Schnee von june-flower ================================================================================ Ein Winter ohne dich wäre... ---------------------------- Hallo, ich bins wieder! Jep, die Koenigin des Chaos schlaegt zurueck. Alle Mann auf die Baeume! Ich hoffe, diese Fanfic ist in Ordnung und gefaellt euch vielleicht sogar.... Dumdidum.... Ich freue mich auf jeden Fall ueber Feedback! Schnee Ein Winter ohne dich wäre... Der Schnee fiel dicht und leise. Vor dem Fenster tuermten sich Schneewehen auf, auf den kahlen Aesten der Baeume lagen weiche Kissen. Aber auch wenn der Winter nun unwiderbringlich eingesetzt hatte, gab es Dinge, die sich niemals aendern wuerden. Schulpflicht, zum Beispiel. Aufseufzend sah Michael aus dem Fenster. Wie konnten Menschen dieses Gewimmel von eiskaltem Regen nur schoen finden? Und er musste die halbe Stunde zur Schule laufen. Er zog sich die Muetze ueber den Kopf, schlug den Jackenkragen hoeher, nahm seine Tasche und verliess das Haus. Das Maedchen stand an der Ecke. Ihre weissen Arme ausgestreckt, schien sie den fallenden Schnee freudig zu begruessen. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Gesicht laechelte in den grauen Winterhimmel. Sie trug ein leichtes, weisses Kleid - definitiv viel zu leicht fuer einen solchen Wintertag! Michael stockte, als er sie dort stehen sah. Sie schien ihn nicht zu bemerken. Ihre blossen Fuesse standen mitten in einer Schneewehe. Der Junge stuerzte auf sie zu, ergriff sie am Arm und zog sie zu sich herum. "Bist du verrueckt geworden? Du wirst dir noch den Tod ----" Das Maedchen wandte sich zu ihm um und ihm stockte der Atem. Sie hatte lange, silberweisse Haare und ein Gesicht, dass so filigran war, dass es aussah wie gemalt. Entgeistert starrte Michael sie an, und sie schien zu erwachen. Ihre Augen oeffneten sich und starrten ihn an. Sekunden vergingen, und beide starrten einfach nur. Dann schrie das Maedchen auf. "Lass mich los!" Ihre Stimme war sanft und leise. Dumm starrte Michael auf seine Haende hinunter, die er voellig vergessen hatte. Noch immer umklammerten seine unbehandschuhte Rechte ihren Oberarm. Er hatte noch nicht die Zeit gehabt seine Handschuhe ueberzustreifen, und begann die Kaelte jetzt zu spueren. Aber das Maedchen war warm. Wie konnte das sein? Sie hatte im eisigen Wind gestanden! Aber ihre Haut war warm, und er liess sie nur ungern los. "Wer bist du ueberhaupt?" Michael war sich nicht sicher, ob er seiner Stimme wieder voellig vertrauen konnte, aber er versuchte es. "Was machst du bei diesem eiskalten Wetter in diesem Kleid hier draussen? Wo wohnst du?" Das Maedchen wich zurueck, als ob es Angst vor ihm haette. Ihre Augen sagten das selbe, und der aengstliche Blick versetzte ihm einen Stich ins Herz. "Keine Angst," versuchte er sie zu beruhigen, "Ich bringe dich nach Hause, ja? Halt, wo willst du hin?" Das Maedchen hatte sich herumgeworfen und war davongestoben. Ihre kleinen Fuesse schienen den Schnee nicht zu spueren, ihn nicht einmal zu beruehren, als sie um die Ecke sauste und im Schneegestoeber verschwand. Kopschuettelnd setzte Michael seinen Weg fort. Der Schneefall setzte sich bis in den Abend fort. Mit zusammengebissenen Zaehnen machte Michael sich nach der Schule auf den Weg zu seiner Grossmutter. Er hatte es zu einer Angewohnheit gemacht, jeden Tag bei ihr vorbeizuschauen und ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen, Hausaufgaben zu machen und zu plaudern, seit seine Mutter und seine Geschwister bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Nun hatte er nur noch sie und seinen Vater, und letzterer wuerde nicht nach Hause kommen, bis es spaet in der Nacht war. Er hatte Spaetschicht im Krankenhaus, in dem er als Anaesthesist arbeitete, und ging seiner Arbeit verbissen nach, um den Tod seiner geliebten Frau zu verdraengen. Doch niemals vergass er seinen Sohn und arbeitete gewoehnlich nur halbwoechentlich, um fuer den Rest der Woche die Zeit mit Michael verbringen konnte. Michael liebte seinen Vater sehr und sie gaben sich gegenseitig Halt und Trost und waren fuereinander da. Fuer nichts in der Welt haette er seinen Vater und seine Grossmutter eingetauscht. Das kleine Haus war beinahe eingeschneit, nur der Pfad zur Tuer war drei, als waere der WInd hinueber gefegt und haette den Schnee beiseite geraeumt. Helles Licht brannte im Kuechenfenster. Michael brauchte nicht lange, um den koestlichen Duft zu bemerken, der sich unter der Tuer hindurchdraengte und in seine Nase stieg. Plaetzchen! Seine Grossmutter hatte mit dem Weihnachtsbacken begonnen. Aus dem Haus schallte ein froehliches Lachen. Mit wem lachte seine Omi wohl? Vielleicht hatte ihre Huendin Lelia wieder die Schuessel ausgeleckt.Die Huendin war die ewige Begleiterin der Familie und treu wie niemand sonst. Michael liebte sie heiss und innig. Er klopfte, und als ein froehliches "Herein!" erschallte, drueckte er den Tuergriff hinunter und stiess die Tuer auf. Die Tuer fuehrte direkt in die Kueche. In einem so kleinen Haus wie diesem war nie wirklich viel Platz gewesen. Es reichte aus fuer zwei Personen, und obwohl ihr Ehegatte schon vor mehr als 15 Jahren verstorben war, weigerte sich seine Omi, zu seinem Vater und zu ihm zu ziehen. "Dieses Haus haben wir gemeinsam gekauft, gemeinsam eingerichtet und gemeinsam bewohnt. Alles hier erinnert mich an ihn: Es ist, als ob er noch da waere. Er steht an der Tuer und sieht mir zu, und wenn ich mich schnell genug umdrehe, kann ich den Zipfel seines Hemdes oder das Laecheln in seinen Augen erkennen, waehrend er verschwindet. Ich bleibe." Und sie blieb. Nun stand sie am Kuechentisch, eine weisse, mehlbestaeubte Schuerze vor ihre kleine, zerbrechliche Figur gebunden, ihre Arme bis zu den Ellenbogen in Teig, und lachte von einem Ohr zum anderen. Die kleine Gestalt neben ihr wandte Michael den Ruecken zu. Ihr silbernes Haar war zu einem geflochtenen Zopf gebunden und hing ihr dick ueber den Ruecken hinunter. Wie angewurzelt blieb der Junge an der Tuer stehen und vergass, sie zu schliessen. Sofort stob der Schnee herein und schien die Figuren liebkosen zu wollen. Seine Omi schaute ihn tadelnd ueber den Kopf des Maedchens an. "Micha! Schoen, dass du da bist. Steh nicht so herum wie angegossen, mach die Tuer zu und hilf uns!" Michael schloss gehorsam die Tuer und entledigte sich seiner Jacke. Das Maedchen hatte sich mittlerweile umgedreht, um herauszufinden, wer der Besucher war. Und wieder starrten sich beide stumm an, ueber den mehlbestaeubten, mit Schokostraeuseln und aehnlichem versehenen Tisch.Der Junge machte einen Schritt vorwaerts, das Maedchen wich einen Schritt zurueck, und ihr Rueckzug wurde von einem Schrank gebremst, als sie sich den Kopf anstiess. "Aua!" Michael war mit einem Satz um den Tisch herum. "Alles in Ordnung?" Ihre klaren silbernen Augen bohrten sich in seine. Unwillkuerlich streckte er die Hand aus, und das Maedchen zuckte zurueck. Beschaemt zog er sie wieder zurueck und ging auf Abstand. "Entschuldige. Wir haben uns heute morgen schonmal gesehen. Ich bin Michael." Seine Grossmutter uebernahm das Wort. "Micha, dass ist Nieva. Sie wird erst einmal bei mir bleiben." Ehe Michael etwas antworten konnte, kam Lelia aus dem Nebenzimmer geschossen wie ein geoelter Blitz und begann, ihm das Gesicht abzuschlabbern. Dafuer musste sie sich auf die Hinterpfoten stellen, was ihr absolut nichts ausmachte. Kurzentschlossen legte sie ihre Vorderpfoten auf seine Schultern. "Lelia!" Michael versuchte ohne Erfolg, die Huendin beiseitezuschieben. "Was machst du denn da... Hoer auf!" Und ein Wunder geschah. Nieva fing leise an zu lachen. Ihr Lachen war genauso schoen wie ihr Aussehen und ihre Stimme, und Michael konnte nur staunend zuhoeren. Kristallklar und weich. Als auch seine Grossmutter anfing zu lachen, liess er sich einfach auf den Kuechenboden fallen, auf dem Nieva schon sass, und lachte mit ihr. Langsam, aber sicher, wurde Nieva zu einem Teil seines Lebens. Sie wartete auf ihn an der Ecke, da, wo er sie das erste Mal getroffen hatte, wenn er morgens zur Schule ging. Nun trug sie auch vernuenftige Kleidung und einen warmen Mantel. Sie war da, wenn er nach der Schule seine Grossmutter besuchen ging, und die drei unternahmen vieles. Museumsbesuche, Kino, Theater. Sie buken Plaetzchen und Kuchen, alberten mit Nuessen, die vergoldet werden sollten, und lachten viel. Aber immer, wenn Nieva nach draussen ging, um im Schnee zu spielen, einen Schneemann zu bauen oder eine Schneelaterne, blieb Michael drinnen. Er sah ihr nicht einmal vom Fenster aus zu. Deshalb sah es auch nie, wie das kleine Maedchen oft einfach nur dastand und die Arme in den Himmel streckte, dem fallenden Schnee entgegen, und wie die Flocken sich an sie schmiegten und sangen. Aber Grossmutter stand oft hinter den Gardinen der Kueche und laechelte leise, wenn ihr Blick zwischen ihrem Enkel und dem Maedchen hin und her schweifte. Eines Tages stelllte Michael die Frage. "Omi, wo kommt Nieva eigentlich her?" Seine Grossmutter richtete den Blick auf ihre Haende, in denen sie ein Kochbuch hielt. Nieva stand wieder draussen im Schnee, Michael konnte sie durch das Treiben der Flocken nur undeutlich erkennen. "Sie kommt aus dem Himmel, Micha." Der Junge lachte. "Nein, ich meine, hat sie keine Eltern oder Familie? Warum ist sie zu dir gekommen? Kanntest du sie schon vorher?" Seine Omi schaute seufzend auf. "Ich habe gewusst, dass du eines Tages fragen wuerdest, Micha. Aber das alles sind Fragen, die ich dir nicht beantworten darf. Sie muss es dir schon selbst erzaehlen, aber besser ist es, wenn du es selbst herausfindest." Michael schuettelte den Kopf. "Sie wird doch bei uns bleiben, nicht wahr?", verlangte er zu wissen und war sich selbst nicht bewusst, dass er "uns" gesagt hatte. Das Laecheln seiner Grossmutter wurde eine Spur trauriger und versetzte ihm einen Stich. "Ich weiss es nicht, mein Micha." Und die Tuer ging auf, ehe der Junge Zeit hatte zu fragen, was das nun schon wieder bedeuten sollte, und eine froehliche, ausgelassene Nieva tanzte herein, gluecklich strahlend, und bei ihrem blossen Anblick vergass er alle Fragen. "Meine kleine Schneeelfe," begruesste Grossmutter sie und nahm sie in den Arm. Michael sah zu, wie das Maedchen sich in den Arm der aelteren Frau schmiegte, und behielt das Bild lange in Gedanken. Weihnachten kam verschneit und strahlend, und nur wenige Menschen waren an diesem Tag auf dem Friedhof. Genaugenommenwaren Michael und sein Vater die Einzigen. Kurze Zeit spaeter gesellten sich Nieva und Grossmutter dazu. Das schlichte, marmorne Grab fiel niemandem besonders auf, und niemand wusste, welcher Schmerz hier begraben lag. Eine Mutter, Ehefrau und Tochter, mit ihren zwei juengsten Kindern. Michael kniff die Augen zusammen und ballte die Faeuste. Die Traenen wollten jedes Jahr kommen, immer und immer wieder. Wie er den Schnee hasste, der nun sanft wie eine Feder auf sein Gesicht fiel! Wollte er ihn etwa troesten? Wo er ihm seine Mutter und seine Geschwister genommen hatte? Vor vier Jahren hatte Miriella beschlossen, die Autofahrt nach Hause mit ihren juengsten Kindern, ihrem Sohn und ihrer Tochter, zu wagen, es sah nicht nach Schnee aus und sie wollte die Weihnachtstage bei ihrem Ehemann und aeltesten Sohn verbringen. Doch Schnee kann ploetzlich einsetzen, und bevor sie eine Gelegenheit hatte, an den Rand zu fahren und anzuhalten, war das Auto ins Schleudern geraten und geradewegs ueber die Klippen gestuerzt. Michael war elf gewesen, und es war das schlimmste Weihnachten seines Lebens gewesen. Seit dem hatte er sich aufgerafft und sie feierten eine kleine, andaechtige Weihnachtsfeier, immer im Gedenken an das, was sie verloren hatten. Niemand sprach ein Wort, waehrend der Schnee immer dichter fiel. Haette er Substanz geabt, haette Michael darauf einschlagen koennen. Eine federleichte Beruehrung am Arm liess in aufschrecken. Nieva stand an seinem Ellenbogen und sah zu ihm auf. Wie immer folgte er ihren Konturen mit den Augen und musste schlucken. Ihre Schoenheit war unbeschreiblich. Zoegernd schob sie ihre Hand unter seinen Arm, und er legte dankbar seine LInje darauf. Beinahe haette er im Gestoeber ihre leise Stimme nicht gehoert. "Wie bitte?" Nieva sah an ihm vorbei "Magst du keinen Schnee?" Der Junge lachte ironisch und leise. "Wie koennte ich Schnee moegen? Er hat meine Mutter umgebracht. Ich hasse Schnee!" Nieva zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und zog ihren Arm weg. Erstaunt sah Michael zu ihr hinunter. "Was ist ----" Aber sie hatte sich bereits herumgeworfen und war davongerannt, und sie schien im Schneetreiben zu verschwinden, als wuerde der Schnee sie zudecken. EIn perplexer Michael und ein noch perplexerer Vater blieben zurueck, waehrend die Grossmutter die Haende vor der Brust zusammendrueckte und sich fragte, was nun geschehen sollte. Alles zerstoert. Die Grossmutter fand das Maedchen auf ihrem Bett im kleinen Gaestezimmer, welches sie bewohnte. "Meine Schneeelfe," murmelte sie. "Er weiss es nicht besser." Nieva drueckte ihr Gesicht ins Kissen und schluchzte. "Es ist dir noch nie passiert, nicht wahr?", fragte die aeltere Frau. Nieva schuettelte den Kopf. In all der Zeit.... In der Ewigkeit des Schnees hatte sie sich noch nie verliebt. Grossmutter nahm sie fest in den Arm. "Er wird es merken", fluesterte sie, Aber das Maedchen presste ihr Gesicht an die Schulter der Frau und schuettelte den Kopf. "Er hasst Schnee." In der naechsten Zeit begann der Schnee langsam zu schmelzen und mit ihm ging ein Stueck von Nieva. Sie wurde duenner und blasser, sodass ihre ohnehin weisse Haut einen totenaehnlichen Zug bekam. Besorgt sahen alle zu, wie sie immer schwaecher wurde. Seit dem Tag am Grab hatte sie nicht mehr mit Michael gesprochen, und der arme Junge, der nicht einmal wusste, was er falsch gemacht hatte, machte sich mehr und mehr Sorgen. Aber Grossmutter, die Nieva mit Leib und Seele umsorgte, liess nicht zu, dass er zu lange in ihrer Naehe blieb. Sie selbst verbrachte Stunden an Nievas Bett, sprach mit ihr, fuetterte sie und hielt ihre Hand, wenn sie sich unruhig hin und her warf. Einmal fand Michael, der von der Schule nach Hause kam, beide schlafend vor, Nieva und seine Grossmutter nebeneinander auf dem grossen Bett. Leise, um sie nicht zu wecken, schlich er ins Zimmer und betrachtete die beiden. Nieva sah wirklich nicht gut aus. Auch der Arzt hatte nichts finden koennen und gute Pflege und reichhaltige Nahrung empfohlen. Michael hatte das Gefuehl, dass seine Grossmutter im Gegensatz zu ihm genau wusste, was Nieva fehlte, es ihm aber hartnaeckig verschwieg. Nun, da er Nieva so bleich daliegen sah, glich sie mehr und mehr dem Schnee, den sie so liebte. Aber ihre Haare waren stumpf, ihre wunderschoenen Gesichtszuege bleich und eingefallen. Ihre Augenlider flatterten, waehrend ihre Brust sich langsam hob und senkte. Vorsichtig beugte er sich vor. Er wollte sie nicht wecken, aber etwas zog ihn. Sanft kuesste er sie auf die Stirn. "Bitte erhol dich wieder!" Der Junge setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett, und bald war auch er eingeschlafen. Fruehling kam langsam, aber mit deutlichen Anzeichen, und er schien Nievas Lebenskraft aufzusaugen. Das Maedchen war so schwach, dass es nicht einmal aufstehen konnte. Aber noch immer weigerte es sich beharrlich, Michael auch nur anzusehen. Michael fuehlte sich schrecklich, er hatte ein Gefuehl, dass er fuer ihren Zustand verantwortlich war, aber konnte sich nicht erklaeren, wie. Auch seine Grossmutter antwortete nicht darauf. Sie kuemmerte sich liebevoll um ihre kleine "Schneeelfe" und wich ihr nicht von der Seite, bis der Tag endlich kam. Schule hatte gerade geendet und Michael war bereits auf dem Weg nach Hause. Er wollte nach Nieva und Grossmutter sehen, und dann mit den Hausaufgaben beginnen. Ausserdem war er muede, seine Sorge um das Maedchen raubte ihm beinahe den Schlaf. Er rieb sich die Augen und zwang sich aufzupassen, als er in die Strasse einbog, die zu ihrem Haus fuehrte, und dort stand sie. Genauso, wie als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Ein kleines Maedchen, mitten auf dem Gehsteig, mit einem leichten, weissen Kleid und barfuss. Aber heute war sie duenn und schwach und hielt sich nur mit Muehe auf den Beinen. Michas Gedanken gefroren, wie hatte sie es bis hierhin geschafft? Sie wuerde sterben, wenn sie sich weiter so uebernahm! Er machte einen Satz auf sie zu, und hielt ploetzlich inne. Nieva sah ihn nicht an. Aber die Ueberreste des Schnees, die die Sonne schoen beinahe hatte verschwinden lassen, wurden ploetzlich wieder zu weichem, weissen Schnee, der um Nieva herumwirbelte und ihre zarte Gestalt verdeckte. Atemlos sah er zu, wie er immer schneller wirbelte. Und Nieva drehte den Kopf und sah ihn an, und sein Herz blieb stehen. Ihre Augen waren voll Traenen, aber so wunderschoen. Er wollte nicht, dass sie traurig war. Automatisch machte Michael einen Schritt auf sie zu, aber ein Wind hob an und liess die letzten Schneeflocken des Winters umherwirbeln. Er musste sich die Hand vor die Augen halten, um ueberhaupt etwas sehen zu koennen. Eine silberne Traene rollte ueber die Wange des Maedchens und fiel in den Schnee. Der Junge konnte sehen, wie sie immer durchsichtiger wurde und streckte verzweifelt die Hand aus, um sie festzuhalten. "Nein!" Seine Hand griff ins Leere. "In der Ewigkeit des Schnees....." Die Worte hallten leise durch Michas Kopf, und als er wieder klar sehen konnte, war Nieva verschwunden. Nicht einmal der Schnee blieb zurueck. Grossmutter nahm ihr Verschwinden erstaunlicherweise viel gelassener hin als Michael. "Du kannst sie nicht halten," bemerkte sie. "Nicht nach diesem Satz." Michael spuerte, dass er nun endlich etwas Klarheit bekommen wuerde. "Schneeelfe. Warum nennst du sie so?" Seine Grossmutter sah ihn merkwuerdig an. "Welcher Name kommt dir in den Sinn, wenn du sie ansiehst?" Abgesehen davon, dass Michael sie nicht mehr ansehen konnte, fand er ein erstaunlich klares Bild in seinem Kopf. Nieva, suess und zart, mit ihren silberweissen Haaren und grauen Augen und den zarten Gesichtszuegen schien tatsaechlich einer Schneeelfe zu gleichen. "Aber Schneeelfen gibt es nicht!", begehrte er auf. Seine Grossmutter laechelte nur. Nachdem das erste Entsetzen ueber Nievas Verschwinden abgekungen war, tat es nur noch weh. Michael fand heraus, dass die kleinsten, alltaeglichsten Dinge ihn an das Maedchen erinnern konnten. Nach und nach ebbte der Drang, wieder und wieder auf die Wand einschlagen zu wollen, ab, und zurueck blieb eine quaelende Einsamkeit. Seine Grossmutter beobachtete ihn genau. Aber auch sie konnte nicht viel tun, deshalb wartete sie einfach nur ab. Der Fruehling kam mit Maigloeckchen, Primeln und Tulpen. Der Sommer brachte glorreiche sonnige Tage und wunderschoene Momente am Strand oder im Garten. Und der Herbst liess den Wind durch den Garten fegen und zwang Michael, alle Blaetter, die er am Tag zuvor auf einen Haufen geharkt hatte, erneut zusammenzuharken. Und der Winter naeherte sich. Als Michael eines Tages um die Ecke bog, war sie da. Nieva stand am selben Platz, wo sie immer gestanden hatte. Ihre Haare verbargen ihr Gesicht. Schnee wirbelte um ihr Kleid und um ihre Gestalt. Sie war mager - oh, so mager! Und sah immernoch so zerbrechlich aus. Michael, der seinen Augen nicht traute, blieb wie angewurzelt stehen. Nieva hatte ihn bemerkt und wandte ihm langsam ihr Gesicht zu. Ihre Augen waren so traurig, dass sein Herz sich zusammenzog. Sie richtete ihre Augen auf ihn, die allen Glanz verloren hatten. "Keine Sorge, dieses Jahr gibt es nur fuer einen Tag Schnee." Ihre Stimme war unsagbar leise. Noch immer stand der Junge wie festgefroren auf der Stelle und brachte kein Wort hervor. "Ich weiss, dass du keinen Schnee magst, also wird es nicht viel geben, aber etwas muss sein. Es tut mir leid." Als der Schnee wieder begann, um sie herumzuwirbeln, wurde ihr Koerper wieder durchsichtig. Sie wollte wieder verschwinden, realisierte Michael. Und dann: Das darf sie nicht! Auf einen Schlag hatte er seine Stimme wieder. "Nieva!" Das Maedchen drehte sich langsam um. "Nieva, ich habe meine Meinung geaendert. Ich liebe Schnee!" Nieva sah nicht so aus, als haette sie verstanden, was er da gerade gesagt hatte. Vorsichtshalber wiederholte er es noch einmal. "Ich liebe Schnee, Nieva. Du brauchst nicht wieder gehen." Langsam drehte sich das Maedchen ganz um. Ein Funken Farbe kehrte in ihre Augen zurueck, als sie mit zitternder Stimme fragte: "Du liebst Schnee? Wirklich?" Michael, der deiner Stimme nicht traute, nickte nur. "Ich darf also bleiben?" Wieder nickte er. "Ach Micha!" Sie flog auf ihn zu, und der Junge bereitete die Arme aus und fing sie auf. Der Schnee wirbelte um beide herum, der erste Schnee des Winters, und der Wind liess ihn sanft und leise singen. Inmitten des Liedes aus Schneekristallen standen Michael und Nieva und umarmten sich fest. Leise bedeckten Flocken die Erde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)