam, dass bei unserem Volk so vieles in Vergessenheit geraten konnte und bei Euch ist es so lebendig,als hätte es erst gestern in einer der irdischen Zeitungen gestanden. Uns ist eigentlich nur die Schrift geblieben und die könnten kaum noch viele lesen, wenn nicht unsere geschichtlichen Überlieferungen über Jahrtausende mit ihr weiter gegeben worden wären.“ „Auch das ist ein Teil unserer gemeinsamen Geschichte,“ sagte ich. „Nur, ein Fluss lässt sich nicht beerdigen oder in einen Steinsarg legen. Es gibt aber noch eine zweite Legende. Sie erzählt davon, dass von den zehn Stämmen, die einst unser Volk bildeten, einer aus Habsucht einen gemeinen Verrat begingen. Es waren die Loki, die das Fremde in unsere Reihen brachten und unseren Feinden unsere Schwächen verrieten. Neben ihrem Anführer sollen diese beiden die größte Schuld an dem, was später geschah, getragen haben.“ „Aber Loki war doch einer der Söhne unseres Gottes Odin.“ „Er war einer der Söhne unseres Volkes, der Verrat beging.“ Hier steht es in der zweiten Reihe des umlaufenden Textes. „Und für immer verdammt sollen sie sein unter dem, der sie einst führte. Weder die Hölle, noch die Erde sollen ihnen mehr geöffnet werden, bis Er sie am jüngsten Tag befreien wird.“ „Das ergibt doch keinen Sinn.“ „Das muss es auch nicht,“ knurrte ich etwas gereizt. „Wir sollten zusehen, dass wir weiterkommen. Die ewigen Götter haben uns den Weg gewiesen und wir sollten ihm so schnell als möglich folgen. Ich möchte nicht, dass meine Knochen genauso herum liegen, wie die der dort liegenden. Alle, die bereits zu uns herunter gekommen waren, folgten meinem ausgestreckten Arm mit ihren Blicken. Erst jetzt bemerkten sie den schmalen Seitengang, der beinahe verdeckt von einer mächtigen Säule, seitlich der Kammer einmündete. In ihm waren gut einen Meter hoch, die Gebeine uns unbekannter Menschen oder Asen aufgeschichtet. Neugierig trat Skörin näher. Fast ruckartig verhielt er im Schritt. Dann ging er die letzten Schritte weiter, beugte sich hinab, um etwas aufzuheben. Eine Weile blieb er ruhig stehen und sein breiter Rücken nahm uns die Sicht auf das, was er tat. Dann kam er zu uns zurück. In der Hand hielt er einen mächtigen Schädel. Das Erschreckende aber daran waren die beiden gebogenen Hörner, die vorne aus der breiten Stirn wuchsen und die mächtigen Fangzähne, die von oben aus dem Kiefer ragten. „Diese Schädel liegen dort drüben wohl zu Hunderten. Was für Wesen mögen das Gewesen sein? Sie wurden mit allem was sie bei sich trugen, in dem Gang aufeinander geschichtet. Ihre Waffen sind recht grob gearbeitet und bestehen wohl aus Bronze.“ „Weißt du etwas damit anzufangen?“ wollte Skara wissen. Ich konnte nur stumm den Kopf schütteln. „Ich war schon vielen fremdartigen Lebewesen begegnet, aber solche Geschöpfe gab es in keiner Überlieferung oder andersartigen Beschreibungen. Doch bei den Menschen gab es die Teufel. Aber die tauchten erst im sechsten und siebten Jahrhundert ihrer modernen Zeitrechnung auf. Ihre Beschreibung beruhte nicht auf tatsächlichen Vorbildern, sondern waren eine Abänderung der griechischen Faune. Ob darin die Lösung lag? Wohl kaum, oder doch?“ Skörin legte den Schädel auf den Sarg und ergriff seine Waffen und Gepäck. „Ich denke Thor hat recht. Dieses Rätsel werden wir wohl kaum lösen. Wir sollten unseren Weg fortsetzen. Langsam habe ich von Höhlen und Felsgängen die Nase voll. Wenn das so weitergeht, verwandle ich mich noch in einen Maulwurf. Stumm nahmen wir alle unsere Last auf und marschierten in den größten, der hier abgehenden Gänge hinein. Die Luft war zwar kalt und muffig, aber keineswegs abgestanden. Es musste hier unten nicht anders als in den Höhlen darüber, eine Verbindung zu frischer Luft geben. Das aber konnte doch nur die Oberfläche der Erde sein. Der Gang war breit genug, um Skara und ihren Bruder neben mir gehen zu lassen. Hinter uns folgten Sürdag und Trüfflar. Sie schienen sich beide recht gut zu verstehen, obwohl ich heimlich schmunzeln musste. Es war einfach ein Bild für Götter, wie der beliebte menschliche Ausspruch lautete. Obwohl ich nicht unbedingt davon überzeugt war, ob sich die ewigen Götter darüber erfreuen würden. Sürdag war etwa einen Meter und neunzig groß und von kräftiger Statur. Trüfflar dagegen nur gut die Hälfte so hoch, aber um einiges breiter. Der Eine musste beständig den Kopf hoch recken und der Andere ihn recht tief beugen. Dazu neigten beide zu recht lebhaften Gesten. Aber das tat ihrer beginnenden Freundschaft keinen Abbruch. Eine Beziehung zwischen verschiedenen Lebewesen sollte nicht davon geprägt sein, wie gut der eine in das unmittelbar lieb gewonnene Bild des anderen passte. Wir Askarer zogen darin allerdings straffer gefügte Grenzen als die Asen. Ich überlegte, wofür wohl vor unendlich langer Zeit, diese unterirdische Anlage geschaffen worden war. In den uns überlieferten Unterlagen wurde nichts davon berichtet. Die Erbauer unserer Festung jedenfalls hatten keine Ahnung davon gehabt, dass sich in ihrer unmittelbaren Nähe ein solches geheimnisvolles Bauwerk befand. Je weiter wir dem Hauptgang folgten, von dem immer wieder Seitenwege abzweigten, um so lauer wurde die uns umgebende Luft. Auch hatte ich den Eindruck, dass sie frischer und viel würziger zu riechen begann. Skörin blieb unvermittelt stehen. Auch er hatte die langsame Veränderung um uns her bemerkt. Aber ihm war etwas anderes aufgefallen, das nicht so recht zu unserer direkten Beobachtung passen wollte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns beständig nach unten bewegen. Das Gefälle ist so gering, dass wir dem bisher nur wenig Beachtung geschenkt haben. Aber die letzten hundert Meter hat sich das erheblich geändert. Der Weg führt immer steiler nach unten.“ Skara sah sich fragend um. „Er hat recht, Thor. Wenn du nach rückwärts siehst, befinden wir uns um einige Meter tiefer und vor uns fällt der Weg weiter ab.“ Es war unschwer festzustellen, dass beide recht hatten. Fast unmerklich war der Weg immer abfälliger geworden. „Wenn ich den Weg, den wir bisher zurückgelegt haben, mit dem Winkel der bisherigen Neigung vergleiche, dann sind wir zwar nicht mehr als einhundert Meter hinab gestiegen,“ sagte Skörin recht nachdenklich. „Aber mit der jetzigen Neigung kommen wir recht schnell tiefer.“ Sürdag und Trüfflar, die neugierig geworden inzwischen an uns vorbei gegangen waren, kamen sehr bald zurück. Trüfflars tiefe Stimme hallte zwischen den Mauern recht eigenartig wider. „Es wird bald noch tiefer nach unten gehen. Kaum zweihundert Meter vor uns endet der Gang und geht in eine Treppe über. Das Licht unserer Lampen konnte jedoch das Ende der Stufen nicht erleuchten.“ „Die Luft, die von unten her heraufzieht, riecht frisch und sauber und sie ist eindeutig wärmer als hier.“ vollendete Sürdag den kurzen Bericht. „Dann stellt sich jetzt wohl die Frage, gehen wir diesen Weg weiter oder kehren wir um.“ Skörin hatte wohl recht. Trüfflar entschied das Gespräch darüber, noch ehe es recht begonnen hatte. „Das, was sich von meinem Volk retten konnte, wird den Weg nach unten nehmen. Es wäre für uns nicht gut, an das Tageslicht zu kommen. Die Menschen würden uns fangen und einsperren. Sie würden unsere alte Siedlung ausgraben, die Toten schänden und alles was sie finden, uns stehlen. Wir haben oft genug erleben müssen, wie die Eskimos die ganz in unserer Nähe lebten, behandelt wurden. Wenn unsere Götter es wollen, so führt uns dieser Weg in eine neue Heimat.“ Ein dumpfes, schweres Grollen und ein deutlich spürbares Erzittern der Erde rings um uns her, ersparte uns jegliche weitere Überlegung. Was wir hier erlebten, war kein Erdbeben oder ein Ausbruch eines entfernten Vulkans. Die Droohr hatten wohl keine rechte Lust, mit ihren schweren Bordwaffen so lange das Felsmassiv zu beschießen, bis sie sicher sein konnten, uns restlos ausgelöscht zu haben. Diese dumpfe Grollen bewies den Einsatz einer thermonuklearen Waffe. Einige hundert Meter über uns würde jetzt wohl das gewaltige Felsmassiv unter Sonnentemperaturen verdampfen und verkochen. Ein Überzug aus flüssigem, langsam erkaltendem Gestein würde zurückbleiben. Ein neuerliches Rätsel für die damit befassten Forscher. Aber ich war mir sicher, dass sie eine alle befriedigende Erklärung finden würden. Auch unsere Nahrungsmittel würden nicht ewig reichen und auch Wasser hatten wir bisher nicht gefunden. Uns blieb nur die stille Hoffnung, dass der Weg nach unten, in verborgene Regionen der Erde, nicht unser Todesweg wurde. Die Treppe war bald erreicht. Tatsächlich wehte von unten ein ganz sachte spürbarer Luftzug zu uns herauf. In einem weit gezogenem Kreis führte die Treppe uns tiefer. Es gab keine seitlichen Abzweigungen und keine Möglichkeit, Rast zu machen. Nach zwei Stunden dieses mühevollen Abstieges, ordnete ich eine Rast an. Unser Trupp hatte sich immer weiter auseinander gezogen. Um die Trolle nicht in völliger Dunkelheit zu lassen, bekleideten sie unsere Leute mit den starken Handlampen, deren kernchemische Ladung für Monate Licht spenden würde. Länger jedenfalls, als wir ohne neue Lebensmittelvorräte noch zu leben hatten. Es ist doch ein wunderbarer und tröstlicher Gedanke, zwar ohne einen letzten guten Schluck, dafür aber in hellem Lichtschein verhungern und verdursten zu dürfen. Die Beine schmerzten von der ungewohnten Anstrengung und irgendwie verloren wir jede Orientierung. Auch das Zeitgefühl geriet uns langsam aber sicher abhanden. Wir waren nicht ganz vierundzwanzig Stunden unterwegs, aber es kam mir wie ein Marsch durch die Ewigkeit vor. Doch die ewigen Götter waren mit uns. Noch bevor es laut unseren Uhren ein zweites Mal Nacht sein müsste, hoch über uns, endeten die Stufen in einer weiten runden Halle. Schmucklos und aus den selben armlangen Steinquadern erbaut, wie die gesamte Anlage, umgaben uns die festen Mauern. Aber einen ersten Trost gab es für uns. In der Mitte der Halle befand sich ein recht kunstvoll gestalteter Brunnen mit uns völlig fremden Verzierungen und Figuren. Beinahe kochendes Wasser sprudelte aus der Tiefe empor und lief durch dazu vorgesehene Abläufe irgendwohin ab. Aber es enthielt weder Schwefel, noch sonstige Verbindungen, die unserer Verdauung nicht entsprochen hätten. Wir füllten unsere Wasservorräte auf und geduldeten uns, bis sie für unsere Kehlen trinkbar waren. Es gab neun Ausgänge aus dieser Halle. Aber alle waren durch schwere Tore verschlossen. Mit teuflischen Fratzen und recht ineinander verwobene Verzierungen hatten ihre, uns unbekannte Erbauer, dieses verziert. Damit standen wir vor einer neuerlichen recht unangenehmen Lage. Die Tore waren verschlossen. Ich schätzte, dass sie mindestens einen Meter stark und aus einem uns unbekanntem Material gefertigt waren. Wenn wir hier heraus wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als eines dieser Tore mit der Macht unserer Waffen aufzubrechen. Aber auch die Energie unserer Schwerter war nicht unbegrenzt und schon bei unserem ersten Versuch zeigte es sich, dass die Erbauer dieser Tore, technisch mindestens auf unserer Höhe gewesen waren. Was wie reine Bronze schimmerte, zeigte vor dem Energiestrahl unser Waffe nicht die geringste Achtung. Kein Kratzer, keine Verfärbung, nichts deutete auch nur die geringste Einwirkung an. Mit Sürdag und Skörin machte ich mich so notgedrungen daran, eine Möglichkeit auszutüfteln, um vielleicht durch den gewachsenen Fels die Tore seitlich umgehen zu können. Denn eines stand unumstößlich fest, aufbrechen konnten wir diese Tore nicht. Was dann geschah, verschlug uns allerdings fast den Atem. Von uns nicht sehr beachtet, hatte Skara sich ebenfalls einer der Tore genähert und stand nun etwas hilflos vor der gut zehn Meter hohen und breiten Metallwand. Ein merkwürdig schwingender Ton klang auf, der in den Ohren schmerzte, Steigerte sich aber sehr schnell zu einem tiefen Brummen. Das Tor vor dem Skara stand, begann sich langsam zu heben. Als sie erschrocken zurück sprang, senkte sich das Tor wieder herab. So schnell wir konnten, eilten wir zu ihr hinüber. Skara stand regungslos da. Dann machte sie wieder einige Schritte auf das Tor zu. Wieder vernahmen wir die noch nicht erklärbaren Geräusche und erneut hob sich das mächtige Tor an. Skara trat zurück und wartete bis sich das Tor erneut gesenkt hatte. Ihr war anzumerken, dass sie angestrengt überlegte. Skörin und ich standen nahe bei ihr, sagten jedoch kein Wort. Uns war längst klar geworden, dass das Tor auf Skara oder irgend etwas, das sie bei sich hatte, reagierte. Und Skara fand auch die Lösung. Mit einer langsamen Bewegung nahm sie den Schlüssel, den sie um den Hals trug, ab und hielt ihn in der offenen Hand gegen das Tor. Der Schlüssel gab ein leicht scharrendes Geräusch von sich und die Ornamente auf seiner Oberfläche verschoben sich zu einer neuen Zusammenstellung. Das für uns so unüberwindliche Tor stieg ein drittes Mal in die Höhe, bis es beinahe ganz in der Decke verschwunden war. Dann kam es zum Stillstand. Keiner von uns wollte so recht glauben was er sah. Aber das Ergebnis sprach für sich. Der Schlüssel, der bei den Asen nahezu alle Bereiche wie eine Art Fernbedienung öffnete oder bediente, hatte mit dem Mechanismus einer viele Tausend Jahre alten und immer noch voll funktionsfähigen Technik, eine Verbindung aufgenommen und den Arbeitsvorgang ausgelöst. Der weitere Weg, der uns in unbekannte Bereiche führte, war geöffnet. Die Erleichterung darüber, dass uns diese schimmernden Kolosse nicht zum Verhängnis wurden, war allen deutlich anzumerken. Uns Gegenüber gab es ein ebenso großes Tor wie das, das wir eben durchschritten. An der linken Seitenwand des rechteckigen weiten Raumes befand sich so etwas wie ein übergroßes Gegenstück zu Skaras Schlüssel. Nur war es nicht so verschnörkelt und in sich verschlungen gearbeitet. Hier herrschte strenge, mathematische Formgebung. Alle, auch die Trolle drängten sich in den recht großen, rechteckigen Raum. Ihre Stimmen schwirrten aufgeregt durcheinander. Skara trat vor das nächste Tor und hob ihm ihren Schlüssel entgegen. Zunächst ereignete sich nichts. Was mir jedoch sofort aufgefallen war, war die Tatsache, dass sich die Zusammenstellung, der in sich verwobenen Teile des großen Schlüssels an der Wand, beständig zu verändern begannen. Es sah aus, als ob sie sich völlig ungehindert durch sich selbst, bewegen könnten, als ob das Material aus dem sie bestanden, durchlässig wäre. Die Symbole seitlich und auf dem Schlüssel waren streng nach sachlichen Gesichtspunkten zugeordnet und so begann ich automatisch zu rechnen. Das, worin wir uns befanden, war alles andere als ein Aufzug. Glühend heiß durchfuhr mich die Erkenntnis, was das gesamte Gebilde darstellte, in dem wir uns befanden. Ich schnellte herum und brüllte so laut ich konnte. „Alles raus hier, oder wir sind für immer verloren!“ Ich sah nur in erschreckte Gesichter und mit deutlichem Dröhnen sank das geöffnete Tor wieder zu Boden. Noch ehe auch nur einer den Raum wieder verlassen konnte, waren wir in ihm eingeschlossen. Wir sind in keinem Aufzug und die ist auch keine Schleuse oder ein versperrter Weg.“ sagte ich müde und lehnte mich gegen die Wand. Über mir veränderte sich der Mechanismus noch immer mit leisem surren. „Was ist es dann?“ wollte Skörin wissen. „Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das hier eine gigantische Zeitmaschine. Wohin sie uns bringen mag, wissen nur die ewigen Götter. Mögen sie uns gnädig sein.“ * * * * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)