Don't be afraid von Flughoernchen (Sequel zu "furimukeba itsudemo koko ni iru"! (Andere Sichtweise.)) ================================================================================ Ich wache auf. Bin für einen Moment völlig orientierungslos. Spüre einen warmen Körper gegen meinen Rücken gepresst. Wo...? Ah, das ist dein Schlafzimmer. Das ist dein Bett. Das bist du. Vorsichtig um dich nicht zu wecken befreie ich mich aus deiner sanften Umarmung und schlüpfe aus dem Bett. Ich mag es, neben dir aufzuwachen. Ich mag es neben dir aufzuwachen, wenn du noch schläfst. Aber... Suchend sehe ich mich im Zimmer um. Außerhalb des Bettes, außerhalb deiner Arme, ist es kalt, also werfe ich mir einen Bademantel über. Er ist weiß. Er riecht nach dir. Und er ist mir zu groß. Aber das macht nichts. Ich verlasse barfuß den Raum, darauf bedacht, dich nicht zu wecken. Auch im Wohnzimmer ist es kalt. Wo hatte ich meine Zigaretten deponiert? Auf dem Tisch. Du warst gestern zu müde, um sie dort zu bemerken, geschweige denn dich zu beschweren. Ich greife nach der Packung, denke darüber nach, wo ich hin soll und entscheide mich schließlich für den Balkon. Die Sonne scheint, aber warm ist es trotzdem nicht. Egal. Zum Rauchen reicht es. Zu diesem "langsamen (und teuren) Selbstmord", wie du es nennst, reicht es. Du magst es nicht, wenn ich rauche. Du hasst es. Doch solange ich mich einschränke, bist du bereit, es größtenteils zu ignorieren. Jedenfalls sagst du nichts dazu. Aber wann sagst du schon mal etwas? Du bist nicht der Typ Mensch, der viel redet. Du brauchst keine Fragen zu stellen um Antworten zu bekommen. Das macht mir Angst. Wie leicht es für dich war, hinter meine Maske zu sehen. Hinter meine Maske, die mich schon seit Jahren versteckt hat. Wahrscheinlich bist du der einzige Mensch, den sie nicht abhält. Du siehst sie. Aber du weißt, was dahinter liegt. Du magst mein wahres Ich, hast du gesagt. Ich versuche, dir zu glauben, aber es fällt mir schwer, weil *ich* es nicht mag. Weil Ich schwach bin. Weil Ich so leicht zu verletzen bin. Weil Ich Angst habe. Angst davor, mich zu offenbahren. Angst davor, verletzt zu werden. Angst davor, Schwäche zu zeigen. Aber davor hast du auch Angst, oder? Ich hatte dich noch nie zuvor weinen gesehen. Wir kennen uns schon so lange und kein einziges Mal hattest du einem von uns Tränen gezeigt. Und das, obwohl wir dich vermutlich oft verletzt haben. Mit bissigen Kommentaren. Mit unfreundlichen Gesten. Mit indiskreten Fragen. Du hast nur geschwiegen. Und dann standest du plötzlich mitten in der Nacht vor meinem Hotelzimmer. Weinend. Verzweifelt. Zuerst hatte ich gedacht, dass jemand gestorben sei, aber das war aus den zusammenhanglosen Wortfetzen, die du von dir gabst, nicht zu entnehmen. Die einzigen Worte, die ich verstehen konnte, waren "du", "Arm", "Blut" und "...tut so weh...". Ich habe dir nie gesagt, dass in diesem Moment für mich die Zeit kurz stehen blieb. Ich hatte schreckliche Angst! Um dich. Du sagst nie, wenn dich etwas bedrückt oder du Probleme hast! Und du sahst mich nur verwirrt an, als ich panisch nach deinen Armen griff. Sie waren blass und makellos wie immer. Und es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich den Grund deiner Tränen begriff. Wodurch habe ich es verdient, dass ein Mensch wie du um mich weint? Wodurch habe ich es verdient, dass ein Mensch wie du für mich lacht? Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Aber ich möchte dir glauben, wenn du sagst, dass du mir vertraust. Ich möchte dir vertrauen. Aber es fällt mir so schwer! Du weißt das, nicht wahr? Und du gibst mir das Gefühl, dass es in Ordnung ist, wenn ich dafür Zeit brauche. Warum brauche ich mehr Zeit? Warum brauche ich mehr Zeit als du? Da ist ein Geräusch. Ich hebe meinen Kopf und schaue direkt in dein besorgtes Gesicht. "Morgen..." Mehr kann ich nicht sagen, wenn du mich so traurig ansiehst. "Morgen...", kommt deine leise Antwort. Ich sehe auf die Zigarette und komme mir plötzlich so dreckig vor. Dieses Zeug könnte auch dich zerstören, einfach nur, weil du in meiner Nähe bist, wenn ich rauche. Also drücke ich die verdammte Zigarette aus. "Du wirst dich noch erkälten, nur im Bademantel. Es ist so kalt hier draußen." Nur ohne dich ist es kalt. "Dann wärm mich doch ein bisschen auf." Du sagst nichts, darum verlasse ich den Balkon. Wärmst du mich auf? Folgst du mir? "Ich hab Hunger...", eigentlich nicht. Aber ich will nicht so vor dir fliehen. Langsam öffne ich den Kühlschrank. Er ist so gut wie leer. Hast du vergessen, einkaufen zu gehen? Habe ich dich abgelenkt? Bin ich paranoid? "Das sieht aber mau aus.", stelle ich noch einmal laut fest und drehe mich zu einem anderen Schrank. Ich weiß, dass ich auch dort nichts finden werde. Du hast gar keine gesunden Lebensmittel mehr im Haus. Sie sind dir sonst immer so wichtig... Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, liegen überall meine Zigaretten in der Wohnung rum. Ich mache dich krank. Vollkommen unerwartet schlingen sich auf einmal deine warmen Arme um meinen Körper. Ich mache dich krank. Stört es dich nicht? Bin ich dir nicht lästig? Ich drehe mich um, fühle mich so sicherer, wenn ich meinen Kopf an deine Brust lehnen kann. Ich will nicht, dass dieser Moment vergeht. Wie kann ich ihn verlängern? "Was essen wir denn jetzt...?" Ich versuche es mit Konversation. Einem Kontakt. Irgendeinem. "Weiß nich...", antwortest du. Ich fühle, wie dein Griff ein wenig fester wird. Fühle, wie du dein Gesicht in meinem Haar vergräbst. Vielleicht möchtest du ja jetzt noch gar nicht gehen? "Aber du schmeckst auch gut.", murmel ich und versenke meine Zähne in deinem Hals. Nicht zu tief. Ich höre dich kurz auflachen, dann beginnt dein Oberkörper zu zittern. "... lachst du?", frage ich leise, traue mich nicht, laut zu sein. Ich spüre, wie du nickst und mich noch ein bisschen mehr an dich drückst. Fast hätte ich dir jetzt geglaubt. Aber als ich höre, wie du bebend einatmest, weiß ich es besser. Ich habe dir wehgetan. Ich verletze dich. Mit meinen Worten. Mit meinen Taten. Mit meinem Verhalten dir gegenüber. "... weinst du?" Ich kenne die Antwort. Du schüttelst den Kopf und ich spüre, wie du versuchst, den Griff um meinen Körper zu verstärken. Ich löse mich langsam von dir. "Hab ich dir wehgetan?" Ich kenne die Antwort. "Ich wollte dir nicht wehtun." "Ich dir doch auch nicht." "Wa-..." Dein Kopfschütteln unterbricht mich. "... komm her." Du hebst den Kopf ein wenig, siehst mich fragend an. Ich will nicht, dass du deine Tränen vor mir versteckst. Ich will nicht, dass du Angst davor hast, mir weh zu tun. "Komm her." Solange, du es bist, der mich verletzt, ist es okay. "Hab keine Angst..." Solange du es bist, ist es okay. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)