Das Rad des Schicksals von Blacklady86 (Das letzte Gefecht) ================================================================================ Kapitel 14: In letzter Sekunde ------------------------------ Die abgetrennte Hand hielt Mars fest. Dann schob sich ein Bein des Schwarzen Ritters zwischen ihre Füße und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie stürzte, der andere Ritterarm schlang sich um ihren Hals und die Fingerschnitten ihr die Luft ab. Sie versuchte sich mit beiden Händen zu befreien, spürte aber, wie ihre Kräfte rasch schwanden. Als dann auch noch die anderen Körperteile auf sie einschlugen, verdunkelte sich der Gang vor ihren Augen. Es war natürlich nicht der Gang, der sich verdunkelte. Vielmehr trübte sich Mars Sicht zunehmend. Der Kampf dauerte nun schon Stunden; wenigstens war das ihr Eindruck. Zu dem hatte sie das Gefecht mit den Schattendämonen sehr erschöpft. Wie leicht wäre es, einfach wegzudriften! Aber wenn sie jetzt das Bewusstsein verlor, wachte sie nie wieder auf. Dann würde sie nämlich nicht in einen Traum abdriften. Es wäre ihr sicheres Ende, wenn sie sich nun von diesem Rittergeist besiegen ließ. Also zwang sie sich, wach zu bleiben, und zog fester an dem Handschuh. Sie ignorierte den stärker werdenden Druck an ihrem Hals und zog immer weiter, bis sich endlich sein Griff lockerte. Als der Handschuh losließ, schleuderte sie ihn weit von sich. Mars setzte sich auf und trat nach ein paar Rüstungsteilen, die sie erneut angriffen. Die folgende kleine Ruhepause nutze sie, um kräftig durch zu atmen. Aber es dauerte nicht lange, da stürzten sich die unterschiedlichen Teile der lebendigen Rüstung schon wieder auf sie und die metallenen Gliedmaßen schnappten nach ihr und verletzten sie. Es muss einen Weg geben, dem Spuk ein Ende zu setzen! Aber während Mars darüber nachdachte, war sie sich dessen plötzlich gar nicht mehr so sicher. Denn wenn jemand eine Rüstung verzaubert, dann ja wohl ganz und gar. Das Ding griff vermutlich an, bis es in einzelne Atome zerlegt war, und sogar die wären am Ende noch gefährlich. Wer wusste schon, was sie in der Lunge anrichten konnten, wenn man sie einatmete? Doch Mars war nicht bereit einfach aufzugeben. Sie schnappte sich eines der Metallbeine und schlug damit auf die anderen Teile ein. Die wichen vor ihrem wilden Ansturm zurück. Aber sobald sie dem nächsten Blechstück zuwandte, startete das vorhergehende einen neuen Angriff auf sie. Ein Arm angelte nach der großen Keule und zielte damit auf Mars Beine. Sie wich aus und versuchte die Keule zu fassen. Kräftig schüttelte und zerrte sie daran, aber der Arm wollte seine Waffe nicht freigeben. Also rammte Mars die Keule so fest sie konnte mit dem Griff voran in den Boden. Der Arm löste sich, Mars zog die Keule rasch wieder heraus und prügelte unbarmherzig auf den Arm ein. Einen Augenblick lag er regungslos da, dann zuckte er ein paar Mal. Offenbar wollte er weiterkämpfen. Da kam Mars eine Idee. Sie lief zu dem Helm, der sich bisher aus dem schlimmsten Gefecht herausgehalten hatte. Als sie sich ihm näherte, versuchte er wegzuhoppeln. Mars jedoch war schneller. Sie schwang die Keule, wirbelte sie zweimal über den Kopf, um Schwung zu holen, und drosch auf den Helm ein. Metallsplitter schossen durch die Luft. Mit erhobener Keule schlug Mars noch ein letztes Mal auf den Helm, vielmehr auf das, was noch von ihm übrig war. In diesem Moment blieben alle Rüstungsteile still liegen. Der Helm war das Gehirn!, dachte sie atemlos. Wenn man ihn tötet, zerstört man das Ganze. Darauf hätte sie nun wirklich früher kommen können! Mars wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie plötzlich ein Geräusch hörte. Sie legte den Kopf auf die Seite und lauschte einige Atemzüge lang mit geschlossen Augen. Nach kurzer Zeit wiederholte sich das Geräusch. Es kam von sehr weit her, und Mars war sich zunächst unsicher, um was es sich handeln könnte. Dann aber hörte sie das klirren von Metall und einen einzelnen, durchdringenden Schrei. Lead Crows Schädel dröhnte. Ihr war schwindelig und ihre Beine hatten einfach nicht mehr die Kraft, das Gewicht ihres Körpers zu tragen. Alles verschwamm vor ihren Augen. Dennoch stemmte sie sich in die Höhe und kroch auf Händen und Knien auf Serenity und ihr wehrloses Oper zu. „Lass sie in Ruhe“, stöhnte sie. „Was tust du da? Hör auf, um alles in der Welt!“ Serenity tat etwas mit Bunny, das sie nicht genau erkennen konnte und wandte kurz den Kopf, um sich mit einem raschen Blick davon zu überzeugen, dass sie außer Reichweite war. Sie würde das Mädchen töten, schoss es Lead Crow durch den Kopf. Sie würde das zu Ende bringen, wobei sie sie gestört hatte und sie hatte nicht die Kraft, sie daran zu hindern. Plötzlich erschallte ein so gellender, unmenschlicher Schrei durch die Bibliothek, dass ihr schier das Blut in den Adern gefror und ein weißer Energiestrahl schoss so nahe an Lead Crow vorbei, das sie den Luftzug an ihrer Wange spüren konnte. Der Strahl bohrte sich durch Serenitys Oberarm und riss sie von Bunny herunter. Von all den überraschenden und schrecklichen Dingen, denen Pluto während ihrer langen Zeit als Sailor Kriegerin begegnet war, gehörte diese Kreatur, die sich langsam von der Decke herunterhangelte, wohl zu den entsetzlichsten von allen. Es sah aus wie eine Spinne, war jedoch so groß wie eine Kuh und um einiges massiger. Pluto glaubte, einen aufgedunsen Leib zu sehen, drahtige schwarze Haare, die im blassen Lichtschein wie Metall glänzten, lange, staksende Beine, die in messerscharfen Klauen endeten und eine Traube faulig glänzender Augen, die von einer so abgrundtiefen Bosheit und Gier erfüllt waren, dass ein einziger Blick einen Menschen den Verstand rauben konnte. Instinktiv zogen sich Pluto und Tin Nyanko voneinander zurück; die Eine bewegte sich nach links, die Andere nach rechts. Sie wollten sich strategisch verteilen, um ihre Kräfte sinnvoll gegen einen scheinbar stärkeren Gegner einzusetzen. Die Kreatur hing genau zwischen ihnen und schaute von Einem zum Anderen; anscheinend überlegte sie, wer zuerst an die Reihe kam. Tin Nyankos Verstand weigerte sich zu erkennen, was ihre Augen ihr mittelten, und die trainierten Reflexe und Reaktionen der Kriegerin gewannen die Oberhand. Sie schüttelte ihr Entsetzen ab und stürzte sich mit einem Sprung auf das Wesen, um ihm den Absatz ihres Stiefels in die Brust zu rammen. Der Plan war perfekt... bis sich die Kreatur von ihrem Netz löste und mit einem dumpfen Laut zu Boden fiel. Nun war nichts mehr da außer der Wand, um Tin Nyakos Flug zu stoppen. Sie prallte gegen die Mauer und landete hart auf den Boden. Während dessen wandte sich das Spinnewesen Pluto zu. Ihre zahlreichen Beine peitschten durch die Luft, wobei sie den Kopf der Kriegerin nur um Millimeter verfehlten und hinterließen tiefe Furchen in den Wänden. Instinktiv wollte Pluto noch weiter zurück weichen, unterdrückte den Impuls jedoch und zwang sich dazu stehen zu bleiben. Als die Beine erneut nach ihr Schlugen, warf sie sich zu Boden, registrierte, wie Tin Nyanko wieder auf die Füße kam, und tauchte unter dem Angriff des Dämons hinweg. Auf der Seite liegend, trat sie ihm mit aller Kraft in den Unterleib und er kippte um. Bevor die Kreatur wieder auf die Beine kam, sprang Tin Nyanko von Hinten auf ihren Rücken, schlang die Beine um ihren Leib und griff nach ihrem Hals. Das Wesen merkte, das es in Schwierigkeiten war und rastete aus. Es buckelte und drehte sich wie ein Stier beim Rodeo. Seine Klauen kratzten erst über den Boden, dann über die Steinwand, als er versuchte, Tin Nyanko abzuschütteln. Nur mühsam gelang es ihr, sich festzuhalten. „Pluto!“, schrie sie über den Lärm der herab stürzenden Steine hinweg. „Jetzt mach schon!“ Sailor Pluto zögerte nur einen kurzen Moment, grade lange genug damit das Ungeheuer mit einem zischenden Laut zur ihr herum fahren konnte, bevor sie kurz entschlossen ihren Stab in die Höhe hob und ihn wie ein Sperr auf das Ungeheuer schleuderte. Die Waffe verwandelte sich in einen silbernen Blitz und grub sich tief in den oberen Teil des auggedunsen Körpers. Die Kreatur kreischte und richtete sich zu ihre vollen Größe auf. Ihre zahlreichen Beine peitschten, trafen den Boden, aber auch Plutos Körper und Gesicht, dann stürzte das Ungetüm kreischend zur Seite und Tin Nyanko gelang es grade noch rechtzeitig abzuspringen, bevor es auf den Rücken fiel und sie unter sich begraben konnte. Der Raum-Zeit Schlüssel, der sein Leib durchbohrt hatte, ragte wie eine silberne, von schwarzen Blut besudelte Zunge unmittelbar unter seinem hässlichen Maul hervor. Die Beine krümmten sich wie die Finger einer Hand, die sich im Todeskampf zur Faust ballten. Tin Nyanko rollte sich verzweifelt herum, um außer Reichweite der zuckenden Beine zu kommen und stemmte sich auf Händen und Knie hoch. Die Bestie war noch nicht Tot. Tin Nyanko konnte sie spüren. Sie spürte ihren Schmerz, die furchtbare Qual, die sie litt, und deutlicher noch ihre unbändige Wut und ihren Hass auf alles Lebende und Fühlende, den absoluten Willen, alles, was im Stande war, Gefühle zu empfinden, zu vernichten. Vielleicht war es dieser Hass, der ihr half, ihre Angst zu überwinden. Tin Nyanko war nicht sicher, was es war, dem sie dort gegenüberstand. Sie wollte es auch gar nicht wissen. Sie wusste nur, dass diese Kreatur ihr Feind war, der Feind jeglichen Lebens und das sie sie vernichten musste, egal um welchen Preis. Während sich das Ungeheuer wieder aufzurichten versuchte, zappelt und kreischend, mit seinen zahlreichen Beinen um sich schlagend, war Tin Nyanko mit zwei gewaltigen Sprüngen bei ihr, griff nach dem Starb und stieß ihn noch tiefer in ihren Leib. Die Bestie bäumte sich auf. Aus ihrem Kreischen wurde ein Laut, der Tin Nyankos Schädel zum Zerplatzen bringen wollte, und es begann in purer Todesangst um sich zu schlagen. Eine seiner fürchterlichen Krallen traf Tin Nyakos Bein und hinterließ eine tiefe, heftig blutende Wunde. Sie schrie vor Schmerzen auf und hätte beinahe den Stab losgelassen, wäre Pluto nicht in diesem Moment neben ihr erschienen und ihre Hände auf ihre gelegt. Gemeinsam treiben sie den Stab noch tiefer in den Körper des Ungeheuers und nach einer Weile, die den beiden Kriegerinnen wie eine Ewigkeit erschien, wurde aus dem Kreischen ein leises wimmern, das schließlich ganz erstarb. Bunny stemmte sich auf Hände und Knie. Ihre tastenden Arme stießen gegen etwas Weiches, Lebloses, suchten weiter und schlossen sich um hartes Metall. Sie öffnete die Augen und sah sich um. Unmittelbar neben ihr lag etwas, das zu Grauenhaft war, als dass sie es wirklich erkennen wollte. Nicht weit entfernt, auf der anderen Seite des Raumes, kämpfte Lead Crow mit ebenso verzweifelter wie aussichtloser Anstrengung darum, wieder auf die Beine zu kommen. Ein unbedeutender Teil von ihr versuchte sich noch immer zu wehren, das Ungeheuer wieder an die Ketten zu legen und es in das Verlies zurückzudrängen, in dem es so viele Jahre gefangen war. Doch dieser Teil war nicht stark genug, um dem rasender Zorn, die Wut und den Hass, der sich gegen alles richtete, dass Mächtiger war als sie selbst, etwas entgegen zusetzten. „Schätzchen – nein!“, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie klang seltsam vertraut, zugleich aber auch fremd und hassenswert. Bunny wusste nicht, wem sie gehörte und was sie von ihr wollte. Und es spielte auch keine Rolle. Alles, was sie im Moment wollte, war Serenity zu töten. „Schätzchen!“ Die Stimme klang verzweifelt, aber Bunny beachtete sie nicht und stemmte sich weiter in die Höhe. Sie war nicht wichtig – nur weitere Beute für später. Bunny ignorierte ihre körperliche Schwäche, kam taumelnd auf die Füße und näherte sich Serenity. Sie blutete aus einer tiefen Wunde am Oberarm, die Fighter ihr beigebracht hatte, war aber bei Bewusstsein. „Komm zu dir, Bunny!“ stieß Serenity hervor. Doch ihre Worte erschienen Bunny wie blanker Hohn. Sie hatte sich noch niemals wacher und lebendiger gefühlt. Sie vernahm laute, schnelle Schritte hinter sich und dann stürzte sich etwas Großes, Schweres auf sie herab und presste ihr nicht nur den Atem aus den Lungen, sondern raubte ihr auch beinahe das Bewusstsein. Die gewaltige Macht in ihr heulte wie ein Wolf, dessen Pfoten unerwartet in ein Fangeisen geraten waren. Ihre Giere wurde übermächtig. Die Gegenwart der großen Kraft in ihrer unmittelbaren Nähe trieb sie fast in den Wahnsinn. Sie mobilisierte noch einmal all ihre übermenschlichen Kräfte, um den Griff der Arme zu sprengen, die sie festhielten. Es gelang ihr schließlich. Sie kam frei, aber nur, um sofort herum – und mit noch größerer Wucht auf den Rücken geworfen zu werden. Ein verzerrtes, aber doch vertrautes Gesicht ragte drohend über ihr auf und eine Stimme schrie immer wieder ihren Namen. Es war bedeutungslos. Alles, was zählte, war der süße Geruch der Macht, des Lebens, das sie unbedingt vernichten musste. Bunny bäumte sich auf, kämpfte mit verzweifelter Kraft gegen die Hände und das Gewicht das sie niederhielt. Mit der Hand auf dem Knauf blieb Saturn stehen und lauschte auf die Geräusche hinter der Tür. Da war etwas und es wollte heraus zu ihr in den langen Korridor des Schlosses. Sie wusste nicht, was es war, aber eines war klar: Hotaru wollte es um keinen Preis herauslassen. Sie ließ den Türgriff wieder los und trat zurück. Die Tür rappelte und wölbte sich nach außen. Saturn spürte das Blut durch ihre Adern schießen. Sofort waren alle Sinne geschärft, der Verstand wach und der Körper zum Einsatz breit. Kampf oder Flucht, auf diese Entscheidung bereitete sich der Körper in einem solchen Krisenfall vor. Flucht schien Saturn die vernünftigere Lösung, da sie keine Ahnung hatte, was auf der anderen Seite der Tür lauerte und ob es ihr feindlich gesonnen war. Aber die Geschichte war ein wenig komplizierter, denn sie wusste nicht, in welche Richtung sie laufen sollte. Es gab mindestens zwanzig Türen auf diesem Korridor, dabei war unklar, wohin sie führten – und wie sie bereits erlebt hatte, nützte es auch nicht unbedingt etwas, wenn man es wusste. Es konnte schon in der nächsten Minute nicht mehr gelten. Das Schloss glich einem riesigen Labyrinth, in dem auf nichts Verlass war. Schließlich schlug die Tür auf und Hotaru traf ihre Endscheidung. Sie sahen aus wie Hunde mit ihren langen Schnauzen, dem schmutzigen grauen Fell, den langen wedelnden Schwänzen und ihren vier Beinen mit scharfen Krallen, die das kratzende Geräusch auf dem gefliesten Boden verursacht hatten – aber sie waren groß wie Löwen und es gab Dutzende von ihnen. Sie rasten auf Saturn zu, als wäre sie ein saftiges Steak. Flucht, dachte sie nur. Sie hechtete auf die nächstbeste Tür zu, riss sie auf, rannte hinein und schlug sie hinter sich zu. Eines der Hundewesen prallte von außen gegen die Tür, flog rückwärts in seine Geschwister und stieß einen hohen, wimmernden Schmerzenschrei aus. Saturn verspürte eine flüchtige Befriedigung, denn die Viecher hatten ihr einen riesigen Schrecken bereitet. Der Raum, in dem sie sich befand, war eine Art Bibliothek. Dicke ledergebundene Bücher standen in den Regalen, es gab Tische und Sessel, die zum Lesen einluden. Wie die anderen Räume, die Hotaru gesehen hatte, war auch er ansonsten leer. Sie nahm sich nicht die Zeit zu prüfen, ob sie die Bücher lesen konnte, denn von den rabiaten Hundwesen trennte sie nur die eine Tür. Aber es gab einen zweiten Ausgang aus der Bibliothek. Die Tür ließ sich nur schwer öffnen, als habe sie sich bei feuchten Wetter verzogen. In diesem Augenblick flog bereits die Tür hinter ihr auf und die löwengroßen Hunde stürmten knurrend herein. „Blöde Biester!“ rief Hotaru und knallte die Tür zu. Sie hatte keine Ahnung, in was für einen Raum sie sich nun befand; vielleicht war er für Mahlzeiten im kleinen Kreis gedacht. In der Mitte stand ein Tisch mit vier Stühlen und ein schweres Sideboard thronte an der Stirnseite. Kurz dachte Saturn darüber nach das klobige Möbelstück als stütze vor die Tür zu stellen. Verwarf diese Idee jedoch rasch wieder, da ihr dafür kaum die nötige Zeit blieb. In Windeseile verließ Saturn schließlich den Raum durch die zweite Tür. Wie gut, dass die meisten Räume mindestens zwei Ein – beziehungsweise Ausgänge hatten! Das Schloss musste wie ein Labyrinth konstruiert sein und ein Labyrinth bot nun einmal möglichst viele Wege – in die falsche Richtung. Diesmal folgten ihr die Wesen rascher. Es gelang der Kriegerin nicht, die Tür zu schließen bevor sich einige von ihnen durchquetschen konnten. Sie hörte Schmerzensschreie und spürte Knochen brechen, als sie die Tür gen Schloss drückte. Aber es sah nicht so aus, als könnte sie alle von der Schwelle verscheuchen, um die Tür ganz zu schließen. Also gab sie auf, lief durch den Raum, in dem es überhaupt keine Möbel gab, und verließ ihn durch die nächste Tür. Die Wesen nagten bereits an ihren Fersen und sie schlug mit ihrer Sense nach Einem von ihnen. Ein weiteres Zimmer, eine weitere Tür. Saturn ging allmählich die Puste aus. Mit jedem Raum, den sie hinter sich ließ, schienen die Wesen näher zu kommen. Irgendwann musste sie sich dem Kampf stellen – vielleicht lieber früher als später, solange sie noch ein bisschen Energie dafür übrig hatte. Saturn stürmte durch eine weitere Tür und musste im nächsten Moment mit wild rudernden Armen um ihr Gleichgewicht kämpfen, weil da, wo sie eigentlich Boden erwartet hatte, mit einen Mal eine Treppe begann. Mit mehr Glück als Geschick gelang es ihr, einen Sturz zu vermeiden und sich mit einen raschen Schritt zur Seite flach gegen die Wand zu pressen, um den Hundewesen auszuweichen, die hinter ihr auf dieselbe Weise herangestürmt kamen. Saturn verzog das Gesicht, als sie nur einen Augenblick später krächzende Schreie hörte, gefolgt von einem lang anhaltenden Poltern und Krachen, von dem sie nur zu gut wusste, was es bedeutete. Es war das unverkennbare Geräusch, mit dem ein Körper auf einen harten Boden aufschlug. „Autsch“, murmelte sie leise. „Das hat bestimmt Weh getan.“ „Schätzchen!“ schrie Fighter verzweifelt. „Schätzchen! Kannst du mich hören?“ Obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie ihr damit nicht noch mehr Weh tat, packte sie Bunny bei den Schultern und schüttelte sie heftig. „Schätzchen, komm wieder zu dir. Ich bin es Fighter, erkennst du mich den nicht?“, sie hörte nicht auf Bunny zu schütteln, und ihr Kopf rückte beständig von einer Seite auf die Andere. „Was immer grade in deinem Kopf vorgeht, du musst dagegen ankämpfen! Wehr dich, Bunny! Hörst du mich? Bunny? Hörst du mich?“ Bunny reagierte überhaupt nicht. Ihre Augen waren so groß, dass sie aus den Höhlen zu quellen Schienen, und so leer das Fighter bezweifelte, dass Bunny sie überhaupt erkannte. Sie kämpfte mit einer solchen Kraft gegen sie an, das es Fighter immer schwerer fiel sie am Boden zu halten. Dann tauchte plötzlich eine weite Person neben Bunny auf und ohne das Fighter aufblicken musste, wusste sie das es Lead Crow war. Zu zweit gelang es ihnen Bunny so fest zuhalten, das diese sich keinen Millimeter mehr rühren konnte. „Und was machen wir jetzt?“ grunzte Lead Crow vor Anstrengung. Nicht einmal die Frage, sondern der beiläufige Ton, in der Lead Crow sie stellte, machten Fighter für einen Moment so wütend, das sie sich beherrschen musste, um sie nicht anzufahren. Was erwartete sie eigentlich von ihr? Dass sie nur mit den Finger schnippen musste und ein Wunder vollbrachte? „Ihr könnt nichts tun“, erklang Serenitys schwache Stimme hinter ihr. „Es ist zu spät!“ Für einen Moment flammte blanker Hass in Fighters Augen auf, und Lead Crow hätte sich nicht gewundert, wenn sich die Kriegerin einfach auf Serenity gestürzt hätte. Dann aber konnte sie sehen, wie nicht nur der Zorn, sondern nahezu alle Kraft aus ihr wich. Eine tiefe Verzweifelung begann sich in Fighter auszubreiten. Nach allem, was sie erlebt und durchlitten hatte, nach all der Zeit, die sie nach ihrem Schätzchen gesucht und auf sie gewartet hatte, sollte es jetzt einfach zu spät sein? Ohne das sie etwas dagegen tun konnte oder auch nur wusste, warum. Das durfte nicht geschehen! Sie wollte es einfach nicht! „Schätzchen!“ wisperte sie. „Hör mir zu. Sieh mich an, Schätzchen!“ Langsam wanderte Bunnys Blick in ihre Richtung. „Erkennst du mich? Ich bin es Fighter... Ich bin gekommen um dich abzuholen... Ich werde dich wieder nach Hause bringen... zu deiner Familie und zu deinem Mamoru. Hörst du mich, Bunny?“ Sie reagierte nicht auf ihre Worte, hörte sie vielleicht noch nicht einmal, doch Fighter wollte nicht so einfach aufgeben. „Dein Mamoru, wartet auf dich...“, redete sie weiter auf Bunny ein. „Er hat uns hier her geschickt, damit wir dich nach Hause bringen, Bunny. Also kämpfte verdammt noch mal... tu es für deinen Mamoru“, schrie sie verzweifelt. Bunnys Augen wurden schmal. Zwei, drei endlose Herzschläge lang starrte sie Fighter einfach nur durchdringend an. Dann jedoch schrie sie mit einen Mal auf. Erschrocken ließen Fighter und Lead Crow sie los und wichen ein kleines Stück zurück. „Verdammt noch mal! Was tut ihr da?“ Noch bevor Fighter den Kopf drehen konnte, traf sie ein so harter Stoß, dass sie zur Seite geschleudert wurde. Eine schmale, in weiß glitzernde Gestalt erschien neben ihr und beugte sich über Bunny. Fighter stemmte sich hoch und versuchte, Serenity beiseite zu stoßen, doch sie versetzte ihr mit der flachen Hand einen Schlag ins Gesicht, der so hart war, dass sie benommen auf den Boden sank und Mühe hatte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. „Bleib, wo du bist!“, herrschte sie Serenity an. „Oder willst du uns alle umbringen?“ Fighter verstand ihre Worte nicht. Wollte sie noch nicht einmal verstehen. Ihre Gedanken überschlugen sich und kreisten doch ständig um die selben Fragen. Als sie den Kopf drehte, sah sie das Schwert auf dem Boden liegen, dort, wo Bunny es fallen gelassen hatte, nur zwei Schritte entfernt, und doch unendlich weit weg. Während Serenity, sich hektisch am Kopf der Mondprinzessin zu schaffen machte, nahm Fighter all ihre Kraft zusammen und kroch zur Tür. Zitternd streckte sie die Hand nach dem Schwert aus, bekam es zu fassen und musste voller Entsetzen feststellen, dass sie nicht mehr die Energie hatte, es zu heben. Schließlich verlor sie für einige Augenblicke das Bewusstsein. Obwohl Mamoru jetzt schon seit einer geraumen Weile auf der Türschwelle stand und in das gewaltige Bauwerk hineinsah, war er immer noch nicht völlig sicher, was er da eigentlich entdeckt hatte: eine von der Natur erschaffene Felsformation, die den Eindruck zu erwecken versuchte, sie wäre von Menschenhand erschaffen worden, oder ein tatsächlich künstliches Gebilde, das sich alle Mühe gab, wie etwas natürliche Gewachsenes auszusehen. Der ganze Raum wurde von etlichen Kerzen, die an den Wänden befestigt waren erhellt und ein Gefühl von Unwirklichkeit ergriff von Mamoru besitz. Für einen Moment war ihm, als schimmerte eine zweite, düstere Realitätsebene durch die Wirklichkeit hindurch, so wie ein auf dünnen Stoff gemaltes Bild das darunter liegende nicht vollständig zu verbergen vermag. Mit diesem Schloss stimmt etwas nicht. Aber vielleicht lag das nur daran, das dieser Raum nicht im entferntesten seiner Erwartungen entsprach, die durch die andren Zimmer die er bis jetzt gesehen hatte geweckt worden waren. Mit klopfenden Herzen trat Mamoru über die Schwelle und bemühte sich mit aller Macht, den Vorhang aus rauchfarbenen Schatten zu durchdringen. Es gelang ihm nicht. Seine Augen versagten ihm den Dienst, als gebe es etwas, das verhinderte, dass er seine Umbebung vollständig erkennen konnte. Trotzdem war er sich ziemlich sicher nicht allein zu sein. Irgendetwas war hier. Im allerersten Moment glaubte er fast, die Gegenwart seiner Verlobten zu fühlen, doch dieser Eindruck war... anders. Er gehörte nicht hierher. Es gelang Mamoru nicht, das Gefühl zu ergründen, geschweige denn in Worte zu kleiden, aber es schien mit jedem Schritt, den er tiefer in dieses zwielichtige Gemäuer eindrang, an Intensität zuzunehmen. Alles, was Mamoru mit Sicherheit sagen konnte, war, dass er ein Empfinden wie dieses noch nie zuvor gehabt hatte, und dass ihn mit jedem Schritt mehr das Gefühl beschlich, in eine Falle zu tappen. Als Fighters Gedanken wieder aus dem schwarzen Schlund emportauchten, in den sie hinabgestürzt waren, warf sie sich mit einem keuchenden Atemzug herum und schrie entsetzt auf, als sie direkt in zwei grün leuchtende Augen blickte. Das schiere Grauen, mit dem sie dieser Anblick erfüllte, ließ sie zurückprallen und davon kriechen, bis sie gegen ein Hindernis stieß. „Beruhige dich, Fighter“, sagte das Gesicht, mit den abstoßenden grünen Augen. Es sprach mit Bunnys Stimme. Das schöne Gesicht mit den furchtbaren Dämonaugen war Bunnys Gesicht. Aber es war nicht ihr Schätzchen. Sie konnte es nicht sein. Fighter wollte nicht, das sie es war. „Fighter, bitte!“, sagte das Ding. „Ich kann dir alles erklären, aber hör mir zu!“ Sie wollte es nicht hören. Sie wollte diese Stimme nicht hören, diese furchtbar vertraute Stimme, die von Lippen gebildet wurden, die zu einem Antlitz der Hölle gehörten. „Nein“, wimmerte sie. „Geh weg. Nein!“ Serenity bewegte sich einen Schritt auf sie zu und blieb stehen, als Fighter nach ihr zu treten versuchte. Sie hatte die Arme schützend vor das Gesicht gerissen und die Augen mit den Händen bedeckt, um den furchtbaren Anblick nicht länger ertragen zu müssen. Aber es half nichts. Das Bild hatte sich in ihr Gehirn eingebrannt. Sie würde es selbst dann noch sehen, wenn sie sich die Augen herausriss. Fighter wünschte sich, sterben zu dürfen oder wenigstens in barmherzigen Wahnsinn zu versinken, doch stattdessen vernahm sie Lead Crows Stimme. „Verdammt Fighter, hör endlich auf mit diesen Unsinn! Der Prinzessin ist überhaupt nichts passiert. Sie sieh dir an!“ Ihr Wille wurde ebenso mühelos hinweggefegt wie ihre Arme. Fighter bäumte sich auf und tastete blindlings nach dem Schwert, das irgendwo neben ihr liegen musste, doch Lead Crow zerrte sie einfach in die Höhe, zwang sie herum und versetzte ihr einen Stoß, der sie gleich wieder zu Boden geschleudert hätte, hätte Lead Crow sie nicht festgehalten und zu dem reglosen Mädchen hingeschleift. „Sieh sie dir an!“, verlangte Lead Crow noch einmal. Fighter versuchte nicht mehr, sich zu wiedersetzen. Wimmernd sank sie auf die Knie und sah in das Gesicht des Mädchen, welches sie Liebte. Bunny war nicht tot. Ihr Gesicht war so bleich wie das einer Toten, ihre Augen standen weit offen und wirkten leer, ohne jeglichen Lebens – aber sie war nicht tot. Noch während Fighter da hockte und vergeblich zu bereifen versuchte, was sie sah, ließ sich Serenity auf der anderen Seite ebenfalls auf die Knie sinken, streckte die Hand aus und legte die gespreizten Finger ihrer Linken auf Stirn und Augen des Mädchens. Fighter konnte nicht sagen, was dort geschah, aber die Flamme auf Bunnys Stirn glomm plötzlich auf und wurde wieder zu einer halbmondförmigen Sichel. „Was... hast du getan?“, flüstere Fighter ungläubig. Serenity richtet sich mit einem erschöpft klingenden Seufzer auf und ein leises Stöhnen kam über Bunnys Lippen. „Ich glaube, sie schafft es“, flüsterte Serenity. „Sie...“ Fighter schüttelte verwirrt den Kopf. „Aber ich... ich dachte...“ „Was? Das ich sie umbringen wollte?“, Serenity schüttelt leicht den Kopf. „So ein Unsinn. Warum sollte ich mich selbst töten wollen?“ Sie ließ sich wieder auf die Knie fallen und stürzte die Hände auf die Oberschenkel. Ihre Schultern sackten nach vorn. Fighter konnte sehen, wie alle Kraft aus ihrem Körper wich. „Und was hast du denn getan?“, fragte Lead Crow, die Serenity noch immer voller Misstrauen anschaute. „Ich habe das Siegel wieder geschlossen. Doch ich kann nicht sagen, wie lange es halten wird. Dafür ist es zu sehr beschädigt worden.“ Entsetzt starrte Fighter Serenity an. „Soll das heißen es kann wieder passieren?“ „Ja“, antwortete sie zögernd, als hätte ihre Frage Zeit gebraucht, um bis in ihr Bewusstsein vorzudringen. Sie starrte an Bunny vorbei ins Leere, während sie verzweifelt nach den richtigen Worten suchte. „Es ist meine Schuld“, flüsterte sie. „Ich habe das Siegel mit Gewalt gebrochen, obwohl es noch viel zu früh dafür war. Aber ich dachte sie wäre Stark genug... doch sie war es nicht.“ Ihre Stimme war kaum noch zu hören; ein bloßes Flüstern, in dem so tiefe Bitterkeit und Trauer lag, dass Fighter den Schmerz, den sie spürte, nachempfinden konnte. Mehr noch: In ihr stieg unvermittelt das furchtbare Gefühl auf, ihr Unrecht getan zu haben. Vielleicht war alles ganz anders, als es den Anschein hatte? byby Blacklady Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)