Tobrisches Schattenspiel von Sperber (Lares und Zylya im Dienste des KGIA 27 Hal) ================================================================================ Prolog: Begegnung ----------------- Begegnung Zylya. Praios 27 Hal. Über ein Jahr warst du allein unterwegs, incognito, immer dort, wo du deinen Job zu erledigen hattest. Du hast viele Landschaften gesehen, in vielen Städten gelebt, den Aufstieg der dunklen Mächte geschehen sehen, ohne das Gefühl zu haben, etwas daran ändern zu können. Du warst allein, und zum ersten Mal seit langem spürtest du, was dies eigentlich in einer Welt wie Aventurien in Zeiten wie diesen bedeutete: Hilflosigkeit. Einsamkeit. Wenn Not am Mann war, konntest du allein kaum zur Abwendung der Bedrohung oder zur Lösung von Problemen beitragen. Mit der Zeit verfluchtest du die Gabe, größere Zusammenhänge zwischen den Geschehnissen um dich herum zu spüren und Wege zu sehen, die die Lage der Menschen um dich herum verbessert hätten, die du aber ohne Kameraden nicht beschreiten konntest. Mit niemandem konntest du über persönliche oder Dinge aus deiner Vergangenheit sprechen, ohne aus deinen Rollen zu fallen - Söldnerin, Handelsreisende, Magd oder Streunerin, alles, was nötig war, aber nie warst du du selbst. Regelmäßig die Identität zu wechseln brachte dich dazu, dich so zu fühlen, als würdest du dich selbst nicht mehr richtig im Blick haben, als würden die Grenzen deiner Persönlichkeit verschwimmen oder gar fallen. Als der regelmäßige Kontakt mit dem KGIA aufgrund der unsicher werdenden Briefwege seltener wurden, blieben auch direkte, kleinere Aufträge aus, die dir, wenn auch nicht wirkliche Befriedigung, doch das Gefühl gegeben hatten, zumindest noch irgendwie nützlich zu sein. Borbarads Heere begannen über die Lande zu ziehen und färbten es schwarz. Viele Menschen, die du kennen und schätzen gelernt hattest, starben, gingen emotional zu Grunde, und oft wünschtest du dir, lieber sterben zu können, als dies alles tatenlos mitansehen zu müssen. Du wurdest unvorsichtiger, einmal hättest du fast deine derzeitige Identität verloren und wärest entdeckt worden. Du wusstest, dies würde bedeuten, dass Häscher nach dir ausgeschickt wurden, Killer, wenn nicht gar Dämonen. Und doch, wenn du wieder einmal nachts verzweifelt in dein Kissen geweint hattest, sehntest du dich danach, dass dies alles ein Ende haben möge. Anfang Praois 27 Hal erhieltst du überraschenderweise einen Brief mit der Anweisung, dich mit einem anderen Agenten zu treffen, von dem du näheres erfahren würdest. Diese Aussicht war ein Lichtblick für dich, denn endlich würdest du wieder gegenüber jemandem du selbst, Zylya, sein dürfen, und sei es nur in unbeobachteten Momenten, sei es nur bruchstückhaft, sei dieser Partner ungenießbar. Du bekamst nur eine vage Beschreibung: Männlicher Mittelreicher, dunkelhaarig und dunkeläugig, mittelgroß, der als Erkennungszeichen ein rot eingebundenes Buch bei sich tragen sollte. Der Treffpunkt war eine Kaschemme zwei Orte weiter, die du bereits kanntest und verachtetest, und du selbst solltest zur Erkennung Gänsekiel und Tinte auf den Tisch stellen. Nervös und auch etwas ängstlich saßt du am vereinbarten Abend in der winzigen Dorfkneipe, Zweifel kamen dir, ob dies nicht eine geschickt eingefädelte Falle sein könnte. Fast hattest du dich dazu durchgerungen zu gehen, du warst sogar bereits aufgestanden und hattest nach Gänsekiel und Tinte gegriffen, als die Tür sich öffnete und dein Blick auf ein rotes Buch fiel, das ein Mann in der Armbeuge hielt. Du erstarrtest. Noch war es nicht zu spät, die Sachen wegzupacken. Du wandtest den Blick ab, die Tür fiel ins Schloss, es war still. Langsam griffst du nach dem Tintenfaß, so unauffällig wie möglich, und schobst es hinter deinen Körper, bevor du unauffällig über die Schulter sahst, um den Besitzer des Buches zu mustern. Er war von normaler Größe, trug ein Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, Hose, einen rostfarbenen, ziemlich langen Mantel mit weißen Einsätzen an Ellenbogen und Knien, den er sich über die Schulter geworfen hatte - der Tag war sehr warm - und eine helle Mütze mit schmaler Krempe, unter der kurze schwarze Haare hervorschauten. Unter dem Arm, in dem er das Buch hielt, klemmte ein schmuckloser Stab mit knorrigem, gebogenen Kopfstück. Du starrtest den Stab an. Dein alter Reisegefährte Lares Alfaran hatte auch so einen gehabt. Lares, was Lares wohl tat ? Für einen Moment kehrte die geballte Einsamkeit unfreiwillig durchgewachter Nächte zurück, du wandtest dich rasch ab. Ein dicker Kloß saß in deiner Kehle und kurz traten dir Tränen in die Augen, die du beinahe gewaltsam zurückdrängtest. Du balltest die Finger um Feder und Fässchen, bis du deiner selbst wieder Herr wurdest, deinen stolzesten Blick aufsetztest und wieder über die Schulter blicktest. Der Mann starrte dich völlig unverhohlen an. Du bekamst einen Schreck. Weshalb ? Da war etwas in seinem Gesicht, das dir vertraut war, und doch wusstest du für einige Augenblicke nicht, wohin damit, und diese Zeit brauchte der Mann, um mit langen Schritten durch den Raum auf dich zu zu laufen, Stab und Buch fallen zu lassen und dich zu umarmen. "Zylya", flüsterte es an deinem Ohr. Du hattest ihn perplex gewähren lassen und gerade erwogen, ihn von dir zu stoßen, als die lang nicht vernommene Stimme deinen Widerstand im Keim erstickte. War das Lares' Stimme ? Stocksteif standest du da, während er dich an sich presste, bis du die Hände hobst und ihn vorsichtig von dir schobst, um ihn anschauen zu können. Er sah älter aus. Einige Sorgenfältchen hatten sich in seine Augen- und Mundwinkel gegraben, und kurz über seinem rechten Ohr zog sich eine Narbe ins Haar, die du nicht kanntest. Keine Glatze mehr. Er hatte Haare, kurzes, schwarzes Haar, aber es war ganz eindeutig er, und als er schwach und etwas unsicher lächelte, warst du ganz sicher. Diese Art zu Grinsen, zu typisch ! Wenn auch diese Art des Lächelns, verhalten und fast oberflächlich, dir neu war ... "Hallo", sagte er, und all die verzweifelten Stunden brachen auf einmal aus dir heraus: Du warfst beide Arme um seinen Hals und konntest dich gerade noch soweit beherrschen, nicht wie ein Kind loszuheulen, als du dich an ihn presstest und erstickt "Hallo" stammeltest. Ein Mensch, den du kanntest ! Ein Mensch, der dich kannte ! Aber gerade Lares muß es sein, motzte eine kleine Stimme in deinem Hinterkopf, und wieder hättest du beinahe geschluchzt, so sehr gehörte dieses Stimmchen in alte, bessere Zeiten. Und als du spürtest, wie sich seine Hände in den Stoff an deinem Rücken gruben, warst du so glücklich wie nie zuvor. Seit Monaten hattest du nicht mehr soviel geredet wie in den nächsten Paar Stunden. Da gab es soviel zu erzählen ! Nachdem ihr dem Wirt einen Hinterraum und eine Karaffe Wein sowie das Versprechen, gepaart mit einer kleinen Drohung, was ihm bevorstünde, wenn er lauschen würde, abgekauft hattet, standen eure Münder kaum mehr still. Wo kamen Lares' Haare her ? - Sie waren irgendwann plötzlich wieder gewachsen, erklärte er grinsend. Und da es in seinem Interesse stand, nicht mehr all zu schnell als Lares Alfaran kenntlich zu sein, und die Tätowierung auf seiner Kopfhaut war doch arg individuell, ließ er sie. Ganz allein in Tobrien auf Reisen, war jedwede Auffälligkeit gefährlich ... Was hatte er gemacht ? - Er hatte, seit ihr allein unterwegs wart, im Auftrag der Gilde Artefakte und Briefe transportiert und für den KGIA Berichte über den politischen und infiltrierten Zustand der Gegenden, durch die er kam, geschrieben. "Kaum zu glauben, dass wir beide im KGIA sind! Hätten wir uns doch nur nicht an das Schweigegebot gehalten, dann hätten wir wenigstens Bescheid gewusst !" Wo war er gewesen ? - Immer auf der Straße im Osten Aventuriens, mit zeitweiligem Aufenthalt in Akademien, Stützpunkten und Herrenhäusern. "Das war kein Problem. Ich bin immer gereist, Straßen sind für mich fast eine Art Heimat ... nur dass ich allein reisen musste..." Er ließ den Satz unvollendet, sein Gesicht verdüsterte sich. Du nicktest einfach. Das musste er dir wirklich nicht erklären. Er fragte dich über deine Erlebnisse aus, und stolz berichtetest du von deinen Erfolgen. Es waren doch recht viele, fiel dir auf, als du so erzähltest. Das gab dir, gemeinsam mit dem altvertrauten Gestichel mit Lares, das sich nach einer Weile wieder einstellte, als hättet ihr euch erst gestern das letzte Mal gesehen, das Gefühl, als wären die harten Momente in den Jahren zuvor nicht wahr, die Zeit des Alleinseins nur ein Traum gewesen. Nichtsdestotrotz gab es Dinge, die du an ihm nicht kanntest, angefangen bei der Narbe, die von einem Scharmützel zur Verteidigung einer Nachricht herrührte (ein ganz allein kämpfender Lares war eine erstaunlich bemitleidenswerte Vorstellung), über die Tatsache, das zwei der Dinge, die ihn immer ausgemacht hatten - die rote Kutte und der tätowierte, blanke Kopf - zwecks Wahrung seiner Deckung verschwunden waren, bis hin zu einer weniger unbeschwerten Art, zu sprechen und zu lachen. Sobald dir diese Dinge einmal ins Auge gefallen waren, kamst du nicht mehr davon los, Unterschiede zu dem Lares aus deinem Gedächtnis zu suchen, und allmählich verging anhand all deiner Beobachtungen die Illusion, nichts wäre wirklich geschehen. Er trug Handschuhe, um das Magiersiegel zu verbergen. Sein Blick wurde bedrückt, wenn er beim Erzählen an Punkte kam, bei denen du das Gefühl hattest, er würde etwas auslassen. Und das Haar ! Nichts, was ihn mehr verändert hätte. Irgendwie hattest du das Gefühl, dass er erst jetzt irgendwie wirklich ein Gesicht hatte, etwas, dass man als gut oder schlechtaussehend bezeichnen konnte. Du mustertest ihn lange, ohne diesbezüglich irgendwie zu einem Ergebnis zu kommen: Tendiertest du zu "gutaussehend", sagte die kleine Stimme im Hintergrund Das ist Lares !, fandest du ihn eher unansehnlich, war es nicht ganz ehrlich. Irgendwann bemerkte er deine Blicke. " Was ?" fragte er mit einem halben Lächeln. "Hab ich mich so verändert ?" " Schon irgendwie." Er nippte an seinem Glas, sein Blick streifte über dich. "Du dich auch." Das war dir nicht ganz angenehm. Sowohl der Blick als auch die Feststellung. "Inwiefern ?" "Naja..." Er sah weg. "So ... fertig. Ausgelaugt. Dein Gesicht ist nicht mehr so..." " So was ?" fragtest du leicht misstrauisch. " Hochmütig", grinste er und lachte, als du drohend die Weinkaraffe in seine Richtung schwenktest. Einen Moment herrschte Schweigen, ein Schweigen, das nicht ganz angenehm war. "Unser Auftrag ist eigentlich ... ?" fragtest du irgendwann, nur um etwas zu sagen, und bereutest es fast sofort, denn eine gewisse Spannung, die du nicht kanntest, fuhr in seine Schultern, und so sofort auch in deine. "Wir sollen etwas ... besorgen. Ein Artefakt. Die Borbaradianer sollen es nicht bekommen." Kurzes Schweigen. "Erinnert mich an die Pantheonsteine." "Nicht wahr ? Wahrscheinlich sind wir nicht umsonst wieder zusammen." Einen Augenblick warst du sauer, dass der KGIA tatsächlich die Fäden in der Hand hielt, über euer Gedeih und Verderb zu entscheiden, zu bestimmen, ob ihr euch traft oder nicht, ob ihr vor Kummer und Einsamkeit leidet oder nicht, und dass die tatsächlich glaubten, sie könnten euch dann, wenn sie eure Fähigkeiten brauchen konnten, einfach mal wieder zusammenwerfen und dann solltet ihr funktionieren ! "Zylya ..." sagte er sanft, beobachtete deinen Gesichtsausdruck. Du senktest den Kopf. "Ich hab's so satt", brach es erstickt aus dir hervor. Einen Moment sah er dich an, dann zog er, ohne dich anzusehen, die Handschuhe aus und legte die Hand mit dem Symbol der Akademie in der Fläche auf denTisch neben deine Hände. Eine Geste, die Trost anbot. Lange Augenblicke zögertest du. Dann nahmst du vorsichtig seine Hand. Sie war trocken und schmaler, als du dachtest. Er lächelte ermunternd, drückte deine Finger. "Das schaffen wir. Wir haben schon ganz anderes geschafft." " Da waren wir aber zu sechst", antwortete sie gequält. " Ach, die waren doch nur Ballast." Sein Grinsen steckte an. Tatsächlich fühltest du dich etwas zuversichtlicher, auch wenn das Gesagte nur ... eben Gesagtes war. Später, als ihr schon geraume Zeit nebeneinander auf zwei Strohsäcken in der einzigen intakten Herberge der Gegend lagt und du dachtest, er würde schon lange schlafen, bemerktest du plötzlich, dass er dich ansah. Einen Moment hattest du Panik, aber dann fiel dir auf, dass dein Gesicht im Schatten war und dass er wahrscheinlich gar nicht wußte, dass du ihn sehen konntest. Sein Blick ... du konntest es nicht wirklich deuten. Aber er wirkte offener, unverfälschter, als du ihn je zu sehen bekommen hattest. Vielleicht, weil er sich unbeobachtet fühlte ? Dir kam der Gedanke, das vielleicht auch Lares' tägliches Verhalten, so wie deines, etwas war, das unverwundbar machen sollte, stark und wehrhaft. Er sah gerade unheimlich ... schutzlos aus. Beunruhigend. Du schobst die Gedanken weg und drehtest dich auf den Rücken. "Zylya ?" Dir blieb fast das Herz stehen. Hatte er dich doch zurückschauen sehen ? "Hm ?" " Schön, dich zu sehen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)