Wie Schwarz und Weiß von schmoergelmotte ================================================================================ Kapitel 16: Angekotzt --------------------- Hallöchen! Danke für die ganzen Kommis, die ihr bisher geschrieben habt ^^ Das freut mich wirklich. Dieses Mal war ich zum Glück etwas schneller mit dem Kapitel. Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen xD Kapitel 16: Angekotzt Mit einem breiten Grinsen begab Michael sich an der Rückseite des Autoscooters entlang zurück zu seinen Freunden. Kurz schwankte sein Blick dabei zu der gegenüberliegenden Seite des Fahrgeschäfts und erhaschte den Rücken von Thomas, welcher sich wieder zu seinen Kameraden gesellt hatte. Ein spürbares Ziehen, gefolgt von einem flatterigen Kribbeln machte sich in seinem Magen breit. Sie waren ein Paar. Er konnte es gar nicht glauben. Vielleicht sollte er gleich jemanden bitten, ihn mal kräftig zu zwicken, damit er glauben konnte, nicht zu träumen. Zugegeben, die Beziehung war heimlich und er würde nicht einmal Jan und Patrick, geschweige denn seiner Familie etwas davon erzählen können. Aber dennoch fühlte er sich im Moment so vollkommen und glückselig. Sich besinnend wandte er schließlich seinen Blick von Thomas und setzte seinen Weg ein wenig schneller zu der rechten Längsseite des Autoscooters fort. Laute Musikfetzen dröhnten ihm entgegen und schließlich fand er Jan mit einer Bierflasche in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand vor, laut mitsingend und anscheinend genau so gut gelaunt wie Michael sich gerade fühlte. „Aaaahaaa, die Gedanken sind frei! Aaahaa, die Gedanken sind frei. Ihr könnt mich foltern, könnt mich quälen, könnt mir meine Sinne rauben, aber aaahaa die Gedanken sind frei!“, grölte Jan den Text der Wohlstandskinder mit und spielte danach Luftgitarre. Michael lachte und pogte Jan spaßend an. „Oh hey, Michi-Baby hat wieder gute Laune!“, erwiderte dieser grinsend und pogte zurück. „Endlich wieder aus dem großen, schwarzen Loch heraus, hm? Komm, lass uns Pogo tanzen!“ Grinsend ließ Michael sich auf den unkoordinierten Tanzstil ein, welcher für Außenstehende oftmals wie wildes Stoßen und Schubsen aussah. Es war verwunderlich wie schnell Jan den Text des Liedes mitsingen konnte, wo viele die Strophen noch nicht mal beim Hören richtig verstehen konnten. Spaßend sprang Michael auf Jans Rücken und der Jüngere, der damit nicht gerechnet hatte, stürzte mitsamt dem anderen zu Boden. Da er jedoch kurz danach auflachte, zeigte Michael, dass er sich nichts getan hatte. „Suchst du Nähe, Michi?“, witzelte Jan und stupste seinen Kumpel freundschaftlich in die Seite, nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatten. Dieser schmunzelte. „Ja, aber nicht deine“, erwiderte er und dachte kurz an Thomas, schluckte den Namen jedoch runter und verkündete, dass eher Patrick sein Typ sei. „Aber leider ist der ja von Lara in Beschlag genommen!“ Lara, die neben Patrick auf ein paar Steinstufen saß und dessen mittlerweile ausgeblichenes, blau-blondes Haar mit ihren Fingern durchstrich, zeigte ein hinterhältiges Schmunzeln. „Hättest du das mal früher gesagt, Michi! Gegen ein kleines Entgelt leih ich dir Pat gerne mal aus!“ Ein helles Lachen kam aus ihrem Mund, als Patrick sie etwas verdattert ansah. „Und ich hab nichts dazu zu sagen?“, fragte er argwöhnisch; anscheinend hatte er gerade keine Lust auf solche Scherze. Doch seine Freunde ließen sich davon nicht beirren. „Nein, du bist mein Eigentum, von daher“, erklärte Lara ihm. „Du bist also still und ich bestimmte. Und wenn Michi das entsprechende Geld zahlt…“ Sie grinste breit. Michael zückte derweil sein Portemonnaie und kramte eine Ein-Centmünze heraus und warf es schließlich vor Patricks Füße. Dieser sah ihn finster an. „Ein Cent?“ „Ach komm, Michi, etwas mehr ist er schon wert“, sagte Lara belustigt. Daraufhin kramte Michael ein weiteres Centstück heraus und warf es zu dem anderen. Lara nickte gespielt zufrieden. „Das ist okay!“ Michael lachte und ging auf Patrick zu, welcher ihn genervt anstarrte. Langsam beugte er sich zu dem Älteren und konnte ein Grinsen kaum verbergen. „Sei mein Sexsklave“, hauchte er ihm entgegen und daraufhin konnten weder er noch die anderen, außer Patrick, ein Lachen vermeiden. Doch sogar Patrick ließ ein kleines Schmunzeln auf seine Lippen schleichen. „Oooh, die kleine Miesmuschel zeigt ein Lächeln“, sagte Jan daraufhin in einem Ton, als wäre Patrick ein Baby und gerade das erste Mal aufs Töpfchen gegangen. Patrick stand auf. „Ja ja, die kleine Miesmuschel will jetzt mal Autoscooter fahren. Wer kommt mit?“ Die Frage hätte er gar nicht erst stellen brauchen, denn sofort griff Lara nach seinem Arm und ließ sich von ihrem zum Fahrkartenschalter geleiten. Michael erwischte sich dabei, wie er daran dachte, mit Thomas Autoscooter zu fahren. Doch ihre Beziehung war heimlich, da sollte man sich besser nicht zusammen in einem Autoscooter sehen lassen. Es war schade, doch der trübe Gedanke konnte seine Glücksgefühle über Thomas’ plötzliche Entscheidung nicht vertreiben. „Markus, ich muss mit dir reden!“, sagte Saskia bestimmt, kaum waren ihr Freund und dessen bester Kumpel wieder aufgewacht, und zog Markus energisch am Ärmel von den anderen Neonazis weg. „Was hat sie denn?“, fragte Christoph verwundert und blickte beiden irritiert nach, als sie um die Ecke bogen. „Keine Ahnung“, log Thomas. Er hatte keine Lust, Christoph zu erklären, dass er der Grund für Saskias Verstimmung war. „Wieder fit?“ Christoph strich sich über den kahl rasierten Kopf und gähnte. „Eine halbe Stunde Schlaf kann Wunder wirken“, erklärte er Thomas in einem extra weisen Ton. Thomas grinste schief. „Ihr habt mehr als eine halbe Stunde geschlafen…“ „Nimm doch nicht alles so genau, Tommi“, erwiderte Christoph und blickte zu Tielmann, dem großen Koloss von Glatze, mit dem er gekommen war. „Ich hätte in der unpolitischen Skin-Szene bleiben sollen. Dann wär’ ich mit so etwas nie in Kontakt gekommen.“ Thomas lachte auf. „Welche Szene? Ihr, du und Markus, wart zu zweit!“ „Vergiss nicht, dass du auch mal dabei warst.“ „Wow, zwei Monate lang“ – „Vier!“, unterbrach Christoph ihn – „Gut, vier Monate lang waren wir Drei. Da waren wir fünfzehn! Echt geil. Und dann fing Nils auch an, aber so richtig aufgeblüht ist er erst, als wir rechts geworden sind.“ „War eigentlich ’ne gute Sache, wenn uns so Flaschen wie Tielmann erspart geblieben wären. Oder“ – er senkte seine Stimme ein bisschen – „so was wie Scherer. Hey, der Kerl kriecht der NPD so was von in den Arsch.“ Christoph atmete hörbar tief ein. Thomas zuckte mit den Schultern. „Klar, ich weiß. Mein Ding ist das auch nicht. Mir reicht meine Einstellung.“ „Japp, Deutschland den Unseren und alles andere raus. Das reicht wirklich schon“, bestätigte Christoph seine Meinung. „Genau so“, bestätigte Thomas Christophs Worte und kramte in seiner Hosentasche nach einer leicht zerknickten Zigarettenschachtel. Mit schnellem Griff zog er eine der weißen Tabakstangen mit braunem Filter heraus und zündete diese an. Der nebelartige Rauch nahm ihm kurz die Sicht auf sein Gegenüber, welches sich gerade die Bierflasche an den Mund setzte und einen kräftigen Schluck nahm. „Meinste Markus kommt irgendwann noch mal wieder?“, fragte Christoph schließlich und blickte zu der Ecke, um die sein bester Freund und seine Freundin verschwunden waren. Thomas zuckte mit den Schultern. „Wenn Saskia ihn nicht zerfleischt…“, erwiderte er recht gleichgültig und nahm einen weiteren Zug seiner Zigarette. „Also ist es was Ernstes?“ Christoph blickte ihn fragend an. „Glaube schon.“ Doch weiter mussten sie nicht mutmaßen und spekulieren, denn das Paar kam in diesem Moment zurück und beide wirkten nicht gerade glücklich. Markus wirkte sehr verärgert und Saskia zusätzlich noch etwas verbittert. Markus sagte nichts, sondern blickte Christoph nur genervt an und zog dabei die Augenbrauen hoch. Christoph schien jedoch zu verstehen und beide verschwanden von dem Rest der Gruppe. Wahrscheinlich brauchte Markus erst einmal Ruhe, um sich abzureagieren. „Hattest du nicht gesagt, es klärt sich schon, wenn ich mit ihm darüber rede?!“, fauchte Saskia derweil Thomas an. „Kommt drauf an, wie du ihn angesprochen hast“, sagte Thomas ruhig und trat seine mittlerweile abgebrannte Zigarette auf dem Asphalt aus. „Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Bei einigen Männern, aber vor allem bei Neonazis, standen die Kameraden eben über jeder Frau, selbst wenn diese ebenfalls rechts gesinnt war. Wahre Freundschaft gab es eben doch nur unter Männern. Saskia warf Thomas einen wutentbrannten Blick zu und schnalzte mit der Zunge. „Ich geh’ jetzt mal. Ich hab wirklich keinen Bock mehr.“ „Okay, tschüss“, sagte Thomas daraufhin nur abweisend, denn mittlerweile war er wirklich genervt von ihr. Was konnte er denn bitteschön für ihre Beziehungsprobleme? Wenn er so an Beziehung dachte, schlich Michael sich wieder in seine Gedanken und damit ein Lächeln auf sein Gesicht. Ich hab schon die richtige Entscheidung getroffen, dachte er sich. Natürlich waren seine Zweifel nicht gänzlich weggefegt, aber die Gefühle, die sich in seinem Körper breit machten, wenn er nur an den jungen Punk dachte, hatten ihm selbst klar gemacht, dass er bereit war, es zu versuchen. Ein lauter Rülpser neben ihm ließ ihn aus seinen Gedanken auftauchen und etwas angewidert zu Tobias neben sich gucken. Der Kleinere klammerte sich mit bleichem, leicht gräulich-grünlichem Gesicht an den Lampenfahl und blickte mit den Augen unkoordiniert über den Kirmesplatz. „Geht es dir gut?“, fragte Thomas skeptisch, denn Tobias’ Anblick gefiel ihm nicht sonderlich. Doch dieser reagierte gar nicht erst auf seine Worte und so bezweifelte Thomas, dass Tobias sich überhaupt angesprochen gefühlt hatte. „Tobias!“, sprach er ihn nun etwas kraftvoller an und diesmal zuckte er wenigstens zusammen. Der Jüngere öffnete den Mund, zweifellos um etwas zu sagen, doch heraus kamen nur wirre Laute. Verwundert zog Thomas die Augenbrauen zusammen. Tobias vertrug nicht viel Alkohol und war immer leicht abzufüllen gewesen, aber es war noch vergleichsweise eine junge Nacht. Konnte man von Bier allein überhaupt so weggetreten sein? Wahrscheinlich schon, wenn man genug konsumiert hatte, doch irgendwas in Thomas sagte ihm, dass dies nicht alles gewesen war. „Tobias!“, sagte er erneut etwas lauter und fuchtelte mit der Hand vor dem Gesicht des Jüngeren, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit verklärtem Blick starrte Tobias nun mehr oder weniger in Thomas’ Gesicht. „Was hast du geschluckt?“, fragte er deutlich und langsam, als würde er mit einem Schwerhörigen reden. Doch auf Tobias’ Gesicht schlich sich nur ein schiefes Lächeln, was bei seinem Zustand eher aussah wie eine misslungene Grimasse. Als er dazu noch anfing zu kichern, beschloss Thomas es aufzugeben und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Mit einer schnellen Handbewegung griff er in beide Taschen von Tobias’ Jacke und durchwühlte sie, in der Hoffnung dort irgendetwas zu finden. Dass Tobias dabei noch lauter kicherte, überging Thomas würdevoll. Nachdem sich schließlich schon genug entlaufener Tabak aus Tobias’ Tabaktütchen unter Thomas’ Fingernägeln angestaut hatte (schon allein deswegen würde er nie selber Zigaretten drehen), fand er schließlich etwas, was sich wie ein Tablettenfilm anfühlte. Schnell zog er ihn heraus und erkannte den Namen auf der silbernen Folie. Er wusste, dass dieses Mittel gegen leichte Grippen war und wenn er es sich recht überlegte, hatte Tobias sich in den letzten Tagen wirklich verschnupft angehört. Erleichtert steckte er die Tabletten wieder in Tobias’ Tasche; dieser lehnte mittlerweile mit dem Kopf auf seiner Schulter. Ihm würde nichts passieren. Häufig wurde einem extrem schlecht oder man trat weg, doch von etwas Ernsterem hatte Thomas noch nie gehört. Als wäre dieser Gedanke ein Stichwort gewesen, gab es aus Tobias’ Kehle ein widerlichen Würgegeräusch und ehe Thomas reagieren konnte, roch er den unappetitlichen Geruch von Magensäure und Erbrochenem, noch bevor er das plätschernde Geräusch auf seiner Jacke hörte. Mühevoll unterdrückte er einen eigenen Würgedrang und löste sich sanft, aber bestimmt von Tobias, welcher nun noch bleicher aussah als zuvor. Angewidert zog er sich seine Jacke aus und vernahm, wie einige Brocken auf den Boden fielen, ehe sich Tobias noch ein weiteres Mal zu seinen Füßen übergab. Mit einem schnellen Blick nach unten, stellte er erleichtert fest, dass Tobias seine Stiefel um ein paar Zentimeter verfehlt hatte. „’Tschulligung“, lallte Tobias benommen und Thomas freute sich, dass er wenigstens wieder redete. Freundschaftlich strich er ihm über den kahl rasierten Schädel. „Kein Problem. Lass es alles raus, nur nicht wieder auf meine Jacke.“ „Igitt! Rosner wurde angekotzt!“, sagte Lara plötzlich mit angewidertem Gesichtsausdruck und Michael drehte sich schlagartig um. „Was?!“ Früher hätte er gelacht, wenn er den hellbraunen, triefenden Fleck auf Thomas’ dunkelblauer Jacke gesehen hätte, doch nun überkam ihn Mitleid. Weiter entwickelte er das Verlangen, zu Thomas zu gehen und ihm seine Jacke anzubieten, wie man es in einer Beziehung nun einmal tat; obgleich seine Nietenlederjacke wohl recht merkwürdig an dem jungen Neonazi ausgesehen hätte, nicht nur vom Stil, sondern auch, weil Thomas größer war als Michael und breitere Schultern hatte. „Nun, das passiert schon mal“, sagte Patrick derweil recht gleichgültig. „Jan hat auch schon in mein Bett gekotzt und Michi auf meine Schuhe…“ Michael zuckte mit den Schultern. „Sagt ja auch keiner was.“ „Aber so an der Schulter… das ist irgendwie widerlicher“, meinte Lara und nippte an ihrer Cola Cherry. „Es ist so nah beim Gesicht daher hat man den Geruch dann die ganze Zeit in der Nase.“ „Hallo? Jan hatte mir damals beinah ins Gesicht gekotzt!“, empörte sich Patrick und sah seine Freundin mit einem leichten Schmollmund an. Jan grinste. „Ja, schade, dass ich nicht getroffen hab!“ Nur knapp entging er dem Kronkorken einer Bierflasche, den Patrick daraufhin auf ihn geworfen hatte. „Hey, können wir mal aufhören, übers Kotzen zu reden? Kann uns doch egal sein, ob Th-… Rosner angekotzt wurde!“, beschloss Michael das Thema zu beenden und konnte nicht verhindern, zu erröten, als er Thomas beinahe bei seinem Vornamen genannt hatte. „Genau, sonst muss der Michi gleich selber kotzen!“, warf Dennis, ein Bekannter, lachend ein und schlug Michael auf die Schulter, die nicht mit Nieten bekleidet war. „Ihr seid scheiße, Leute“, meinte Michael, lachte aber ebenfalls. Dennis grinste. „Gut, wer fährt mit mir Autoscooter und macht mit mir die Nazis platt? Ihr dürft mich auch ankotzen!“ Michael trat die Zigarette auf dem schon verschmutzten Boden aus und stellte seine Bierflasche zu Patrick und Lara auf die Steinstufen. „Na, so ein Angebot kann ich doch nicht ausschlagen!“ Gemeinsam gingen sie zum Schalter, um ein paar Fahrchips zu kaufen. „Aha, mit mir zu fahren oder mich anzukotzen?“, fragte Dennis und gab der Frau an dem Schalter das Geld und nahm die Chips. „Such es dir aus, Baby!“ Dennis grinste, sagte nichts und zerrte Michael zum Autoscooter. Sowohl Michael als auch Thomas waren spät – oder eher früh am Morgen des Samstags – nach Hause gekommen, auch wenn sie nicht zusammen gefeiert hatten. Dementsprechend war es schon nach 13 Uhr, als Michael aufwachte und sich murmelnd streckte, während er seine Bettdecke von sich schob. Sein erster Gedanke galt Thomas, was ein immenses Kribbeln in seiner Magengegend auslöste. Sie waren wirklich ein Paar. Ein breites Lächeln schlich sich auf die vollen Lippen des jungen Punks und verschob so das Piercing leicht. Mit einem Schrecken fiel ihm dann jedoch ein, dass Thomas heute eigentlich anrufen wollte. Was, wenn er schon angerufen hatte und seine Familie ihn nicht deswegen hatte wecken wollen? Es konnte ja immerhin nicht jeder so lange schlafen. Obwohl er eigentlich vorgehabt hatte, noch etwas im Bett liegen zu bleiben, stand er fast schon sprunghaft auf. Sich noch gähnend die Augen reibend wackelte er etwas benommen aus seinem Zimmer, einen abgestanden Geruch aus Bier, Fritten und Zigarettenrauch mit sich tragend. In der Küche fand er schließlich seine ganze Familie, inklusive Carolinas Freund Martin, am Küchentisch sitzen. „Mein Gott, Michael, du stinkst!“, beschwerte sich seine Mutter, als er hereinkam und verzog das Gesicht. Sein Vater, den er in letzter Zeit wegen seinen vielen Geschäftsreisen seltener gesehen hatte, lächelte ihm entgegen. „Ach, als ich in seinem Alter war, roch ich manchmal auch nicht besser!“ Carolina lachte. Wahrscheinlich, weil es schwer vorstellbar war, dass ihr Vater, der im Moment mit einem schlichten Hemd und einer Stoffhose am Tisch saß, mal Nächte durchgefeiert hatte. „Sagt mal, hat jemand für mich angerufen?“, fragte Michael direkt heraus. Seine Mutter blickte ihn verwundert an. „Nein, erwartest du einen Anruf?“ „Ähm ja, von meinem – “ Michael stockte einen Moment, denn er hätte beinahe das Wort ‚Freund’ gesagt – „Klassenkameraden“, verbesserte er sich schnell. „Sorry, aber mein Hirn ist wohl noch etwas schwammig!“ Entschuldigend lächelte er sie an und sie nickte gutgläubig. „Also wenn jemand für dich anruft, dann schreien wir sofort nach dir“, sagte sein Vater mit einem Schmunzeln und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Du mutierst zum Sekretär von deinem Sohn“, meinte seine Ehefrau lachend und blickte dann wieder auf ihr Gartenmagazin. Michael grinste seinem Vater zu. „Ich glaube, ich bin dann mal duschen!“ „Das hast du auch bitter nötig“, warf seine Mutter noch ein. Sie konnte es anscheinend nicht lassen. Doch Michael erwiderte nichts darauf und ging einfach nach oben zum Badezimmer. Als hätte man den Zeitpunkt genau bestimmen können, klingelte genau in dem Moment, wo Michael sich ein frisches T-Shirt überzog, das Telefon. Hastig lief er die Treppe runter, sodass er beinahe schon die letzten Stufen fiel, und erreichte noch vor Carolina, die nun aus dem Wohnzimmer langsam angelaufen kam, die Ladestation, in der das kabellose Gerät steckte. „Ist eh für mich“, erklärte er ihr atemlos auf ihren verwunderten Blick hin. „Okay“, sagte sie, jedoch immer noch etwas verwirrt und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Freund, der wahrscheinlich auf der Terrasse im Garten saß. Mit klopfendem Herzen und leicht zittrigen Fingern zog Michael das Telefongerät aus der Station und drückte die Taste mit dem grünen, abhebenden Telefonhörer. „Michael Pleske“, meldete er sich ungewohnter Weise mit seinem Vornamen und konnte nicht verhindern, dabei etwas atemlos zu klingeln. Für einen kurzen Moment dachte Michael, auf der anderen Seite würde sich keiner mehr melden, doch dann hörte er eine vertraute, jedoch heute etwas heisere Stimme. „Hi, hier ist Thomas. Ähm… irgendwie hab ich nicht gedacht, dass du so schnell dran gehst. Bist du etwa zum Telefon gerannt?“ Irgendwie hatte Michael schon wieder das dumpfe Gefühl, durchschaut zu sein. „Ähm, nein, ich lief nur zufällig gerade an dem Telefon vorbei, das ist alles“, log er, um sich wenigstens etwas eigene Ehre aufrecht zu erhalten und ging mit dem Telefon wieder nach oben; ignorierte dabei das prickelnde Gefühl, dass Thomas’ Stimme in ihm auslöste. Er hörte ein leichtes Hüsteln, was sich, wie er fand, nach einem unterdrückten Lachen anhörte, doch Thomas sagte nichts mehr zu dem Thema. „Ich wollte eigentlich schon früher anrufen, nicht erst um zwei Uhr, aber ich… hab ewig lange gepennt“, entschuldigte Thomas sich und Michael vernahm ein Gähnen an seinem Ohr. „’Tschuldigung.“ Der junge Punk grinste etwas und verschloss die Zimmertür hinter sich. „Macht nichts, ich bin, ehrlich gesagt, auch noch nicht lange wach und du hast Timing, Thomas. Ich bin gerade mit duschen und anziehen fertig“, plauderte er fröhlich aus und legte sich auf sein Bett. „Na, soweit bin ich auch schon. Außerdem habe ich schon heldenhaft eine Barbie-Puppe aus dem Baum gefischt“, erwiderte Thomas und Michael musste über die Redseligkeit des anderen lächeln. Es gab Momente, da bekam man aus Thomas nur ein oder zwei Wörter heraus. Meistens, wenn der Ältere gereizt war. „Wie kam sie denn dahin?“, fragte er, um das Gespräch weiterzuführen und spielte mit den kurzen, roten Strähnen, die noch etwas feucht waren. „Benni hatte sie da hoch geworfen, um Jana zu ärgern“, erzählte Thomas gelassen von einem recht üblichen Streich unter Geschwistern. „Wusste gar nicht, dass ich noch so sportlich bin!“ Michael musste leise auflachen. „Ha ha, sehr witzig. Du hast doch einen tollen Körperbau, der war dir sicher nicht angeboren!“, platzte es aus ihm heraus. Als er realisierte, was er gesagt hatte, trat ungewöhnlich viel gesunde Gesichtsfarbe auf seine Wangen, sodass sie schon fast Konkurrenz zu seinen Haaren aufnehmen konnten. Zu seinem Glück schien Thomas das jedoch nicht ernst zu nehmen und lachte ebenfalls leise, was sich in Michaels Ohren einfach nur toll anhörte. „So, so, hab ich das?“, fragte er am anderen Ende der Leitung und anhand von seiner Tonlage konnte Michael darauf schwören, dass er schmunzelte. Nun wich auch die Scheu von dem jungen Punk und er biss sich auf die Lippen, sodass seine Zähne auf dem Stahl seines Piercings klackten. „Oh ja, sehr, sehr schööööööön. Kann man sich klasse angucken“, gestand er lachend. Erneut kam ein Lachen über Thomas’ Lippen, doch es verstummte abrupt und Michael hörte ein lautes Klirren im Hintergrund. „Mensch Benni, pass auf, wo du hinläufst!“, rief er seinem Bruder zu, der anscheinend auf dem Flur etwas umgeworfen hatte. Etwas leiser, eher an sich selbst oder an Michael gewandt, fügte er hinzu: „Was für ein Trottel. Gegen die Vase rennt er jetzt schon zum vierten Mal und jedes Mal bricht ein anderes Stück heraus. Mutter wird sich freuen.“ Michael grinste leicht. „Sicher. Aber es gibt ja Sekundenkleber!“ „Den benutzt sie nicht mehr, seit ich als… man, wie alt war ich da? Acht? Na ja, ich hatte jedenfalls damals die ganzen Weihnachtskugeln an die Tannen geklebt, in der Hoffnung, meine Mutter wurde ihn dann das ganze Jahr über stehen lassen und ich würde mehr Geschenke kassieren, aber im Endeffekt hat sie den Baum dann mit den Kugel weggeschmissen!“, erzählte Thomas und seine Stimme wurde zwischenzeitlich immer rauer. Michael konnte sich ein lautes Auflachen nicht verkneifen, als er sich einen kleinen achtjährigen Jungen mit Glatze (er konnte sich Thomas nicht mit Haaren vorstellen) vorstellte, der um einen Weihnachtsbaum lief und glänzende, rote Kugeln an die Tannenzweige klebte. „Jaaah, ein Schwank aus meiner Kindheit“, sagte Thomas nur, lachte leise, beruhigte sich dann aber wieder. „Hm, sag mal, was ich dich eigentlich fragen wollte…“ „Ja?“ Michael wurde mit einem Mal hellhörig. „Dieses Wochenende bin ich die ganze Zeit verplant. Kirmes, Kameraden. Na ja… aber… nächstes Wochenende, da-“ Sollte das eine Verabredung werden? Michael unterbrach ihn forsch. „Hab ich Zeit!“ Thomas stockte für einen Moment. „Äh – ja, klasse. Also ich hab auch nichts vor. Meine Geschwister sind bei meinem Vater, dementsprechend wird es kaum einer mitkriegen, denn meine Mutter wird sicher den ganzen Tag in der Badewanne sein oder sich mit ihrer besten Freundin treffen. So was halt.“ Michael biss auf den Nagel seines rechten Ringfingers. Er hatte eine Verabredung mit Thomas Rosner. Nicht als Klassenkameraden, nicht als Freunde, sondern als Paar. Oh fuck! „Dann also bei dir. Genial“, sagte Michael und man konnte nur allzu deutlich die Freude in seiner Stimme hören. Das Gespräch zwischen ihnen verlief noch weitere 15 Minuten und als sie aufgelegt hatten, konnte Michael an nichts anderes denken, als an das kommende Wochenende. TBC Sodele, das war's mal wieder ^^ Wie sich sicher alle denken können, ergibt sich der Kapiteltitel "Angekotzt" aus Tobias' kleinem Missgeschick bezüglich Thomas XD Mir ist leider kein besser Titel für das Kapitel eingefallen. Ich scheine im Moment etwas unkreativ zu sein, was das angeht ^^" Kommis sind wie immer gerne gesehen ^^ Bis zu Kapitel 17 dann, Motte Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)