Engelszorn und Dämonenliebe von Pokerface (Keine Homage an unsere ehemalige Fanart-Admin!xD) ================================================================================ Kapitel 2: Krieg ---------------- Mit zwei kräftigen Flügelschlägen hielt sich die Herrin der Pflanzen in der Luft. Unter ihr erstreckte sich Chrashans Streitmacht. Unzählig viele Leute zählten das Heer… und alle würden sie in den Tod gehen. Ob dieser Tatsache schüttelte Rina betrübt den Kopf. Ein Heer aus Dämonen würde niemals einen Krieg gegen die Himmlischen gewinnen- Allein daran zu denken, war schon töricht genug gewesen. An dem Schutzwall aus purem Licht würden die Wesen der Schatten schon zu Grunde gehen. Rina streckte den einen Flügel, während sie den anderen enger an ihren Körper legte, um so in weiten Kreisen über die versammelten Truppen zu fliegen. Sie entdeckte am Rand eine Dämonin, die sich von ihrem Geliebten verabschiedete. Seine weißen Schwingen umfingen sie und ihre eignen ledernen und pechschwarzen Flügel hingen schlaff herab. Sie weinte bitterlich und der Engel drückte sie fest an sich. Die Verdammten. Mit der Hilfe von den Engeln, die aus dem Himmelsgewölbe verbannt wurden, könnte man den Wall vielleicht überwinden, doch dabei würden sie viel zu viel Energie verlieren und dazu kamen dann auch noch die Waffen aus Licht, welche die Himmlischen verwendeten. Alle würden sie untergehen und das nur wegen einer launischen Göttin und ihrem Sohn, der das Opfer, das sie alle brachten, nicht zu würdigen wusste und sich lieber umbringen wollte? Iblis konnte doch nicht so blind sein und das alles geschehen lassen. Um seinen Sohn zu retten, würde er doch nicht ein ganzes Volk- sein Volk- in den Tod stürzen? Oder? Shadow wusste inzwischen, dass er ein Dämon war, also konnte es genau so gut sein, dass er sich dem Orakel freiwillig anschloss. Was für eine Torheit es doch gewesen war, zu glauben, auf der Erde könne er sicher sein! Wo Schatten existierten, konnte man den Schattenerben nicht verbergen. Rina musste diesen Krieg auf jeden Fall verhindern. Chrashan würde daran zerbrechen! Als sie unter den vielen Zelten der Soldaten auch das der königlichen Familie entdeckte, breitete sie ihre Flügel aus und landete. Das Zelt war etwas größer als die anderen und kobaltblau gefärbt. Vor dem Eingang standen ein Dämon und ein Engel Wache. Rina wollte sich gerade den beiden nähern, als ein starker Arm sich um ihre Taille schlang und eine Hand sich über ihren Mund legte, um sie so am Schreien zu hindern. Die Dämonin versteifte einen Augenblick, dann entspannte sie sich und lehnte sich gegen den Mann, der sie festhielt. Selbst zwischen doppelt so vielen fremden Soldaten würde sie diesen Geruch wieder erkennen. Suteyn. „Lady Blättertanz, wie schön, Euch wieder zu sehen. Man hört so selten von Euch, dass ich es leider als notwendig empfunden habe, Euch zu entführen“, sagte eine melodische Tenorstimme und Suteyn spürte ihr Lächeln unter seiner Hand. Er zog sie noch einige Schritte zurück in die Ruinen eines alten Kastells, dann ließ er sie los. „Suteyn Schattenschwert, mein Freund! Ihr wisst, dass ich im Auftrag Seiner Majestät unterwegs bin, weshalb ich kaum in Chrashan verweile und wenn, dann nur, um Seiner Hoheit Bericht zu erstatten. Aber sagt, wie geht es Euch?“ Suteyn war Iblis' Adjutant und auch sein bester Freund. Rina hatte ihn zusammen mit Iblis kennen gelernt und seine witzige Art hatte bei ihr sofort Gefallen gefunden. Sie fiel ihrem alten Freund um den Hals und er drückte sie zärtlich an sich. „Außer der Sehnsucht nach Euch, hat mir sonst nichts das Leben vermiesen können!“ Er lachte erheitert, bevor er fort fuhr. „Schönste Rina, wie lange ist es her? Fünf oder gar sechs Jahre?“ „Auf jeden Fall ist es zu lange her, mein Guter, ich bitte um Vergebung“, sagte die Dämonin und lachte ebenfalls, ihre Sorgen schienen vergessen. „Doch nun erzählt, wie ist es Euch all die Jahre ergangen?“ „Nun, es lebt sich halt nur halb so gut, wenn einem das fehlt, das, wenn man es hat, die lange Zeit auf das Süßlichste verkürzt.“ Die Herrin der Pflanze blickte ihn irritiert an, dann lächelte sie breit. „Suteyn, sprecht Ihr da von einer Dame? Ihr seid verliebt! Wo ist den Euere Holde hin entschwunden? Doch nicht in die Arme eines anderen?“ Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Für wahr“, sagte der Hauptmann und lehnte sich gegen eine Wand des Gemäuers, „ich rede von einem Mädchen. Um genauer zu sein von dem schönsten und lieblichsten Geschöpf, das ich je gesehen habe. Seit der ersten Berührung schlägt mein Herz nur noch für sie.“ Die Herrin der Pflanzen lachte über die Schwärmerei ihres Freundes. „Euren Worten nach zu schließen, liebt Ihr sie sehr“, sagte sie und merkte, wie sein Gerede sie ein wenig traurig stimmte. Iblis- ihre vergebliche Liebe- hatte seine Morgenstern und selbst Suteyn hatte jemanden gefunden. Und wie leicht es ihm fiel, über das alles zu sprechen. Rina wusste jedoch nicht, wie viel Überwindung es ihn kostete, seine ruhige Stimme zu wahren, als er sagte: „Ich liebe sie mit ganzer Seele, mit jedem Atemzug, den ich tue. Ich… lebe nur für Euch.“ Die junge Frau erstarrte plötzlich und sie merkte, wie sie sich ihre Wangen rötlich färbten. „I- Ihr beliebt zu scherzen! Seid doch nicht lächerlich, Ihr Schmeichler.“ Doch Suteyns Miene blieb ernst und seine purpurvioletten Augen leuchteten leidenschaftlich. Er ergriff eine Strähne ihrer langen Haarpracht und küsste diese, dann beugte er sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen, doch die Dämonin wich ihm aus. „Ihr verzeiht mir sicher, Suteyn, wenn ich mich nun verabschiede, aber Iblis dürfte schon auf mich warten“, stotterte sie, wandte sich ab und lief in Richtung des kobaltblauen Zeltes. „Rina!“ Sein Ruf hallte über den Platz, doch das geschäftige Treiben im Lager verschluckte ihn, sodass er ihr Ohr nicht erreichte. Wütend hieb er mit der Faust gegen die Wand der Ruine. „Verdammt…“ Rina näherte sich den beiden Wachen, woraufhin diese markig Haltung annahmen. Sie schüttelte den Kopf und versuchte jeden Gedanken an Suteyn aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Es gab wichtigeres zu besprechen. „Mutter Natur, es erfüllt mich mit Freude, Euch wohlauf zu sehen“, sagte der Dämon und Rina verzog einen Moment lang abschätzend das Gesicht. Die Mehrzahl der Bewohner Chrashans nannten sie so und sie konnte es nicht leiden, mit der Mutter selbst gleichgestellt zu werden. Doch dann lächelte sie die Wachen an und sagte: „Möge Vento stets Euere Schwingen mit Aufwind füllen.“ „Und möge Nesace Euere Wälder schützen. Bestimmt wollt Ihr zu seiner Majestät, doch leider sagte Seine Hoheit, dass er nicht gestört werd-“ „Ich habe wichtige Nachrichten von der Erde“, unterbrach sie ihn unwirsch und betrat das Zelt. Drinnen lag Iblis auf seinem Lager und über ihm räkelte sich Morgenstern, den Oberkörper entblößt. „Ver… Verzeiht…“, stotterte die Herrin der Pflanzen, peinlich berührt, dass sie in eine etwas intimere Szene geplatzt war. Jeder Gedanke an Suteyn war wie weggeblasen. Sie wollte das Zelt augenblicklich verlassen, als Morgenstern rief: „Warte, du bringst doch Neuigkeiten von meinen Kindern, richtig? So bleib hier.“ Majestätisch erhob sie sich und mit einem Fingerschnippen erschien ein Morgenmantel, den sie sich in aller Ruhe zuband. Dann setzte sie sich wieder auf das Lager und Iblis legte besitzergreifend seine Arme um ihre Taille. „Was gibt es neues? Wie geht es unserem Sohn?“ Obwohl der Anblick der beiden ihr vor Eifersucht die Galle hochkommen ließ, bewahrte sie dennoch ein ruhiges Äußeres. Und wieder war die Rede von Shadow. „Eurem Sohn geht es den Umständen entsprechend gut und auch Eurer Tochter geht es gut.“ Iblis stützte sein Kinn auf Morgensterns Schulter und sah Rina freundlich, beinahe fröhlich, an. Bei der Liebe der Mutter, was machte ihn so fröhlich? Wenn ihr, einem Laien was die Kampfkunst angeht, bewusste war, das es schlecht um das Heer stand, dann musste das einem erfahrenen Kriegsherren wie Iblis erst recht klar sein. Was sollte an seinem Sohn so besonders sein, dass man ihn um jeden Preis beschützen musste? Er war ein Dämon wie jeder andere. „Ausgezeichnet. Gibt es sonst noch etwas Neues?“ „Nein, meine Königin, doch dürfte ich um ein Wort mit Seiner Majestät erbitten?“, fragte Rina höflich und verbeugte sich. Iblis, der bis jetzt kaum zugehört hatte, hob den Blick. „So sprich, Herrin der Pflanzen.“ Sie sah sich zögernd um; Eigentlich wollte sie den König alleine sprechen. Doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen und Mutter Erdens Puls unter ihren Füßen spürend sprach sie: „Iblis, lass es nicht zu diesem Krieg kommen. Siehst du nicht, was für verheerende Wirkungen er haben wird? Dein Reich wird untergehen!“ „Neunzehn Jahre lang habe ich diesen Krieg aufgeschoben und die Himmlischen rückten immer näher. Wir haben keine Wahl“, antwortete Chrashans König ruhig. „Natürlich haben wir sie! Bei Mutter Erde, bist du wirklich so blind?“ Fassungslos starrte sie ihn an. Es schockiere sie, dass er nicht nur eine Sekunde daran dachte, seinen Sohn zu opfern. „Rina, dieser Krieg ist unabwendbar.“ „Nein, ist er nicht!“, schrie die Dämonin aufgebracht, „mit dem Leben eines Dämonen könnte man alles verhindern!“ Langsam und wie in Trance ließ Iblis seine Frau los und besah Rina mit einem Blick, in dem kein Funken Liebe lag. Grob packte er sie am Oberarm und zerrte sie aus dem Zelt. Mit einer unwirschen Handbewegung bedeutete er den Wachen, zu gehen. „Verschwinde!“, brüllte er Rina dann an und wies auf den Himmel. Doch sie sah ihn unverwandt an. „Nur um deinen verfluchten Willen durchzusetzen, willst du ein Volk opfern- dein Volk, verdammt! Und das wegen dem Leben eines mickrigen Dämons? Der ganze Krieg könnte verhindert werden, wenn du ihn dem Orakel übergibst, aber nein! Du zerstörst lieber dein Land, als den armseligen Wicht zu opfern. Wie tief bist du gesunken, König Dämonenblut?“ Wütend über ihre Worte schlug Iblis ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. „Mickriger Dämon? Du sprichst von meinem Sohn!“ Rina hob den Kopf und grinste herablassend. „Ja genau, kein Dämon, sondern ein Mischling! Haben Morgensterns Küsse deinen Verstand so umnebelt, dass du die Lage nicht erkennst, in der sich Chrashan befindet?“ Iblis' Hand schnellte hervor, packte Rina am Hals und hob sie einige Zentimeter über dem Erdboden. Der Hass, der so unvermittelt in seinen Augen aufloderte und sie preußischblau färbte, erschreckte Rina eine Sekunde, doch dann besann sie sich auf ihre Kräfte. Eine Ranke spross aus der Erde und wollte sich von hinten um Iblis schlingen. Aber der König hob beinahe lässig die Hand, woraufhin das Gewächs Feuer fing. Verzweifelt wand es sich und verschwand wieder in der Erde. Zwei weitere Ranken wollten das Gelenk der Hand, mit der er Rina hielt, umfassen, doch als sie ihn berührten, welkten sie auf der Stelle. Rina röchelte und griff in einer verzweifelten Geste nach seinem Arm, als er sie von sich schleuderte. Unsanft landete sie auf dem Boden und brauchte einige Sekunden, bis sie sich wieder erholt hatte. „Du sprichst dem Verrat das Wort!“, schrie er sie an, als sie sich mühevoll aufrappelte. „Nein…“, wisperte sie und fühlte, wie Tränen ihre Wange hinabrollten, „du hast für das Volk da zu sein, nicht es für dich!“ Dann drehte sie sich um und wollte gehen, als Morgensterns Stimme sie zum Stehen bleiben bewog. „Und dann? Wenn das Orakel Shadow hat, werden die Himmlischen sich zurückziehen? Werden sie den Thron aufgeben und Frieden schließen?“, fragte sie ruhig und Rina drehte sich nicht um. „Das Orakel würde, wäre es vollzählig, den Engeln ihre Macht rauben, es würde hinter uns stehen.“ Morgenstern lachte freudlos und schüttelte den Kopf. „Als zwischen den Dämonen und den Verdammten Krieg herrschte, war das Orakel bei uns? Als ich versuchte, meine Aufgabe zu erfüllen, war das Orakel da? Nein, nicht einmal, als ich es anflehte, ist es mir zu Hilfe gekommen. Und nicht ein Mal hat es sich als würdig genug erwiesen, meinen Sohn als Opfer einfordern zu können.“ Sie hielt inne und Rina war versucht, sich umzudrehen, doch sie wollte dem blasphemischen Geschwätz Morgensterns nicht gestatten, Eintritt in ihr Herz zu finden. „Warum? Warum sind es wir, die immer einstecken müssen? Jahre schon kämpfen wir für unsere Freiheit und trotzdem scheinen wir doch nur zu verlieren. Es ist mir zuwider, Schlachten zu bestreiten, in denen wir verlieren müssen, um zu gewinnen. Denk darüber nach, Rina.“ Ein Wind zog auf und von einer Sekunde auf die andere war Rina verschwunden, und dort wo sie gestanden war, lag ein Efeublatt. „Morgenstern…“ „Nenn mich nicht so“, sagte sie unwirsch und hoffte, die Herrin der Pflanzen wieder auf ihrer Seite zu haben. Die Zwillinge würden den Frieden bringen, dessen war Morgenstern sich sicher. „Sie brauchen nur etwas Zeit“, seufzte sie und lehnte ihren Kopf gegen Iblis' Brust. „Zeit, die wir nicht haben, und nun komm, liebste Allan. Lass uns drinnen weiterreden.“ Rina flog hoch über Chrashan und als sie ihr Ziel erblickte, landete die Dämonin. Sie befand sich in Shetas, welches im Süden Chrashans lag. Dieser Ort befand sich genau da, wo früher ihr Heimatdorf gestanden hatte. Etwas abseits des Dorfes war ein kleiner Wald und in dessen Mitte befand sich ein Schrein, der zum Gedenken der verstorbenen Bewohner, darunter auch Rinas Familie, gebaut wurde. Hierher zog sie sich zurück, wenn sie mit ihren Gedanken alleine sein wollte. Seufzend lehnte sie sich an den Stamm einer Linde und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Morgensterns Worte beschäftigten sie mehr, als ihr lieb war. Wie hatte sie nur so über das Orakel reden können. Sobald es vollzählig war, würde sich seine Macht intensivieren und dann würde es ihnen helfen. Oder? Dieses Oder störte sie. Es schien ihr Vertrauen in die Magie zerstören zu wollen. Und dann war da auch noch Suteyn. Hatte er das wirklich ernst gemeint? Ein Wind zog an ihr vorbei und wehte einen süßen Duft herbei, der verlockend ihre Nase koste. Rina wandte den Kopf zu Seite und sah eine Gestalt in einem weiten dunkelgrünen Kleid auf sie zukommen. Als sie näher kam, konnte die Dämonin sie besser erkennen. Die Person, eine junge Frau, hatte veronesergrüne Haare, die ihr bis zu den Schulterblättern reichte, und war von atemberaubender Schönheit, doch am faszinierendsten waren ihre Augen. Die Pupillen hatten verschiedene Formen. Die eine sah aus, wie die einer Katze und die andere war statt rund viereckig. Und beide Augen schienen einem bis in die tiefsten Abgründe der Seele sehen zu können. „Wer seid Ihr?“, fragte Rina und die Fremde lächelte lieblich. „Ich bin die Wächterin dieses Waldes, sowie ich die Wächterin jedes Waldes bin.“ Rina sah sie einen Moment verständnislos an, dann wurde ihr bewusst, wer vor ihr stand und sie fiel auf die Knie. „Nesace, Wächterin des Waldes, Teil des Orakels“, wisperte sie unterwürfig und hätte sie nicht starr zu Boden geblickt, hätte sie Nesace überhebliches Grinsen gesehen. Wie sehr sie es genoss, angebetet zu werden. „Rina, Herrin der Pflanzen, Tochter Mutter Erden- meine Dienerin, erhebt Euch“, sagte die Wächterin. Zögerlich stand die Angesprochene auf und verneigte sich tief. „Nesace, meine Herrin, ich bin Euere untertänigste Dienerin.“ Sie wusste nicht genau, was sie sagte, aber etwas- oder jemand- schien ihr die richtigen Worte in den Mund zu legen. Sie stand vor dem leibhaftigen Orakel, dem Boten der Urkraft! Sie war überwältigt von der stillen Macht, die Nesace ausstrahlte. Die Waldwächterin lächelte kurz, bevor sie seufzend die Rinde einer Linde streichelte. „Wir werden schwächer. In unserer Reihe fehlt ein Glied.“ Rina blickte beschämt weg. Sie fühlte sich schuldig, schließlich hatte sie geholfen, Shadow als Kind zu verbergen. „Ich will Euch dienlich sein, meine Herrin und Meisterin. Ein Wort und ich führe ihn zu Euch“, sagte sie in ihrer Scham und Nesace hob die Brauen. Einerseits erstaunte sie die Sprunghaftigkeit der Dämonin, schließlich hatte sie dem König Treue geschworen und war gerade dabei, seinen Sohn ans Messer zu liefern, anderseits überraschte sie ihre Hingabe zum Orakel. Sie vergötterte es anscheinend und würde alles für dieses tun. Dann aber lächelte Nesace über Rinas scheinbar angeborene Unterwürfigkeit. Wie passend für meine Pläne, dachte sie sich. „Wir brauchen den Schattenwächter, um die ganze magische Macht entfalten zu können. Aber nein, halt! Wir warten schon so lange, dass wir es nicht überstürzen wollen“, sagte sie, als Rina schon dabei war zu gehen, um Shadow zu holen, „lass ihn dort verweilen, wo er ist. Er wird sich bald an uns wenden. Geh wieder auf die Erde und lass ihn machen, was er will. Spiele weiterhin König Dämonenbluts Botin. Shadow darf nur nicht hierher gelangen. Nur wenn er Chrashan betreten will, darfst du ihn aufhalten.“ Nesace sah die Herrin der Pflanzen noch kurz an, bevor sie so unvermittelt verschwand, wie sie aufgetaucht war. Doch das Gefühl euphorischer Ekstase in Rina verebbte nur langsam, aber als es verklungen war, legte sich eine widerliche Leere über ihre Eingeweide. Gedankenverloren starrte Iblis auf den wolkenbehangenen Himmel, bis seine Frau ihm eine Hand auf die Schulter legte. Er schlang seine Arme um ihre Taille und sie schmiegte sich zärtlich an ihn. Noch in Gedanke hauchte er ihr beinahe beiläufig einen Kuss auf die Stirn. „Iblis… Welch Gram dehnt dir die Stund’?“, fragte sie, mehr besorgt als verletzt über seine geistige Abwesenheit. „Ich weiß nicht, Allan“, antwortete er und streichelte mit einer Hand ihren Rücken, „die ganze Situation, in die ich uns alle hinein manövriert habe. Ich fange an zu zweifeln, nicht an unserem Sohn, aber an…“ „An dir? Tu das nicht, Iblis. In solch einer schwierigen Zeit braucht das Volk einen starken König.“ Allan sah Iblis an, seine Augen funkelten in einem erregten saphirblau. Ob Rina ihn immer noch so wütend macht? Für ihn hatte sie ihn ganz klar verraten und die Göttin wusste über die Tiefe der Freundschaft, die die beiden verband. Sie selbst war dabei gewesen, als er sie vor den Verdammten gerettet hatte. „Ich wollte aber nie König werden…“, murmelte Iblis und Allan musste lächeln ob seinem kindisch trotzigem Ton. „Ich weiß, aber genau dies macht dich zum wahren König.“ Tatsächlich hatte es Iblis stets widerstrebt, den Thron zu besteigen, obwohl er von Kindesbeinen an auf sein Amt hin erzogen worden war. Auch sich selbst hätte Allan nie auf einem Thron erwartet und an das Dasein als „unsterbliche“ Gottheit musste sie sich erst recht gewöhnen. Sie wusste, dass sie sterben, doch wann, das war ihr unklar. Vielleicht nur noch fünfzig, vielleicht aber auch fünfhundert Jahre. Der Gedanke, sie könnte Iblis und sogar Shadow überleben, schmerzte sie zutiefst. Sie stieß einen Seufzer aus und sah zu Iblis hinauf. „Sei bitte nicht zu streng zu ihr, mein Herz“, sagte sie und hoffte so, die Wogen glätten zu können. Doch die Gesichtszüge ihres Ehegatten wurden härter und sein Körper versteifte sich. „Streng? Allan, sie hat mich verraten. Nicht nur als ihr Lehnsherr sondern auch als ihr Freund. Meiner Meinung nach bin ich viel zu sanft mit ihr umgegangen…“ „Iblis, weißt du, dass ich Rinas Tod gesehen habe und weißt du, wie schockiert ich war, als ich erkannte, dass du derjenige bist, der ihr das Leben nimmt? Bist du dir der Tragweite deines Handelns bewusst, wenn ich nicht eingegriffen hätte?“ „Verdient hätte sie den Tod…“, murmelte und Allan wich einen Schritt zurück. „Wie bitte? Du kannst nicht über ihr Leben Gericht halten!“ „Wieso nicht? Es ist wohl meine Sache, wie ich Hochverrat unter meinen Untertanen ahnde!“ „Weil ich der Tod bin. Und glaub mir, niemand stirbt, wenn ich es nicht will.“ Er sah sie an und Allan wusste nicht, was sie mehr schockierte; die stille Verachtung in seiner Haltung oder die Tatsache, dass sie ihm offen gedroht hatte. „Du würdest mir also ohne zögern einen Dolch in den Rücken stoßen?“, fragte er leise, als er an ihr vorbei ging. „Ib… Iblis! Verdreh mir nicht die Worte im Mund!“ Doch der König war bereits im Zelt verschwunden. „Iblis…“, sagte sie in sanftem Ton, als sie ihm folgte. Ihr Ehegatte saß auf einem der vielen Kissen, die im Zelt verstreut lagen und schenkte sich Wein in einen Kelch. Die Göttin setzte sich neben ihn, doch sie blickte in eine andere Richtung. „Das würde ich nie tun“, wisperte sie nach einer Weile, den Blick immer noch abgewandt. „Ich weiß.“ Iblis leerte den Kelch in einem Zug. „Verzeih mir. Die Ereignisse in letzter Zeit haben meine Nerven überansprucht und dann hat Rina auch noch… Wie konnte sie nur?!“ Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und zog sie zu sich. Seufzend und mit der Vorahnung, dass das nur die erste von vielen Streitereien war, ließ sie sich zurückfallen und spürte, wie Iblis Arme sie umfingen. Wir lieben uns... das ist alles, was zählt. Am nächsten Morgen lag ein Bund kobaltblauer Orchideen vor dem Zeltausgang und bei ihnen lag ein Zettel Iblis… Es tut mir Leid. Ich habe Dir unrecht getan, bitte verzeih mir. Ich bin zur Erde zurückgekehrt, um mich wieder meiner Aufgabe zu widmen. Pass auf Dich auf… In Liebe, Rina Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)