Fall eines Engels von Celestit ================================================================================ One Shot -------- Der Himmel... Für die Menschen ist er das „Dach“ ihrer Erde, ihrer Heimat. Für mich und meinesgleichen ist der Himmel unser Zuhause, denn ich bin ein Bewohner ihres Himmels. Man nennt mich Raphael, ich bin ein Engel... Ich bin ein Geschöpf des Himmels, seitdem ich denken kann. Ich lebe in einer Welt die Menschen als Paradies bezeichnen würden. Streit, Konflikte, Krieg oder Hass; all dies existiert hier nicht. Engel leben friedlich zusammen, respektieren sich. Dennoch gibt es auch im Himmel Gesetze, welche befolgt werden müssen. Wir Himmelsgeschöpfe leben immer mit einem Partner des anderen Geschlechtes zusammen. Der Name meiner Partnerin ist Sharee, sie ist ein gütiges und sanftmütiges Wesen. In den Augen von Menschen würde diese „Partnerschaft“ wohl gleichbedeutend mit dem irdischen Begriff „Beziehung“ sein. Sie würden womöglich den Begriff „Liebe“ nützen, würden ihn untrennbar mit dem Wort Partnerschaft, wie wir Engel sie führen in ihrer Vorstellung, verbinden. Engel tun dies jedoch nicht. Das höchste Gesetz im Himmel verbietet es; besagt das es die größte Sünde die wir begehen können, Liebe zu empfinden. Zu lieben ist demnach das größte Verbrechen, welches Engel begehen können. Engel sind reine Geschöpfe, müssen dies bleiben. Die Empfindung „Liebe“ befleckt jedoch die Seele eines Himmelsbewohner, so besagt die Regel. Doch ich - ausgerechnet ich! - habe gegen diese Regel verstoßen, habe die Sünde begangen. Ich liebe ein Wesen von unvergleichbarer Schönheit und Anmut. Die Partnerin eines anderen Engels. Ich weiß, dass mich dafür eine Strafe erwartet. Sie haben sie bereits verurteilt, die Verurteilung wurde ohne mein Beisein geführt - jene die über ihr und auch gewissermaßen mein weiteres Schicksal entscheidet. Ich weiß nicht wie das Urteil ausgefallen ist, was sie mit ihr gemacht haben. Doch was ich weiß: ich werde sie nie wieder sehen können... Es sind nur noch ein paar Tage, bis mein eigenes Urteil gesprochen wird. Sie haben mir bereits einen Boten mit dem Pergament, welches mein Unglück endgültig besiegelt hat, gesandt. Ich weiß nicht was mit mir geschehen wird. Doch ich fürchte mich vor dem was mich erwartet. Gerade ich, Raphael, einer der angesehensten Engel im Himmel, fürchte mich. Welch Schande... Für die anderen Engel kam die Verkündung das ich das höchste Gesetz gebrochen habe, so völlig unerwartet. Sie konnten und wolten nicht glauben. So viele von ihnen bewunderten mich. Doch jetzt? Wenn ich jetzt in die Gesichter der Ältesten blicke, sehe ich Verachtung. Verachtung dafür, dass ich das schönste Gefühl aller Empfindungen erfahren habe? In den Gesichtern der jüngeren, Enttäuschung. Enttäuschung darüber, dass ich nicht perfekt bin? Aber auch Wut. Wut darüber, dass ich Erwartungen nicht erfüllt habe. Der Tag meiner Verurteilung rückt unbarmherzig näher... „Raphael!“ Das ist doch die Stimme Sharees? Ich drehe mich um. Sie ist es wirklich. Seit der Publikmachung meines Verbrechens hat sie nicht mehr mit mir geredet! Was kann sie jetzt nur wollen? „Sharee?“ Ich versuche meine Stimmung so normal wie möglich klingen zu lassen, doch es gelingt mir nicht die Verwunderung, darüber das sie mich sprechen möchte, aus meiner Stimme zu verbannen. Sie scheint es nicht zu bemerken. Ich blicke meine Partnerin aufmersam an. Lächelt sie? „Raphael, ich möchte dir mitteilen, dass ich einen neuen Partner zugewiesen bekommen habe.“ In mir zieht es sich zusammen. Engel bekommen nur in einem Fall einen neuen Partner zugewiesen wenn klar ist, das ihr derzeitiger Partner in Zukunft nicht mehr an ihrer Seite sein werden. Was wird mit mir geschehen? Sie ist doch mit dieser Regelung auch vertraut! Wie kann sie dann immer noch lächeln? Besitzt Sharee denn keine Gefühle? Ihr Lächeln, wie mir bewusst wird, ist wie eingraviert in ihre ebenmäßigen Gesichtszüge. War sie schon immer so gefühlskalt? War ich auch mal wie sie? „Ist das so? Wer wird dir zukünftig beiseite stehen?“, frage ich sie. Doch meine Stimme verrät, trotz der gewählten Worte, wie geschockt, geängstigt und nervös ich bin - angesichts dieser Botschaft. Shanees Lächeln bleibt beständig. Ich kann es nicht verstehen. Ist Shanee nur eine leere Hülle ohne Emotionswelt? Sind alle Engel so und ich bin erst jetzt in der Lage dies zu realisieren, da ich nicht mehr wie sie bin? „Es wurde Kalius erwählt.“, beantwortet meine ehemalige Partnerin mir die Frage ruhig. Dieser Name sagt mir etwas und ich muss kurz nachdenken. Kalius... Das ist der Junge den ich vor kurzem hier in den Himmel geleitet habe. Aus welchem Grund wird er einem Reinengel wie Shanee zugeteilt? So respektvoll wir Himmelbewohner auch miteinander umgehen, gibt es dennoch Unterschieden: Engel ist nicht gleich Engel... Es gibt Reinengel, wie Shanee und mich, die hier im Himmel geboren werden. Geburt bedeutet allerdings im Himmelsreich nicht, dass ein weiblicher Engel ein Kind gebärt. Nein, so unvorstellbar es sein mal, wenn eine unserer heiligen Götterrosen ihre Knospe öffnet wird ein Engel geboren. Menschen jedoch pflanzen sich durch Geschlechtsverkehr, welcher idealerweise aus Liebe vollzogen wird, fort. Aus Liebe... die Wurzel meines Problems. Dann gibt es noch die Menschen die zu Engeln werden. Hat ein Mensch in seinem Leben große Taten vollbracht, andere Menschen nie verurteilt hat, ihren Mitmenschen geholfen und sein Leben gewaltfrei verbracht, so besteht die Chance das er ein Engel wird. Kinder, die voller Reinheit, voller Unschuld aus dem Leben gerissen werden, werden im Himmel weiterleben können. Engel wie ich geleiten sie in unsere Welt und unterstützen sie sich hier zurechtzufinden. Kalius ist auf der Erde ein normaler Jugendlicher gewesen, doch er starb vor drei Erdenwochen. Er war, die Menschen würden sagen: zur falschen Zeit am falschen Ort. Er starb bei dem Versuch einer jungen Frau helfen, die von einem Fremden bedroht wurde. Als Kalius auf der Bildfläche erschien, verlor der Mann die Nerven und schoss auf den Jungen. Kalius starb. Ich habe ihn dann hier her geleitet. Wie viele Menschen habe ich schon in den Himmel geholt? So viele wie kein anderer. Ich habe Mitleid mit diese Menschen, die weg müssen von einem Leben das sie liebten. „Ich wünsche dir, dass dein Urteil milde ausfällt. Wir würden einen der größten Engel im Himmel verlieren.“ Dies sind die letzten Worte die ich von Shanee hörte, danach sah ich sie nie wieder. Obwohl die Worte von Gefühl zeugen sollten, klangen sie nicht so. Ich frage mich bis heute ob Engel nicht nur Puppen ohne Seele sind und erst die vermeintliche „Sünde“ Liebe begehen müssen, um das Leben beginnen zu können. Schließlich ist der Tag meiner Urteilssprechung gekommen. Ich fühle mich so seltsam leer als ich den Saal, in dem unsere Herrin mich erwartet, betrete. Langsam gehe ich auf den Thron zu. Zwei Meter davor knie ich, als Zeichen des Respekts, nieder und senke meinen Blick auf den Boden. „Raphael, du weißt warum ich dich zu mir rufen ließ?“ Die Stimme der Herrin ist so melodisch wie immer. „Ja, Herrin.“, antwortete ich vernehmbar. Selbstverständlich weiß ich es. „Du bist dir also im Klaren darüber welches Verbrechen du begangen hast?“, werde ich weiter befragt. Ich schließe die Augen, senke den Blick etwas mehr, zögere einen Moment mit der Antwort. „Ja, Herrin.“ Ich verstehe jedoch nicht, warum es als Sünde angesehenen wird. Menschen brauchen Liebe um zu überleben, uns Engeln soll es verboten sein? Warum? „Es ist der Größte Makel der Menschen. Liebe mag ein wunderbares Gefühl sein, aber sie ist immer mit Schmerz verbunden. Zu viele Menschen zerbrechen auch an ihr.“ Ich blicke wieder etwas verwundert auf, hebe den Kopf beinahe zu respektlos. Hat sie meine Gedanken gelesen? Was die Herrin sagt ist nicht wahr! Auch der Schmerz gehört zur Liebe, er macht die Liebenden stärker werden, ist er erst mal überwunden. „Das stimmt wohl, Raphael, aber für euch Engel ist es Sünde, ein Verbrechen. Ich muss dich, so Leid es mir tut, verurteilen. Raphael, bei dir fällt es mir am schwersten, du hast mir immer guten Dienst erwiesen. Du warst der wohl treuste meiner Engel.“, spricht die Herrin weiter, klingt am Ende wahrhaftig fast betrübt. Ich presste die Lippen aufeinander. Es stimmt: Ich habe immer getan was mir aufgetragen wurde. „Es ist mir eigentlich nicht erlaubt, dennoch werde ich dein Urteil vermildert fällen." Nun verstehe ich noch weniger als zuvor. Verschonen? Was bedeutet dies für mich? „Das Urteil für dieses Verbrechen wäre eigentlich die Verbannung aus dem Himmel. Wie du weißt, bedeutet dies für ein jeden Engel den Tod.“ Gewiss, außer im Himmel können Engel nirgends überleben - verlassen wir den Himmel, werden wir schon bald von den Jägerdämonen getötet. „Auch du wirst sterben, jedoch gebe ich dir die Möglichkeit in einem menschlichen Körper wiedergeboren zu werden. Ob du eine Frau oder ein Mann sein möchtest überlasse ich dir.“ Ich vermag es nicht glauben. Ich darf als Mensch wiedergeboren werden? Ich schlucke, warte auf weitere Worte, ehe ich wieder zu sprechen wage. „Nun Raphael, nimmst du das Urteil an?“, höre ich endlich die alles entscheidende Frage. Ich sehe wieder leicht auf, kann erkennen das die Herrin lächelt. Dieser Anblick beruhigt, trotz meiner auswegslosen Situation, ein wenig. Ich finde so die Kraft klar und deutlich, ohne Angst, zu antworten. „Ja, Herrin. Ich möchte als Mann ein neues Leben beginnen können.“ Ich merke das ich selbst für einen Moment lächele, nicht wie früher, sondern melancholisch. Doch da ist dennoch etwas was ich wissen muss... Ich sehe soweit auf, wie es mir möglich ist, ohne respektlos zu erscheinen. „Ist Tilia..?“ Ich kann die Frage nicht aussprechen. Wurde Tilia auch dieses Urteil angeboten? Besteht die Hoffnung, dass wir uns als Menschen wieder begegnen? Ich linse noch mal hoch, die Herrin scheint das zu merken - sie schüttelt den Kopf. „Nein, Raphael. Tilia wurde verbannt.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe um aufkommenden Tränen zu unterdrücken, welch ungewohntes Gefühl Ich verstehe das nicht. Das ist doch nicht fair. „Warum, Herrin?“, zische ich zwischen den Zähnen hervor. Ich bin wütend, wieso tut die Herrin mir sowas an? Soll das meinem spezielles Urteil einen schmerzhaften Beigeschmack geben? „Sie war nicht wie du, Raphael. Sie war nicht so treu wie du, sie hat meine Aufträge manches Mal missachtet. Sie war es nicht wert.“ Ich mag meinen Ohren nicht trauen! Sie war es nicht wert? Nicht wert? Ich glaubte diese Abwertung, diese Art des Selektion haben nur die Menschen. Jeder ist doch gleichwertig! Oder... oder etwa nicht? „Du solltest jetzt gehen. Ich werde dir einen Boten schicken, dir mitzuteilen wann das Urteil vollstreckt werden soll. Du wirst dich an dein Leben, hier im Himmel, in den ersten Jahren deines Menschenlebens nicht erinnern können. Die Erinnerung wird nach und nach wieder kommen, wenn du ein angemessenes Alter erreicht hast.“ Ich nicke nur teilnahmslos, erhebe mich und verlasse langsam den Saal, ohne noch einmal etwas zu sagen. Doch die Herrin gibt mir noch ein paar letzte Worte mit. „Menschen, dürfen lieben. Ich wünsche dir das du jemanden findest, mit dem du Liebe ohne Schmerz erleben kannst.“ Ich habe nie geglaubt dies je von unserer Herrin zu hören. Doch als sie dies sagte, verstand ich warum ich diesen Urteilsspruch erhalten habe. Es sind 2 Tage vergangen, als der Bote mich aufsucht Er fragt mich ob ich mich verabschiedet hätte. Ich muss, gegen meinen Willen, unweigerlich lachen. „Von wem hätte ich mich verabschieden sollen? Alle Engel meiden mich, seit bekannt wurde das ich gegen das Gesetz verstoßen habe!“, erwidere ich schließlich matt. Ich fühle mich müde, seit ich den Saal verlassen habe, doch ich weiß: bald ist dieses Leben, das Leben als Engel, vorbei. Als ich den Himmel verlassen habe kommen auch sogleich die Jägerdämonen. Ich habe das Gefühl sie haben mich bereits erwartet. Ich schließe die Augen, will nicht sehen das sie sich gleich auf mich stürzen. Schmerz verzerrt meine Gesichtszüge, als ich Klauen und Krallen meine Haut durchringen fühle. Der Schrei, entweicht hier im Nichts meiner Kehle nicht, als ich das merke, dass sie mich zerreißen, zerfetzen - meine jetzigen Existenz restlos vernichten werden. Ich bin froh, fast erleichtert, als die Dunkelheit mich restlos umhüllt und mein Bewusstsein löscht. 25 Jahre später „Die Geschichte ist aber traurig, Papa.“, flüstert Rin, als ich die Geschichte mit dem Verlassen des Himmels für meine Tochter beende. Das kleine 5-jährige Mädchen sieht mich mit verdächtig schimmernden Augen an. Ich lächele sie beruhigend an, decke sie behutsam zu. „Ja, aber Raphael hat heute ein wunderschönes Leben und hat die Liebe ohne Schmerzen gefunden.“, beschwichtige ich sie, mit beruhigender Stimme. Ja, das hat er, oder besser gesagt ich. Denn ich bin der Engel aus der Geschichte. Ich gebe meiner kleinen Tochter noch einen Kuss. „Ich wünsche dir eine schöne Nacht. Schlaf jetzt gut, mein kleiner Engel.“, flüstere ich sanft und erhebe mich von der Battkante. Rin kuschelt sich wohlig in die Decke und schließt die Augen, ich knipse das Licht aus und verlasse leise den Raum. Ich streckte mich noch mal und gehe ins Wohnzimmer wo Mao, meine Frau, auf mich wartete. „Na, schläft sie?“, erkundigt sie sich leise. Seufzend lasse ich mich neben ihr auf die Couch nieder. „Ja, so gut wie. Ich habe ihr noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt.“ Sanft kuschelt mich meine Frau an mich. Andächtig streiche ich ihr über das Haar, einen Moment gedankenverloren wie lange ich Mao schon kenne. Schmunzelnd denke ich daran wie mein Leben verlaufen ist, ich hätte nicht gedacht das ich einmal in meiner Jugendzeit Sportler sein werde - ein ziemlich erfolgreicher Beyblader sogar. Inzwischen sind aber weder Mao noch ich mehr allzu aktiv. „Ich liebe dich, Mao.“, spreche ich leise, aus einem Impuls heraus, zu meiner Frau. „Ich dich auch, Rei.“ antwortet sie mir und kuschelt sich noch näher an mich. Rei. Mein irdischer Name, viel ist nicht von meinem ursprünglichen Namen geblieben. Nur der Anfangsbuchstabe. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre mein früheres Leben im Himmel nur ein Traum. Doch wenn ich in den Spiegel sehe, kann ich noch manchmal die Schwingen sehen... - So, das war mein erster One Shot *räusper* *hust* Ich denke diese Idee gibt’s schon zigmal, ich hoffe das trotzdem, dass das jemand gelesen hat. Wenn ja, hinterlasst Kommis ^^ Eure, Black Rose Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)