Der Schleier der Nacht von Caska ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Regungslos saß Alfred da, drückte sich unbewusst gegen die Sessellehne und starrte Herbert ins Gesicht. Nur ganz langsam realisierte er, was der Grafensohn, dieser angebliche Vampir, da von sich gab. Seine Worte vorhin waren doch nur ein Scherz gewesen! Ein harmloser Scherz, Wie konnte er da ahnen, dass er damit voll und ganz ins Schwarze getroffen hatte - und das gänzlich unbeabsichtigt! Sein Mund stand offen, er wollte irgendwas sagen, aber all seine Worte erstickten, da ein dicker Kloß in seinem Hals feststeckte. Herbert hingegen lächelte amüsiert, beobachtete den jungen Mann und spielte mit seinen langen Haarsträhnen. Ja, da hatte er Alfred wohl ein wenig schockiert. Aber sein Gesichtsausdruck war einfach zu göttlich! Am liebsten hätte er den Blauäugigen jetzt in die Arme geschlossen, geknuddelt und gesagt, dass alles wirklich nur ein dummer Witz war. Leider sah die Realität ganz anders aus und seine langen Eckzähne waren auf die Dauer auch nicht zu verstecken. Ein Räuspern durchbrach die Stille und Alfred setzte sich wieder auf, spielte nervös mit dem Saum seiner Jacke. "Ihr.. Ihr meint das nicht ernst, habe ich Recht? Ihr wolltet mich doch lediglich ein bisschen ärgern", flüsterte der junge Wissenschaftler hoffnungsvoll und lachte dann. "Aber natürlich scherzt Ihr nur, wieso sollte ich ausgerechnet einem Vampir in die Arme gelaufen sein?! Ich muss sagen, für eine Minute habe ich Euch Euren Scherz abgekauft!" Das Lachen des Kleineren klang eher verzweifelt als amüsiert, denn irgendwie glaubte Alfred nicht so recht an seine eigenen Worte. Mit großen Augen sah er zu Herbert, um doch Bestätigung in seinen dunkelblauen Augen lesen zu können. "Cherie, ich würde Dir ja so gerne zustimmen", seufzte der Adlige schließlich und sah in das prasselnde Feuer. "Aber ich muss Dich enttäuschen. Ich habe keineswegs gescherzt!" Mit diesen Worten grinste er so breit, dass seine Eckzähnchen sichtbar wurden. "Siehst du, Alfred?" Alfred wurde bleicher und bleicher, starrte gebannt in das Gesicht des Vampirs und atmete dann tief durch. Ruhe bewahren, dachte er sich. Einfach nur Ruhe bewahren und nicht panisch werden. Immerhin Abronsius ihm ja beigebracht, wie er sich zu verhalten hatte, sollte Alfred je einem Blutsauger begegnen. Leider zitterte sein Körper verdächtig und am liebsten hätte er die Füße in die Hand genommen, um schreiend aus dem Zimmer zu rennen. "Herr von Krolock", flüsterte er schließlich und atmete noch einmal tief durch. "Ihr... Ihr wollt mich jetzt aber nicht beißen, oder?", hauchte er. Dass war wohl die dümmste Frage, die man einem solchen Geschöpf der Nacht stellen konnte. Doch ihm fiel nichts Besseres ein und außerdem fand er die Stille in diesem Raum mehr als bedrückend. Kichernd stand Herbert auf und schlich um den Sessel des Nachwuchswissenschaftlers herum, schüttelte fassungslos den Kopf und legte ihm schließlich die Hände auf die schmalen Schultern. "Mein guter Freund", murmelte er schließlich und ließ sich auf der Armlehne nieder, ignorierend, dass Alfred ängstlich zur Seite wich. "Hätte ich Dich beißen wollen, dann doch bestimmt nicht in einem staubigen, alten Kaminzimmer. Außerdem spielt man nicht mit Essen, das hat mir schon meine Mutter einst beigebracht." Verschmitzt zwinkernd schwang er sich vom Sessel und stellte sich wieder dahinter, Alfreds Reaktion abwartend. "Essen!", wiederholte Alfred schockiert und runzelte die Stirn, drehte sich herum und sah nach oben. "Ich bin nichts, das man essen kann!", informierte er den Adligen und stand nun ebenfalls auf, schnaubte pikiert und schüttelte dann den Kopf, sodass die Locken wild umher flogen. "Und mit mir spielen lasse ich auch nicht", fügte er hinzu, trat vorsichtshalber einen Schritt nach hinten um einen Sicherheitsabstand zu schaffen und fiel dabei fast über den kleinen Couchtisch. Der Grafensohn verdrehte die Augen, seufzte schwer und blickte Alfred dann eindringlich an. "Alfred. Meinst Du nicht, ich hätte Dich schon längst auf den letzten Tropfen ausgesaugt, wenn es meine Absicht gewesen wäre? Das hätte ich schon auf dem Pferd tun können. Oder dann, wenn du mich gar nicht erwartet hättest. Dann wäre ich einfach aus der Dunkelheit aufgetaucht und..." Bevor er weiter sprach nahm er Anlauf, riss den Mund auf und knurrte, blieb jedoch kurz vor Alfred stehen, ehe dieser noch an Herzstillstand starb. "Ich hätte Dich schon längst töten können, mein Lieber. Aber ich möchte es nicht." Herbert wirkte beleidigt und ließ sich schwungvoll auf der kleinen Couch nieder, die ebenfalls vor dem Kamin stand. Natürlich konnte er Alfreds Angst irgendwo verstehen, besaß dieser doch einen ausgeprägten Lebenswillen... Mit wackeligen Knien stand Alfred da, starrte Herbert an und konnte wieder mal nichts sagen. Als dieser so auf ihn zukam und die Zähne fletschte, fürchtete der Lockenkopf eine Sekunde lang ernsthaft um sein Leben. Zum Glück ließ der Vampir es ihm und bewies damit auch, dass er Alfred nichts antun wollte - denn das hätte er wirklich schon längst tun können. "Also...", flüsterte der Blauäugige und biss sich nervös auf die Zunge. "Ihr habt ja Recht", gab er leise zu und ließ geknickt den Kopf hängen. Damit waren also all die Theorien, die der Professor bislang aufstellte, ungültig... und wahrscheinlich würde dieser es ihm nicht glauben! Abronsius glaubte nicht einmal das, was er mit eigenen Augen sah. Nur das, was er sich selbst erfand oder zusammenreimte. "Aber es fällt mir trotzdem schwer, das zu glauben. Mir wurde ein Leben lang eingetrichtert, dass Vampire grausame Monster wären! Dass sie nicht fühlen und sogar dem Teufel dienen... all das hat mir der Professor beigebracht, und jetzt soll es plötzlich anders sein?" Zusätzlich ließ er seine Schultern hängen und wäre am Liebsten in Tränen ausgebrochen. Ihm wurde das alles viel zu viel... und so langsam merkte er die Auswirkungen der langen Reise in seinen Füßen, die unglaublich schmerzten. Nicht lange auf der Couch ruhend schwang Herbert seine langen Beine von dieser und stand auf. Man konnte wirklich Mitleid mit Alfred haben, welcher aussah, als wäre eine für ihn heile Welt zusammengebrochen. Doch gab es etwas, das härter war als die Wahrheit? Wohl kaum und für Alfred war es besser, nicht mehr den Illusionen seines Professors nachzuhängen. "Du solltest jetzt lieber etwas essen", lenkte der Grafensohn schließlich ab und schob den Kleineren mit sanfter Gewalt aus dem Kaminzimmer. Alfred sah schwach aus, durstig und ausgehungert. Er konnte sich ja kaum mehr auf den Beinen halten. Wenn er erstmal etwas Warmes zu sich genommen und sich danach in einem weichen Bett aussgeschlafen hatte, würde es ihm morgen schon besser gehen, das wusste Herbert. Obgleich Alfred die Nacht in einem Vampirschloss verbrachte, würde der Grafensohn schon dafür sorgen dass er zu seiner so dringend benötigten Ruhe kam. Widerwillig ließ Alfred sich führen, auch wenn er wusste, dass Herbert es nur gut mit ihm meinte. Trotzdem, es handelte sich bei dem Weißblonden um einen Vampir, ein Wesen dem er nicht vertrauen wollte. Noch nicht. Erst als sie in der Küche ankamen und Alfred den Duft eines köstlich riechenden Bratens wahrnahm, verwarf der junge Nachwuchswissenschaftler alle zweifelnden Gedanken und blickte aus großen Augen auf den üppig gedeckten Tisch. So recht wollte er nicht glauben, dass all diese Köstlichkeiten für ihn bestimmt waren. Schmunzelnd beobachtete der Vampir den Gesichtsausdruck Alfreds. Dieser war so erstaunt wie ein Kleinkind, das an Weihnachten vor einem großen Stapel Geschenke stand. Von alleine würde der Wuschelkopf wahrscheinlich nicht darauf kommen, dass er sich jetzt hinsetzen konnte, um sich zu bedienen. Unter anderen Umständen hätte Herbert dieses Verhalten mehr als niedlich gefunden, aber viel wichtiger war jetzt, dass Alfred sich stärkte. "Cherie, setz dich doch. Kokoul hat nicht umsonst für dich gekocht." Liebevoll griff er nach der zarten Hand des Blauäugigen, führte ihn zum Tisch und machte eine schwungvolle Geste mit der Hand. "Und ja, das darfst du alles essen, falls du bis eben noch daran gezweifelt haben solltest." Ein triumphierendes Grinsen legte sich auf die blassen Lippen des Vampires, als er sah dass er damit genau den Grund für Alfreds Zurückhaltung getroffen hatte. Dieser schien immernoch sprachlos und ließ sich auf dem hölzernen Stuhl nieder, rückte etwas an den Tisch heran und lächelte dankbar. Um nicht gleich zu übertreiben tischte er sich nur wenige Kartoffeln und etwas Soße auf, ebenso wie ein kleines Stück Fleisch. Dann wollte er beinahe schon ein Tischgebet anstimmen, ließ es aber lieber, da ein Gebet wohl unpassend war wenn man mit einem Vampir am Tisch saß. Stattdessen probierte er einen kleinen Bissen, schenkte Kokoul ein großes Lob und aß weiter, nicht mehr ganz so zaghaft. Lächelnd stützte Herbert sein Kinn auf die Hände, nachdem er sich ebenfalls am Tisch niedergelassen hatte. Alfred zu beobachten machte wirklich Spaß, er war ein so unglaublich süßer Junge. Wie er sich zierte, vor Allem und Jedem.... Herbert hätte ihn am liebsten in die Arme geschlossen und geküsst. Doch irgendwann würde es soweit kommen, das spürte er einfach. So schnell würde er Alfred nämlich nicht gehen lassen, das stand für ihn fest... und da würde auch kein alberner Professor dazwischenkommen! Nachdem Alfred mit seiner zweiten Portion fertig war, strich er sich mit der rechten Hand über den gefüllten Bauch und schloss ganz kurz die Augen. Er fühlte sich wahrhaftig besser und vor allem lebendiger. Für einen Moment lang schob er alle Sorgen beiseite und konzentrierte sich ganz auf das Wohlgefühl das sich in ihm ausbreitete. Langsam schlug er die meerblauen Augen wieder auf und sah in Herberts Richtung, errötete kurzweilig, weil dieser ihn so verträumt und intensiv beobachtete. Mit einem Räuspern brachte er den Vampir in die Realität zurück, der einmal erschrocken blinzelte und sich dann aufrichtete. "Was ist denn, Alfred?" Dieser schob den Teller von sich und beobachtete, wie Kokoul ihm guten Rotwein in das Glas schenkte. Unweigerlich wurde Alfred an Blut erinnert und daran, dass Herbert ihm jederzeit in den Hals beißen könnte. Aber er hatte ja versprochen, dass er es nicht tun würde... nicht, ohne das Einverständnis des jungen Assistenten. "Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei Euch bedanken kann", flüsterte Alfred und umschloss das Weinglas mit seinen Fingern. Herbert tat wirklich viel für ihn, das musste er sich eingestehen. Und er musste auch zugeben, dass der Grafensohn sehr vertrauenswürdig wirkte, trotz seiner seltsamen Zuneigung zu Alfred. Herbert tippte sich kurz gegen das Kinn, tat so als müsse er sehr lange überlegen. Dabei war die Antwort schon lange gefunden. "Weißt du, ein wenig Gesellschaft wäre nicht schlecht. Ich war so lange alleine." Mit einem melancholischen Seufzen starrte er auf die Weinflasche, die auf dem Tisch stand. Die Einsamkeit nagte an ihm. Nicht so sehr wie an seinem Vater, aber dennoch wünschte Herbert sich endlich den Partner, mit dem er die Ewigkeit verbringen wollte. In all den Jahrhunderten hatte er so viele Jünglinge mit auf das Schloss genommen, immer in der Hoffnung dass er nicht mehr länger allein blieb. Noch konnte er nicht sagen, ob Alfred sein ewiges Leben versüßen würde... doch allein ein Blick in seine klaren, blauen Augen ließ sein totes Herz einen Hüpfer machen. Mit allem hätte Alfred gerechnet, nur nicht mit diesem Vorschlag. Herbert wollte, dass er weiter bei ihm blieb? Normalerweise schickte ihn doch jeder schnellstmöglich davon. "Ich würde Euch gerne etwas Gesellschaft leisten." Skeptisch beäugte er die rote Flüssigkeit in seinem Glas und schwenkte sie hin und her. Dann widmete er sich wieder dem Grafensohn und seufzte schwer. "Aber wenn der Professor tatsächlich noch leben sollte und mich hier findet, dann werden wir irgendwann nach Königsberg zurückkehren." Herberts Lächeln wirkte mehr betrübt denn fröhlich. "Natürlich", hauchte er und schenkte sich selbst Wein ein, von dem er einen großen Schluck nahm. "Das verstehe ich selbstverständlich, Alfred. Aber solange wirst du doch hierbleiben, oder?", wollte er hoffnungsvoll wissen und stellte das Glas auf den Holztisch. Nie zuvor hatte er dem Professor so sehr den Tod gewünscht wie in diesem Augenblick. Er würde Alfred nicht mehr gehen lassen, dass konnte sich dieser alte Kerl aber abschminken! Alfred wollte noch etwas einwenden, aber als er die Hoffnung und Aufrichtigkeit in Herberts Worten vernahm... da konnte er einfach nicht mehr widersprechen. Der Grafensohn wollte wirklich, dass Alfred noch ein wenig blieb. Und um ehrlich zu sein war das doch tausendmal besser als im tiefen Schnee durch die Wälder zu stapfen und einen Mann zu suchen, der womöglich gar nicht mehr lebte... Endlich nahm er den Mut zusammen und nahm einen Schluck des Weines, den er allerdings beinahe wieder herausprustete. Mit Müh und Not schluckte er den Alkohol hinunter und hielt sich hustend die Hand vor den Mund. Verdammt, er hätte das doch lieber lassen sollen, aber woher sollte er auch wissen, dass er nichteinmal Wein vertrug? "Cherie? Ist alles in Ordnung mit dir?" Besorgt den Kopf zur Seite neigend stand Herbert auf und klopfte dem zierlichen Mann bedächtig auf den Rücken. Gleichzeitig nutzte er die Situation aus, um durch diese weichen, blonden Locken zu streichen. "Verzeih mir, ich wusste nicht dass du keinen Alkohol verträgst." Seine Handfläche kam auf der Stirn des Assistenten zum Ruhen und er zog beide Augenbrauen nach oben. "Du hast ja Fieber, mein Freund!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)